Die Geschichte des Reviers mit den Ohren erleben – Tondokumente der Nachkriegszeit im Essener Ruhrlandmuseum

Von Bernd Berke

Essen. Mit mehreren Sinnen kann man jetzt in Essen die Vergangenheit des Reviers erleben. Als Ergänzung zur Fotoausstellung „Bildberichte – Aus dem Ruhrgebiet der Nachkriegszeit“ gibt es seit gestern ein akustisches Archiv zum selben Thema. Es macht im Essener Ruhrlandmuseum Originaltöne aus der Zeit hörbar. als die Region in Schutt und Trümmern lag.

Die auf historische Rückblicke spezialisierte Redaktion „Zeitzeichen“ des Westdeutschen Rundfunks hat tief in den Radio-Fundus gegriffen. Dabei kamen uralte Hörbilder und Reportagen zum Vorschein. So etwa die Straßenumfrage eines Hasso Wolf bei Schwarzmarkthändlern, die bereits im Kindesalter Zigaretten, Schnaps oder Nähgarn feilboten. Übrigens gingen damals stets die kompletten Namen der Beteiligten über den Sender. „Datenschutz“ war noch ein Fremdwort.

Museumsbesucher können sich nun anhand einer Liste eine Art „Wunschprogramm“ zusammenstellen lassen. Mitarbeiter des Hauses steuern dann die gefragten Tondokumente via DAT-Rekorder sekundenschnell an – und sogleich ertönen historische Stimmen von A wie Konrad Adenauer bis Z wie Peter von Zahn. Insgesamt stehen acht Stunden Bandmaterial an fünf Hörplätzen zur Verfügung.

Da kann man zum Beispiel noch einmal jene bangen und frohen Minuten nachempfinden, in denen zu Weihnachten 1955 die Züge mit den Kriegsheimkehrern aus der Sowjetunion eintrafen. Fußballfreunde werden vielleicht einen Stadion-Kommentar von anno 1945 abrufen. Nur die Spielpaarung (Auswahl Westdeutschland gegen Süddeutschland) ist bekannt. Wie das Match ausgegangen ist und wer der enthusiastische Reporter war, weiß niemand mehr. Immerhin ist das Band noch vorhanden. Etliche andere Zeitzeugnisse, weiß Hasso Wolf, sind unwiederbringlich verloren. Anfangs löschte und überspielte man zahlreiche Dokumente wegen Bandmangels, später sortierte man aus Platzgründen aus.

Aufschwung und Krise der Kohleindustrie, Personen und Probleme der ersten NRW-Landesregierungen, aber auch die Entstehung der heutigen Kulturlandschaft sind weitere Felder der akustischen Rückschau. Und schließlich gibt es auch echte Raritäten wie die Stimme jenes Autokonstrukteurs in Neheim-Hüsten, der dort nach 1949 mit der Produktion des Sauerland-Wagens „Kleinschnittger“ begann: Kaufpreis rund 2000 DM, 60 km/h Spitze und 2 Liter Kraftstoffverbrauch auf 100 Kilometer. Da hatten wir es also schon, das Öko-Mobil…

Ausstellung „Bildberichte – Aus dem Ruhrgebiet der Nachkriegszeit“ (Ruhrlandmuseum Essen, Goethestraße 41; verlängert bis 17. September, di-so 10-18 Uhr, do 10-21 Uhr, Eintritt 5 DM, Katalog 29,80 DM). Bis einschließlich 20. August: Hörarchiv (Audiothek) zur Geschichte des Ruhrgebiets, zugänglich in den Öffnungszeiten des Museums.