Burleskes Puppentheater – Henrik Ibsens Drama „Hedda Gabler“ auf der Bühne des Dortmunder Schauspiel-Studios

Hedda Gabler (Bettina Lieder) in Video-Projektion auf Kulisse (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Hedda Gabler (Bettina Lieder) in Video-Projektion auf Kulisse (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Wenn eine veritable Hedda Gabler den Weg auf den Dortmunder Theaterspielplan findet, dann weckt das Interesse. Ibsens grundwütige, die Konventionen mißachtende, todunglückliche und dramatisch starke Frauenfigur in den Händen eines 27jährigen Jungregisseurs – was muß man da befürchten? Nun, bald merkt man schon: nichts. Hedda Gabler interessiert ihn anscheinend kaum. Gewiß, sie ist allemal gut dafür, die qualvolle, allseitig begrenzte norwegische Gutbürgerlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts zu entlarven, aber damit hat es dann auch sein Bewenden.

Wenn es also intensiv wird, wenn etwa Hedda Gabler in höchstem Zorn verkündet, keinen Kinderwunsch zu haben und gewiß zukünftig auch keinen zu entwickeln, dann muß lautes Geschrei für die Dramatisierung reichen, von gestufter Tragödie keine Spur. Bettina Lieder gibt die Gabler, und einmal mehr ist es ärgerlich, Ensemblemitglieder wie sie so unter ihren schauspielerischen Möglichkeiten agieren zu sehen.

Ein Störfaktor

Die vielschichtige, widersprüchliche Figur wirkt nurmehr wie ein Störfaktor für diese Inszenierung, der den Regisseur (natürlich nicht) daran hindern könnte, sein persönliches Stückverständnis vorzuspielen. Der Vermerk „in einer Fassung von Jan Friedrich“ auf dem Programmzettel ist wohl in diesem Sinne zu verstehen, auf jeden Fall ist er zutreffend.

Lustiges Puppenspiel mit (von links und kaum wiederzuerkennen) Bettina Lieder, Marlena Keil und Ekkehard Freye (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Wie Playmobil-Figuren

Heftig wird mit der Videokamera hinter der Bühne gefilmt und auf die Kulisse projiziert, was mit mehr Gewinn man auch an der (im Studio nicht vorhandenen) Rampe hätte spielen können, doch das ist, weil es in den Stadttheatern viele so machen, kaum noch der Rede wert.

Nein, der Clou dieser „Hedda Gabler“ ist, daß das Drama passagenweise ein Puppentheater ist. Stück-Einrichter Friedrich läßt, so könnte man vielleicht sagen, die Szenen gesellschaftlicher Konvention von Darstellern mit kitschig idealisierten Puppenköpfen spielen, die ähnlich wie Playmobil-Figuren durch den Raum staksen. Schauspieler am Bühnenrand, was für ein Verfremdungseffekt, geben ihnen ihre Stimme.

Es droht ein böses Ende mit der Handfeuerwaffe. Szene mit Bettina Lieder (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Leidende Barbiepuppe

Sobald der Konversationston Pause hat, wenn es verbindlich und konflikthaft wird, spielen Realmenschen vor und hinter den Kulissen. Wenn aber Hedda ihrer Konkurrentin Elvsted an die Wäsche und vor allem an die roten Haare geht, dann muß eine Barbiepuppe leiden, wehrloses Objekt der heftigen aggressiven Impulse unserer Titelheldin. Verstanden hätte man das naturalistische Stück natürlich auch ohne Puppenspiel, und es fällt schwer, in dieser penetranten Trennung der Ebenen inszenatorischen Mehrwert zu entdecken. Für städtische Bühnen, für das Erwachsenen-Theater also, ist diese Puppenhaus-Inszenierung unerfreulich schlicht.

Japsen und Piepsen

Was die Darsteller am Bühnenrand an Stimmen aus dem Off produzieren, wirkt allerdings beeindruckend. So stöhnt, schnauft, japst, hechelt Christian Freund als Ejlert Lövborg auf bewunderungswürdige Weise einen eher unsichtbaren, aber fraglos heftigen Koitus mit der Titelheldin in den Zuschauerraum; Marlena Keil, vollschlanker Neuzugang und unbedingt ein Gewinn, macht die Barbiepuppenfolter zu einem respektgebietenden Fiepsstimmensolo, und Uwe Rohbeck vertont, hoch präsent wie immer, den piefig-tumben Tesman (Ekkehard Freye), der Hedda eigentlich nicht verdient hat. Das sorgt für Heiterkeit und Kurzweil, immerhin.

Wünsch dir was

Ach ja, die Gabler. Wie Flauberts Madame Bovary, an die Hedda Gabler durchaus denken läßt, bleibt sie bis zuletzt unverstanden und einsam. Vielleicht fragt demnächst ja mal eine Inszenierung nach Frauenbild und Frauenrollen, nach Heute-Bezug, „Me too“-Bewegung, Quoten oder ähnlichem. Nicht eine Aktualisierung mit der Brechstange wäre wünschenswert, sondern die möglichst intelligente Fortschreibung der Befassung mit einem keineswegs erledigten Themenfeld. Für eine Burleske ist Hedda Gabler eigentlich zu schade.