Meilensteine der Popmusik (30): The Beatles

Progressiv entwickelte sich die Popmusik des Jahres 1967 sowieso – einen besonderen Kick hätte sie eigentlich gar nicht nötig gehabt. Und dennoch kam er. Die beiden Genies, die einst eng befreundet waren und sich jetzt langsam auseinanderlebten, taten sich für ihr Meisterwerk doch noch einmal zusammen.

beatles

John Lennon und Paul Mc Cartney stießen die immer näher herankommende Konkurrenz zurück in ein tiefes, dunkles Loch. Die Beatles und ihre Plattenfirma hatten sich den genialen Coup einiges kosten lassen. Für damalige Verhältnisse waren die Dimensionen unvorstellbar: Jeder Song ihrer neuen LP sollte eine ganze Woche Aufnahmezeit beanspruchen, die Produktionskosten betrugen umgerechnet gigantische 115.000 Euro.

Und dann noch der (inszenierte?) Skandal, dass die BBC vorab in den Besitz von Bändern gekommen war und diese natürlich auch gleich spielte. Der weltweit avisierte Veröffentlichungstermin (1. Juni 1967) musste notgedrungen vorverlegt werden. Das ganze Drumherum erzeugte bei den Fans eine unvergleichliche Spannung, die sich in einem weltweiten Run auf diese Superscheibe löste. Allein in den USA wurden in der ersten Woche über eine Million Platten verkauft.

Zum Rekord passte das überaus aufwendige Cover, das in einer Collage ca. 60 Köpfe der Zeitgeschichte zeigte, von Laurel and Hardy bis Karl Marx, von den Rolling Stones bis Marilyn Monroe. Genauso vielfältig waren die Songs auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Selbst der sonst eher kritische John Lennon reagierte noch Jahre später euphorisch: „Sgt. Pepper ist das ultimative Album. Es war der absolute Höhepunkt. Paul und ich arbeiteten definitiv zusammen.“

Etwas realistischer sah es Produzent George Martin: „Sgt. Pepper war wohl in erster Linie Pauls Werk. John steuerte lediglich drei Songs bei.“ Trotzdem, zwei der wohl stärksten Titel entstanden in Gemeinschaftsarbeit: „With a little help from my friends“ und „A day in the life“. Mit erst einmal 7 Millionen verkaufter Exemplare wurde die LP damals Rekordhalter – bis auf weiteres.

Gruppen und Interpreten auf der ganzen Welt orientierten sich an diesem neuen Maßstab. Psychodelic-Rock hieß wenig später ein neuer Trend, u.a. auch zurückzuführen auf das Meisterwerk der Beatles. Sie selbst koppelten keine einzige Single aus. „Sgt. Pepper“ sollte jungfräulich zusammen bleiben, als das erste ganz große Konzeptalbum der Rock-Geschichte.

Für die Beatles wurde es der absolute Höhepunkt ihrer Karriere – gerade mal zwei Jahre vor der spektakulären Trennung. Diese zeichnete sich schon damals ab. John war nach der langen Produktionsarbeit müde und wollte kein Studio mehr sehen. Doch Abwechslung war nicht in Sicht. Das, was John und Paul vielleicht wieder zusammengeschweißt hätte, war illusorisch geworden, denn die neuen Songs ließen sich mit dem damaligen Stand der Technik auf gar keinen Fall live reproduzieren. Also gab es keine Rückkehr der Beatles auf die Bühne – diesem Platz, an dem sie vielleicht wieder den Spaß gefunden hätten gemeinsam zu musizieren, so wie nur wenige Jahre zuvor in Liverpool oder Hamburg, als alles begann mit dieser frühen Boygroup.

John, Paul, George und Ringo waren blutjung, und niemand konnte Anfang der 60er vorhersehen, dass hier etwas Einmaliges entstand: die Revolution der populären Musik. Was die vier auslösten, wurde fast über Nacht zu einem weltweiten, gesellschaftlichen Phänomen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten das ganze 20. Jahrhundert hindurch US-amerikanische Einflüsse, vom Jazz bis hin zum Rock´n´Roll, die Popmusik dominiert.

Nun tauchten im Gefolge der Beatles unzählige britische Gruppen auf und stürmten die Hitparaden. Selbst die Rolling Stones bekamen ihren Plattenvertrag bei Decca nur, weil man dort die damals noch unbekannten Beatles einige Zeit zuvor abgelehnt hatte und einen solchen Fehler nicht noch einmal begehen wollte. Und viele andere, neue Formationen folgten. Ängstlich und verschreckt sprach man in den USA schon von einer britischen Invasion: The Kinks, The Hollies, Dave Clark Five, Small Faces, The Who, Herman´s Hermits, Swinging Blue Jeans, Searchers, Animals…die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Für all´ diese Gruppen hatten die Beatles letztlich den Weg bereitet.

Bis heute wurden von der berühmtesten Band der Welt über eine Milliarde Platten, Cassetten oder CDs verkauft. Die meisten davon übrigens im Jahr 1980, als John Lennon am 8. Dezember von dem damals 25-jährigen David Chapman vor seinem Appartement in New Yorks Upper West Side erschossen wurde. Da waren die Beatles schon zehn Jahre Geschichte. Die Hoffnung von Millionen Fans auf eine Wiedervereinigung der Beatles hatte sich spätestens mit dem gewaltsamen Tod von John Lennon zerschlagen.

Es blieb bei der letzten gemeinsamen Presseerklärung der Beatles vom 10. April 1970: „Der Frühling ist da, und Leeds spielt morgen gegen Chelsea. Und Ringo, John, George und Paul sind am Leben, wohlauf und voller Hoffnung. Die Welt dreht sich weiter – so wie wir, und so wie ihr. Erst wenn sie aufhört sich zu drehen…das wird der Zeitpunkt sein, sich zu sorgen. Vorher nicht. Bis dahin sind die Beatles am Leben und wohlauf. Und der Beat geht weiter, der Beat geht weiter …“

Beatles on dailymotion

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25), The Eagles (26), The Who (27), Electric Light Orchestra (28), Prince (29)

 




Meilensteine der Popmusik (29): Prince

Das Geschäft war härter und noch körperlicher geworden. Genügte in den 50er- und 60er-Jahren ein Hüftwackeln von Elvis („The Pelvis“), oder ein unterstützendes Aufstöhnen von Tom Jones („The Tiger“), so ging es jetzt (fast zwei Jahrzehnte später) richtig zur Sache.

Michael Jackson prüfte durch Selbstbetastung, mehrmals pro Song, ob denn noch alles vorhanden sei. Hardrock-Gruppen ließen reihenweise die Hosen runter, Madonnas Möpse rotierten wie Pilotenaugen beim Sturzflug. Doch König der Geilheit war eindeutig Prince. Nie zuvor wurde ein Mikro so systematisch abgeleckt, ein Mikroständer so intensiv betastet und abgerieben wie vom kleinen Scharfmacher aus Minneapolis. Dazu ein Stöhnen, Ächzen, Aufjaulen, bis hin zu schrillen, ekstatischen Schreien. Ein Haufen verschreckter Kritiker vermutete sogleich den Kern etwaigen Talents in der Hose. Da lagen sie gar nicht mal so falsch.

 

PrinceDer kleine Prince Rogers Nelson hatte eine musikalische und doch disharmonische Kindheit. Sein Vater John, ein Jazzer, verließ die Familie, als Prince gerade mal 10 Jahre alt war. Als ein Stiefvater auftauchte, riss er aus und flüchtete zum leiblichen Vater. Dieser konnte seinem Sohn zwar musikalisch einiges bieten, ansonsten verstanden sich die beiden dann doch nicht so wie erhofft. Also pendelte Prince in Zukunft immer zwischen zwei Familien, auf der Suche nach Wärme. Die fand der mittlerweile 16-jährige im Keller einer Nachbarin. Zusammen mit deren Sohn schmückte er die kahlen Wände mit Kaninchenfellen und Spiegeln. In dieser heimeligen Atmosphäre entstanden Songs am Fließband, drei bis vier pro Tag. Prince hatte sich alle Instrumente selbst beigebracht, über 27 insgesamt (!). Ansonsten war er allein. „Ich hatte nichts um mich herum – nicht einen Menschen, als ich anfing zu schreiben. Ich vermied auch jeden Kontakt zu Mädchen. So entstanden reine Phantasien, zumeist sexueller Art.“

Ein kleiner örtlicher Studiobesitzer überließ ihm schließlich für die Produktion eines Werbe-Jingles seine Technik. Prince, die „One-Man-Band“, nutzte diese Chance und fertigte sogleich Demobänder an. Sie brachten ihm, dem absoluten Newcomer, einen phantastischen Plattenvertrag mit dem Plattenriesen Warner ein. Der gerade 18-jährige bekam völlige Freiheit als Künstler und Produzent. Er bedankte sich und klotzte ran wie ein Profi. Schnell war das großzügig bemessene 100.000-Dollar-Budget überschritten, die Plattenbosse waren erstaunlicherweise nur leicht irritiert. Sie setzten weiter auf  die zentralen Themen ihres Rookies: Sex und Einsamkeit. Schon mit der nächsten Scheibe wurden sie belohnt: Prince wurde der neue Dampfkocher des Soul-Rocks.

Fünf Jahre später, 1984, wurde diese ganze Lebensgeschichte noch einmal erzählt, vom Meister selbst. „Purple Rain“ war ein autobiographischer Film, den begeisterte US-Kritiker als besten Rockfilm aller Zeiten feierten. Prince hatte seine Produktionsmethoden nicht geändert, er machte alles noch genauso wie damals im Kaninchenfell-Keller. Dazu sein damaliger Toningenieur vom „Sunset Sound“ in Los Angeles: „Bei Prince ist nichts ’normal‘. Er macht seine Platten nicht wie andere Kollegen. Er hat keine zeitliche Ordnung, plant keine Einzel-Sets für bestimmte Zuspielungen. Er kommt einfach ins Studio mit einem fertigen Song im Kopf, nimmt ihn auf, überspielt vielleicht ein paarmal, singt dazu, und mischt ihn schließlich ab. Alles in einem Abwasch, vom Anfang bis zum Schluss.“

„Purple Rain“, die Karriere von Prince in Film und Musik, löste in den USA eine Hysterie aus, wie sie Ältere nur noch von den Beatles kannten. Weit über 10 Millionen Platten konnte er allein in den Staaten verkaufen, zusätzlich die Single-Hits „When doves cry“, „Let’s go crazy“, „I would die for U“ und „Take me with U“. „Purple Rain“ wurde Album des Jahres, ausgezeichnet mit allen Orden, die das Showbiz in den USA zu bieten hat: Platin mehrfach, Grammys, American Award und nicht zuletzt einen Oscar für die beste Filmmusik. Das Publikum raste, konnte nicht genug kriegen vom „Hexer“. In fünf Monaten wurde er auf seiner US-Monster-Tour in 32 Städten von 1,7 Millionen Fans gefeiert.

„Außer der Musikalität habe ich noch eines von meinem Vater geerbt: Die Sturheit!“ Eine Eigenschaft, die das Phänomen Prince ermöglichte. Jahrelang feilte er an seinem genialen Talent, pumpte er seinen Kopf voll mit träumerischen Songs. Als er sie raus ließ, gab es keinen Widerstand, weder bei der Industrie noch beim Konsumenten; denn Prince erwies sich in jeder Hinsicht als Ausnahme-Künstler, als der wohl innovativste seiner Zeit.

Prince on dailymotion

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25), The Eagles (26), The Who (27), Electric Light Orchestra (28)




Meilensteine der Popmusik (28): Electric Light Orchestra

Nach einem opulenten Mahl ein Digestif, der Meister hat sich schließlich alle Mühe gegeben und nicht an Kalorien gespart. Vom augenscheinlich schlichten Hors d’oeuvre, das einem schon zum ersten Mal ein unfeines Aufstoßen entlockt, über die schweren Soßen des Hauptgerichts, bis hin zum bittersüßen Dessert: Jeff Lynne hieß der Zuckerbäcker in der Rock-Musik der 70-er Jahre.

Dabei sollte man – wie so oft – nicht nur das Äußere bewerten. Der leicht introvertierte, bebrillte Lockenkopf konnte weder die engelsgleiche Ausstrahlung eines Peter Frampton, noch die Aura eines Freddy Mercury vorweisen. Die wahren Abenteuer hatte er im Kopf, und als er sie heraus ließ, kam ein Ohrwurm nach dem anderen auf uns zu. Den Einstieg ins Geschäft verdankt Jeff Lynne dem Niedergang der ehemals erfolgreichen britischen Formation „The Move“. 1971 war Roy Wood der einzig Übriggebliebene, der unter diesem Namen noch weiterhin eine Gruppe vortäuschte. Er entdeckte Seelenverwandtschaft bei Jeff Lynne und engagierte ihn für ein neues Projekt, der eher schwulstige Name lautete: Electric Light Orchestra.

ELO

Die beiden wollten weitermachen, wo die Beatles mit Songs wie „Strawberry fields forever“ oder „I am the walrus“ aufgehört hatten. Diesem Anspruch konnten sie jedoch nicht ganz gerecht werden. Der schräg klingende Sound, unter anderem aus Geige und Celli herausgepresst, klang bei wohlwollender Beurteilung allenfalls experimentell, für Popmusik fast schon avantgardistisch. Trotzdem, oder gerade deswegen, scharte sich eine kleine, treue Fangemeinde um die Gruppe und schob sie in eine Schublade irgendwo in Richtung Klassik- oder Bombast-Rock. Das und die Nähe zu Jeff Lynne wiederum, wurde dem immer etwas querliegenden Roy Wood mit der Zeit zu eng. Er stieg aus, und gründete eine neue, fröhliche Hitparadengruppe namens „Wizzard“.

Nun endlich hatte Jeff Lynne freie Bahn. Er behielt den Gruppennamen Electric Light Orchestra bei, den die Fans inzwischen zu E.L.O. minimiert hatten. Zudem holte er sich drei Musiker vom ehrwürdigen Londoner Sinfonieorchester und überrollte mit einem einzigen Hit alles, was vielen bis dato heilig war: Rock’n’Roll und Beethoven. Ihre mit klassischen Orchesterinstrumenten versetzte Version des Chuck-Berry-Klassikers „Roll over Beethoven“ war Startpunkt einer zehnjährigen Karriere. Und womit so manch skeptischer Kritiker anfangs nicht rechnen wollte – bald konnte man diesen damals spektakulären Sound auch live erleben. Die Konzerte von E.L.O. wurden ebenso aufgepeppt wie die Musik. Es wurden große Volksfeste, die Karneval zu jeder Jahreszeit versprachen. Einer der Höhepunkte war sicherlich ihre „Out of the Blue“-Tour. Über den Musikern schwebte eine gigantische, fliegende Untertasse, die durch zahllose Lichter und Laser-Effekte erleuchtet wurde.

Das war Mitte der 70-er sicherlich auch eine Erleuchtung für viele Rock-Fans, die mit E.L.O. bis dahin noch nicht so viel anfangen konnten, denn immerhin ging die Doppel-LP „Out of the Blue“ weltweit mehr als zehn Millionen mal über die Ladentische und wurde somit einer der ganz großen Verkaufserfolge der Rock-Geschichte. „Turn to stone“, „Sweet talkin‘ woman“ und „Mr. Blue Sky“ waren die Hits des Albums, allesamt produziert in nur drei Monaten 1977 in den Münchener Musicland Studios. Dennoch, der echte E.L.O.-Fan kaufte keine Single, sondern sparte, bis er sich die LP leisten konnte. Und somit ist es nicht verwunderlich, dass eine der erfolgreichsten Formationen der Rock-Musik es nie schaffte, eine internationale Single-Hitparade anzuführen.

So vieles kehrte über die Jahre immer mal wieder zurück. Nach der neuen kam die alte Welle, nach Punk ging es wieder zurück zum Gefühl. Und wenn wir irgendwann von der neuen Küche nicht mehr satt werden sollten, dann wird der eine oder andere von uns vielleicht auch mal wieder bei E.L.O. einkehren. Zubereitet nach alten Rezepten: die bewährten Dickmacher genießen – ein mehrgängiges Schlemmer-Menü in gepflegter Atmosphäre bei Chefkoch Jeff Lynne.

