Segen von oben – „Pink Floyd“ im Müngersdorfer Stadion

Von Bernd Berke

Köln. Sind dies Töne vom Anbeginn der Schöpfung oder aus der Zukunft? Es puckert, wummert, wabert und vibriert – und ist doch pralle Gegenwart in einer lauen Sommernacht am Rhein: „Pink Floyd“ spielt im ausverkauften Müngersdorfer Stadion.

Die leicht ergrauten Herren David Gilmour (Gitarre), Nick Mason (Drums) und Richard Wright (Keyboard), verstärkt um einige exzellente Begleitmusiker und drei gesangsstarke Tanzgirls, sind natürlich nicht einfach eine Rock-Band. „Pink Floyd“ läßt sich mal wieder – von ganzen Heerscharen hinter den Kulissen – überaus machtvoll in Szene setzen. Ihr Auftritt gleicht einer gigantischen Liturgie, dementsprechend ergriffen nehmen die 65.000 Leute ihn entgegen. So gesehen, könnten die vielen Wunderkerzen und Feuerzeuge eigentlich die ganze Zeit über leuchten. Die Musik richtet sich gar nicht unmittelbar ans Publikum, sie schwebt von hoch oben auf die Zuhörer herab, als sei sie eine Segnung.

Die Gruppe und ihre ausufernden Gerätschaften sind in einer riesigen Bühnen-Muschel geborgen, in deren Zentrum eine Scheibe wie das Auge eines höheren Wesens starrt – sie wird zur Projektionsfläche für allerlei wahnwitzige Video-Schnipsel und gleichsam interplanetarisches Flackern, dazu schießen Batterien von Laserkanonen ihre grellbunten Ladungen in den Himmel.

Am Schluß des Konzerts senkt sich der Lichtkreis wie ein Heiligenschein über die Musiker. Sie servieren (immerhin von 21 Uhr bis kurz vor Mitternacht) eine ausgetüftelte Mischung aus alten Songs und aus ihrer neuen Platte „The Division Bell“. Droht der Spannungsbogen einmal wirklich abzuflachen, werfen sie sogleich einen Klassiker in die Bresche.

Kühle Kontrolle über die Technik

Gipfel im zweiten Teil des Konzerts: „Wish You Were Here“, dessen Anfangs-Akkorde wundersam durch die Nacht gleiten und dann volltönend anschwellen. Und dann selbstverständlich jene Hymne aus „The Wall“, mit der unsterblichen Zeile „We don’t need no Education“ (Wir brauchen keine Erziehung) sowie der barschen Aufforderung an die Lehrer, die Kinder endlich in Ruhe zu lassen. Neben uns springen Eltern mit ihren Teenager-Kids auf und singen lauthals den antiautoritären Text mit. Wir kennen keine Generationen mehr, nur noch Rockfans.

Im Grunde spielt „Pink Floyd“ einen einzigen, endlosen Titel, in dem man das gleichmäßige Ein- und Ausatmen der Zeit spürt. Sie sind sich – bis hin zu den neuesten Songs – treu geblieben, sind nur immer mehr gewachsen und angeschwollen. Die Geburt der Musik aus dem Geist der Elektronik haben sie schon in ihren LSD-durchtränkten Anfängen (um 1967) vollzogen. Was seither kam, war eigentlich eher Angleichung an neue technische Möglichkeiten. Das hat sie wohl auch interessant gemacht für die nicht ganz unbekannte Wolfsburger Autofirma, die ihr meistverkauftes Modell nach einer noblen Sportart benennt. Diese Firma sponsert die Tournee und darf sich im Gegenzug werblich am Image von „Pink Floyd“ laben. Erstrebter gemeinsamer Nenner ist wohl die kühle Kontrolle über komplexe Technik und eben jene erwähnte Dauerhaftigkeit des populären Seins.

Weit weniger unter Kontrolle waren die Anfahrtswege zum Stadion. Endlose Staus rund um die Stadt, danach ein Parkplatz-Chaos sondergleichen – die Polizei hatte offensichtlich vor dem Ansturm kapituliert. Tausende von Fans erreichten das Ziel ihrer Wünsche erst nach Konzertbeginn. In Dortmund klappt so etwas in der Regel weitaus besser. Und vermutlich auch in Gelsenkirchen, wo „Pink Floyd“ am 23. August „auf Schalke“ spielen wird.