Mitten im syrischen Krieg läuft eine Fabrik wie geschmiert – Dokumentarstück „The Factory“ bei der Ruhrtriennale

Ein Stück auf Arabisch über den Krieg in Syrien – wäre man da nicht verloren und hilflos angesichts des Schreckens, den es buchstäblich schwer fällt zu begreifen? Aber wenn sich das Theater dieses Themas annimmt, sollte man als Zuschauer nicht zumindest den Mut haben zuzusehen? In Koproduktion mit der Volksbühne Berlin zeigte die Ruhrtriennale jetzt „The Factory“ von Mohammad al Attar in der Regie von Omar Abusaada auf PACT Zollverein in Essen.

Fotos: © Ant Palmer/Ruhrtriennale 2018

Brutale Kriegshandlungen gibt’s auf der Bühne zum Glück nicht so viele zu sehen, auch ist die Aufführung deutsch und englisch übertitelt, so dass man den drei Schauspielern und einer Schauspielerin gut folgen kann.

Dennoch tun sich Abgründe auf, und zwar durch den Einblick in das Machtgefüge des kriegsgebeutelten Landes, in das die politischen und wirtschaftlichen Akteure schuldhaft verstrickt sind.

„The Factory“ gehört zum Genre des Dokumentartheaters: Durch eine E-Mail eines ehemaligen Arbeiters (Mustafa Kur) beginnt die französische Journalistin Maryam (Lina Murad) die Geschichte der syrischen Dependance des Französischen Zementwerks Lafarge zu recherchieren. Erstaunlicherweise lief die Produktion im umkämpften Gebiet im Norden Syriens jahrelang nahezu ungestört weiter – selbst als der IS die Region einnahm. In Form von Interviews mit verschiedenen Akteuren deckt Maryam nach und nach auf, dass sich die Interessen des französischen Konzerns mit denen der verschiedenen Kriegsparteien vor Ort durchaus überschneiden können: Jeder von ihnen fand ein Zementwerk wohl recht nützlich, da ließe sich beim Wiederaufbau des Landes bestimmt eine Menge Geld verdienen; egal, wer hinterher regiert.

Fotos: © Ant Palmer/Ruhrtriennale 2018

Das Schicksal der Arbeiter schien dabei aber zweitrangig: Während diese noch in den schlimmsten Kämpfen in die Fabrik gezwungen werden und unter Kidnapping zu leiden haben, sitzen die Bosse im Exil und ziehen die Fäden. Doch auch ihren Argumenten geht man leicht auf den Leim: Da ist zum Beispiel der syrische Tycoon Firas (Ramzi Choukair), Sohn eines Generals, der dem Assad-Clan nahesteht. Schließlich hätten ja auch die Arbeiter ein Interesse daran gehabt, das Werk weiter zu betreiben. Immerhin lebten sie davon. Und warum eine gut funktionierende Fabrik zerstören? Hieße das nicht, total zu resignieren und jede Hoffnung aufzugeben?

Auch der syrisch-kanadische Manager (Saad Al Ghefari) beteuert, nur aus edlen Motiven gehandelt zu haben – er regelte das mit den Bestechungsgeldern, wobei die Empfänger vom IS bis zu verschiedenen Kurdenparteien reichten. In der Außenansicht ist man schließlich gar nicht so sehr verwundert oder vielleicht an solche Geschäftspraktiken zu sehr gewöhnt. Denn gab es das nicht schon immer, auch von deutscher Seite: Paktieren mit zweifelhaften Machthabern im wirtschaftlichen Interesse? Bei gleichzeitiger moralischer Überlegenheit auf dem Gebiet der demokratischen Kultur? Vielleicht tragen deswegen die Schauspieler am Ende Masken, ein wenig, als hätte man ihre Gesichter einzementiert. Auf der dunklen Bühne leuchten nunmehr die kleinen Lämpchen an ihren Schutzhelmen und schaffen eine Verbindung zur Bergarbeiterkultur des Spielortes.

Letztlich schafft es der Artikel der Journalistin Maryam, wenigstens in Frankreich eine Untersuchung zu dem Fall einzuleiten. Doch der Krieg geht trotzdem weiter.

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