E.L.O. on youtube

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25), The Eagles (26), The Who (27)




Meilensteine der Popmusik (27): The Who

„Things they do look awful cold, hope i die before i get old…“ (My Generation/1965)

Superlative schmücken die großen Pop- und Rockstars bis heute, häufig erfunden und benutzt von der Industrie, um die Schützlinge noch besser zu vermarkten. King of Rock´n´Roll, King of Pop, Queen of Soul – die jeweils größte, wildeste und auch berühmteste Rockband – das waren die gängigen Prädikate. Eine Band aus dem Nordwestens Londons, die sich als erste Band überhaupt einen 100 Watt-Verstärker bauen ließ (damals in den 60-ern eine kleine, technische Sensation) setzte da andere Maßstäbe. Bei ihren Liveauftritten wurden neue Rekordwerte in Phon gemessen, sie firmierten fortan als die „lauteste Rockband der Welt“: The Who.

tommy

Ende der 50-er kam in den Arbeitervierteln der britischen Großstädte eine neue Jugendsubkultur auf. Die Mods (abgeleitet vom engl. „modernist“) versteckten ihre ärmliche Herkunft in schicken Designeranzügen und teurer Markenkleidung. Als Wetterschutz für den Ausflug auf dem italienischen Motorroller diente der Parka. Heftige Saufgelage und ständige Einnahme von Amphetaminen waren Voraussetzungen für jedes durchfeierte Wochenende. Dazu kamen regelmäßige Prügeleien mit den rivalisierenden Rockerbanden. Die Musik der Mods war schwarz, ihr Leitspruch lautete: „der Schein bestimmt das Sein“. Die musikalischen Helden kamen aus ihrer Mitte, und waren zu ihrer Zeit das wohl Abgefahrenste, was die damals brandneue britische Beatmusik zu bieten hatte.

Schon 1962 kamen Pete Townshend, Roger Daltrey und John Entwistle zusammen, ihre Musik klang wie eine umfassende Frustbewältigung der Nachkriegszeit im britischen Kleinbürgertum. Dabei waren Sänger Roger Daltrey und Bassist John Entwistle noch zurückhaltend in ihrem Auftritt. Den wahren Derwisch gab Gitarrist Pete Townshend auf der Bühne. Schon zwei Jahre später stieß der kongeniale Drummer Keith Moon zur Gruppe.

Von nun an endete fast jedes Konzert von The Who in einem zelebrierten Wutausbruch. Angeblich wurden im Laufe der Jahre über 3000 Gitarren auf der Bühne zerstört, dazu kamen etliche Schlagzeugsets und sonstiges Equipment. Am Ende blieb oft nur ein rauchendes, schwarzes Loch übrig. Die Abrissbirnen Townshend und Moon stürzten die Band immer wieder in große finanzielle Nöte, doch wie sagte ihr Kopf Pete Townshend dann: „Die Kunst geht vor!“  Und vor der Kunst kam die Droge, vorzugsweise als Alkohol. Das beförderte die Zerstörungswut der beiden Protagonisten, die ihnen alsbald auch Sperrvermerke von weltweiten Hotelketten eintrug. Die Drogen brachten den eigentlich introvertierten, mit Selbstzweifeln kämpfenden Pete Townshend an den Rand des Wahnsinns.

In diesen, für ihn schlimmsten Stunden, kreiert Pete Townshend sein Meisterwerk. Die rührende Geschichte vom taubstummen und blinden Flipperweltmeister Tommy Walker geht 1969 als erste große Rockoper um die Welt. Als Platte, Musical und schließlich auch als Film schreibt „Tommy“ Rockgeschichte, und macht den Kopf von The Who zum Multimillionär. Die Folgen für Pete Townshend sind katastrophal. Er driftet immer weiter ab in den Drogensumpf, statt Befriedigung kamen neuer Druck und alte Zweifel: „Ich war ein zutiefst verzweifelter Mann, saß wie ein Arschloch hinten im Fond des Mercedes 600, trank Cognac, diktierte Antworten auf Fanpost und hörte laut Musik. Manchmal, damit klar wurde, dass ein dreckiger Rockstar im Wagen saß und kein mächtiger Wirtschaftsboss, Diktator oder Papst, ließ ich die Scheibe herunter und streckte meine Doc Martens Stiefel raus.“ Als er 1978 vom plötzlichen Tod seines Saufkumpels Keith Moon erfuhr, war auch sein Leben für einen Moment am Ende. Der tiefe Schock ließ ihn trotzdem noch einmal auf Tournee gehen, direkt nach dem Tod des Schlagzeugers und Freundes.

Es begann ein langer Weg zu sich selbst, der bis heute noch nicht abgeschlossen scheint. Entzug und Therapie dauerten Jahrzehnte lang. Pete Townshend überlebte auch den Bassisten John Entwistle, der 2002 nach erhöhtem Kokainkonsum einem Herzinfarkt erlag. Obwohl sich The Who vor 30 Jahren offiziell trennten, gab es immer wieder Live-Comebacks und 2006 sogar eine neue Studio-CD. Ganze Generationen von Punk-, New Wave-, Hard Rock- und Brit-Popgruppen haben sich von der lautesten Rockgruppe der Welt inspirieren lassen. Und die Superlative bleiben letztlich für immer. Mag Paul McCartney vielleicht der reichste Rockmusiker sein, Elton John die schönsten Songs geschrieben, und Rod Stewart die hübschesten Blondinen abgeschleppt haben – für den mittlerweile fast tauben, 67-jährigen Pete Townshend bleibt unbestritten ein Prädikat: er ist der „durchgeknallteste“ Rockstar der Geschichte.

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Die bisherigen „Meilensteine“:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25), The Eagles (26)

 




Meilensteine der Popmusik (26): The Eagles

Spätestens mit den Beach Boys lernten auch Nicht-Amerikaner das gelobte Land kennen: Kalifornien. Die Musik der amerikanischen Westküste hatte Einfluss auf vieles, was in den 60er und 70er Jahren in den internationalen Hitparaden landete.

EaglesDie Eagles z.B. mischten kalifornischen Surf-Sound und Country-Rock, schufen einen neuen Standard, an dem sich die Konkurrenz die Zähne ausbeißen sollte. Die ehemalige Begleitband von Linda Ronstadt beschloss 1971, sich einfach selbstständig zu machen. Eine gute Entscheidung: sie wurde eine der erfolgreichsten Formationen der 70er. Unter den vier Gründungsmitgliedern war kein einziger waschechter Kalifornier zu finden.

Doch Kalifornien ist überall. Genauso wie die anfangs banale Themenauswahl; wie so oft in der Popgeschichte ging es um Mädchen, Autos und Rock’n‘Roll. Bei dieser Belanglosigkeit setzten auch die Kritiker der Eagles an, und davon gab es reichlich in den USA. Es wurden regelrechte Kampagnen geführt, gegen dieses, wie sie sagten, oberflächliche Gesäusel, zumeist beherrscht von einer Art Verherrlichung längst vergangener Cowboy-Romantik: Männer haben die Power, Frauen sind hübsches Beiwerk. Und schon jubelten die Patrioten, die in den Eagles eine treibende Kraft des amerikanischen Traumes sahen: Unschuld, Versuchung, Ernüchterung. Das Leben in Kalifornien war plötzlich wieder sinnbildlich für eine ganze Nation.

Das Mediengezerre um ihre Musik interessierte die mittlerweile fünf Eagles 1976 herzlich wenig. Erstens gab ihnen der Erfolg recht, zweitens hingen sie schon fast neun Monate im Studio rum, mehr oder weniger abgeschnitten von der Außenwelt. Geplant war ein Album, das an Perfektion alles bisher Dagewesene übertreffen sollte. Der Gitarrist Don Felder erklärte es so: „Das einzige Problem der Band ist, dass wir einen so hohen Standard anlegen – an das, was wir spielen, an die Texte, die wir schreiben, an unsere Bühnen-Show. Nach einiger Zeit geht das jedem von uns auf die Nerven. Aber es ist unser Ziel, das Beste daraus zu machen. Jeder kleinste Teil einer Produktion wird immer und immer wieder verfeinert“.

Sänger und Gitarrist Glenn Frey hat es einmal mit dem Schreinern eines Tisches verglichen: „Du kloppst nicht einfach ein paar Holzstücke zusammen und schüttest dann den Lack drüber. Es dauert seine Zeit, ihn abzuschleifen und die richtigen Beschläge zu finden, denn du baust ein Meisterstück. Du versuchst, etwas zu schaffen – ein Zeichen seiner Zeit“.

Keine Frage, dass Don Henley, Glenn Frey, Don Felder, Joe Walsh und Randy Meissner dieses Ziel damals erreicht haben. Nach ihrem Meisterstück „Hotel California“ brauchten sie 1 1/2 Jahre Pause, so leergepumpt waren sie. Am meisten hatte sie das Titelstück beansprucht. Es war von vornherein als Single vorgesehen, doch veränderte sich das Stück im Laufe der aufreibenden Produktionsarbeit so sehr, dass die Eagles beim Abhören der letzten Mischung immer skeptischer wurden, und eine größere Akzeptanz dieses Liedes nicht mehr einkalkulierten.

Hier lagen sie dann doch einmal falsch, denn ihre Abrechnung mit Sonne, Strand, Geld und ewiger Jugend, mit Flower Power und Show-Business, mit Verführung und Verlogenheit, eben mit ihrer Vorstellung des gelobten Landes Kalifornien, wurde für die Eagles zum größten Erfolg überhaupt. Der ganze Song beschrieb von vorne bis hinten einen Alptraum – das Hotel Kalifornien, das sich nur durch Ausweglosigkeit auszeichnet: „Das Letzte, an das ich mich erinnern kann ist, dass ich den Ausgang suchte. Ich musste einfach die Rückfahrkarte finden zu dem Ort, wo ich eigentlich herkam. ‚Entspannen Sie sich‘ sagte der Nachtportier  ‚wir haben hier nur gelernt, Gäste zu empfangen. Sie könnten zwar jederzeit auschecken, aber wirklich abreisen können sie nie aus diesem Hotel California …‘“

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Die vorherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24), Bob Dylan (25)




Meilensteine der Popmusik (25): Bob Dylan

In fünf Jahrzehnten gab er ein Rätsel nach dem anderen auf. Er selbst ist ein einziges großes Rätsel. Hunderte von durchaus talentierten Journalisten haben es immer mal wieder versucht, Autoren und Filmproduzenten haben es ebenfalls nicht vollständig durchdringen können – das Dickicht rund um eine der einflussreichsten Figuren der Popgeschichte: Bob Dylan.

Robert Zimmerman (so sein bürgerlicher Name) wird bis heute zu den großen Helden der 60er gezählt, die damals eine neue populäre Kultur, die „Gegenkultur“ begründeten. Popmusik wurde politisch, mit sozialkritischen Texten entstand der erste Soundtrack zum Zeitalter des Kalten Krieges und der aufkommenden US-Bürgerrechtsbewegung. Bob Dylan kann über so eine Einordnung nur lächeln, so wie er immer mal wieder jede Kategorisierung strikt abgelehnt hat. Er selbst sieht sich verwurzelt in den 50er Jahren, als er mit der Musik von Bing Crosby und Elvis Presley aufwuchs, ohne Scheu vor irgendwelchen Barrieren oder Klischees. Der junge Bobby lebte auf dem Land, im verträumen Minnesota. Da liefen zuhause die Radioshows mit Little Richard, Chuck Berry oder auch Buddy Holly – seine ersten Vorbilder. Er war ein Teeny wie viele andere, der auch bald in einer A-cappella-Band seine ersten kleinen Auftritte bei Familienfeiern hatte. A cappella mit dieser Stimme? Vielleicht ein erstes kleines Rätsel um seine prägnante Stimme, die immer wieder Kritiker auf den Plan rief; diese warfen ihm vor, die krächzenden, meckernden, schwer verständlichen Laute durchaus kalkuliert zu erzeugen.

Die Karriere des Bob Dylan nahm ihren Lauf, als er die Folkmusic entdeckte. Die Songs von Woody Guthrie und Pete Seeger lockten ihn in die Metropole. Genau vor 52 Jahren kam er nach New York, tauchte ein in die Straßencafés und Folk-Clubs von Greenwich Village. Seine konservativen Eltern hatten ihren ersten Widerstand aufgegeben, setzten aber ein Limit von nur einem Jahr. Sollte er in dieser Zeit keinen Erfolg haben, drohte seine Rückkehr in die „Wildnis“, wie er seine Heimat bezeichnete. Das Jahr reichte knapp – im Oktober 1961 bekam Bob Dylan seinen ersten Plattenvertrag.

Schon für sein zweites Album schrieb er mit „Blowin´ in the wind“ einen Song für die Ewigkeit. Spätestens das war der Durchbruch für einen kommenden Superstar, der sich ab jetzt immer mehr zu einem Egozentriker entwickelte. Für viele ein weiteres Rätsel, warum dieser einfache Junge vom Land sich so selbstverliebt gab und die Fachwelt immer öfter brüskierte. Man rätselte: war es Arroganz, waren es die Drogen, oder war es nur eine Masche? Auch dazu gab es nie eine eindeutige Erklärung von Bob Dylan selbst. Er schien auch keine Rücksicht auf die Erwartungshaltung seiner Fans zu nehmen. Legendär sein Auftritt 1965 auf dem Newport-Festival, als er zum ersten Mal zur Stromgitarre griff, ein Affront für alle Folk-Puristen. Buh-Rufe waren das Ergebnis, auch auf der darauffolgenden Tournee durch Großbritannien. Bob Dylan ermunterte seine Band, durch erhöhte Laustärke diese Unmutsäußerungen zu übertönen. Rätselhaft damals dieser Kampf des Künstlers mit seinem Publikum. Erst viel später erkannte man – es war die Geburtsstunde des Country-Rock.

Eines der größten Rätsel um Bob Dylan rankt sich um einen Motorradunfall im Jahr 1966. Dieser wurde zum größten Einschnitt seiner noch jungen Karriere. Was damals wirklich geschah, ist bis heute im Dunkeln. Eine lange Pause, in der er sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzog, war die Folge. Zurück blieben Gerüchte und Spekulationen. Zwei Jahre hörte man gar nichts von ihm, insgesamt acht Jahre blieb er der Bühne fern. Als er wieder auftauchte war Bob Dylan eine anderer – ein Countrysänger, der mit „John Wesley Harding“ und „Nashville Skyline“ zwei seiner erfolgreichsten Alben ablieferte. Seine Fangemeinde wurde immer größer, aber auch immer wieder mal irritiert. Privat erfuhr man höchstens im Nachhinein von seinen diversen Ehen, seinen Krisen bis hin zu einem Alkoholproblem in späteren Jahren. Seine Hinwendung zum Christentum hingegen zelebrierte er fast ausufernd auf Platte und Bühne. Seine Rolle als „Preacherman“ war eindeutig.

In jüngster Zeit hat er mal von „Transfiguration“ (Verwandlung) gesprochen und sogar behauptet, er wäre gar nicht er selbst – und gibt uns damit ein neues Rätsel auf. Derweil läuft seit 1988 ununterbrochen seine „Never Ending Tour“ mit ca. 100 Konzerten pro Jahr. Der Mann, der wie kaum ein anderer die Musikwelt des 20. Jahrhunderts mit geprägt und verändert hat, ist seit Jahren wöchentlich auf der Bühne zu bestaunen. Mit 71 Jahren macht er immer noch „sein Ding“, eigenwillig wie eh und je, dazu hochgeachtet weltweit. Nur wer Bob Dylan wirklich ist – das wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

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Die vorherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24)




Meilensteine der Popmusik (24): Michael Jackson

„Michael Jackson hat die beste Tanzmusik aller Zeiten gemacht. Er hat mich nicht nur inspiriert, sondern auch gezeigt, wie so etwas funktionieren kann: Sex, klare Rhythmen, geile Arrangements. Michael war ohne Frage ein Lehrmeister.“ Der Konkurrent Prince gab dieses überschwängliche Kollegenlob irgendwann einmal unaufgefordert von sich.

Dem Betroffenen müsste dieses noch mehr geschmeichelt haben, als einer der unzähligen Grammys in seiner Vitrine. Laut „Guinness Buch der Rekorde“ ist Michael Jackson der erfolgreichste Entertainer aller Zeiten.

Er war einer der wenigen Ausnahmekünstler, dessen Einmaligkeit sich in der Musikgeschichte eindeutig festschreiben lässt. Es ist zuerst natürlich die absolute Rekordzahl von weit über 100 Millionen verkaufter Exemplare des Albums „Thriller“ bis heute, knapp die Hälfte davon allein in den USA. Nie vorher oder nachher konnte eine einzige Platte auch nur annähernd diesen Umsatz erreichen, also eine Marke für die Ewigkeit.

Als diese Monsterscheibe heute vor genau 30 Jahren pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erschien, reagierten die Kritiker zuerst einigermaßen vorsichtig. Das Comeback des damals 24-jährigen, ehemaligen Kinderstars lag gerade mal drei Jahre zurück; man hatte kaum noch damit gerechnet. Insider, die sich mit der Biografie des Michael Jackson beschäftigt hatten, zweifelten am Durchsetzungsvermögen des Künstlers. Kein Wunder, hatte doch der Familien-Tyrann, Vater Joe Jackson, den kleinen fünfjährigen Michael und seine kaum älteren Brüder Ende der 60er auf die Bühne geprügelt. Wenig später feierte die Welt die wohl größte Kinderband der Popgeschichte: The Jackson Five.

