Die Sehnsucht nach Ironie und Humor im Theater – Fritz Kater gewinnt den Mülheimer Dramatikerpreis

Von Bernd Berke

Mülheim. Herrje, was war das für ein Kopf-an-Kopf-Rennen beim Mülheimer Dramatikerwettbewerb „stücke 2003″! Um Mitternacht lag in der öffentlichen Jury-Diskussion Roland Schimmelpfennigs „Vorher/Nachher“ noch mit drei Stimmen in Front. Aber dann! Da wechselten unversehens zwei Damen des Gremiums (Luzerns Intendantin Barbara Mündel und die Schauspielerin Verena Buss), deren erklärte Lieblingsdramen bereits ausgeschieden waren, das Lager und plädierten nun unisono für Fritz Katers „zeit zu lieben zeit zu sterben“.

Jetzt stand es plötzlich drei zu drei. Traditionell wiegt in Mülheim das Votum des gesamten Festival-Publikums eine Jury-Stimme auf. Und das gab diesmal den Ausschlag: Die feucht-fröhliche und doch anrührende Groteske über das Scheitern einer Liebe zwischen Deutschland Ost und West lag in der Gunst der Besucher denkbar knapp vorn („Notenschnitt 1,99″). Ergo: Fritz Kater (bürgerlich: Armin Petras) bekommt diesmal den mit 10.000 Euro dotierten Preis.

Roland Schimmelpfennig hatte mit seinen 51 episodischen, oft surreal-märchenhaften Szenen, die gleichfalls um die schiere Unmöglichkeit der Liebe in diesen wehen Zeiten kreisen, das Nachsehen („Note 2,19″). Schade, schade.

Diese zwei am höchsten gehandelten Stücke erfüllten einen ansonsten meist vergebens gehegten Wunsch nach mehr Humor und (Selbst)-Ironie in der aktuellen Dramatik. Jurorin  Barbara Mundel wunderte sich: „MUSS Theater eigentlich immer nur schmerzen und verstören?“ In der Tat: Orgien des Weltekels und der allzeit rinnenden Körperflüssigkeiten wie Marius von Mayenburgs „Das kalte Kind“ gibt es mehr als genug.

Lebhaftes Desinteresse an Ulrike Syhas „Nomaden“

Geradewegs eine Zumutung war am Abschlussabend Ulrike Syhas ungelenker Versuch „Nomaden“, zwangsläufig hilf- und ratlos dargeboten vom Landestheater Tübingen. Das steife Stück spielt in einer endzeitlichen Stadt, in der offenbar diverse Terrorgruppen einander bekämpfen. Letztlich muss jeder jedem misstrauen, weil jeder jeden betrügen könnte. Ein schmaler Befund, der sodann endlos wiedergekäut wird.

Bis man überhaupt auseinander halten kann, wer wann mit wem oder gegen wen paktiert, ist die Aufmerksamkeit längst erstickt. Großmäulige Zeitgeist-Phrasen wie „Grammatik der Ödnis“ fallen wie faules Obst. Die nie nachvollziehbare „Räuberpistole“, die die Apokalypse stemmen will und sich in puren Behauptungen erschöpft, findet zu keiner eigenen Sprache, hat keinerlei konturierte Figuren – eine theatralische Wüstenei, die sozusagen lebhaftes Desinteresse weckt.

Eine gut geölte Sprach-Maschinerie

Ungleich anregender der vorletzte Beitrag im Wettbewerb, Martin Heckmanns Collage „Schieß doch, Kaufhaus!“ (Koproduktion Jena/Dresden, Regie: Simone Blattner). Fürchtet man zunächst, hier gebe es nur hektischen Sprach-Kampfsport und Turnmatten-Theater, so schälen sich aus dem Gruppenauftritt alsbald gliedernde Rhythmen heraus, als sei da eine bestens geölte Wort-Maschinerie am Werk. Die Tonlage oszilliert irgendwo zwischen Agitprop und Rap. Doch Heckmanns lauscht dabei auch kleinen, alltagsnahen Sehnsüchten und Nöten nach. Keine geringe Sache!

Wie kann man unter dem Bann der Globalisierung („Tenor der Ökonomie“) eine widerständige Sprache behaupten, und wie bringt man das Private darin unter? Mit solchen Fragen jongliert dieses pointierte Stück, das denn auch die allerbeste Publi- kumsnote erhielt.