Pubertäts-Hölle in Rauch und Flammen – Marius von Mayenburgs „Feuergesicht“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Tierquälerei, Inzest mit der geistig wirren Schwester, vielfache Brandstiftung, Elternmord. Wenn in Marius von Mayenburgs Stück „Feuergesicht“, das jetzt in Wuppertal Premiere hatte, am Ende alles in Flammen aufgeht, hat die Hauptfigur Kurt ihr Vernichtungswerk getan.

Kurt, dieser Rebell ohne konkreten Grund, findet Welt und Menschen ganz pauschal zum Kotzen. Schon seine Geburt glaubt er als Geisterbahnfahrt erlebt zu haben. Nun, da er seine Pubertät durchleidet, will er sich – typisches Zitat – „rauskappen aus den Verbindungen und einzeln werden, raus mit den fremden Gedanken und alles dicht machen, nach außen keine Fühler mehr, nur noch Waffen, wie eine Qualle…“ Zurüstungen eines Amokläufers.

Mayenburg mag’s sprachlich heftig. Steigt Kurt mit seiner Schwester Olga ins Bett, so sieht er sich gleich „auf dem Matratzenrand detonieren“. Gemach! Von Anfang an steht der Text dermaßen unter Dampf, dass man etliche Ventile öffnen müsste. Mayenburg berauscht sich verbal an Phänomenen und Phantomen der Gewalt. Er scheut indes die Mühen der Herleitung.

Die Eltern sind nur Popanze

Auch fehlt jede ernstliche Gegenkraft. Kurts Eltern sind nur Popanze. Der Vater (Hans Richter) liest sabbernd Hurenmord-Berichte in der Zeitung, die Mutter (Andrea Witt) drischt derweil hohle Sozialhelfer-Phrasen. Kurts Tun verweigert sich jeder Erklärung, doch der Mutter gilt das Feuerlegen als „Hilfeschrei“ des armen, armen Sohnes. Derlei familiäre Karikaturen lassen sich gar leicht denunzieren. Für solche Spiegelfechterei bräuchte man kein schweres Schwert.

Doch Mayenburg (27) gebärdet sich als Wüterich, ständig schreit er Feurio, Zeter und Mordio. Wohl nur ein ganz junges Regieteam wie jetzt in Wuppertal kann dem spatpubertären Furor dieses flackernden Sturm- und Drang-Elaborats halbwegs beikommen. Anja Niemann (Regie) und Birgit Stoessel (Ausstattung) lassen den in Dutzende von Mini-Szenen zersplitterten Text rasant losrattern, so als solle möglichst schnell ein Ende erreicht werden.

Mit Nuancen muß man sich hier eh nicht aufhalten. Der hitzige Sud aus Horror und grauslicher Komik strebt rasch strudelnd dem Ausguss zu. Ein Tisch, ein Tuch, karge Stühle, weiß gestrichene Bierflaschen, leere Papierfetzen – so ist die Vorhölle des Nichts „möbliert“. Bloß keine Umstände.

Vor eine weiße Wand starren

Montiert wird die Szenenfolge nicht mit barschen Blenden, sondern mit geschmeidigen Übergängen zwischen den Sequenzen, durch die jener mit Punkerfrisur versehene Kurt (Christian Doll) selbst etwas ratlos pöbelt und trudelt, während seine in sich gekehrte Schwester (Martina Reichert) ein paar innigere Szenen still rasenden Wahns zeigen darf.

Am Ende ist man weder schlauer noch sonderlich „betroffen“. Man hat nicht tief in den Abgrund geblickt, sondern in sinnlose Leere gestarrt wie vor eine weiße Wand. Auch eine Erfahrung. Aber was kommt danach?

Die nächsten Termine: 15., 19., 22. September im Pavillon der Kulturinsel Kluse (direkt neben dem Schauspielhaus).