„Music and money“, beides hatte Daddy Joe fest im Griff. Auch die Disziplin seiner Kleinen: wer nicht spurte, wurde handfest überzeugt. So wuchs Michael ohne Kindheit auf, wurde durch alle Medien gereicht – und rechtzeitig zum Stimmbruch wieder fallengelassen. Die aufkommende Langeweile vertrieb sich Michael mit einem aufwendigen Zombiespiel. Kaum waren die letzten Pickel und Pusteln verflogen, ließ er sich von Spezialisten die Locken glattziehen, die Knollennase und das Kinn modellieren. Nicht immer gelang die Prozedur auf Anhieb, ab und zu musste eine Zusatzrunde für weitere Korrekturen eingelegt werden. Zudem litt er an einer tückischen Hautkrankheit, die seine Haut langsam bleichen ließ. So kam es, dass im Laufe der Jahre aus dem quäkenden Bengel ein verträumtes Beautymonster der anderen Dimension entstand.

Der ungeheure Drang zur Perfektion übertrug sich zum Glück auch auf den Künstler Michael Jackson. Seine Millionen brauchte er eigentlich nur, um immer wieder neue Mauern gegen die Außenwelt hochzuziehen. Seine Farm „Neverland“ wurde zum geheimnisvollen Mythos. Gerüchte und Skandale vom sorglosen Umgang mit Medikamenten, bis hin zum Vorwurf des Kindesmissbrauchs begleiteten das äußerst bizzare und geheimnisumwitterte Leben des „King of Pop“ bis zu seinem Tod im Juni 2009. Diesen Tod, durch eine Überdosis des Narkosemittels Propofol herbeigeführt, markierte für viele Beobachter auch den Schlusspunkt einer großen Verzweiflung, die den Künstler seit den weltweit aufsehenerregenden Prozessen befallen hatte. Obwohl er am 13. Juni 2005 in allen Anklagepunkten von einem Geschworenengericht einstimmig freigesprochen wurde, hat er sich von diesen Strapazen nie erholen können.

Ganz anders der Künstler Michael – dieser war stets im Dauertraining. Weltberühmte Choreographen waren begeistert von dem tänzerischen Talent des allzeit knabenhaft wirkenden Mannes. Seine Mitarbeiter schätzten seinen absoluten Professionalismus. Nie kam er unvorbereitet ins Studio, hatte sich meist schon Stunden vorher warm gesungen. Diese absolut berechnende Perfektion spiegelt das Meisterwerk „Thriller“ Song für Song wider. Für „Billie Jean“ musste der Gast-Bassist Louis Johnson (Johnson Brothers) seine ganze Gitarrensammlung ausprobieren, bis ein japanisches Modell den richtigen Sound brachte. Der wummernde Bass wurde stilbildend. Für das mittlerweile berühmte Gitarren-Solo von „Beat it“ bat man den Eddie van Halen ins Studio. Der rockte ohne Honorar auf der Platte, nur für die Ehre dabei gewesen zu sein. Auch sonst war die Gästeliste lang und edel: Von Paul McCartney über den Jazz-Veteranen Tom Scott bis zur halben Toto-Mannschaft. „Thriller“ schrieb als Platte und Video Musikgeschichte und markiert einen Wendepunkt in der Popmusik. Von nun an drängten sich schwarze Interpreten in die Playlist von MTV, die zuvor von weißen Künstlern bestimmt wurde. Und die Videos zu den Songs entwickelten sich zu teilweise künstlerisch anspruchsvollen Kurzfilmen, die mit der Zeit zu einer eigenen Gattung wurden.

Schließlich und endlich war „Thriller“ aber auch das Meisterstück eines der erfolgreichsten Produzenten der Musikgeschichte: Quincy Jones. Dieser hatte damals schon über 30 Jahre Höhen und Tiefen des Geschäftes hinter sich. Er erkannte schnell die neue Dimension, die sich hier aufgetan hatte: „Michael Jackson hat uns ganz nach oben geführt – dorthin, wo wir eigentlich auch hingehören. Schwarze Musik spielte lange Zeit nur die zweite Geige, aber sie ist schließlich der Ursprung der gesamten Popmusik. Michael hat es geschafft, damit alle Seelen dieser Welt anzusprechen.“

Michael Jackson on youtube

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Die vorherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23)




Meilensteine der Popmusik (23): The Kinks

„Was ist unser Leben eigentlich noch wert? Eine Zweiraumwohnung im zweiten Stock, kein Einkommen, und draußen versucht der Vermieter reinzukommen, um die fällige Miete einzutreiben. Wir sind eindeutig zweitklassig – Menschen, die in der Sackkasse leben, und dort auch sterben werden…“ (Auszug aus „Dead End Street“).

Ray Davies beobachtete seine Umgebung genau. Während die Songs der aufkommenden Protestwelle den Generationenkonflikt thematisierten, politische Auseinandersetzungen und Kriege anprangerten, ja bisweilen sogar den Weltuntergang beschworen, trieb sich Ray Davies in der Nachbarschaft herum. „Otto Normalverbraucher“ lieferte Davies die Themen für seine zumeist bissigen, sozialkritischen Songs.

Er war eindeutig der Kopf der Kinks (engl. kinky „schrullig“, „ausgeflippt“), neben den Beatles, den Rolling Stones und The Who eine der erfolgreichsten Vertreter der „British Invasion“, wie die US-Amerikaner damals die Beatwelle aus Großbritannien nannten. Als die Kinks 1963 im Norden von London zusammenkamen war auch schon Dave, der jüngere Bruder von Ray Davies, mit von der Partie. Beide kann man auch unter „schwierige Charaktere“ einordnen, ihr kompliziertes Verhältnis sollte die ganze Bandgeschichte mit beeinflussen. Doch erst einmal ließen sie es krachen. Ihre dritte Single brachte den Durchbruch und wird von den Rockwissenschaftlern als die Sternstunde des Hard Rock gefeiert: Bei „You really got me“ mit dem markanten Gitarrenriff, hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass der Studiomusiker Jimmy Page damals den Strom aus der Gitarre ließ… Jahre später erhob Page mit seiner Band Led Zeppelin den Hard Rock zur weltweiten Glaubensgemeinschaft. Doch das ist eine andere Geschichte.

Ray Davies indes wurde langsam zum Kultautor, zu einem der besten Songwriter seiner Zeit. Aber er war auch ein „Schwieriger“, wie sein Bruder. Ein Streit auf offener Bühne führte zur Eskalation während einer US-Tour. Da auch die dortige Bühnengewerkschaft involviert war, gab es erst einmal ein vierjähriges Auftrittverbot in den USA. Damit war die Karriere in den Staaten erst einmal erledigt. Aber auch im aufkommenden Wettbewerb um die erfolgreichsten Konzeptalben konnten die Kinks seltsamerweise nicht besonders punkten.

Mitentscheidend für den, im Vergleich zu anderen „Supergruppen“, begrenzten wirtschaftlichen Erfolg, waren wohl die eher unscheinbare Gesamtperformance der Gruppe, und die ständigen, internen Dissonanzen. Relativ häufig wechselte die Besatzung, nur die Brüder blieben. Als sich 1970 mit „Lola“ der größte kommerzielle Erfolg einstellte, wendete sich manch´ langjähriger Fan ab – nur kurzfristig, denn über die Jahrzehnte hielt sich der exzellente Ruf dieser Band.

Ob nun Punker oder Britpoper, sie alle respektierten the Kinks als stilprägend. Von den Brüdern Gallagher (Oasis) bis Wolfgang Niedecken (BAP) – auch bei prominenten Musikern gibt es bis heute genug Verehrer des genialen Songschreibers Ray Davies; so wie es Davies selbst in einem seiner Songs ausdrückte: „a well respected man“.

Ray Davies‘ Beobachtungen in der Nachbarschaft machten auch vor der Verwandtschaft nicht halt. Für viele der wohl schönste Song der Kinks ist die lyrische Rockballade „Waterloo Sunset“ aus dem Jahr 1967. Als Hauptpersonen agierten seine Schwester Julie und  sein Neffe Terry, die sich jeden Abend am Bahnhof Waterloo Station trafen. Sie spielten damals nur im Kopf des Dichters ein Paar, das im Sonnenuntergang, in den Menschenströmen der Rushhour, gemeinsam vom Auswandern in die neue Welt träumte. Eine Analogie, die Ray Davies für sich selbst auch immer in Anspruch nahm: den Traum vom Aufbruch in eine vermeintlich bessere Welt.

THE KINKS on dailymotion

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Die vorherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22)




Meilensteine der Popmusik (22): ABBA

Die alten Helden… sie hatten die 50- und 60er Jahre inhaliert, sich manchmal daran verschluckt, und dann wieder ausgespuckt; diese Helden waren frustriert. Beatles am Ende – Hendrix, Joplin, Morrison…alle tot – und Flowerpower? Wenn´s hoch kam, verblassten die Blümchen gerade auf der Wohnzimmertapete. Und auf einmal waren die 70-er da.

Süßlicher Phillysound verklebte Hitparaden und Gehörgänge, und am Horizont drohte schon unheilvoll ein bevorstehender Disco-Tsunami. Für die echten Freaks schien die Zeit stehengeblieben. Die alten Dylan- und Animals-Platten wurden geschont, in Zukunft nur noch nass abgespielt, man musste vorsorgen. Diejenigen, die früher Toleranz predigten, wirkten plötzlich verkniffen, schmallippig, intolerant. Da kamen ihnen die vier Schweden gerade recht. In ABBA sahen viele exemplarisch den Niedergang der abendländischen Kultur, wie später z. B. bei Boney M. oder auch Modern Talking. Allein schon diese Vergleiche gehören zu den großen Ungerechtigkeiten dieser Popwelt, denn die Karriere von Abba erstreckte sich über fast zehn Jahre und wurde eigentlich nie (wie viele Kritiker es gerne gesehen hätten) zur Masche.

ABBA stieß Mitte der 70-er in eine große Lücke, hinterlassen von vorwiegend britischen Gruppen, die mittlerweile erfolglos waren oder schon gar nicht mehr existierten. Diese Leere füllten sie aus bis zum Überlaufen. All´ das war nach den ersten Liedchen im Happysound à la „Waterloo“ überhaupt nicht abzusehen. Doch der Gesang von Agneta und Annifrid entwickelte sich immer perfekter, die Kompositionen von Björn und Benny erreichten schließlich Weltklasseniveau.

Nun war Schweden schon damals nicht die Welt, erst recht nicht in der Popmusik. Drüben in den Staaten aber warteten mittlerweile Millionen Fans auf ABBA. Die vier aber hatten einen Riesenbammel vor diesem Land. Man war sich einig, die USA nicht zu betreten, bevor man nicht ganz oben stehen würde: No 1 in den Hitlisten Amerikas. Heimlich hofften sie noch, dieses Ziel zu verfehlen, doch ihr Album „Arrival“, das Ende 1976 erschien, machte ihnen dann doch einen dicken Strich durch diese Rechnung. Es wurde ein wahres Superalbum mit mehreren Singles und einigen weiteren Songs, die allesamt ebenfalls Hits geworden wären, hätte man sie denn auch ausgekoppelt. Während „Knowing me, knowing you“ hier in Europa überall den Spitzenplatz belegte, stürzten sich die Amerikaner auf die „Dancing Queen“. Es wurde dann die erste Nummer 1 für ABBA in den USA. Dass es auch ihr einziger Tophit drüben blieb, lag wohl daran, dass sie ihrem Versprechen, sich endlich den Amerikanern zu zeigen, nur sehr widerwillig nachkamen. Obwohl sie in den Staaten eine wahre ABBA-Mania auslösten, waren ihre Vorurteile diesem Land gegenüber doch so groß, dass ihr Aufenthalt dort nur sehr kurz ausfiel.

Trotzdem sollte es noch Jahre und einige Hits lang dauern, bis die ersten Unstimmigkeiten und Trennungsgerüchte durchsickerten. 1983 dann, auch nach den privaten Trennungen, die ersten Solo-Projekte, die alle vier mit mehr oder weniger Erfolg für sich durchgezogen haben. Ein leibhaftiges Comeback war den Fans indes nicht vergönnt, obwohl eine „geschäftliche“ Trennung nie offiziell ausgesprochen wurde. Doch die Musik von ABBA feierte über die Jahrzehnte hinweg immer mal wieder ein Comeback. Allein der weltweite Erfolg von Musical und Film „Mamma Mia!“ zeigte die ungebrochene Zuneigung der Fans. Die ausgefeilten Arrangements und die absolut perfekten Produktionen der Songs von ABBA macht ihre Musik so zeitlos, dass sich bis heute unzählige Weltstars aus den verschiedensten Genres zu ABBA-Fans bekennen. Auf dieser Fanmeile stehen z.B. Gene Simmons (Kiss), Beth Ditto (Gossip), Bruce Springsteen oder auch Pete Townshend (The Who). Mit ca. 370 Millionen verkaufter Tonträgern gehört ABBA bis heute zu den erfolgreichsten Bands der Popgeschichte.

ABBA on clipfish




Meilensteine der Popmusik (21): Bruce Springsteen

Eine Mischung aus Elvis und James Dean, mit der Botschaft des jungen, zornigen Bob Dylan. Ein PR-Zombie – oder doch die „Zukunft des Rock’n’Roll“? So nämlich hatte ihn ein US-Kritiker hochgelobt, und seinen Spruch flugs für 50.000 US-Dollar an die Platten-Company verscherbelt. Wer war dieser neue Rebell Mitte der 70er?

Bruce Springsteen ist irisch-italienischer Abstammung und kam in New Jersey zur Welt. Er wuchs auf im spießigen Mief des US-Kleinbürgertums. Da waren die ungeliebten Sonntagsausflüge mit der Familie, und die Bewunderung für Vaters Achtzylinder. Die Schule war ein Graus. Viel später zog Bruce in einem Song ganz kurz Bilanz: „Von einer 2 1/2 Minuten-Single lernte ich mehr als von all´ meinen Lehrern …“ Diese Single war damals von den Beatles, und wurde so etwas wie ein Lebensmotto für Bruce Springsteen: „Twist and shout!“

Aber vorher kam noch die erste heimliche Liebe – unten am Fluss. Immer, wenn Bruce, der Teenie, dann spät nach Hause kam, warteten in der Küche noch die Eltern. Bruce hatte sich schon vorsorglich seine etwas zu langen Haare hinter den Kragen gesteckt, denn er wusste, dass sein Vater ihn, wie immer, ansprechen würde: „Was denkst du eigentlich, was du aus deinem Leben machst?“

Dann kam eines Tages der Musterungsbescheid. Bruce wurde nicht genommen. Nur seine Freunde flogen nach Vietnam. Einige kamen zurück, viele blieben dort. Fast 20 Jahre später besang Bruce Springsteen dieses Leben. Sein Leben und das vieler Amerikaner dieser Generation. Und wir fragten uns: Ist er nun ein Patriot oder ein Revoluzzer?

„Born in the USA“ zeigte schon auf dem Cover Flagge: Stars and Stripes, dazu Blue Jeans, Boots und Baseball-Cap. Willkommen im Schlaraffenland. Doch die Songs klärten auf: über die neue Depression, die Wunden des Vietnam-Krieges, Arbeitslosigkeit und die Not der armen Farmer des weiten Westens. Seine Abrechnung ließ keinen aus, weder Eltern, noch Politiker. Und auch die alten Freunde nicht, die mittlerweile angepasst deren Plätze übernommen hatten. Amerikas Jugend war begeistert und zog tausendfach mit Sternenbanner in seine Konzerte, die wie eine Mischung aus feierlicher Messe und ausgelassener Party zelebriert wurden. Dass seine Botschaft nicht nur rein amerikanisch war, bemerkte man bei seinen weltweiten Konzerterfolgen.

Diese LP mit allein sieben Single-Hits hat Bruce Springsteen zum Weltstar gemacht. Und hier – außerhalb der USA – wurde das Urteil dann auch objektiver. Er ist beides: Patriot und auch ein wenig Revolutionär, in erster Linie aber Rock‘ n‘ Roller ! Für seine eingeschworenen Fans ist es bis heute noch einfacher: Bruce hat immer Recht. Er ist „der Boss“.

Bruce Springsteen on vimeo




Meilensteine der Popmusik (20): Simon & Garfunkel

Der Jahresanfang 1970 brachte ein neues Album der Superlative. Simon & Garfunkel sollten ihre gemeinsame Erfolgskarriere mit „Bridge over troubled water“ krönen – und gleichzeitig auch beenden.

