Die große Langeweile mit den Außerirdischen – Anna Badora stemmt Vera Kissels „Die Apokalypse der Marita Kolomak“ auf die Düsseldorfer Bühne

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Es gibt Aufführungen, nach denen sich selbst der glühende Theaterfan fragt, ob er sich in diesen Stunden nicht lieber dem unmittelbaren Leben hätte zuwenden sollen. Einen solchen Abend bescherte jetzt das Düsseldorfer Schauspiel, wo Intendantin Anna Badora ein neues Stück zur Uraufführung brachte oder besser: schleppte.

„Die Apokalypse der Marita Kolomak“ stammt von Vera Kissel (40). Sie hat ein Journalistik-Studium in Dortmund absolviert und im Ruhrgebiet als Redakteurin gearbeitet. Irgendwann entdeckte sie ihre (halbwegs vorhandene) lyrische Begabung – und dann hat sie beschlossen, Dramatikerin werden zu wollen.

Das Handlungsschema der „Apokalypse“ ist rasch erzählt. In einer Dorfkneipe mit dem Namen „Wegsend“ (will heißen: Ende des Weges, will heißen: Verzweiflung am Schlusspunkt der Zeiten) erwartet man zu Silvester bebend die Ankunft eines Ufos (Teil 1), das aber nach der ersehnten Pause denn doch nicht gekommen ist (Teil 2). Vorhang zu und wenige Fragen offen.

Besagte Marita Kolomak (Heidi Ecks) ist die Frau des Wirtes „Jupp“ (Martin Schneider). Sie hat ihr Baby verloren, ist dem seherischen Irrsinn nahe. Nun hört sie „Stimmen“, welche die Ankunft von Außerirdischen ankündigen. Aussicht für alle Geplagten: Dann werde sich das Unterste nach oben kehren und umgekehrt, es werde eine neue Zeit anbrechen. Eine Handvoll anderer Enttäuschter zeichnet Maritas Gestammel („Und morgen und morgen und morgen…“) gläubig auf, fertigt Kopien und heftet selbige für den Tag X in Ordnern ab.

Eigentlich recht simpel: Die vom Leben Gebeutelten richten all ihr Warten und Hoffen auf ein Anderswo, sie projizieren munter drauflos und kompensieren ihre Defizite.

Eierlikör als Trost für Witwe Gisela

Die 17-jährige Juliane (Birgit Stöger) sieht ansonsten keine Zukunft für sich, Maritas Schwester Monika (Anke Schubert) wird ewig den „Mann fürs Leben“ suchen und nicht finden. Die Witwe Gisela (Anke Hartwig) trauert den Zeiten nach, da sie in der DDR noch solide Büstenhalter nähen durfte und wendet sich dem Damentrost Eierlikör zu. Der Student Tobias (Markus Danzeisen) verheddert sich in pseudo-wissenschaftlichem Gefasel. Nur Opa Schlott (Winfried Küppers) hat das Gröbste hinter sich und ist zufrieden, wenn Jupp „noch eine Lage“ Bier und Schnaps bringt. Er braucht keine Außerirdischen.

Die Bühne (Kathi Maurer, auch Kostüme) für dieses Panoptikum sieht aus, als solle Horváth oder Kroetz gespielt werden. Diese beiden, nebst Fleißer und Sperr, scheinen denn auch die Traditionslinie zu markieren, in der dieser Text sich sehen mag. Jene traurige Kneipe, über der der Pleitegeier schwebt, ist mit bunten Glühbirnen und Sternchen rundum dürftig dekoriert. Die farblich jeweils klar zugeordnete Kleidung (Marita in Gelb, Monika in Rot usw.) wirkt schräg, gestrig, ganz schön „daneben“ und lässt die Figuren debil aussehen.

In den besten Momenten klingen die Worte des Stückes nach lakonischen Volksweisheiten. Es ist viel Angelesenes und Angehörtes, hernach kaum verdautes und sprachlich nur zugerichtetes Zeugs drinnen. Knappe, oft lyrisch gedrechselte Sätze prägen den Stil: „Hab‘ sie weg“ heißt es statt „Ich habe sie weggegeben“. Es hört sich arg manieriert an.

Anna Badora lässt die Konfusion brav vom Blatt spielen. Treibende Konflikte gibt es im Grunde nicht, nur die beständige Erwartung einer Ankunft. Das Stück deshalb mit Samuel Beckett („Warten auf Godot“) verkuppeln zu wollen, wie es im Programmheft geschieht, ist sternenweit zu hoch gegriffen.