Ruhrfestspiele: Theaterzauber zum Jubiläum – Mit Piccoli, Robert Wilson, Peter Brook

Von Bernd Berke

Hamburg/Recklinghausen. Mit berühmten Namen lockt Hansgünther Heyme, künstlerischer Leiter der Ruhrfestspiele, zur Jubiläumssaison 1996. Wenn die Festspiele 50 Jahre alt werden, kommen u. a. Bühnen-Koryphäen wie die Regisseure Robert Wilson und Peter Brook sowie der Schauspieler Michel Piccoli nach Recklinghausen.

Heyme selbst sorgt für die große Eigeninszenierung (Shakespeares „Was ihr wollt“) und spielt dabei gar selbst den Haushofmeister „Malvolio“. Nach dieser Premiere (4. Mai) wird zur rauschenden Ballnacht gebeten.

Heyme stellte das Programm in Hamburg vor und brachte dem Chef des Deutschen Schauspielhauses, Frank Baumbauer, zwei mit Schleifchen versehene Briketts als Gastgeschenk mit. Denn im Austausch zwischen Ruhr und Alster hatte vor einem halben Jahrhundert alles mit dem schwarzen Gold begonnen.

Es begann in einem harten Winter

Der Gründungsmythos: Unter großem persönlichen Risiko (Verstoß gegen Vorschriften der britischen Militärregierung) lieferten Recklinghäuser Bergleute im Winter 1946/47 den frierenden Hamburger Schauspielern wärmende Kohle. Die Mimen revanchierten sich mit Vorstellungen im Revier, und daraus erwuchsen allmählich die Ruhrfestspiele. Ein umfangreiches Buch und eine Sonderbriefmarke sollen ebenso an die glorreiche Festspiel-Historie erinnern wie ein von Alfred Biolek moderierter Abend in Recklinghausen.

Von seinem Jubiläumsprogramm ist Heyme so überzeugt, daß er tollkühn „allen schwachsinnigen Musical-Produktionen“ zwischen Bochum und Duisburg den Kampf ansagt. Immerhin hat er mit dem Bertelsmann-Verlag einen neuen Sponsor gewinnen können. Als absolutes Highlight stellte Heyme „La malade de la mort“ (Die Krankheit Tod) heraus. Der US-Theaterzauberer Robert Wilson wird dieses Stück von Marguerite Duras in Szene setzen, Kino-Berühmtheit Michel Piccoli spielt jenen alternden Mann, der sich für einige Nächte ein Mädchen kauft.

Gar nicht heimliche Liebe zu Lausanne

Lausanne scheint Heymes gar nicht mehr so heimliche Lieblingsstadt in Sachen Theater zu sein. Nicht nur Wilsons Inszenierung ist eine Koproduktion mit dem Théâtre Vidy-Lausanne, sondern auch Peter Brooks Deutung der „Glücklichen Tage“ von Samuel Beckett sowie zwei weitere Heyme-Inszenierungen: Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (wird nahe der Recklinghäuser Zeche König Ludwig in einem Zeit gespielt, anschließend gibt’s Erbsensuppe beim Schein von Grubenlampen) und Sophokles‘ „Antigone“ als Wiederaufnahme.

Und nochmals Lausanne als Quellgebiet: Maurice Béjart kommt mit seiner Truppe zur Welt-Uraufführung des Tanzstücks „Messe für die heutige Zeit“. Vorgesehene Gastspiele beim „Europäischen Festival“ (Motto diesmal: „Kunst ist der Motor jeder Kultur“): Schillers „Don Carlos“ (Regie: Anselm Weber, Deutsches Schauspielhaus), George Taboris Inszenierung seines Stücks „Die Massenmörderin und ihre Freunde“ aus Wien, ein Fassbinder-Projekt aus Strasbourg und „Fura dels Baus“ aus Barcelona mit dem Stück „Manes“ um Geburt, Sex und Tod.

Komplette Programme, Kartenbestellungen (ab sofort): Ruhrfestspiele. Otto-Burrmeister-Allee 1. 45657 Recklinghausen. (023 61) 91 84 40.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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