Die beiden Schulfreunde aus dem New Yorker Stadtteil Queens machten in den 60-er Jahren den Folkrock weltweit populär. Sie wurden zum erfolgreichsten Duo seit den legendären Everly Brothers. Was die Öffentlichkeit nicht bemerkte: Die Beziehung der beiden war von Anfang an mit Spannungen belegt. Spätestens bei der Produktion zu „Bridge over troubled water“ kamen diese ziemlich heftig zum Ausbruch. Der Kopf der beiden, Songwriter Paul Simon, packte 1972 über ihre letzte gemeinsame Studio-LP aus: „Es war kein Spaß damals zusammen zu arbeiten, es war Knochenarbeit. Art sagte, dass er diese Platte eigentlich gar nicht machen wollte – ich musste trotzdem da durch, wusste aber, dass es, nach diesen persönlichen Reibungen, mit uns einfach nicht mehr weitergehen konnte …“

Während der Aufnahmen war Art Garfunkel schon intensiv mit seinem Film „Catch 22“ beschäftigt, so dass bei einigen Songs Paul Simon solo zu hören ist. Ein Simon & Garfunkel-Album also… und dennoch kein richtiges. Die Trennung war hier schon eigentlich perfekt, aber der Krach ging trotzdem weiter. Paul Simon hatte für das Album ein Stück geschrieben mit dem Titel „Cuba si, Nixon no“. Der damals hochbrisante politische Inhalt war dem Kollegen Garfunkel zu heiß, er lehnte ab. Die Retour-Kutsche kam prompt: Einen neu aufgenommenen Bach-Coral, den Art Garfunkel favorisierte, schmiss Paul Simon aus der Produktion. So blieben statt der zwölf vorgesehenen Lieder nur elf übrig.

Ein Wunder, dass in diesem Chaos der Animositäten und Intrigen eine der schönsten und erfolgreichsten LP’s der Pop-Geschichte entstand. Die Bilanz: Hits wie „The Boxer“, „El condor pasa“, und „Cecilia“. Weit über 10 Millionen verkaufte LP’s, noch einmal so viele Singles. Dafür gab es insgesamt 6 Grammys. Das lag natürlich auch am Titelsong, der damals stündlich in den US-Radiostationen zu hören war. Doch auch um diesen Gesangspart gab es damals Streitigkeiten. Art Garfunkel sollte ihn übernehmen, wollte erst nicht, sang dann aber trotzdem. Seltsamerweise so intensiv und so schön, wie wohl vorher und nachher nie wieder. So hatte er entscheidenden Anteil am weltweiten Erfolg dieses Liedes, das Paul Simon komponiert hatte. Dieser wiederum gab später zu, wie neidisch er auf diesen Erfolg seines ehemaligen Partners war. Wenn bei den wenigen Malen, die Simon & Garfunkel noch live auftraten, „The bridge“ erklang und Paul Simon den Hauptscheinwerfer verließ, dann tobte das Volk zum Gesang von Art Garfunkel. Im Hintergrund wurde Paul dann eifersüchtig: „Das ist mein Lied, Mann, vielen Dank. Ich habe dieses Lied geschrieben!“ Spätestens dann versteht man diesen kleinen, und doch so großen Poeten Paul Simon, der in den Jahren danach als Künstler bewiesen hat, dass Art Garfunkel eigentlich nur die Nummer Zwei war. Heute, nach vielen Jahren und einer  Versöhnung mit Garfunkel hat Simon schon zugeben müssen, dass seine Stimme die Höhen von „The bridge“ wohl nicht so sauber gemeistert hätten wie die von Art Garfunkel.

Paul Simons Soloplatten machten ihn später zu einem der bedeutendsten Rock-Poeten seiner Zeit. Ein Amerikaner, der seiner Heimat in tiefer Zuneigung, doch teilweise sehr kritisch begleitete. Zudem ein prominenter Fürsprecher der Worldmusic, dessen Ruhm auch als 70-jähriger immer noch Bestand hat.

Simon & Garfunkel on Dailymotion

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Die vorherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19)




Meilensteine der Popmusik (19): Fleetwood Mac

Die Firma Fleetwood Mac war ein reines Saison-Geschäft. Ihr Personal wechselte ständig, wie Baumwollpflücker in den Südstaaten. Seit der Gründung 1967 holten sich fast ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dienstausweis bei dieser Firma.

Alles begann in Großbritannien, und am Anfang war der Blues. Sie schrubbten ihn zuerst bei „John Mayall’s Bluesbreakers“: John McVie, Mick Fleetwood und nicht zuletzt Peter Green, der bei den Bluesbreakers immerhin der Nachfolger von Eric Clapton war. Doch vom autoritären Bluesmann John Mayall weiß man, dass er über kurz oder lang fast jeden seiner Mitspieler vergraulte. Die meisten waren sowieso besser als der Meister. So entstand auch dankenswerterweise Fleetwood Mac. Sie orientierten sich stark an großen US-Blueslegenden, und waren schnell die beste und erfolgreichste Bluesband im Land.

Zeitweilig wurden drei Gitarristen beschäftigt, die Klassiker wie „Black magic woman“, „Man of the world“, „Oh well“ oder den großen Instrumentalhit „Albatross“ ablieferten. Als der Gitarrist, Komponist und Kopf der Gruppe Peter Green 1969 ausstieg, endete auch die erste große Karriere von Fleetwood Mac. Der zweite Gitarrist Jeremy Spencer rückte nach und verpasste der Gruppe eine neue Richtung. Diese ging ganz grob zum Rock’n’Roll der 50-er zurück. Das wollte aber nun wirklich keiner mehr hören – damals, am Anfang der noch orientierungslosen 70-er Jahre. Spencer packte seine Gitarre wieder ein. Das war während einer US-Tournee 1971.

Der Rest der Gruppe blieb ganz einfach drüben, und Mick Fleetwood – nun der unumschränkte Bandboss – plante den Neuaufbau. Fest integriert war mittlerweile John McVie’s Ehefrau Christine, die als Christine Perfect mit ihrer Band „Chicken Shack“ auch schon eine respektable Karriere vorweisen konnte. Dazu gesellte sich der eine oder andere amerikanische Musiker, wie zum Beispiel Bob Welch. Open House also bei Fleetwood Mac, und genauso hörten sich auch ihre Platten an. Ein Durcheinander von verschiedenen Musikstilen, lieblos produziert, ohne den richtigen Druck.

Der renommierte Produzent Keith Olsen konnte schließlich helfen. Er brachte die Gruppe mit dem kalifornischen Duo Stevie Nicks und Lindsey Buckingham zusammen. Dieses Liebespaar ließ es endlich knistern, im Studio und auf der Bühne. Die jungen US-Fans hielten Fleetwood Mac schon längst für eine einheimische Band, und irgendwie waren sie es ja auch mittlerweile. Zumal sich der Songwriter Lindsey Buckingham zum „künstlerischen Leiter“ durchgeboxt hatte. Er formte aus der ehemalig britischen Bluesband eine stramme, amerikanische Westcoastband.

Schon die erste LP in neuer Besetzung wurde ein Renner und bekam Platin. Doch Erfolg und ständiges Beisammensein auf Tourneen hatten einen katastrophalen Einfluss auf das Privatleben der Bandmitglieder. Lindsey und Stevie trennten sich nach immerhin acht Jahren, und auch das Ehepaar McVie reichte die Scheidung ein. Die Presse war voll mit Andeutungen und Vermutungen, wer es mit wem trieb bei der Firma Fleetwood Mac. Das Spektrum reichte von berühmten Rockkollegen bis zum Beleuchter. In diesem Gerüchtesumpf entstand eine der erfolgreichsten LPs der Rock-Geschichte: ‚Rumours‘ (Gerüchte). „Es war eine Art Extrakt aus den Tagebüchern unseres damaligen Lebens“, beschrieb John McVie später diese Arbeit. Die Platte des Jahres 1977 belegte 31 Wochen die Spitze der US-LP-Charts und lieferte vier Top-Hits: „Go your own way“, „Dreams“, „Don’t stop“ und „You make loving fun“. Fünf Grammys waren fast selbstverständlich, und dazu eine Monster-Welttournee, die alles zuvor Gebotene in den Schatten stellte. In der theatralischen Aufführung waren die herbe Schönheit Christine McVie und die elfenhafte Stevie Nicks eindeutig Mittelpunkt.

Dieser Kraftakt der 70-er ließ sich nie mehr auch nur annähernd wiederholen. Der überwältigende Erfolg gab den einzelnen „Mac’s“ aber Zeit, Freiraum und die nötigen Dollars für die jeweiligen Solo-Projekte. Mit über 40 Millionen verkaufter Exemplare von „Rumors“ konnte man sich langsam auf den Ruhestand vorbereiten. Und schließlich warteten wieder neue Mitarbeiter auf eine vorübergehende Anstellung bei der berühmten Firma Fleetwood Mac.

Fleetwood Mac on youtube




Meilensteine der Popmusik (18): Neil Diamond

„Schulterlanges Haar, perlenbestickte Jeans-Kombination, überbreiter, mit silbernen Nägeln beschlagener Gürtel – so stand er vor seiner Gemeinde: der Meister. Davor ein Publikum, das ihm reihenweise wie überreife Pflaumen vor die Füße fiel.“ So sah es damals eine amerikanische Künstlerzeitschrift.

Damals, das war der August 1972 in Los Angeles, Kalifornien. An insgesamt zehn schwülen Sommerabenden im legendären „Greek Theatre“ erlebten tausende von Fans eine Show, die vieles bisher Gesehene und Erlebte in den Schatten stellte. Alle Abende waren komplett ausverkauft, und sie halfen, dass Neil Diamond zu einem Superstar der 70-er wurde. Sein Livealbum „Hot August Night“, stand über ein halbes Jahr an der Spitze der US-Charts, damals ein neuer Rekord.

Bei den meisten Open-Air-Konzerten stellte sich bis zu diesem Meilenstein nur eine wichtige Frage: ist es auch wirklich laut genug? Gerade mal eine Handvoll Tonmeister beschäftigte sich zu dieser Zeit professionell damit, das gesamte Klangbild einer Gruppe einigermaßen transparent abzumischen. „Soundmixing“ nannte man diese Innovation. Und man bekam auch schon ein erstes Gespür für Showeffekte – mal heller, mal dunkler, je nach Song auch ein paar farbige Spots. Dazu ganz gern trübe Nebelschwaden aus einer scheppernden Trockeneismaschine. Künstler in karierten Baumwollhemden, Gitarre klimpernd vor 400.000 bedröhnten Hippies auf der Matschwiese von Woodstock – das war einmal. Die Leute wollten nunmehr etwas sehen für ihr Geld.

Ein Pop-Konzert wie eine Broadway-Show. Vorhang auf zum „Opening“. Auf der Bühne exzellente Musiker in klassischer Rock-Besetzung, ein Chor, dazu als Begleitung ein richtig großes Orchester, sogar mit Streichern. Der Star des Abends musste ein Entertainer sein, der nicht nur singen kann, sondern der auch „Theater spielt“; der mit dem Publikum spricht, sich völlig verausgabt, schweißnass bis zum großen Finale. Die Dramaturgie musste stimmen. Genau so sollte es geschehen, damals in L.A. Eineinhalb Stunden bot Neil Diamond alles, was er so drauf hatte. Die lauten und die leisen Töne, eine Mischung aus Prediger und Paradiesvogel. Die Bühne war vollgestopft mit Musikern und Technik, die allesamt einen Sound ablieferten, der teilweise die Studioproduktionen übertraf. Ob der Künstler wohl damals ahnte, dass dieses hier schon der absolute Höhepunkt seiner Karriere war? Wohl kaum, denn der ehemalige Biologie- und Chemiestudent war zeitlebens auf der Suche nach Anerkennung.

Es begann in der Kindheit. Bedingt durch häufigen Schulwechsel, war der kleine Neil gezwungen, sich immer wieder vor neuen Mitschülern zu beweisen. In Brooklyn brauchte man dazu entweder ein Messer in der Tasche, oder ein außerordentliches Talent. Die Gitarre beförderte dieses Talent zu Tage. Die ersten Songs bekamen die Schüler der Erasmus-High-School zu hören. Spätestens auf der Uni kam dann die Überlegung, ob ein Leben als Mediziner Dr. Diamond in der Vorstadt Anerkennung genug böte. Ein klares „nein“ war die Antwort, und die Show-Branche damit der einzige Ausweg. Für schlappe 35 Dollar erwarb Neil Diamond ein altes Piano, mietete sich einen Probenraum, und komponierte, was das Zeug hielt. Einige Musikverlage zeigten sogar Interesse, und kauften seine Songs für ihre Künstler. Selbst auftreten und singen durfte er nur am Abend in den Clubs und Cafés von Greenwich Village. Eine Dame namens Ellie Greenwich und ihr Gatte Jeff Barry, ein damals sehr erfolgreiches Autorengespann, sie entdeckten den jungen Neil Diamond, ohne zu wissen, was für eine Konkurrenz sie sich da heranzüchteten. Schon nach kurzer Zeit bekam er Anerkennung als Komponist. „I´m a believer“, das er für the Monkees schrieb, wurde ein Welthit. Über Nacht wurde Neil Diamond zum Geheimtipp und wenig später selbst zum Star. Es war die Stunde der Singer-Songwriter, Selfmademen, die alle Fäden in einer Hand hielten.

Zwischendurch flippte er regelmäßig aus, der mittlerweile große Künstler. Er suchte immer wieder nach Fluchtwegen aus diesem Popzirkus, immer auf der Suche nach Größerem, weit weg vom schnöden Tingeltangel. Als er nach seinen heißen Augustnächten im „Greek Theatre“ von L.A. bei einem Plattenriesen für 5 Millionen Dollar einen Plattenvertrag unterschrieb, war er für einen Moment der absolute König der Popmusik. Doch was tut dieses Genie? Es nimmt für ein Jahr klassischen Klavierunterricht. „Ich träume nicht davon, George Gershwin zu sein; ich denke eher an Beethoven, soviel glaube ich nämlich musikalisch leisten zu können“. Da hatte er sich aber sehr weit aus dem Fenster gelehnt…zu weit. Sein erstes Großprojekt in dieser Richtung, einen Filmsoundtrack, bezeichnete die Kritik als „ungenießbare Moviebrühe“.

Und dann noch sein Debüt als Filmstar, 1980 in „The Jazz-Singers“ – die Kritiker kugelten sich vor Lachen; obwohl diese Reaktion im Nachhinein wirklich stark überzogen war. Der immer leicht blasiert und arrogant wirkende Neil Diamond hatte im Feuilleton wenig Freunde. Ergebnis: die Orientierung war endgültig futsch, die vernachlässigte Plattenkarriere schon längst im Eimer.

Was bleibt ist die Gitarre und das Meer von Fans – Fans, die Neil Diamond bis heute die Treue halten. Nur sie allein haben ihn zu einem der begehrtesten Livekünstler und Entertainer gemacht. Sie rufen ihm zu: „Hey, Du bist nicht Mozart und nicht Bogart. Du bist Neil Diamond – einzigartig… komm‘, spiel uns einen deiner schönsten Songs“.

Neil Diamond on dailymotion




Meilensteine der Popmusik (17): Diana Ross

„Ob nun sexy, damenhaft, verspielt, Soul oder Blues – Dianas Anziehungskraft überbrückt Generationen, und die verschiedensten musikalischen Geschmäcker.“ So schrieben es Musikkritiker, und Diana Ross ist schon immer ein Liebling der Fachpresse gewesen. Vor allen Dingen, wenn man die Damen und Herren zu ihren pompösen und aufwendigen Galavorstellungen einlud. Da konnte man immer wieder gerne am Champagnerkorken schnuppern. Aber so verlor Lady Diana auch immer mehr den Kontakt zur Basis, zu all den Fans, die sich ihre Flitter-Flatter-Konzerte nicht mehr leisten konnten. An den Hitparaden sollte sie es erkennen. Dort ging es abwärts mit Diana Ross, in der zweiten Hälfte der 70-er Jahre.

In solch brenzligen Situationen war es schon immer ratsam, sich in der aktuellen Szene umzuschauen. Das heißeste Produktions- und Autoren-Team des Jahre 1980 hieß zweifellos „Chic-Productions“. Die Macher: Bernard Edwards und Nile Rodgers. Mit ihrer Gruppe „Chic“ und ähnlichen Produktionen für andere Künstler räumten sie damals in den Discotheken der Welt ab.

