Trübe Gedanken im Dämmerlicht: Die Kultur und die Ruhe vor dem Sturm

Wer genau in die Gespräche hört, die Kulturpolitiker führen, die Finanzpolitiker führen, die Politiker ganz allgemein führen, der bekommt ohne Schwierigkeiten mit, dass wir uns im Auge eines Orkans befinden, der nicht nur dazu in der Lage ist, die Kultur aus der Fläche in der Republik zu radieren, sondern uns auf Jahre die Kultur zur gleichermaßen kostbaren wie kostspieligen Privatsache zu machen, die öffentliche Hand von dieser Infrakstruktureinrichtung komplett zwangszubefreien und sie denen zu überlassen, die noch mit ausreichend Finanzmitteln ausgestattet sind, sich solches Luxusgut leisten zu können. Einzelne Mäzene werden wieder an die Stelle des Staates treten, es bleibt deren gnädiger Spenderhand überlassen, welchem Kulturgut sie ihre finanzielle Gunst widmen.

Gerade einmal Bildung und ihre möglichst breite Wirkung ist noch in aller Munde, hat sie doch einen Aspekt wirtschaftlicher Verwertbarkeit, ist doch Wirtschaft in absehbarer Zeit darauf angewiesen, jede Restressource noch zu nutzen. Sie, die Wirtschaft, formuliert noch äußerst zurückhaltend, Politik eilt voraus, das Beste im Sinn, aber – wie am Beispiel konservativer Wandlung ablesbar – in Wahrheit Erfüllungsgehilfe interessierter Schichten mit Macht und Einfluss.

Es ist stiller geworden um mutmaßlich überflüssige Theater, es ist stiller geworden um Museen, deren Kosten aus dem Ruder laufen, es ist selbst stiller geworden um autonome Kulturprojekte, deren Kosten-Nutzen-Rechnung von jeher vielen als unausgeglichen erschien.

Das werte ich aber als vorübergehend als Ruhe vor dem Sturm, als Atemholen der Rotstift-Anbeter in immer farbloser werdenden Rathäusern. In ein paar Jahren werden unsere Städte in einem Eiltempo den Verödungsprozess beginnen, dessen Folgen irreparabel sein dürften. Wenige Metropolen behaupten sich, werden Horte der kulturellen Erbauung für weite Landstriche sein, während ebenso weite Landstriche im Dämmerlicht existieren.

Geisterhafte Erscheinung (Foto einer Fotokopie: Bernd Berke)

Geisterhafte Erscheinung (Foto einer Fotokopie: Bernd Berke)

 

Zunehmend werden die Gewählten sich dem nicht mehr zu widerstehenden Druck beugen, werden sie nachgeben, nachgeben müssen, weil dem Geld gefolgt wird, das nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, weil Geldsinn an die Stelle des Allgemeinsinns tritt. Steuern werden zögernd gezahlt, Gesetzgeber zögern, Steuern einzutreiben – könnte ja das Geld vertreiben – die öffentlichen Mittel reichen nur noch für wirklich notwendige Dinge, Kultur wird eines der Opfer sein, das als erstes auf den Altar gelangt.

„Wir können das doch teurer anbieten, die können das doch zahlen!“ Es ging nur um die Kosten einer Vormiete, die ohnehin schon über 75 Prozent Deckungsgrad erreicht – ziemlich viel. Nein, das waren die Worte von Grünen, nicht die der ins selbe Horn tutenden CDU. Klar, wenn ich weniger rauche, nur noch ein Glas Wein trinke, dem Sektchen entsage, eigentlich allem entsage, was Freude macht, dann kann ich mir das noch sehr lange leisten.

Wie gesagt, nur genau hinhören: „Müssen wir das eigentlich anbieten, die Nachbarstädte haben doch Theater, da kann man doch hinfahren?“ „Wollen wir noch subventionieren, Kindergärten sind doch wichtiger?“

Ja, das sind trübe Gedanken im Dämmerlicht, aber ehrlich, sind die so weit hergeholt, wenn es schon ausreicht, als Mitglied mittleren Adels ein Interview zu geben und anschließend daraus ein gebundenes Stück Kulturgut auf dem Markt für jedermanns Eitelkeiten vertrieben wird? Wir sind auf dem Wege, so was von herunter zu kommen, viele merken das nur noch nicht.