Die Clubbisierung der Welt – Frédéric Beigbeder legt einen Tagebuch-Roman vor

Von Bernd Berke

So kaltschnäuzig kann man Tagebuch führen: „11. September 2001. Die Twin Towers sind eingestürzt. Nachmittags Schwimmbad.“

Man muss eben Prioritäten setzen: Derselbe Autor (der mit „Windows on the World“ freilich ein ganzes Buch zum Tenor des 11. September lieferte) lässt sich hier lieber lang darüber aus, mit wie vielen schönen Frauen ein Mann schlafen kann – rein rechnerisch besehen.

Der Franzose Frédéric Beigbeder schätzt in seinem frivolen Journal „Der romantische Egoist“, dass weltweit auf 1000 Frauen eine „Granate“ kommt. Folglich gibt’s auf Erden mindestens 3,5 Millionen „hinreißende Frauen“. Frei nach Adam Riese: „Um mit allen zu schlafen, müsste man… 1000 Jahre lang zehnmal täglich poppen.“ Spätpubertärer Wahn also.

Als die Groupies Schlange standen

Der 1965 geborene Beigbeder hatte mit seinem Buch „39,90″ international Erfolg. Genau in jener Phase setzt sein Tagebuch-„Roman“ ein. Plötzlich wurde er in einem Atemzug mit Michel Houellebecq genannt, zu lauter schrägen Events eingeladen – und die Groupies standen Schlange. Wow!

Dieser Autor, der die unverhoffte Prominenz wohl nicht verkraftet hat, maskiert sich notdürftig mit dem Pseudonym Oscar Dufresne. Doch hinter jeder Zeile lugt, heftig mit Zaunpfählen winkend und nach Bedeutung gierend, Beigbeder selbst hervor.

Er zeigt uns stolz die Früchte seines Ruhms. In gelackter Coolness schildert er jede ausschweifende Club-Eröffnung zwischen New York, Paris und Barcelona, bei der er mitgemischt hat. Haufenweise zählt er Promis auf, die auch dabei waren. Vor allem verschweigt Beigbeder nie, wie wild er’s in Sachen Suff, Sex und Koks getrieben hat. Nur manchmal, des Nachts, fühlt er sich ein wenig einsam und weint. Prahlerei und Wehleidigkeit wachsen hier auf einem Holz.

Apokalyptischer Hedonismus

Der literarische Mehrwert ist gering. Es springen nur dürre Weisheiten heraus, so die These von einer „Clubbisierung der Welt“: Wenn irgendwo eine hippe Disco oder ein Swinger-Club aufmacht, ist das irgendwie die heißeste Sache auf dem Planeten. In lichten Momenten weiß der Autor: Diese Oberflächen-Welt ist eigentlich furchtbar öde, aber man muss alles rausholen. Ergo huldigt er einem „apokalyptischen Hedonismus“, sprich: Er sucht maximale Lust in katastrophalen Zeiten.

Seine parasitäre Existenz ist ihm bewusst, zuweilen packt ihn gar ein schlechtes Gewissen. Als „romantischer Egoist“ ist er zudem für Verliebtheiten und seelische Verletzungen anfällig. Dann preist er unversehens geschlechtliche Treue, um gleich darauf wieder fremdzugehen. Es tönt das alte, hier auch noch früh vergreiste Lied: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.

Frédéric Beigbeder: „Der romantische Egoist“. Ullstein. 285 Seiten. 19,95 Euro.