Die mittlerweile 36-jährige Diana Ross entschloss sich, noch einmal auf die Kids zuzugehen und engagierte Edwards und Rodgers, für sie eine LP zu schreiben und zu produzieren. Vom Ergebnis der fertigen Produktion war die Grand-Dame allerdings überhaupt nicht angetan. Sie fühlte sich wie ein Gaststar auf einem neuen „Chic“-Album. Sie schickte die fertigen Bänder an die Produzenten zurück, mit genauen Anweisungen, wie die einzelnen Songs neu abgemischt werden sollten. Nun aber waren die beiden Produzenten sauer. Der Form halber machten sie kleine, kaum hörbare Veränderungen, und das Ganze ging zurück, mit der wohl nicht ganz ernst gemeinten Bemerkung, falls es der Künstlerin immer noch nicht gefallen sollte, könne sie das Ganze doch einfach selbst abmischen. Edwards und Rodgers lachten sich eins. Das sollte ihnen aber schnell vergehen.

Frau Ross schnappte sich nämlich einen Produktionsassistenten und nahm sich Titel für Titel selbst vor, bis ihr Stimmchen nicht mehr im Hintergrund trällerte, sondern ganz weit vorn. Das ganze Album nannte sie schlicht „Diana“ und es wurde, überaus mutig, mitten in das Sommerloch 1980 geworfen.

Bernard Edwards und Nile Rodgers, die gehörnten Produzenten, waren schockiert. So etwas war ihnen noch nie passiert. Stocksauer und wütend riefen sie beim Plattenboss von Motown Berry Gordy an. Der konnte sie nach langem Hin und Her beruhigen, riet den beiden, sich die Platte doch erst einmal anzuhören, sie sei riesig geworden. Diesen Eindruck hatten auch die Fans. Es wurde das erfolgreichste Solo-Album für Diana Ross überhaupt. Und mit der Single „Upside down“ hatte sie auch mal wieder einen Welthit, der bis heute zu den absoluten Disco-Knüllern gehört.

So konnte man den ganzen Wirbel hinter den Kulissen schnell vergessen, denn Diana Ross war ihrem Prinzip treu geblieben: „Bevor ich überhaupt irgendeinen Song singe, muss ich mich total mit ihm identifizieren. Erst wenn ich voll zufrieden bin, entsteht dann diese Kommunikation mit dem Publikum. Erst dann bekommen die Leute, was sie letztendlich wollen …“

Diana Ross on dailymotion

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16)




Meilensteine der Popmusik (16): Queen

Klamauk, Anarchie, Chaos und Witz – das waren die üblichen Ingredienzien für einen Film der legendären US-Komiker „The Marx Brothers“ aus den 30ern. Er gehört bis heute zu den großen Lachorgien der Filmgeschichte. Den Titel dieses Films lieh sich eine britische Rockgruppe 40 Jahre später (1975) für ihre damals aktuelle LP aus: „A night at the opera“. Die Gruppe nannte sich respektlos Queen – und hatte nicht einmal fünf Jahre Karriere auf dem Buckel.

Von den Fans wurde sie gerade als neue britische Rockhoffnung gefeiert, da hatte sie die professionellen Musikkritiker auch schon ins Visier genommen. Man konstatierte u.a.: Die Band hat zu viel Kopf – zu wenig Bauch. Immerhin konnte Gitarrist Brian May einen Doktortitel in Astronomie vorweisen, Drummer Roger Taylor einen solchen in Biologie. Sänger Freddie Mercury hatte Grafik und Design studiert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Das war den Rock-Fachleuten einfach zu viel Intelligenz auf einmal. Musikalisch sprach man sogar von einer billigen Led-Zeppelin-Kopie. Und man schoss sich auf den Kopf der Gruppe ein: Sänger Freddie Mercury wurde als homophile Rock-Diva bespöttelt. Dass sie damals über einen der besten britischen Rocksänger herfielen, merkten viele erst später.

Queen war zwar die Band, aber zwei Bandmitglieder ragten dennoch heraus. Zum einen der Gitarrist Brian May, der mit seiner Gitarre alle Stimmungen abbilden konnte, von wild kreischend bis zärtlich flüsternd. Und Freddie Mercury, der mit seinen Stimmen-Collagen die gesamte Produktion von „A night at the opera“ geradezu vollständig einnahm. Bis zu 180 Mal vervielfältigte er seine Stimme im „Overdub“-Verfahren, eine aufwendige und zeitraubende Geschichte, für die ein neuzeitlicher Computer in der Gegenwart nur wenige Minuten benötigen würde.

Der Spagat zwischen Klassik und Rock schien bei „A night at the opera““ zum ersten Mal so richtig geglückt. „U“ und „E“ gaben sich die Hand. Vor allen Dingen der letzte Song der LP, das sechs Minuten lange „Bohemian Rhapsody“, wurde zum Höhepunkt dieses Rocktheaters. Das erkannten Band und Plattenbosse schon frühzeitig; doch wer sollte diese (über-)lange Single im Radio spielen? Und wie und wo konnte man diesen Titel eventuell kürzen? Natürlich konnte und wollte man das Werk nicht beschneiden. Also wurde „Bo Rhap“ (so nannte es die Band kurz) dann doch in Originallänge veröffentlicht. Das Ganze mit einem riesigen PR-Aufwand. Dazu gehörte u.a. ein Promotionfilmchen, der das Zeitalter der Videoclips um ein paar Jahre vorwegnahm. Es war ein Rockklassiker für die Ewigkeit entstanden.

Das Gesamtergebnis war überwältigend und bedeutete den endgültigen Startpunkt der Welt-Karriere für Queen. Der elegante, pompöse und dramatische „Opernabend“ machte zudem Freddie Mercury zur neuen Kult-Figur, und für seine Fans letztlich unsterblich.

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Meilensteine der Popmusik (15): The Rolling Stones

Nur wenige Bands haben ihre Gefühle so offen bloßgelegt, waren so widerspenstig, und doch so ehrlich wie die Rolling Stones. Für sie gab es keine Tabuzonen. Den Grundsatz, nur nichts Persönliches in die Pop-Musik einzubringen, warfen sie einfach über den Haufen. Seit nunmehr 50 Jahren auf der Bühne und bis heute: „shocking“ um (fast) jeden Preis.

Im April 1966 mussten die Feministinnen daran glauben. Die Aussagen des Albums „Aftermath“ trieben die engagierte Weiblichkeit zur Weißglut. Auf einen Punkt: Männer sind Männer, und Frauen sind Sex-Objekte. Alles „under my thumb“, unter meinen männlichen Daumen…

Die Stones als chauvinistische Frauenhasser? Der hämische, rachsüchtige Tonfall ist laut Mick Jagger ganz und gar nicht politisch gemeint. Das ist nur die Art, wie die Stones über die Sachen reden, die sie beschäftigen. Wer so die Texte Stones-mäßig interpretierte, der begriff schnell, dass die Feministinnen nur oberflächlich zugehört hatten – ja, sogar den Fünf eigentlich hätten dankbar sein müssen. Ihr Angriff richtete sich nämlich gegen die hirnlosen Miezen, die wie Katzen schnurren. Gegen den modischen Disco-Darling, die neurotischen, reichen Töchter.

Die Beatles saßen zur gleichen Zeit (1966) im Studio und spielten ihre neue Single „Paperback Writer“ ein. Mitten in den Aufnahmen schickten sie ihren Road-Manager los um die neue Stones-LP zu kaufen, die sie dann gemeinsam durchhörten. Man witterte die mächtig heraufziehende Konkurrenz. Für viele Fachleute war „Aftermath“ die Antwort auf die damals aktuelle Beatles-LP „Rubber Soul“. Doch die Stimmungen dieser beiden Platten trennten Welten.

Die Rolling Stones hatten einen neuen sozialkritischen Höhepunkt erreicht. Zwei aufreibende US-Tourneen hatten ihr Amerika-Bild gründlich verändert. Aus dem riesigen, einsamen Land wurde ein Chrom- und Drogen-Dschungel. Trotzdem produzierten sie weiter in Hollywood, entdeckten die technischen Möglichkeiten der dortigen Studios.

„Aftermath“ brachte nicht nur zum ersten Mal ausschließlich Songmaterial von Mick Jagger und Keith Richards, sondern war auch – man höre und staune – ihre erste Stereo-Platte. Vielleicht der wirkliche Startpunkt einer Weltkarriere, die bis heute anhält. Der musikalische Durchbruch für die Stones kam mit großer Bandbreite: das zarte „Lady Jane“, das düstere „Mother´s little helper“, das hymnische „Out of time“, oder auch die modische Sitar auf „Paint it black“ (nur auf US-Album) – die damals übermächtigen Beatles hatten endlich einen gleichwertigen Gegenpart gefunden.

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Die bisherigen “Meilensteine”:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14)




Meilensteine der Popmusik (14): Aretha Franklin

„Ein Song muss davon handeln, was man selbst erlebt hat oder auch noch erleben könnte. Nur dann ist er gut. Wenn mir etwas fremd ist, dann kann ich gar nichts hineinlegen, denn Soul bedeutet ja Leben – Leben, wie es wirklich ist“. Aretha Franklin sagte es mit ganz schlichten Worten.

Das wirkliche Leben hat natürlich noch viele andere Gesichter. Der reiche Farmbesitzer aus den Südstaaten sah es anders als seine schwarzen Baumwollpflücker mit einem 14-Stunden-Tag. Die Villa im kalifornischen Malibu mit Meerblick bietet eine andere Aussicht als das Ghetto am Rande von Detroit-City. Dort wuchs sie auf, die kleine Aretha mit ihren vier Geschwistern, und gehörte schon zu den Privilegierten. Papa war nämlich C. L. Franklin, ein überregional bekannter Prediger mit einem berühmten Gospel-Chor. Töchterchen Aretha durfte schon früh mitmachen, und erfuhr so, wie man sich das  Leben als Schwarzer vorzustellen hat: fromm und gottesfürchtig. Dass sich bei der Gospelmusik besonders bei jüngeren Leuten auch andere Gefühle regen, davon wollten konservative Baptisten allerdings nichts wissen. Kirchenmusik zum Lob Gottes und nicht für Hitparaden und Tanzschuppen.

Der weißen Musik-Mafia war das gerade recht. Sie hatte sich schon jahrzehntelang bei schwarzer Musik bedient. Dixie, Swing, Rhythm & Blues – alles wurde abgeguckt, glattgebügelt, und mit weißen Topstars wurde aus der „Negermusik“ der eine oder andere Tagesschlager. Doch spätestens seit James Dean und Elvis der weißen Jugend klipp und klar gezeigt hatten, wo’s lang geht, brodelte es auch unter den jungen Schwarzen. Einige von ihnen, die es unter großen Schwierigkeiten versucht hatten in die fast ausschließlich weiße Musikwelt einzudringen, gingen bei den Franklins ein und aus: Sam Cook und Mahalia Jackson zum Beispiel. Sie machten der 18-jährigen Aretha Franklin Mut und schufen die Verbindung zu einer Plattenfirma.

Dort saß schon damals so etwas wie eine graue Eminenz: John Hammond. In einer langen Karriere war er Entdecker von Billy Holliday, Bob Dylan, oder auch später von Bruce Springsteen. Mit Aretha Franklin sollte Mr. Hammond nicht so viel Glück haben. Denn ihre Produzenten zwängten sie in ein süßliches Big-Band-Kostüm. Nichts für die schwarze Seele, die gewohnt war, mit ihren vier Oktaven mal kernig aufzuschreien. Das erlaubten sich zwischenzeitlich schon andere Kollegen wie Otis Redding, Wilson Pickett, oder auch James Brown; so intensiv und auch aggressiv, dass die Seele anfing zu kochen, und den Weißen Angst und Bange wurde.

Atlantic hieß die größte Plattenfirma, die den Mut hatte, all´ das rauszulassen, was Schwarze wirklich fühlten. Dort bekam Aretha Franklin nun auch eine Chance. In einem Studio in Manhattan setzte man sie an ein Klavier und sagte: „Mädchen, nun sing mal wie damals in der Kirche“. ‚I never loved a man‘, so hießen LP und Single, und machten Aretha Franklin auf einen Schlag zur ‚Queen of Soul. Obwohl viele Sängerinnen diesen oder ähnliche Titel immer mal wieder für sich beanspruchten, nur Aretha Franklin ist es für viele bis auf den heutigen Tag geblieben. Zurückzuführen sicherlich auch auf ihren größten Hit, den Otis Redding für sie schrieb. In zweieinhalb Minuten gab sie der farbigen Jugend Amerikas das zurück, auf was die meisten ihrer Vorfahren verzichten mussten: Selbstwertgefühl, Anerkennung, Menschenwürde und Stolz – ein Leben mit Soul und ‚Respect‘.

ARETHA FRANKLIN on Dailymotion

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Die bisherigen „Meilensteine“:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13)

 




Meilensteine der Popmusik (13): U 2

In den felsigen Wüsten Kaliforniens, wo sonst keine andere Pflanze überlebt, dort wächst ein Riesen-Kaktus: die Joshua Palmlilie, eine Agavenart. Wie ein großer, einsamer Stachelbaum war die irische Rockgruppe U 2 ein gewichtiger Teil der 80er Rock-Szene. Schon damals so etwas wie ein Dino: geradlinig, verlässlich, glaubwürdig – das schätzten Fans, die von immer neuen, wechselnden Trends nichts hören wollten.

Kopf, Vordenker und Prediger der U2-Gemeinde war und ist Paul Hewson, den alle nur Bono nennen. Zitat: „Ich erinnere mich an eine Sendung von BBC ‚Top fo the Pops‘, in der eine Band namens ‚Middle Of The Road‘ auftrat und den Song ‚Chirpy, chirpy, cheep, cheep‘ sang. Ich war etwa elf Jahre alt und dachte ‚Wow!‘- das ist nun wirklich Pop. Man singt einfach sowas und wird auch noch dafür bezahlt.“

In diesem speziellen Fall half sogar die Schule weiter. Mit ein paar Schulfreunden durfte man das Geschichtszimmer für Bandproben benutzen. Die Jungs spielten alles, was ihnen zu Ohren kam, von Rolling Stones bis Bay City Rollers. Die erste Gage kam, als sie mit ihrer wilden Popmixtur in Pubs und Clubs rund um Dublin auftraten. Bono half zudem tagsüber bei einer Tankstelle aus. „Wenn es U 2 nicht gegeben hätte, wäre ich schlicht und einfach arbeitslos. Ich habe nichts anderes gelernt als Musik“. Also musste die Karriere endlich mal in Schwung kommen.

Bei einem Talent-Wettbewerb im Frühjahr 1978 gewannen sie 500 britische Pfund und einen Vorspieltermin bei einer kleinen Plattenfirma. Ihre erste Platte wurde auf Anhieb Spitzenreiter in Irland – aber: sie war auch nur dort erhältlich. Eine größere Plattenfirma wurde auf sie aufmerksam und schleppte sie nach Großbritannien. U 2 wurde ganz langsam zur Kultband. Das sprach sich europaweit herum, der Ruf ging bis nach Amerika. Der große Bruce Springsteen stornierte extra einen Rückflug, um U 2 live in London zu sehen. Das war 1981 und die Irland-Rocker sollten noch einige prominente Fans dazugewinnen, von Muhammed Ali bis zum südafrikanischen Bischof Desmond Tutu.

Mitte 1987 waren U 2 auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Laufbahn angelangt. Das lang erwartete neue Album THE JOSHUA TREE wurde weltweit die Rock-LP des Jahres. Monatelang hatten sich Bono, der Gitarrist David Evans (genannt The Edge), Adam Clayton und Larry Mullen in ihre „Burg“ zurückgezogen. So nannten sie das „Windmill Lane Studio“ in Dublin. Hier entstanden mit ihren Lieblings-Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois Superhits wie „With or without you“, „I still haven’t found what l’m looking for“ oder auch „Where the streets have no name“, ein Song über Bonos Afrika-Eindrücke. Ihr 6. Album hatten sie Greg Carroll gewidmet. Ihr ehemaliger Chef-Roadie war ein Jahr zuvor – gerade 26 Jahre alt – bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.

U2 und alles drum herum war eine einzige Familie, ohne große Skandale oder Streitigkeiten. So drehte man auch nach einigen Millionen Plattenverkäufen und nach der Verleihung des Grammy für die beste LP des Jahres nicht durch. Man blieb brav zusammen und fing nach dem Riesenerfolg von „Joshua Tree“ sogar mit neuen Experimenten an. Die brachten ähnliche Erfolge bis weit in die Neuzeit, aber vor allem Befriedigung für Bono, den prominenten Weltenbürger: „Ich bin gefesselt von Grenzen, nationalen Grenzen, physikalischen Grenzen, spirituellen Grenzen. Von all´ diesen Dingen findet man Beispiele in den Songs von U 2.“

U 2 on Dailymotion

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Die bisherigen „Meilensteine“:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12)




Meilensteine der Popmusik (12): Joe Cocker

Wenn heutzutage U2 oder Madonna eine Tournee in Angriff nehmen, wird alles im Vorfeld generalstabsmäßig geplant. Die Bühnen werden immer größer, Light-Shows immer gewaltiger, der Sound noch perfekter, Lautsprechertürme wachsen ins Endlose. Einen Flop kann sich heute keiner mehr leisten. Die Tourneen der Superstars sind mittlerweile durchweg Riesenerfolge – fast schon Erfolge mit Garantie. Das war einmal ganz anders, als Manager und Konzertveranstalter noch unerfahrener, Künstler noch unbedarfter waren.

