Die Vorfahren reden mit eindringlichen Stimmen – Arno Geiger stellte seinen Roman „Es geht uns gut“ in Dortmund vor

Von Bernd Berke

Dortmund. Eigentlich wollte Arno Geiger (37) einen Anti-FamiIienroman schreiben. Doch quasi hinterrücks ist ein Familienroman daraus geworden, allerdings ein ganz besonderer. Und der heißt auch noch verheißungsvoll „Es geht uns gut“.

Der gebürtige Bregenzer hat dafür 2005 den erstmals verliehenen Deutschen Buchpreis erhalten. Die Auflage steuert nun auf fabelhafte 250 000 zu, in Österreich verwies der Roman sogar „Harry Potter“ auf Platz zwei. Ein wahrhaftiger Bestseller-Autor also, der sein Erfolgsbuch jetzt im Dortmunder Harenberg City-Center vorstellte. Abermals war’s ein literarisches Ereignis der Reihe „Kultur im Tortenstück“, die von der WR mitgetragen wird.

Beim Lesen wiegt sich Geiger innig im Text, er schmiegt sich mit dem Oberkörper in die Satzmelodien hinein. Worum geht’s? Der junge Antiheld Philipp erbt das Haus seiner Großmutter und „entsorgt“ nach und nach sämtliche Erinnerungstücke. Dann aber beginnen die Stimmen der vorherigen Generationen für sich zu sprechen; unaufdringlich aber eindringlich. Unabweisbar.

Geigers Geschichten gleiten ständig in neue Perspektiven, die Übergänge sind oft fließend. Anhand einiger Tagesdaten zwischen 1938 („Anschluss“ Österreichs) und 2001 schildert der Autor in erdnaher, oft fast beiläufig klingender Sprache Begebenheiten aus dem Familienleben – vom verräterisch unterkühlten Ehedialog bis zum Tod der Mutter durch Ertrinken in der Donau.

Dass im Alltag auch gesellschaftliche Verhältnisse wirken, erfährt man hier nachdrücklich. Jede Figur, jede Szene in diesem Roman hat eigenes Gewicht, eigene Gültigkeit. Nicht zuletzt dieses scheinbar absichtslose Geltenlassen auch vermeintlich unscheinbarer Vorgänge stiftet den Zusammenhang der Episoden. Die harmlos klingende Titelformel „Es geht uns gut“ wird nicht rundweg dementiert, doch vielfach relativiert. So ist das Leben.

Lebhaftes Interesse bei der anschließenden Diskussion mit dem Autor. Geiger verrät dabei eine Quelle seines reichhaltigen Erinnerungs-Materials: In Wien wohnt er am Naschmarkt. Vom Trödel hat er dort schon einige Male alte Fotos und Briefe erworben. Sie zeugen von Zeitgeschichte, wie sie tagtäglich bei den Menschen angekommen ist.