„Kasimir und Karoline“ schleichen über den Rummelplatz

Von Bernd Berke

Essen. Herrje, was konnte dieser Ödön von Horváth für herrliche, trefflich-knappe Dialoge schreiben! Wenn so einer heute fürs Fernsehen arbeiten würde… Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ hatte jetzt in Essen Premiere. Kamen seine Qualitäten zur Geltung?

Das Stück erwischt seine Themen gleichsam im leichten Fluge und dennoch genau. Man müßte ein Wort wie „Tiefplauderei“ dafür erfinden.

Kasimir und Karoline sind ein Paar. Doch kaum wird der Chauffeur arbeitslos, wendet sich die aufstiegswillige Bürokraft leichtfertig dem Schnösel Schürzinger zu, der sie wiederum zwecks eigener Karriere seinem Chef, dem Kommerzienrat. zeitweise überläßt. Liebesbedürfnis reckt sich nach Geld, Geld kauft sich Liebedienerei. Dieser Reigen aus den 30er Jahren liegt uns nicht fern.

Doch was hat man nur in Essen – unter Regie des Niederländers Albert Lubbers – daraus gemacht? Es beginnt eigentlich verheißungsvoll: Wie auf Richard Oelzes unterschwellig apokalyptischem Gemälde „Erwartung“ steht das Bühnenpersonal anfangs da und schaut sehnsuchtsvoll einem Zeppelin nach. Dazu erklingt ein bedrohlich knarzendes Geräusch, wie denn überhaupt die Aufführung sich im Element der Töne (Musikalische Leitung: Alfons Nowacki) noch am besten hält.

Blaskapelle und Freakshow

Doch dann wird Auftritt für Auftritt ohne rechte Schattierung abgespult. Figuren stehen herum und wissen meist wenig miteinander anzufangen, nahezu jede Gruppierung hat einen schmerzlichen Stich ins Hilflose, desgleichen die Bühnenbilder (Rien Bekkers/Reinier Tweebecke) mit ihrem rührenden Aufwand.

Vor allern aber spielt man elend langsam, im schwerblütigen Schleichgang. Dabei ist man doch auf dem Rummel, sprich Münchner Oktoberfest, wo das Gefühls-Karussell ins Rotieren kommen müßte. Doch da ist kein untergründiges Rumoren, nur fader Vordergrund.

Hinzu kommt ästhetische Unempfänglichkeit für das Geflecht dieses Stückes. Es darf einfach nicht wahr sein, daß man nach der Pause für fast zehn Minuten eine bayerische Blaskapelle („D’lustigen Wendelstoana“) aufspielen läßt wie beim Musikantenstadl. Weiterer Mißgriff: jene Rummelplatz-Szene aus dem Abnormitätenkabinett, die den ganzen Irrsinn bildkräftig auf die Spitze treiben könnte. Doch hier erschrickt man nur über die Art und Weise der Behandlung, denn die Freakshow wird bruchlos dem dröhnenden Gelächter ausgeliefert. So hascht man nach Wirkung, die man anders nicht zustande bringt.

Der lediglich naiv klingende Hermann Große-Berg als Kasimir ist zudem eine Unterbesetzung der Rolle, er zieht auch Uta Krause (Karoline) nicht gerade hinan. Harald Koch als Schürzinger und Carsten Otto als Kommerzienrat entschädigen teilweise durch beherztere kleine Charakter-Studien.

Alles in allem bleibt aber unerfindlich, warum man sich gerade dieses Stück vorgenommen hat. Man muß wohl rein zufällig im Schauspielführer darauf gestoßen sein.. .