Der Engländer JOE COCKER wurde eines der ersten Opfer dieser Naivität. Im August 1969 gehörte er noch zu den neuen Superstars auf der Wiese von Woodstock. Die Amerikaner waren hellauf begeistert. Sie konnten kaum glauben, dass eine derart schwarze Rhythm & Blues-Stimme aus Europa kam. COCKER selbst, dem einfachen Klempner aus Sheffield, wurde der Rummel um ihn alsbald zu viel. Er zog sich zurück, löste seine englische Band auf, und flog erst am 11. März 1970 – also über ein halbes Jahr später – wieder in die USA. In Los Angeles wollte er in aller Ruhe Songs und Musiker suchen. Für den kommenden Sommer plante er einige kleine Auftritte. Doch seine amerikanischen Manager waren hier ganz anderer Meinung. Schon einen Tag nach seiner Ankunft in L.A. standen sie vor seiner Tür. Sie hatten einen Vertrag über eine ganze US-Tournee mitgebracht. Unter der Androhung, dass nicht nur sie, sondern auch die Musiker-Gewerkschaften und vor allen Dingen die Einwanderer-Behörde sauer wären, wenn er nicht unterschreiben würde, willigte JOE COCKER schließlich ein. Der unglaubliche Nervenkitzel bei der ganzen Aktion: Die Tournee sollte schon acht Tage später in Detroit starten. Und JOE COCKER stand noch ohne Begleitband da.

 

Am nächsten Tag erreicht ihn dann ein Anruf von Leon Russell. Der wohl begehrteste Studiomusiker seiner Zeit hatte von den Problemen gehört, und bot sich an eine Band zusammenzustellen. Es schien so, als wäre jetzt der erste Profi am Werk, denn Russell brauchte nur einen Tag und eine gepfefferte Telefonrechnung, dann hatte er zehn Topmusiker beisammen. Immerhin elf Chorsänger und -Sängerinnen kamen später hinzu. Der Wettlauf mit der Zeit begann. Tag und Nacht wurde geprobt bis das Programm stand. Die ganze Crew umfasste mittlerweile außer den Musikern, Sound-Technikern, Roadies, Managern, auch Ehefrauen, Freundinnen, dazugehörige Kinder und sogar Hunde. Als einer auf die Idee kam, die ganze Tournee auch noch zu filmen, zählte man incl. Kameramännern 43 Leute. Für die ganze Meute stand ein Flugzeug mit der Aufschrift „Cocker-Power“ bereit.

 

Am 19. März ging es los. In 56 Tagen flog man 48 Städte an. Den ganzen Zirkus nannte man „JOE COCKER – Mad Dogs And Englishmen“. Tournee, Film und Doppel-Album wurden zum Knüller des Jahres. Am Ende waren alle erschöpft, aber letztlich doch zufrieden. Das aus dem Nichts entstandene Spektakel hatte sich wohl für fast alle Teilnehmer gelohnt – nur für JOE COCKER selbst nicht. Nach Abzug aller Unkosten wurde er mit lumpigen 862 Dollar abgespeist. Er tauchte bei seinen Eltern unter, bekam anschließend einen Nervenzusammenbruch. Man hatte den einfachen Kerl aus Sheffield aufs Kreuz gelegt.

 

Eineinhalb Jahre lang trampte er ziellos durch Großbritannien, soff und spritzte sich fast zu Tode. Wie ein Magnet zog es ihn dann doch wieder nach Los Angeles, wo einige Manager darauf warteten, ihn erst einmal aus dem Sumpf zu ziehen, um kurz darauf den Junkie wieder enttäuscht fallen zu lassen. Erst Jahre später (1982 ) bekam er noch einmal eine Chance. Er hat sie genutzt, und feierte ein grandioses Comeback. Ein Erfolg, der bis heute anhält.

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Meilensteine der Popmusik (11): Earth, Wind & Fire

Monoton hämmerte eine neue Welle…in den Discos dieser Welt begann das Zeitalter der Plastikmusik aus den Einwegstudios Italiens und Hollands. Die Lage schien aussichtslos für diejenigen, die beides suchten: Abwechslung für Ohren  u n d  Beine. Aber da gab es ja noch die fröhlich-bunte Truppe aus Los Angeles. Maurice White, ein ehemaliger Profi-Jazz-Drummer, hatte Erfahrung genug, um Anfang der 70er seine eigene Band zu gründen. Der Hobby-Astrologe fand auch schnell einen Namen für sein neues Musikkonzept. In den Daten für sein Sternzeichen Schütze waren alle Elemente aufgeführt, außer Feuer. Aus Luft wurde Wind und fertig war „Earth, Wind & Fire“.

I am

Sie machten anfangs seichten Popjazz, nichts für die Charts. Das merkte auch der Meister selbst, und jonglierte solange mit dem Personal herum, bis die Mischung stimmte. Die bestand aus Gospel, Jazz, Funk und Rock. Für manchen Kritiker war diese Sauce zu dick, andere feierten White als wahrhaftigen Geschichtsschreiber der schwarzen Seele. Da wurden historische Bögen gespannt zwischen ägyptischen Pharaonentempeln und den Ghettos der US-Großstädte. Solche Interpretationsversuche gefielen Maurice White, er selbst war ein tief spiritueller Mensch, der sich lange im mittleren Osten zu Studien aufhielt, und seine Gruppe stets aufforderte sich vegetarisch zu ernähren. Die Fans merkten von all dem wenig. Für sie war Earth, Wind & Fire die perfekte Tanzmaschine der 70er. Was vielleicht Pink Floyd in der Rockmusik, das wurde E, W & F im Soulgeschäft: Ein audio-visuelles Großereignis. Bei ihren ausgefeilten Bühnenshows lieferten sie regelmäßig pyrotechnische Lichtorgien ab, die durch trickreiche Einfälle unterbrochen wurden. Mal schwebte der Gitarrist drei Meter über der Bühne, ein anderes Mal drehte sich der Drummer auf einem Podest um die eigene Achse.

Als Mitte 1979 die LP „I am“ erschien, waren die mittlerweile neun Leute von Earth, Wind & Fire schon fast am Ende ihrer langen Erfolgskarriere. Das Ergebnis war gerade so, wie man ihre Musik liebte. Ein cooler Knack-Bass, der scheinbar versuchte jeden Song zu zerhacken, peitschende Bläsersätze, um die sie von Produzenten auf der ganzen Welt beneidet wurden. Darüber lagen drei klebrige Falsettstimmchen, manchmal wie etwas zu dünn aufgetragener Tortenguss. Die Bandbreite auf „I am“ reichte vom Tanzfetzer „Boogie Wonderland“ bis zum triefenden Lovesong. „After the love has gone“ hieß eine dieser Traumballaden, die all diejenigen einfing, die sonst mit Earth, Wind & Fire nicht so viel anfangen konnten.

Danach folgte der Abstieg auf Raten. Zum einen strebte fast jedes Gruppenmitglied ein eigenes Soloprojekt an. Am erfolgreichsten auch hier der Macher Maurice White mit seinen vielen christlichen Produktionen, und natürlich Mitsänger Philip Bailey, dem mit „Easy lover“ im Duett mit Phil Collins ein Welthit gelang. Zum anderen begann Earth, Wind & Fire – zum Schrecken aller Fans – mit neuen Experimenten. Das „Handgemachte“ wurde immer mehr durch Computer ersetzt, man wollte wohl dem aktuellen Trend nachjagen. Doch das konnten neue Künstler weitaus besser, so dass die Leute von Earth, Wind & Fire nach ein paar letzten Disco-Hits nur noch ein mitleidiges Lächeln ernteten.

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Meilensteine der Popmusik (10): Pink Floyd

„Underground“ war  d e r  Nährboden für die Popmusik der „swingin´ sixties“. Etliche Interpreten und Gruppen wurden dort erst einmal Kult, bevor sie dann in den Hitparaden auftauchten. Für Plattenmillionäre gab es natürlich keinen Platz mehr im Underground. Dafür tauchten sie jetzt vermehrt im Kulturteil seriöser Wochenmagazine auf.

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Diese berichteten auch von dem Millionenaufwand und der coolen Strategie, mit der im März 1973 die dunkle Seite des Mondes beleuchtet wird. Als „Dark side of the moon“ der ehemaligen Undergroundband Pink Floyd erscheint, wird gleichzeitig auch schon der Riesenaufwand für das ganze Projekt bilanziert. Allein das bestechende und doch schlichte Cover ist von der Gruppe aus acht verschiedenen Vorschlägen ausgesucht worden. Ein lichtbrechendes Prisma gewann, und es sollte in naturalistischer Form auch auf der Innenseite abgebildet werden. Zu diesem Zweck flogen ein Designer und ein Fotograf extra in das nächtliche Ägypten, um eine Pyramide bei Mondschein einzufangen. Derweil hockte die Gruppe bei den Aufnahme-Sessions in den damals schon legendären Abbey-Road-Studios. An den Reglern saß übrigens ein Ton-Ingenieur namens Alan Parsons, der nebenbei sicherlich schon ein eigenes Projekt im Kopf hatte.

Die Mitglieder von Pink Floyd zeigten sich noch als Gruppe. Sie schrieben und musizierten zusammen, der schwelende Konflikt zwischen den Köpfen David Gilmour und Roger Waters wurde noch nicht öffentlich ausgetragen. Der eine Name stand für Musik, der andere mehr für Show. Beides hatte zur immerwährenden, kollektiven Bewusstseinserweiterung bei Fans auf der ganzen Welt geführt. Hardcore-Fans der ersten Stunde erinnerten sich noch an die Namensgeber: Die beiden Blues-Männer Pink Anderson und Floyd Council aus Georgia. Blues war auch die Masche von Pink Floyd Mitte der 60er. Sie schrubbten ihn im Londoner Ufo-Club, ziemlich laut und leider auch ziemlich schlecht. Zugleich aber auch so schlecht und abgedreht, dass sie zu kleinen Helden der damaligen Subkultur wurden. Der eigentliche Kopf der Band, Syd Barrett, drehte wenig später ganz ab. Nach ersten kleinen Singleerfolgen in den Pop-Charts verschwand er erst einmal in der Psychiatrie. Der Rest machte weiter, setzte auf das große „Joint-Adventure“, und nahm die Hippies mit auf die Reise. Die Live-Happenings von Pink Floyd wurden zu technischen Großereignissen, zu ganz neuen Hör- und Seherlebnissen.

Der Bassist Roger Waters begann zwischenzeitlich das Schicksal des einstigen Mitspielers Syd Barrett aufzuarbeiten. Bei dem Vergleich der „dunklen Seite des Mondes“ mit der dunklen Seite des Menschen, beschäftigte er sich auch mit der Frage, was einen sensiblen Menschen so alles in den Wahnsinn treiben kann.

In der weltweiten Fan-Kommune von Pink Floyd fehlte indes eine Gruppe, die mit langhaarigen, bärtigen und Pfeifchen rauchenden Hippies der Sixties nichts mehr am Hut hatte: Es fehlten die neuen Teenies der 70er. Auch diese sollten von „Dark side of the moon“ eingefangen werden. Das versuchte man mit altbekannten, psychedelischen und antikapitalistischen Botschaften zu ganz neuen, populären und damit eingängigen Synthesizerklängen. Mutig griff man den Emporkömmling und neuen Superstar Elton John an, der sein „Money“ gerade in einen Fußballclub investiert hatte. Pink Floyd gab dem Kollegen eine eigene Lebensweisheit mit auf den Weg: „Geld ist nur ein Furz.“ Andererseits wollten sie den Kindern in dem Song „Time“ etwas von Vergänglichkeit erzählen: „Jugend verschwendet Zeit, sie wartet auf einen, der die Richtung vorgibt. Das Leben liegt vor dir, doch eines Tages stellst du fest, dass zehn Jahre vergangen sind, und du den Startschuss verpasst hast.“ Die Teenies streckten dazu die Wunderkerzen in die Höhe, und bemerkten nicht, dass sie am Ende des Songs ebenfalls älter geworden waren. Denn die „Zeit“ verging und machte „Dark side of the moon“ zum Rockdenkmal. Weit über 50 Millionen Menschen auf der ganzen Welt wollten die Platte bis heute kaufen. Und es werden täglich mehr. In den US-LP-Charts war sie 773 Wochen am Stück vertreten. Das sind weit über 14 Jahre – Weltrekord!




Meilensteine der Popmusik (9): Rod Stewart

Den Hüftschwung von Elvis, die Grazie eines John Travolta, eine Ausstrahlung fast schon wie Michael Jackson, die blonde Mähne trug er schon Jahrzehnte vor John Bon Jovi, nur die Stimme war und ist unverwechselbar.

Every picture tells a story

Rod Stewart hatte für all das Zeit genug, um es intensiv zu üben. Vom Skiffle zur Folkmusik, vom Blues dann endlich zum Rock. Der Anfang einer Karriere im Schnelldurchgang: Von Long John Baldry auf einem Bahnsteig Mundharmonika blasend entdeckt, spielte er mit Brian Auger, Julie Driscoll und Jeff Beck, bis ihn schließlich Ron Wood zu den Faces holte. Zwei Plattenverträge hatte der 23-jährige plötzlich in der Tasche. Einen für die Gruppe, den anderen als Solist. So ausgestattet, galt es weiter am Image zu basteln. Zuerst musste man dem Publikum beim Vortrag etwas zeigen, und zwar mehr als nur den Rücken. Diese Haltung bevorzugte Rod, der Schüchterne, bei seinen ersten Auftritten, er traute sich nicht, dem Publikum in die Augen zu schauen.  Als er sich zum ersten Mal umdrehte und sich dem Publikum zeigte, ging auch gleich der Schweinehund mit ihm durch.

Wer einen seiner Auftritte in den 70ern miterleben konnte, hatte es ganz schnell begriffen: Die ersten Reihen waren preislich reserviert; für die Freier mit ihren Miezen, eingelullt in einen Hauch von teurem Schlangenleder und süßlichem Parfüm. Hie und da noch ein erfolgreicher Gebrauchtwagenhändler, dahinter dann der kreischende Mob. Den kleinen Mädchen zeigte Rody in hautengen Satinhosen, was ein echter Kerl ist. Das Motto des Gesamtkunstwerks: Trinkfestigkeit, Weibergeschichten und Fußball. Draußen vor der Halle standen die verschreckten Eltern und sammelten ihre verstörten Kleinen wieder auf. Mindestens 15 Jahre Erziehung waren so im Eimer, nur die Mutter fragte leise: „Hat er auch ‚Sailing‘ gesungen?“ So hatte Rod Stewart die Generationen wieder im Griff.

Als er 1971 seine LP „Every picture tells a story“ veröffentlichte, war das alles noch nicht so vorherzusehen. Rod Stewart nahm eine Handvoll guter Musiker (unter anderem seine Gruppe Faces) mit ins Studio und schrie sich die Seele aus dem Leib. Und auch seine Kumpels prügelten ihre Instrumente, als ob es ihre letzte Chance wäre. „Every picture tells a story“ brachte Rod Stewart überraschend die erste Nummer 1. Zudem auch noch mit der Single „Maggie May“, die eigentlich nur als B-Seite vorgesehen war, und als Notlösung für diese LP galt. Das Ganze passierte sogar im Schlaraffenland Amerika. Dort hatte man gerade den Rock entdeckt.

Wenn er auch heute, in die Jahre gekommen, die speckigen Hüften im Maß-Sakko versteckt, möchte man ihm ab und zu immer mal wieder kräftig und aufmunternd auf die Schultern schlagen: „Hey, alter Knabe, lass´die Fisimatenten…die 60er sind noch nicht ganz tot, sie leben … noch eine Runde!“

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Meilensteine der Popmusik (8): Dire Straits

An einem lauen Sommerabend entspannt auf der Veranda im Schaukelstuhl kauernd, auf den Knien sanft die Gitarre streichelnd, dazu einen zumeist banalen Text zu einer sanften Melodie vor sich hin nuschelnd. Ganz zurückgenommen, geradezu „laid back“ (wenn man es englisch ausdrückt) hatte J.J. Cale aus Oklahoma Anfang der 70er seine kleine Karriere begonnen. Viele berühmte Zupfkollegen beneideten ihn um diese lässige Spielweise. Genauso lässig war die Person von Cale. Er hasste das Drumherum des Showbiz, mied Plattenstudios und Promotion-Auftritte. Seine Lieblingsbühne waren die heimische Veranda, oder die Kneipe nebenan. Diese Art des „Laid Back“ weltweit in die Charts zu bringen, blieb einem ebenso unscheinbaren Gitarristen aus Großbritannien vorbehalten.

