Bitteres Märchen zwischen Kloake und Herrgottswinkel – Werner Schwabs „Die Präsidentinnen“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. „Bis zu den Achselhaaren“ langt das Mariedl in die Kloschüsseln hinein. Verstopfungen zu beseitigen, das ist ihr dreckiger Job. Sie ist mächtig stolz, daß sie alles ohne Gummihandschuhe erledigt.

Menschen mit niedriger Ekelschwelle werden in Werner Schwabs Stück „Die Präsidentinnen“ öfter ein würgendes Gefühl in der Kehle spüren. Der Text suhlt sich in Fäkalien. Und er schraubt seine absonderlichen Ferkeleien, wie beim früh verstorbenen Fließbandschreiber Schwab (1958-1994) üblich, mit gedrechselten Formulierungen ins Existentielle hoch. Aber es sind doch nur Worte, Worte, Worte. Völlig synthetisch und daher im Grunde klinisch sauber.

In Dortmund, wo Johannes Zametzer inszeniert, spielt das Ganze dennoch im dunklen Keller der Armut – vor einer Kohlenhalde und Haufen schmutziger Wäsche (Ausstattung: Tobias Wartenberg).

Gegen die drei Personen (neben besagter Mariedl die vereinsamten Rentnerinnen Grete und Erna) ist das Hexentrio aus Shakespeares „Macbeth“ ein harmloses Kränzchen. Hier salbadern Figuren aus einem bitterbösen Märchen, debile und aufgedunsene Verzweiflungs-Clowns, die zumal den analen Kern handelsüblicher Volkstümelei (wenn Hosen rutschen und gebrunzt wird, gilt das allemal als Brüllwitz) in lauter Redespiralen umkreisen. Diese Sprache rotiert so besinnungslos wie die Waschmaschinentrommel auf der Bühne.

Fatale Fixierung aufs Hinterteil

Von Psychologen haben wir gelernt, daß allzu spezielle Fixierung auf den Hintern und seine Funktionen mit seelischer Verstopfung und Autoritätshörigkeit zu tun haben kann. Triviale Träume, die aus des armseligen Dasein herausführen sollen, und die Frömmelei eines verklemmten Katholizismus österreichisch-süddeutscher Spielart sind denn auch weitere Zutaten zur elend komischen Mixtur zwischen Kloake und Herrgottswinkel.

Man muß solch einen Text wohl nur zügig abschnurren lassen, dann setzt er schon frei, was in ihm steckt. Und man kann ihm ohne großen Schaden inszenatorisch so manches überstülpen – zwischen Anklängen an Thomas Bernhard, Beckett, Kroetz und Komödienstadl ist einiges möglich. Regisseur Zametzer baut vornehmlich auf Wahnwitz und Groteske, hinter denen man schaudernd die Abgründe ahnt.

In Dortmund läßt man das Stück nicht als Nebensache hingehen, sondern bietet das vielleicht beste Frauentrio des Hauses auf: Barbara Blümel als bigotte Betschwester Erna mit der schrillen Pelzkappe, die die keusche Liebe des gottesfürchtigen polnischen Fleischers „Wottila“ (!) herbeiphantasiert; Helga Uthmann als breitärschig-selbstgefällige Grete mit Turmfrisur und derben Sexualphantasien. Und Felicitas Wolf als von Pusteln und Kratzspuren übersäte Klo-Reinigerin Mariedl.

Mit ihrem teuflisch lieblichen Herz-Jesulein-Tonfall zerrt Mariedl am Ende all die Sehnsüchte der anderen zur nackten Wahrheit herab. In wilder Rache schneiden ihr die beiden die Zunge heraus. Die ungeschönte Wirklichkeit ist eben manchmal schwerer zu ertragen als ein stinkender Abort.