Ernste Gesänge: Angela Denoke und Hendrik Heilmann in der Reihe „Große Stimmen“ in der Philharmonie Essen

Angela Denoke erhielt ihr erstes Engagement am Theater Ulm. Weitere Stationen führten über Stuttgart und Wien zur großen internationalen Karriere. (Copyright: Johan Persson)

Auf der Opernbühne verkörpert sie häufig traumatisierte Frauen: Salome, Kundry, Jenufa, Katja Kabanova, die Marie aus Alban Bergs „Wozzeck“, die „Lady Macbeth von Mzensk“ von Schostakowitsch. Angela Denoke mag die abgründige Tiefe dieser Figuren, die Kraft ihrer Geschichten, die in Verbindung mit der Musik einen nachgerade unwiderstehlichen Sog entwickeln. Die Sängerin mit der rotblonden Kurzhaarfrisur und der norddeutschen Ausstrahlung – sie wurde 1961 in Stade bei Hamburg geboren – feierte mit ihren intensiven Rollenporträts weltweit triumphale Erfolge.

In der Philharmonie Essen war Angela Denoke zuletzt im Herbst 2018 in Arnold Schönbergs „Erwartung“ zu erleben. Nun kehrte sie als Liedinterpretin zurück, in der Reihe „Große Stimmen“, begleitet von dem Berliner Pianisten Hendrik Heilmann. Nachgerade vorösterlich geprägt schien die Werkauswahl der beiden Künstler. Die „Vier ernsten Gesänge“ von Johannes Brahms, die von letzten Dingen und der Eitelkeit alles Irdischen künden, gaben dabei den Weg vor. Nebenstraßen führten zu Alexander von Zemlinsky, Richard Strauss und Alban Berg.

Zentrale Bibelstellen hat Brahms in seinen „Vier ernsten Gesängen“ vertont. Texte wie „Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh“ oder „O Tod, wie bitter bist du“ inspirierten den Komponisten ein Jahr vor seinem Ableben zur musikalischen Bußübung, zum klingenden Lebewohl von dieser Welt. Angela Denoke trägt das ruhig schwingend vor, mit innigem Gespür für die tiefe Religiosität dieser Musik. Unterstützt von Hendrik Heilmann, der den anspruchsvollen Klavierpart zu atmosphärischer Dichte webt, steigt sie in die staunenswerten, volltönenden Tiefen ihres Stimmregisters hinab. Dabei erreicht sie einen Ausdruck von Wahrhaftigkeit, der alle Emotion hinter sich lässt – sogar die im Text formulierte Bitternis.

Denokes Mittellage ist so reich wie ihre Gestaltung schnörkellos. Das kommt den Liedern Alexander von Zemlinskys zugute, deren Wehmut und Melancholie sich fern aller Larmoyanz entfalten können. Ein Kunststück auch, wie die Sängerin „Geduld“ von Richard Strauss mit einem verhaltenen, aber intensiven Drängen erfüllt. Sich vom Grabesdunkel in lichte Höhen aufzuschwingen, bereitet ihr dabei leichte Probleme. Indes ist die teils etwas tief angesetzte Intonation sofort vergessen, wenn Gottfried Heinrich Stölzels „Bist du bei mir“ in balsamischer Schönheit dahin strömt. Das ehemals Johann Sebastian Bach zugeschriebene Stück (BWV 508) umhüllt den Hörer mit samtiger, vollkommener Harmonie.

Mehr Licht gönnt uns der zweite Teil des Abends, in dem es vor allem der Liebe gilt. In „Rote Rosen“ und „Die erwachte Rose“ beweist die Kammersängerin der Wiener Staatsoper ihre große Strauss-Kompetenz. Üppig und farbenreich rauscht das auf, ohne Höhenprobleme, dafür mit einem abgeklärten Glücksleuchten in „Freundliche Vision“. Stilsicher bereitet Hendrik Heilmann Rosen und Nachtigall eine duftige Klangkulisse, ohne ins Parfümierte abzugleiten. Aus vier weiteren Brahms-Liedern tönt die Wehmut wie ein fernes Echo. Dann legen Denoke und Heilmann blitzschnell einen Schalter um. Keck und leicht kommt ein Frühlingslied von Alban Berg daher. Mit changierenden Farben lockt Bergs „Das stille Königreich“, während Liebesglück und -leid in „Fraue, du Süße“ überströmend sinnlich besungen wird.

Den Schlusspunkt unter diesen Abend sollte Johannes Brahms mit seiner Vertonung aus dem „Hohelied der Liebe“ setzen. Aber die Künstler gönnen ihrem Publikum zwei Zugaben, die an den ernsten Beginn des Abends erinnern: „Allerseelen“ von Richard Strauss und „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ von Gustav Mahler. Die Denoke lässt ihre Stimme ins Nichts gleiten: still und gänzlich unprätentiös.

(Am So. 12 Mai setzen Christiane Karg, Thomas Quasthoff und Justus Zeyen die Reihe „Große Stimmen“ fort. Informationen: https://www.theater-essen.de/spielplan/a-z/christiane-kargthomas-quasthoffbelles-amours-83658/)