Mühsam gebändigte Bestie – Werner Herzogs Film „Mein liebster Feind“ über Klaus Kinski

Von Bernd Berke

Mit dem 1991 gestorbenen Klaus Kinski hat Werner Herzog fünf Kinofilme gedreht. Kinski dürfte dabei Hunderte von Tobsuchtsanfällen ausgelebt haben. Er hat Herzog oft schier zur Verzweiflung getrieben, aber auch immer wieder zutiefst gerührt.

Solch einen Berserker kann man schwerlich vergessen. Werner Herzog erinnert sich so plastisch und drastisch, dass er seiner schwierigen Beziehung zum Hyper-Egomanen Kinski einen aufwühlenden Film widmen konnte: „Mein liebster Feind“.

Der Regisseur hat noch einmal die Stätten der meist wüsten Begegnungen mit Kinski aufgesucht. Dort erzählt er uns davon. In Archiv-Ausschnitten sehen wir sodann Kinski auf seiner wahnwitzigen „Jesus-Tournee“, in etlichen Filmszenen und bei den Drehs zu „Aguirre – Der Zorn Gottes“, „Fitzcarraldo“, „Nosferatu“, „Woyzeck“ und „Cobra Verde“.

Im südamerikanischen Dschungel herrschten ohnehin chaotische Bedingungen. Noch dazu drohte der durch Winzigkeiten beleidigte Kinski häufig, die Brocken ganz hinzuschmeißen. Herzog bellte einmal zurück: „Wenn du jetzt gehst, erschieße ich dich“. Heute sagt er: „Manchmal fehlt mir Kinski“.

Es liegt zuinnerst an dieser Hassliebe, dass man jetzt noch spürt, welche flammende Energie diese Filme Kinskis Präsenz verdanken. Herzog vermochte genau dieses unstete, gefährliche Flackern aus dem Schauspieler herauszuholen. Eine mühsam gebändigte Bestie.

Manchmal lief die Kamera damals weiter, wenn Kinski zwischen den Szenen immer wieder ausrastete, wild herumschrie, Mitwirkende beschimpfte oder gnadenlos schlug. Er war wohl wirklich so ungeheuer verletzlich, reizbar und aggressiv (oder schlichtweg „verrückt“?), wie es das Klischee besagt.

„Jeder Mensch ist ein Abgrund“

Als Kinski sich einmal bis zur Erschöpfung ausgetobt hat („Ihr Idioten, ihr Arschlöcher…“), sagt Herzogs Erinnerungs-Stimme aus dem Off: Dies sei ein vergleichsweise milder Anfall gewesen. Oha! Tatsächlich trugen sich beide gelegentlich mit ernsthaften Gedanken, einander umzubringen. Zwei Todfreunde, wenn man so will. Herzog, auch er auf seine (ungleich stillere) Art ein besessener Grenzgänger, bestätigt also die umlaufenden Kinski-Klischees, sucht sie aber dann zu durchbrechen.

In Gesprächen mit Eva Mattes (die im „Woyzeck“ die Marie spielte) und Claudia Cardinale (Kinski-Partnerin in „Fitzcarraldo“) wird klar, dass die Furie Kinski auch entspannte, einfühlsame, ja geradezu hilflos zärtliche Seiten hatte. Nur konnte die Stimmung von einer Sekunde zur anderen wieder umschlagen. „Jeder Mensch ist ein Abgrund“, fauchte Kinski – Georg Büchners Text gemäß – im „Woyzeck“. Er wußte wirklich, wovon er sprach.

„Wir waren bereit, miteinander unterzugehen“, sagt Herzog mit gepresster Stimme über sich und Kinski. Für ihn habe immer nur gezählt, was im Kino zu sehen war. Die Filme seien viel wichtiger als die Personen. Alle Qualen werden da nebensächlich. Herzogs Film zeigt uns nicht die graue Asche, sondern das anhaltende Nachglühen solcher Obsessionen.