Die Zeit fließt still und langsam durch die Bilder – Zeichnungen und Graphiken von Malte Sartorius im Schloss Cappenberg

Von Bernd Berke

Selm/Cappenberg. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.“ Das gute alte Goethe-Zitat trifft häufig zu. Für das künstlerische Werk von Malte Sartorius, das jetzt auf Schloss Cappenberg präsentiert wird, gilt es gleichfalls.

Früh hat Sartorius (Jahrgang 1933) erkannt, dass er als Maler scheitern würde, denn: „Ich denke nicht in der Farbe.“ Schon die schlierige Feuchtigkeit auf der Leinwand gefalle ihm an der Ölmalerei nicht, sagt er.

Also hat er er sich alsbald auf seine eigentlichen Begabungsfelder beschränkt: Zeichnung und Druckgraphik – zunächst noch mit fahlen Farben, dann in feinsten Graustufen. Darin hat es der emeritierte Professor (Kunsthochschule Braunschweig) längst zur handwerklichen Perfektion gebracht.

Seine Bilder sind geradezu auf fotorealistische Weise wirklichkeitsgetreu. Jeder Falten- und Schattenwurf, jedes Aufglimmen oder Gleißen des Lichtes sehen aus, als seien sie ganz unmittelbar da. Doch es ist Kunst, und also verbirgt sich etwas hinter der offensichtlichen Wirklichkeit.

Über 200 Arbeiten zeugen in Cappenberg von seinem präzisen Blick und von ungemein detailfreudiger Ausführung. Vor allem in Serien arbeitet dieser Künstler. Hat er einmal ein Thema für sich gefasst, so lässt er es so schnell nicht wieder los.

Oft stellt Sartorius nur ein paar Gefäße vor sich hin, breitet Textilien oder Früchte aus und zeichnet diese Stillleben dann geduldig bei wechselnden Tageszeiten. Immer wieder anders ergießt sich das Licht auf die gleichen Dinge. Es ist, als schleiche oder fließe die vergehende Zeit hindurch. Doch hier herrscht keine Verzweiflung über Vergänglichkeit, sondern milde, weise Betrachtung. Und manchmal scheinen die gezeichneten Dinge insgeheim miteinander zu flüstern.

Beim Erzählen über seinen Werdegang (schon mal wochenlang die Schule geschwänzt,, stattdessen durch Frankreich getrampt und dergleichen „Jugendsünden“) kann sich Sartorius auf Nebenwegen ausgeschmückter Einzelheiten verlieren. Durchläuft sein Schaffensprozess wohl ähnlich selbstvergessene Phasen?

Sartorius` Wahrnehmung richtet sich meist aufs Unscheinbare, bewegt sich an den Rändern des Geschehens, meidet jedes Lärmen und Getue. Selbst New Yorker Straßen finden bei ihm zu einer fast erhabenen Ruhe – all jene Mülltonnen, Feuerleitern oder Hydranten in der Stille von Sommernachmittagen. Wie auf Pinnwänden hat Sartorius Motiv an Motiv gefügt und dabei manche Bilder halb hinter anderen versteckt. Die Kunst des Weglassens.

Eine andere (Zeit)-Reise führte ihn 1989 in die entlegene chinesische Provinz Anhui, in der sich noch eine vormoderne Atmosphäre gehalten hatte. Auch hier waltet Stille. Und die angeschauten Dinge kommen einem so vor, wie es jener Filmtitel von Wim Wenders paradox besagt: „In weiter Ferne so nah.

Malte Sartorius: „Von der Suche nach Größe im Kleinen“. Selm, Sçhloss Cappenberg. Bis 20. Mai. Geöffnet Di-So 10-17 Uhr. Eintritt frei, Katalog 20 Euro.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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