Zum Geist des Theaters gehört auch der Streit – Bochumer Ausstellung über Bühnenbilder von Gunilla Palmstierna-Weiss

Von Bernd Berke

Bochum. Schon mit 14 Jahren hat sie literarische Texte von Felix Timmermans aus dem Flämischen ins Schwedische übersetzt und als Buch publiziert. Zur gleichen Zeit betätigte sie sich als beachtliche Bildhauerin. Von der doppelten Liebe zur Literatur und zum Bildnerischen, die sich alsbald im Theater bündelte, ist diese Frau bis heute beseelt. Gunilla Palmstierna-Weiss, Witwe des berühmten Autors Peter Weiss, müßte es gar nicht betonen: „Ich bin keine Berufs-Witwe. Ich bin berufstätig.“

Jetzt stellt die Schwedin im Museum Bochum ihre bühnenbildnerischen Arbeiten aus. Zu sehen sind vor allem exakte Modelle – im Puppenstubenformat, freilich auf staunenswertem Kunstniveau. Frau Palmstierna-Weiss (Jahrgang 1928) ist selbstbewußt genug, um sich als Ko-Regisseurin solcher Größen wie Ingmar Bergman oder Peter Brook zu begreifen. Auch mit Fritz Kortner, Hans Lietzau und vielen anderen hat sie zusammengearbeitet.

Bestechende formale Klarheit

Wenn sie vom Werden gewisser Inszenierungen erzählt, begreift man, daß Theater nicht zuletzt aus Streit-Prozessen hervorgeht. Ohne Krach hinter den Kulissen ist wahre Produktivität kaum zu haben. Zumal mit Ingmar Bergman hat sich Frau Palmstierna-Weiss besonders gern auseinandergesetzt. Oft mußte nicht sie nachgeben, sondern er.

Die Bühnenbilder, Theaterplakate und Kostüm-Figurinen füllen in Bochum eine weitläufige Etage. Die Arbeiten bestechen sogleich durch entschiedene formale Reduktion und Klarheit. Nichts wuchert hier ohne Sinn, alle Elemente verweisen auf den Geist des Stückes. Gerade deshalb haften solche Schöpfungen mehr im Gedächtnis als jeder aufdringliche Firlefanz, weil sie dem ästhetischen Ganzen dienen und zuinnerst mit dem jeweiligen Stück verknüpft sind. Das ist heutzutage schon eine bemerkenswerte Qualität.

Bertolt Brechts Kreidekreis auf dem Fußballfeld

Auf bestimmte Stücke ist Gunilla Palmstierna immer wieder zurückgekommen: Fünfmal hat sie Strindbergs „Fräulein Julie“ bildnerisch gedeutet, gleichfalls fünfmal auch seinen „Totentanz“. Natürlich hat sie auch die Werke ihres Mannes („Trotzki im Exil“, „Die Ermittlung“, „Gesang vom Lusitanischen Popanz“ usw.) des öfteren ausgestattet.

Ihre Einfälle sind nicht weit hergeholt, sondern zwingend: Mozarts „Figaro“ rückt Frau Palmstierna-Weiss mit strenger Bauhaus-Ästhetik zuleibe, Lorcas „Bluthochzeit“ begeht sie mit Anspielungen auf Francisco Goya, für Shakespeares „Was ihr wollt“ stellt sie ein elisabethanisches Theater auf die Szenerie, Brechts „Kaukasischer Kreidekreis“ wird zum Anstoßkreis eines Fußballfeldes – und für Peter Weiss‘ „Der neue Prozeß“ collagiert sie Tafeln aus Reportagefotos mit Ausschnitten aus Gemälden von Hieronymus Bosch – Sinnbilder der Hölle auf Erden.

Farbiger Abglanz des einstigen Bühnenlebens

Die Bochumer Ausstellung wirkt so durchdacht und stimmig, daß sie (unerfüllbare) Lust auf die zugehörigen Inszenierungen weckt. Wie schade, daß es die höchstens noch als Filmaufzeichnungen gibt, daß Theater so flüchtig ist: „ Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze…“

Immerhin haben wir in Bochum einen farbigen Abglanz des einstigen Bühnenlebens. Und wir erfahren sehr sinnlich, welch enorme Bedeutung Farbskala und Lichtführung für die Stimmungswerte einer Regiearbeit haben. Gunilla Palmstierna stuft alle Bühnen- und Kostümelemente genau aufeinander ab. Farbtabellen, die an komplizierte Stundenpläne erinnern, zeugen von dieser Feinarbeit. Und wie grundlegend sich ein Bühnenbild durch wechselnde Beleuchtung verändert, das kann man als Besucher mit dem Dimmer-Schalter an einem Modell selbst ausprobieren. Es werde Licht…

Gunilla Palmstierna-Weiss. Bis 6. April im Museum Bochum, Kortumstraße 147. Di/Do/Fr/Sa 11-17, Mi 11-20 Uhr, So 11-18 Uhr, Mo geschlossen. Katalog 18 DM.