Soziale Miniaturen (1): An der Kasse

Die Frau, wahrscheinlich in den Fünfzigern, ist vielleicht
ein wenig verhuscht, aber überhaupt nicht verwahrlost. Sie hält noch etwas auf
sich, wenn auch nicht mehr so viel wie ehedem. Sie ist auf unscheinbare,
gläsern verletzliche Art adrett. Es ist, als stünde sie auf papierenen Füßen.
Sie lebt allein, so viel scheint gewiss.

Sie steht an der Kasse. Bevor sie an die Reihe kommt,
sortiert sie ihren bescheidenen Einkauf auf dem Laufband sehr sorgfältig um und
um. Geradezu liebevoll. Unsinnig liebevoll.

Der Kassierer tippt die Beträge ein und drückt die
Additionstaste. 19 Euro und… Mit Mühe kratzt sie knapp 16 Euro zusammen. Ihr
hilfloser Blick.

Dieser Kassierer, ein massiver Mensch, schlägt vor: „Was
brauchen Sie denn nicht so dringend? Dann lassen Sie das weg.“ Schüchtern rückt
sie zwei Joghurt-Becher beiseite. Er, gnadenlos pragmatisch: „Das bringt
nichts. Das ist nur ein Euro zehn.“ Ihr hilfloser Blick.

Es liegt schmerzlich zutage. Sie kann nicht einfach
per Karte zahlen. Was da liegt, ist das, was sie jetzt aufbieten kann.

Von hinten aus der Schlange meldet sich ein Gutmeinender:
„Wieviel fehlt denn?“ Keinerlei Reaktion. Noch einmal, ebenso vergebens:
„Wieviel fehlt?“ Achselzucken. Was soll man machen?

Sie verzichtet nochmals auf zwei, drei Posten, so dass ihre
Habe nun gerade reicht.

Ihr Lächeln ist fein, doch hört man nicht ein Klirren?