Am Ende droht die große Leere – Kinofilm „About Schmidt“ mit einem grandiosen Jack Nicholson

Von Bernd Berke

Die Anfangs-Szene ist ganz konzentriert, sie bannt unheimlich stille, zerdehnte Momente des Wartens: Ein Mann allein im Büro. Seine Aktentasche. Eine Wanduhr. Er blickt müde hin. Die Zeit tickt. Als der Zeiger zur nächsten vollen Stunde umspringt, war’s das mit dem Arbeitsleben: Der Versicherungs-Statistiker Warren Schmidt ist ab sofort im Ruhestand.

Was nun? Sequenzen von solch ufigeheurer Dichte, die Einschnitte im Leben markieren, enthält dieser Film von Alexander Payne häufig. „About Schmidt“ geht frei und doch treffsicher mit der Romanvorläge von Louis Begley um, auf dem Papier war z. B. die Hauptfigur Anwalt und kein Versicherungsmann. Egal! Nicholson spielt hier eine ganz große Altersrolle; würdevoll und doch bestimmt vom leisen Schrecken des nahenden Todes, des womöglich gescheiterten Lebens.

Es zerreißt einem ganz sachte das Herz, wenn man sieht, wie dieser Schmidt mit den ersten arbeitsfreien Tagen so gar nichts Rechtes anzufangen weiß. Mal geht er lustlos einkaufen, dann wieder hockt er vor dem Fernsehgerät, wo er allerdings mittendrin aufhorcht: Eine Hilfsorganisation wirbt um zahlende „Paten“ für arme Kinder der Dritten Welt.

Ein Kinderbild scheint den ganzen Sinn des Lebens zu enthalten

Schmidt wird für den kleinen Ndugu aus Tansania monatlich Geld spenden und ihm lange Briefe schreiben, in denen er sich (zunehmend wahrhaftig) seiner selbst versichert. Die Schrift gerät zur Hoffnungslinie. Und am Ende wird als Antwort ein von Ndugu gemaltes Bild eintreffen, das in seiner vermeintlichen Naivität den ganzen Sinn des Lebens zu enthalten scheint…

Doch zunächst geht’s bergab. Schon bald besucht Warren Schmidt seinen jungen Job-Nachfolger. Der Schnösel begrüßt ihn mit großem „Hallo“, hat sich aber bereits bestens im Office eingerichtet und gibt mit jeder dynamischen Geste zu verstehen, dass er keinen erfahrenen Rat mehr braucht. Seiner Frau wird Schmidt jedoch vorgaukeln, er habe in der Firma noch einmal helfen können.

Die ihm nun ganztägig nahe Gattin (June Squibb), so denkt Schmidt bei sich, widert ihn nach 42 Jahren Ehe an. Ihre lachhaften Gewohnheiten, ihr Geruch gar. Waren sie einander überhaupt die Richtigen? Oder hätte „alles anders“ verlaufen müssen?

Wenigstens die Tochter vor einer üblen Ehe bewahren

Achtlos geht Schmidt eines Tages aus dem Haus, als sie die Wohnung saugt. Wenn er zurückkehrt, surrt der Sauger noch immer genau so – nur: Sie liegt tot auf dem Fußboden. Selbst wenn es eine späte Befreiung vom Ehe-Jochsein sollte, so schmerzt es doch. Nicholson zeigt alle Facetten zwischen dem (schalen) Triumph des Überlebenden und tiefster Bestürzung.

Nun droht die ganz große Leere. Denn auch die geliebte Tochter Jeannie (Hope Davis) wohnt weit entfernt, findet nur Zeit für eigene Belange. Zudem will sie den reichlich deppert wirkenden Randall (Dermot Mulroney) heiraten, der mit Wasserbetten handelt und überwiegend ungehobelte Verwandte hat. Schmidt zürnt: Ach, könnte er der Tochter doch die üble Liaison verbieten! Aber als alternder Mann ist man ja machtlos.

Schluss jetzt mit Erstarmng: Warren Schmidt macht sich mit dem Wohnmobil auf den Weg, besucht Stätten seiner Jugend, atmet unter weiten Himmeln durch, wird weltfromm unterm Sternenzelt. Dann wiede fürchtet er, sein Leben verrinne folgenlos.

Grandios lässt Nicholson die inneren Kämpfe ahnen bis zur notgedrungenen Hochzeitsrede für seine Tochter. Am liebsten würde er mit derben Worten die Feier platzen lassen, doch er nimmt hinter jeder Satzbiegung gerade noch die Kurve ins halbwegs Sozialverträgliche. Noch so eine brillante Szene.

Immer wieder werden in dieser bewegenden Spätlese eines Lebens Toasts und Trinksprüche an feierlichen Tischen ausgebracht. Es sind meist wohl gesetzte Lügenworte. Dahinter aber lauern die existenziellen Fragen.