Der ehemalige Lokaljournalist und Teilzeit-Englischlehrer Mark Knopfler war Mitglied einer kleinen Musiker-Kommune im Süden von London. Die Vorzeichen für einen auch nur kleinen kommerziellen Erfolg waren in einer Punk- und New-Wave-Welt nicht unbedingt gut. Folglich nannte man sich Dire Straits (etwa: unwahrscheinlich knapp bei Kasse, absolute Pleite). 120 Pfund für Demo-Bänder waren trotzdem noch übrig. Gut angelegt die Kohle, denn ein DJ der BBC spielte die Newcomer wöchentlich in seiner Radio-Show. Schließlich wurde ein Talent-Scout auf die Straits aufmerksam. Zunächst konnten sie sich als Liveband beweisen, zum Beispiel im Vorprogramm von den „Talking Heads“, „Climax Blues Band“ oder auch „Styx“.

Ihre erste Single erschien im Mai 1978, vier Wochen später die Debüt-LP. Beide bekamen beachtliche Kritiken, doch die Verkäufe blieben erst einmal im Keller. Zum Glück blieben die Dire Straits nicht ewig ein Geheimtipp. Viel Promotion und vor allem Mundpropaganda bewirkten nach einem halben Jahr den Aufstieg in die Spitzenregionen der europäischen Hitparaden. Nun mussten auch die US-Plattenbosse ran. Diese hatten sich lange genug gegen diese konventionelle, so gar nicht modische Musik, wehren können. Sie täuschten sich, das Verkaufsergebnis ergab: Platin.

Mark Knopfler und seine Dire Straits bekamen von all dem recht wenig mit, sie arbeiteten auf den Bahamas schon am neuen Album. Dieses musste jetzt natürlich noch etwas zurückgehalten werden, wurde aber – wie alle nachfolgenden – ebenfalls zum Millionenseller.

Der kleine schmächtige Endzwanziger mit dem leicht blassen, und doch warmen Organ wurde zum neuen Gitarren-Gott. Viele berühmte Kollegen, die schon zwei Jahrzehnte Rockzirkus auf dem Buckel hatten, zollten ihm Anerkennung. Der sensible Künstler war kein Motiv für Abziehbilder oder für die Hochglanz-Presse, mit seinen wunderschönen Melodien und seinem perfekten Handwerk führte er viele Verirrte wieder heim.

 Dire Straits auf YouTube




Meilensteine der Popmusik (7): Santana

José Santana hatte sieben Kinder. Diese musste der mexikanische Mariachi-Musiker durchfüttern. Für Taschengeld reichte es nicht. Die Kleinen halfen sich selbst und lernten von der Musik des Vaters. So bearbeitete sein Sohn Carlos schon mit fünf eine Violine. Zehn Jahre später sang und spielte er für US-Touristen in Bars und Bordellen im mexikanischen Grenzstädtchen Tijuana. Im Gegensatz zu vielen anderen Mexikanern schaffte die Familie Santana den Weg ins Paradies. Das Paradies lag natürlich in Kalifornien, und in San Francisco steppte gerade der Hippie. Das war Mitte der 60er, Sohn Carlos stieß gerade rechtzeitig hinzu, denn in der bunten Multikulti-Szene war noch Platz für die Abteilung „Latin“. Carlos Santana machte einen kurzen Umweg über eine Blues-Band, bis er sein 7-Mann-Feuerwerk Santana gründete.

ABRAXAS

In einer Zeit, in der der universale 4-Mann-Sound (2 Gitarren, Bass, Schlagzeug) das Hitparadeneinerlei beherrschte, wurde Santana zur Sensation. Zwei lateinamerikanische Conga- und Timbales-Spieler hämmerten die Zuhörer schwindelig. Afrikanische und lateinamerikanische Percussion, zusammen mit harter Rock-Musik, das war neu im Geschäft. Das registrierten auch die Veranstalter von Woodstock. Sie engagierten Santana, allerdings ohne Gage. Die Newcomer wurden neben Joe Cocker zur absoluten Entdeckung des Festivals. Der Einsatz hatte sich gelohnt. Schon ihre Debüt-LP wurde zum Millionenseller. Der absolute Knaller kam aber mit dem Nachfolger „Abraxas“ (Name für altägyptischen Gotteskult). Songs wie Peter Greens „Black Magic Woman“ (im Original von Fleetwood Mac/1968), die Latin-Hymne „Oye Como Va“ (im Original von Tito Puente), und nicht zuletzt das von Carlos selbst komponierte und geradezu zelebrierte „Samba Pa Ti“ wurden zu Klassikern.

Äußerlich lag das Album voll im Trend. Der war natürlich was für die Augen und nannte sich „Cover Art“. Diese neue künstlerische Gestaltung einer Plattenhülle hatte für  „Abraxas“ der Hamburger Mati Klarwein vorgenommen. Er zeigte hier einen Ausschnitt aus seinem Gemälde „Annonciation“.  Der Künstler pflegte, nach eigenem Bekunden völlig drogenfrei, die psychedelische Kunst. Das Kunstwerk zeigt eine Collage aus indianischen, afrikanischen und asiatischen Motiven, mit einem nackten, weiblichen Engel im Zentrum. Die kahle Schöne hat Schwingen wie ein Adler, und reitet auf einer Conga durchs Bild. In diesem bunten Hippietraum deutete sich schon die neue Leidenschaft des Carlos Santana an. Meditative Reisen zum indischen Guru Sri Chinmoy veränderten den schnauzbärtigen Lockenkopf. Carlos ließ sich die Haare schneiden, ernährte sich fortan makrobiotisch, und schritt nur noch in weißen Gewändern umher. Und auch von seinen alten Kumpels und der knackigen Karnevalsmusik entfernte er sich immer mehr. „Fusion“ wurde seine neue Liebe. Eine Mischung aus Jazz, Rock und einem Schuss Blues. Der kommerzielle Erfolg war eher bescheiden, doch für Gitarren-Freaks spielte Carlos sowieso in der ersten Liga. Er selbst versuchte später oft an alte Zeiten anzuknüpfen. Erst 1999 gelang ihm ein phänomenales Comeback. Ein Jahr später erhielt er für „Supernatural“ insgesamt 8 Grammys.

Den Anfang machte er aber 1970, auf dem ersten, ganz großen Höhepunkt seiner Karriere, als er der LP Abraxas ein abgewandeltes Zitat aus Hermann Hesses „Demian“ voranstellte: „Wir standen davor und froren innerlich vor lauter Anstrengung. Wir befragten das Gemälde, beschimpften es, liebten es, beteten es an. Wir nannten es Mutter, Hure und Schlampe, nannten es unsere Geliebte, nannten es ABRAXAS…“

Samba pa ti – SANTANA

Vorherige Folgen der Serie: Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6)

 




Meilensteine der Popmusik (6): Foreigner

Ein nordatlantisches Bündnis der zwei führenden Rock-Großmächte wäre in den 60er Jahren unvorstellbar gewesen. Die Rockszene war damals ein Kampfschauplatz, begleitet von der dazugehörigen Kriegsberichterstattung. Kaum hatten die Beatles Amerika erobert, rückten etliche Gruppen von der Insel nach. Die US-Presse begleitete die „britische Invasion“ mit großer Sorge, Patrioten forderten einen Gegenschlag. Der kam dann auch prompt, und geballt, z.B. mit Flowerpower, Psychedelic und den Retortenclowns „The Monkees“.

Mit der Zeit verhärteten sich die Fronten, und die Stellungen waren mehr oder weniger eindeutig auszumachen. Die Briten hatten mit Deep Purple, Pink Floyd und Led Zeppelin den Rock als stärkste Waffe, die Amerikaner konterten mit Blackmusic: Soul, Phillysound, Disco und Funk (alles unter der Marke „R&B“). Die Grenzen waren eigentlich klar markiert, und doch gab es immer wieder Überläufer. Zum Beispiel den Londoner Mick Jones. Dieser hatte schon mit George Harrison, Peter Frampton und anderen Größen getingelt, und sich jetzt in New York als Manager einer Plattenfirma niedergelassen. Bei Studioarbeiten (u.a. für lan Hunter) freundete sich Jones mit zwei weiteren Briten, und zusätzlich zwei Amerikanern an. Man beschloss, es doch mal als Gruppe zu versuchen. Mick Jones hatte zwischenzeitlich ein paar Songs der relativ unbekannten US-Gruppe „Black Sheep“ gehört. Er mochte die Stimme des Sängers und fragte nach, ob er seinen Arbeitsplatz wechseln wolle. Das Angebot stimmte, und Sänger Lou Gramm machte die Quote der neuen Rock-Gruppe ausgeglichen: 3 Briten trafen auf 3 Amerikaner. So oder so gesehen waren die sechs untereinander Ausländer, und folglich nannte man sich schlicht: Foreigner.

Schon im Gründungsjahr 1976 unterschrieben sie einen Plattenvertrag und gingen mit 20 fertigen Songs ins Studio – Professionalismus von Anfang an. Gleich die erste LP schlug voll ein. Mit über 4 Millionen verkaufter Exemplare und drei Hit-Singles (darunter der Klassiker „Cold as ice“) war Foreigner aus dem Stand etabliert. Als großer Organisator und heimlicher Kopf stellte sich bald Mick Jones heraus; der Sänger Lou Gramm wurde sein Gegenpart und optischer Frontmann der Band. Beide versuchten, den britisch-amerikanischen Rocksound im Gleichgewicht zu halten. Es war eine ständige Schaukelpartie, vor allen Dingen bei den nächsten LPs. Kritiker warnten schon vor dem Untergang im Synthesizer-Sumpf, einer Stilrichtung, die damals vor allen Dingen in den USA sehr erfolgreich war. Mick Jones und Lou Gramm schienen die Gefahr erkannt zu haben und schrumpften ihr Projekt diesmal zu einer echten Rockformation.

Ihr viertes Album wurde nur noch zu viert eingespielt und hieß schlicht „4“. Es wurde ihr mit Abstand erfolgreichstes, mit weit über sechs Millionen Verkäufen allein in den USA. Zehn Wochen stand „4“ an der Spitze der US-LP-Charts. Der erfolgreichste Song aus dieser LP war „Waiting for a girl like you“. Eine Traumballade, die einen seltsamen US-Rekord aufstellte: Es wurde die erfolgreichste Nummer 2 der Hitparaden-Geschichte. Ganze zehn Wochen stand die Single dort, ohne es ganz nach oben zu schaffen (dort stand damals Olivia Newton-Johns „Physical“ wie eine eins). Die so umstrittene Synthesizer-Arbeit hatte man auf „4“ übrigens einem Fachmann der Extraklasse überlassen, dem Experimental-Rocker Thomas Dolby. Ansonsten kehrte der geradlinige, schnörkellose Rock zurück. Zu hören bei weiteren Welthits wie „Jukebox Hero“ oder „Urgent“. Für letztere Aufnahme holte man sich sogar die Motown-Legende Jr. Walker ins Studio. Er blies ein flippiges Saxophonsolo, das man dem älteren Herrn so gar nicht mehr zugetraut hatte.

Foreigner blieb noch für ein paar Jahre eine der erfolgreichsten Rockbands, bis sich die Köpfe Jones und Gramm immer mehr „auseinandermusizierten“, und die beiden sich schließlich regelrecht anfeindeten. Da brach er wieder auf, der britisch-amerikanische Rock-Konflikt, der in einer müden Solo-Karriere des Lou Gramm und der vorläufigen Trennung von Foreigner gipfelte. Waiting For A Girl Like You – Foreigner

 

Vorherige Folgen der Serie: Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5)




Meilensteine der Popmusik (5): Jim Croce

Was hatten sie schon gebracht, die 60er? Hatten sie die Welt verändert, diese Handvoll Protestsongs, die blumigen Parolen, wie z.B. „make love not war“? Alles tauchte irgendwann unter in den großen Drogensumpf. Und der Krieg ging erst einmal weiter. Die Vereinigten Staaten von Amerika verschleuderten 135 Milliarden Dollar für diesen sinnlosen Krieg. Viel schlimmer noch, 3 Millionen Kriegsopfer, darunter 56.000 tote GIs, waren die bedrückende Bilanz eines Horror-Trips in Vietnam. Wer wollte in diesen Tagen schon die Lieder der Heimat hören? Die Songs, die den Geist der Gründerzeit beschworen – die erzählten von den unbegrenzten Weiten des Landes, den unbegrenzten Abenteuern, den unbegrenzten Möglichkeiten seinen Mann zu stehen, der unbegrenzten Liebe zur Heimat. Die Geduld der Nation hatte Grenzen, Anfang der 70er Jahre. Jim Croce aus Pennsylvania bekam sie zu spüren, diese vorerst letzte, große Depression.

Er war ein einfacher Mensch vom Land, der die Dinge nahm, wie sie kamen. Und mit 18 kam erst einmal die erste Gitarre auf ihn zu, sogar eine 12-saitige. Ein paar Jahre später spielte er schon ganz passabel, und nebenbei hatte er schon so viele Berufe ausgeübt, dass er damit ein ganzes Arbeitsamt hätte beschäftigen können: Trucker, Autowäscher, im Steinbruch Steine kloppen, um sich herum erkannte er nur Proletarier. Danach vermittelte er kleinen Radiostationen Werbespots, und wenn Not am Mann war sprang er auch mal selbst ein. Über dieses wahrhaftige und doch so andere Amerika konnte Jim Croce wunderschöne Lieder schreiben, fast schon moderne Folklore, die aber keiner hören wollte. Immer wieder versuchte Jim Croce, seine Songs an den Mann zu bringen. Er zog sogar in die von ihm so ungeliebte Metropole New York, tingelte durch die Clubs, um dann wieder frustriert, gänzlich ohne Selbstvertrauen, aufs Land zurück zu ziehen. Kurz bevor der schnauzbärtige Jim Croce die Brocken endgültig hinwerfen wollte, kam doch noch ein Plattenvertrag zustande. „You don’t mess around with Jim“ hieß der trotzige Titel dieser LP, und die Kritiker überschlugen sich plötzlich. Auf einmal schien alles nur auf diese bodenständige Musik gewartet zu haben. Der Zeitgeist hatte mal wieder zugeschlagen, diesmal profitierte Croce davon. Seine Lieder aus der Welt der Arbeiter und Bauern, seine schlichten und auch melodiösen Liebeslieder, unterstützten ein gerade wieder neu entstehendes Selbstwertgefühl der Amerikaner. Jim Croce selbst blieb nur ein Jahr, um die Zeit als Superstar auszukosten. Am 20. September 1973 kam er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Er war gerade 30 Jahre alt.

Heute kann man sagen, dass kaum ein anderer Künstler eine solch´ große Lücke in den USA hinterlassen hat. Auch wenn Superstars wie Paul Simon, Billy Joel oder auch Bruce Springsteen in den folgenden Jahren immer wieder versucht haben die amerikanische Identität neu zu definieren, die einfache Mentalität des Otto-Normal-Amerikaners aus den Weiten des mittleren Westens trafen am besten die schlichten Songs des Jim Croce. Mit seinen persönlichen Erfahrungen können sich auch heutzutage noch viele Amerikaner identifizieren: Der tägliche Arbeitskampf, der Trott, die Selbstzweifel, die Unfähigkeit Gefühle auszudrücken. Immer wieder wird der „amerikanische Traum“ von Jim Croce in Frage gestellt. Besonders am Beispiel der großen Metropole, am Stolz Ihrer Einwohner. Was bedeutet es schon, dieses ‚Big Apple‘ New York: „Namenlose Gesichter in der Nacht – die Straßen sind zwar voll, doch alles sieht so fremd aus. Ein Jahr habe ich hier gelebt und wurde nie heimisch. Ich dachte, hier groß rauszukommen. Furchtbar schnell musste ich viel lernen; aber es waren keine schönen Dinge, und es ist schon so lange her, dass ich mich einfach nur wohlfühlen konnte. All´ das ist der Grund, warum New York nie mein Zuhause sein wird“.

You don´t mess around with Jim – Jim Croce




Meilensteine der Popmusik (4): The Mamas and the Papas

Kalifornien 1966: Sonne out, Strand out, Surf out. Nach der ersten großen Drogen-Welle und mit den Songs von Bob Dylan hatte sich die Welt verändert. Als Amerikas Engagement in Vietnam eskalierte, gab es neue Schlagworte: „love and peace“, „make love not war“. Die Studenten von Berkeley waren die ersten, die friedlich rebellierten. Der anrückenden Nationalgarde steckten sie Rosen in die Gewehrläufe. Die Gesellschaft war irritiert, bisweilen sogar schockiert. Auch hierzulande machten sie sich langsam breit; in den Augen des Nachkriegsspießbürgers waren sie nur langhaarige Nichtsnutze, diese „Gammler“. Wer sich rechtzeitig informiert hatte, sprach auch schon von „Hippies“. Das alles ließ sich schon damals toll vermarkten. Die Mode-Industrie setzte auf Parka, Boots und Blümchen. Und auch die übergroßen Beatles sangen ein Jahr später „All you need is love“. Mit Blumen im Haar machten sie Kasse mit der neuen Masche: Flower Power.

