„Goldene Pracht“: 300 Objekte mittelalterlicher Goldschmiedekunst ab Februar in Münster

Es geht nicht nur um Reiz und Glanz des Edelmetalls: Die Ausstellung „Goldene Pracht“ in Münster will als interdisziplinäres Kooperationsprojekt das theologische, historische und soziale Umfeld beleuchten, im dem kostbare Werke mittelalterlicher Schatzkunst entstanden sind. Gemeinsam mit dem Landesmuseum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und dem Bistum Münster ist der Forschungsverbund „Religion und Politik“ an der Universität Münster an dem Projekt beteiligt.

Nach Aussage des Münsteraner Historikers Prof. Gerd Althoff würdigt die Ausstellung erstmals die Pracht westfälischer Goldschmiedekunst, die lange im Verborgenen schlummerte: „Im Vergleich mit den internationalen Spitzenwerken wird sich dem Publikum ihr hohes Niveau erschließen.“

Ab 26. Februar zeigt die Ausstellung auf 1500 Quadratmetern im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und in der Domkammer rund 300 Exponate aus dem 10. bis 16. Jahrhundert. Von den 240 Leihgaben kommen 220 aus Deutschland, 180 davon aus westfälischen Kirchen, Klöstern, Archiven und Museen. Der Rest stammt aus Belgien, Großbritannien, Finnland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. Das LWL-Landesmuseum und die Domkammer steuern selbst 60 Exponate bei.

Herausragende Stücke aus dem Ausland sind zum Beispiel die Thronende Muttergottes von Walcourt/Belgien, die weltweit älteste Monstranz aus der belgischen Abtei Herkenrode oder der Sifridus-Kelch aus dem finnischen Borga, der im 30-jährigen Krieg (1618-1648) aus dem Osnabrücker Schatz verschwand. Die Goldschmiedekunst wird in der Ausstellung ergänzt durch Skulpturen, Tafelbilder, Buchmalerei und liturgische Gewänder. Neben schriftlichen Dokumenten veranschaulichen sie den künstlerischen Rang, die Symbolik und die vielschichtige Bedeutung der Goldschmiedewerke.

Kennzeichen der Ausstellung ist der Vergleich westfälischer Goldschmiedekunst mit internationalen Arbeiten. So lassen sich nicht nur internationale künstlerische Einflüsse auf die westfälische Kunst entdecken, sondern auch die hohe Qualität der Objekte, meint der Kurator des Bistums Münster, Holger Kempkens: „Der Beckumer Prudentia-Schrein, in heimischer Goldschmiedeproduktion entstanden, wird neben dem berühmten Marienschrein aus Tournai erstrahlen, der aus der berühmten Werkstatt des Nikolas von Verdun stammt, dem Erbauer des Dreikönigsschreins im Kölner Dom.“

Reliquien-Statuette des Heiligen Laurentius, aus Senden (um 1390). (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster / Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif)

Reliquien-Statuette des Heiligen Laurentius, aus Senden (um 1390). (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster / Foto: Sabine Ahlbrand-Dornseif)

Nach Ansicht von Prof. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ schreibe die Ausstellung ein Stück westfälischer Geschichte neu. „Das Spätmittelalter stellt sich hier nicht als Zeitalter des Niedergangs dar, sondern als kulturelle Blütezeit: Ein selbstbewusstes Bürgertum stiftete aus tiefer Frömmigkeit hochwertige Kreuze, Kelche oder Schreine. Einige Klischees über die Provinzialität der Westfalen lassen sich im Licht der ‚Goldenen Pracht‘ über Bord werfen.“

Wichtigste Produktionsstätten in Westfalen waren zunächst die Bischofssitze Münster, Paderborn und Osnabrück sowie das Benediktinerkloster Corvey und das Frauenstift Essen, wie die Schau nach den Worten von Kurator Kempkens verdeutlichen wird. Ab dem 13. Jahrhundert entstanden die Werke zunehmend in den erblühenden Hansestädten Soest und Dortmund. Historiker Althoff: „Die Entstehung dieser goldenen Pracht stellt einen wesentlichen, bislang kaum erschlossenen Aspekt der Geschichte Westfalens dar und kann die historische Identität der Region genauso stärken wie die Erinnerung an den Sieg über die Römer und an den Westfälischen Frieden.“

Von der Kunstfertigkeit der Goldschmiede zeugen in der Ausstellung Schätze wie der Cappenberger Barbarossa-Kopf, das wohl erste Porträt des Mittelalters, das Borghorster Reliquienkreuz oder einzigartige Silberstatuetten wie die der Heiligen Agnes aus dem Münsterischen Domschatz. „Viele Stücke holen wir erstmals aus dem Verborgenen“, sagt Bistums-Kurator Kempkens. „So werden die Apostelfiguren vom Hochaltar des Münsterischen Doms nach Jahrzehnten zum ersten Mal wieder öffentlich zu sehen sein.“ Die Schau zeigt aber auch weltliche Kostbarkeiten wie das Osnabrücker Ratssilber.

Die Ausstellung „Goldene Pracht“ wird vom 26. Februar bis 28. Mai im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur und in der Domkammer in Münster gezeigt. Ein „Goldener Pavillon“ mit der Nachbildung einer mittelalterlichen Goldschmiedewerkstatt verbindet beide Ausstellungsorte. Das Museum hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Im Hirmer Verlag erscheint ein 480-seitiger Katalog, der in der Ausstellung 29 Euro kosten wird.

Info-Telefon: (02 51) 59 07-201. Internet: www.goldene-pracht.de

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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