Die unumstritten erfolgreichste Vokalgruppe dieser Zeit lag optisch im Trend, und der hieß damals schon: Gleichberechtigung. THE MAMAS AND THE PAPAS – fast zehn Jahre vor ABBA die erste Gruppe, die unentschieden ausging – zwei Frauen, zwei Männer. Hinter den Kulissen ging es jedoch eher konventionell zu. Kopf der Truppe war John Philips. Er war verheiratet mit einer hübschen Mama und Mitsängerin, Holly Michelle Gilliam. John war auch verantwortlich für den schlichten Gruppennamen, der ursprünglich „Magic Circle“ (Magischer Kreis) lauten sollte. Doch zwischenzeitlich sah John ein Interview im Fernsehen mit einem Mitglied der Hells Angels. Dieser Rocker erzählte dem Reporter, „einige Leute bezeichnen unsere Frauen als billig, wir aber nennen sie liebevoll ‚MAMAS'“. Papa Nr. 2 war Dennis Doherty, wie die hübsche Michelle eher ein blasser Mitläufer. Aber die zweite Mama, die hatte es in sich: Ellen Naomi Cohen hatte seit frühester Kindheit einen Spitznamen: Cassandra, kurz Cass. Ein anderer Nachname musste auch noch her, und die schwergewichtige Cass Elliot entsprach dann wohl auch am ehesten den Vorstellungen die man landläufig von einer Mama hat. Doch ihr wahres Pfund war ein künstlerisch wertvolles: ihre Stimme, sie wurde zum absoluten Höhepunkt dieser Gruppe.

Zu ihrem Plattenvertrag kamen THA MAMAS AND THE PAPAS durch ihren Freund Barry Mc Guire, der mit „Eve Of Destruction“ schon einen Welthit abgeliefert hatte. Produzent Lou Adler war vor allen Dingen von den Songs begeistert, die John Philips geschrieben hatte. Einer davon, „California Dreaming“, wurde mit Barry Mc Guire aufgenommen. Die vier durften zuerst nur im Hintergrund trällern. Das änderte sich, als man die erste LP der Gruppe produzierte: „If you can believe your eyes and ears“. Die Stimme von Barry Mc Guire wurde einfach gelöscht, und der erste Hit von THE MAMAS AND THE PAPAS war perfekt. Die US-DJs stürzten sich auf das Album, nahmen aber noch einen weiteren Titel in ihr Powerplay, und zwangen die Plattenfirma, schneller als üblich diesen zweiten Song zu veröffentlichen. John Philips hatte das Lied bei der Produktion gegen den Widerstand der anderen Gruppenmitglieder durchgesetzt, und er sollte recht behalten. Das etwas dümmliche, vom Text her nichtssagende „Monday, Monday“, wurde weltweit der größte Erfolg der Gruppe. Dazu kamen auf der LP der Beatles-Song „I Call Your Name“, und neue Versionen der Oldies „Spanish Harlem“ und „Do You Wanna Dance“. Eine friedlich-fröhliche Pop-Platte, die damals zu den eher aufwendigen Plattenproduktionen zählte.

Viele Gruppen wie z.B. ABBA oder The Bangles haben sich Jahre später noch am Stil von THE MAMAS AND THE PAPAS orientiert. Dabei dauerte der Spuk nur ganze zwei Jahre, dann trennte man sich. Die schöne Michelle wollte nun endlich Schauspielerin werden – und scheiterte. Der blasse Dennis wurde noch blasser. John Philips hatte als Solist nur einige Achtungserfolge. Allein Mama Cass konnte sich stimmlich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Doch gerade sie wurde zur wirklich tragischen Figur dieser Gruppe. Ihre ausgeprägte Fresslust und ihre Vorliebe für Schock-Diäten wurden ihr zum Verhängnis. Drogen- und Alkoholexzesse taten ein Übriges.  Am 29. Juli 1974 starb Mama Cass in London, in der Wohnung ihres Musikerkollegen Harry Nilsson. Diagnose: Herzversagen. Drei Jahre vorher hatten THE MAMAS AND THE PAPAS noch ein Comeback versucht – vergeblich. Was bis heute übrigblieb, ist vor allen Dingen ihre erste LP – und die Erinnerung für viele (mittlerweile) Omas und Opas…

\“California Dreaming\“ – THE MAMAS AND THE PAPAS




Meilensteine der Popmusik (3): Elton John

Elton John live in Wembley 1984

Auch wenn Billy Joel ihn besang – für viele ist und bleibt Elton John der wahre „Pianoman“, Wegbereiter für Kollegen wie Gilbert O’Sullivan, Barry Manilow, Chi Coltrane, Bruce Hornsby, Joshua Kadison und andere Tastendrücker, die nach ihm Karriere machten. Viele von ihnen spielen schon lange keine Rolle mehr. Doch Elton John gehört nach all´ den Jahrzehnten noch immer zu den absoluten Superstars, ein Genie, mit dem es nur wenige aufnehmen können. Wenn es auch bei ca. 40 LPs einige Durststrecken gab, es sind immer noch reichlich Perlen darunter.

1973 zum Beispiel war Elton John besonders munter. Anfang des Jahres hatte er mit dem nachgebauten Oldie „Crocodile Rock“ seinen ersten großen Welthit, ein Song aus der LP mit dem witzigen Titel „Don’t shoot me, l’m only the piano player“. Für viele Kritiker ein eher schwaches Album, und auch für Elton John war es nicht das Gelbe vom Ei. Nach eigener Aussage ging er damals eher lustlos an die Sache. Also nichts wie die Zähne zusammengebissen und weitermachen.

Die neue LP sollte wieder in gewohnter französischer Schloss-Atmosphäre im Château D’Heronville entstehen. Doch dort ruhte der Studiobetrieb, weil es Streitereien um die Besitzrechte des Prachtanwesens gab. Der Produzent Gus Dudgeon hatte die Idee mit Jamaika. Die dortigen Studios waren gerade „in“, und versprachen vor allen Dingen Ruhe für die Produktion. So wurden Instrumente, technischer Kram und vor allen Dingen Tischfußballspiele auf die Reise geschickt. Der alte Genießer Elton John überbrückte die Distanz auf einem Luxus-Dampfer, ohne bis zum Ablegen auch nur eine einzige Note auf dem Papier zu haben. Am Ende der Reise waren dann 20 Songs fertig. Das Piano im Schiffssalon hatte gute Dienste geleistet. Bessere Dienste auf jeden Fall als das Exemplar im Inselstudio auf Jamaika, das wohl besser in ein Bierzelt gepasst hätte. Außerdem fehlten passende Mikrofone, die Bandmaschine hatte Aussetzer, die Mietwagen wurden über Nacht gestohlen, und jeden Morgen mussten sich die Musiker an Streikposten vorbeiquetschen, die offensichtlich während der Aufnahmezeit ihre Probleme lösen wollten. Man bat um Geduld. Als diese zu Ende war, glaubten die Hotel-Manager das gesamte Equipment beschlagnahmen zu müssen. Die Rechnung für die Ausrüstung war nicht – wie vertraglich zugesichert – vom einheimischen Studio bezahlt worden. Da kam die erfreuliche Nachricht, dass auf dem französischen Schloss wieder alles klar war, man könne dort das Album fertigstellen. Der Zeitplan der Firma Elton John war total durcheinander gewirbelt. Eine geplante Deutschland-Tournee musste zwischenzeitlich abgesagt werden.

Unter diesem immensen Druck entstand das Doppel-Album „Goodbye yellow brick road“. Erstaunlicherweise eines der besten von Elton John. Auch der Künstler war begeistert: “Alle meine Einflüsse sind darin enthalten; alles, was ich je geschrieben habe, klingt darin an“.

Bei der ironischen Pop-Gruppen-Verherrlichung „Benny and the jets“ war es zum Beispiel Elton Johns erster geglückter Versuch mit der Soulmusik, und die nachträglich im Studio zugemischte Liveatmosphäre störte auch nicht weiter. Oder „Candle in the wind“, eine Hymne an sein Idol Marylin Monroe, deren Bild er schon als Schüler täglich in seinem Ranzen mit sich trug.

Alles aber wurde überstrahlt vom Titelsong, der wie eine große Verbeugung vor der Musik von John Lennon und Paul McCartney klang. Dazu kamen weitere 16 Songs vom Rock, Rock’n´Roll bis zur schlichten Ballade. Popmusik in Reinkultur. Popmusik so wie Elton John sie sieht: „In 200 Jahren wird sich keiner mehr anhören, was heute geschrieben und gespielt wird. Doch ich glaube, man wird immer noch Beethoven hören. Pop-Musik ist reiner Spaß, und das ist einer der Gründe, warum ich mich selbst nicht so ernst nehme. Ich liebe Pop-Musik, sie ist mein Leben. Und ich liebe sie, weil sie Spaß macht.“ Weltweit über 30 Millionen verkaufter Alben von „Goodbye yellow brick road“ bedeuten für Elton John bis heute einen persönlichen Rekord.




Meilensteine der Popmusik (2): Creedence Clearwater Revival

„Die Welt sehe ich immer noch mit den Augen des Proletariers. Wer nur an die Kohle denkt, dem fällt künstlerisch überhaupt nichts mehr ein“. Der CCR-Macher und Kopf John Fogerty sagte dies nach seinen Welterfolgen als Band-Boss, durch die er selbst um einige Millionen Dollar reicher geworden war.

Die Anfänge der Gruppe gehen zurück bis ins Jahr 1959. Damals tat sich John mit seinem Bruder Tom und den Schulfreunden Stu Cook und Doug Clifford zusammen. Auf Partys war in erster Linie der Schreihals John der absolute Brüller, er übertönte jedes Getümmel mühelos. Aus den Amateuren wurden vier Jahre später Profis mit grandiosen Flops. Die Jungs aus El Cerrito (nahe San Francisco) nannten sich damals noch „Golliwogs“ (Vogelscheuchen). John musste dann erst einmal zum Wehrdienst. Als er zurück nach Hause kam, hatte sich vieles verändert. San Francisco war Nabel der Rockmusik, aus der ganzen Stadt ein permanentes Hippie-Happening geworden. Plattenfirmen und Manager durchschnüffelten die ganze Umgebung nach neuen Talenten, ein Act aus der „Bay Area“ war ein Muss. Da war sie also, die Chance auch für John und seine Gruppe. Doch es musste schnell ein neuer Name her, ein Name, der in die neue Zeit passte. Ein guter Freund namens CREDENCE (Glauben, Vertrauen) musste herhalten. Dazu gesellte sich eine aufdringliche Bierwerbung im TV. Hier war von „CLEARWATER“ die Rede: sauberes Wasser, Wiedergeburt, Erneuerung, und dazu noch Vertrauen, das waren die Stichworte. Das klang fast schon wie eine neue Sekte, wurde letztlich aber nur  d i e  neue US-Rocksensation der späten 60-er Jahre.

Wie die Wortkombination CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL (kurz: CCR) schon sagt, war die Gruppe eigentlich nur das, was auch die amerikanische Rock-Szene in einigen Abständen wohl benötigte: Die Rückbesinnung auf die alten Werte nach durchlebten Identifikationskrisen (in den 80ern wurde Bruce Springsteen, der „Boss“ dafür zuständig… doch das ist eine andere Geschichte). Bei CCR war auf jeden Fall John Fogerty der Boss. Jahre später konnte man es noch immer auf seinen leidlich erfolgreichen Soloplatten heraushören, erst recht wenn man die absolut indiskutablen Versuche der anderen Gruppenmitglieder dagegen hielt. Die kalifornische Herkunft schien CCR  zu verleugnen. Prägend waren hingegen die musikalischen Vorlieben von John Fogerty. Seine Songs spielten überwiegend in den Südstaaten, erzählten vom alten Raddampfer „Proud Mary“, dem „Bad Moon Rising“ über den Sümpfen von Louisiana, oder vom „Green River“ Mississippi.

Ihre 5. LP benannten sie nach ihrem Probenraum (einer alten Lagerhalle) COSMO´S FACTORY. Ihre Musik war unverändert eine Mischung aus Rock’n’Roll der 50-er, britischem Beat, Delta-Blues und Country-Music. Das alles rockte schlicht geradeaus, ziemlich laut produziert, mit dem manchmal ruppig dröhnenden Organ von John Fogerty im Vordergrund. Er gröhlte von alltäglichem („Who’ll stop the rain“), dem Tourneeleben („Travelin´ Band“), bis hin zu leicht religiösem („Long as I can see the light“). Alles, was der aufrechte Amerikaner nicht vertragen konnte – Politik, Sex und Drogen – waren keine Themen. COSMO´S FACTORY ließ die braven Jungs von CCR nicht überschnappen. Ihre Landsleute vergaßen in diesem Superjahr 1970 sogar für einen Moment die Trennung der Beatles. Es war der typisch amerikanische Nationalstolz, der vor jedem den Hut zieht, der diese „Von-ganz-unten-nach-ganz-oben-Karriere“ hinter sich hat, und trotzdem berechenbar und bescheiden bleibt.

Dass dieser Traum schon ein Jahr später platzte, war einmal mehr die Schuld des Big Business´. Der Plattenboss hatte die Band derart mit Knebelverträgen zugeschnürt, dass es Jahre dauerte, bis man sich befreien konnte. Übrig blieben fast zwei Dutzend Single-Hits, die man wie einst in „American Graffiti“ am besten aus einem quäkenden Mono-Empfänger hört – je kleiner, desto besser. Empfehlenswert sind hier die früher so beliebten, kleinen 0,5-Watt-Hand-Transistorgeräte aus Taiwan-Produktion. Aus diesen flatternden Mini-Membranen scheppert CCR auch heute noch wie damals…

http://www.youtube.com/watch?v=FGdFHL8AHJs

 




Meilensteine der Popmusik (1) : Peter Gabriel

Er schreibt, singt und spielt im Rhythmus der Vereinten Nationen. Globale Klänge sind sein Beruf, er ist wohl bis heute der Generalsekretär der „Welt-Musik“. Für ihn ist Rhythmus das Rückgrat der Musik. „Rhythmus diktiert die Gestalt eines Songs“ sagt Peter Gabriel dazu, „konventionelle Rock-Rhythmen führen immer zu konventionellen Rock-Kompositionen. Deshalb suche ich bei fremden Kulturen nach alternativen Möglichkeiten.“

Die Trommel entdeckte der kleine Peter schon mit 13. Ein Jahr zuvor hatte er bereits seinen ersten Song geschrieben. Der pickelige Teenie war damals ein kleines Dickerchen, träumte vom Starruhm der Beatles. Es war anfangs nur der Traum von „Girls and Money“, aber mit schwindender Pubertät wuchs das künstlerische Vermögen des Peter Gabriel. Er trommelte sich durch Jazz- und Soul-Bands, und wurde schließlich Mitbegründer und Vordenker einer neuen experimentellen Rockband: Genesis. Die Auftritte dieser Gruppe entwickelten sich im Laufe der Jahre zu Multi-Medien-Spektakeln. Peter Gabriel war Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person. Auf der Bühne konnte er seinen Mode- und Verkleidungsfimmel total ausleben, es schien fast so, als würde er sich schon damals auf eine zukünftige Ära der Video-Clips vorbereiten.

Mitten in der Erfolgsstory von Genesis packte Peter Gabriel 1975 seine Bühnen-Garderobe und ging. Seine Frau hatte eine sehr komplizierte Geburt vor sich, er wollte sich Zeit für die kleine Familie nehmen. Genesis wählte den neuen König Phil Collins, und Gabriel schuf sich sein eigenes Reich. Seine ersten vier Solo-Alben machten ihn zu einem der eigenständigsten und doch erfolgreichsten Künstler der neueren Rock-Geschichte. Dieses war schon etwas verwunderlich, weil er keine markt- oder trendgerechten Kompromisse einging. Ganz im Gegenteil, er schien immer mehr Freude am Experimentieren zu bekommen. Bei diversen Soundtracks spielte er z.B. fast ausschließlich mit Atmosphäre und Klängen.

Für sein 5. Album vermischte er dann neueste Technik mit den traditionellen Formen des Songschreibens. Und er nahm sich Zeit. Drei Jahre lang reiste Gabriel um die Welt, vom Senegal bis nach Brasilien. Überall studierte er die rhythmischen Grundlagen populärer Volksmusik. Sein Credo: „Wenn ich eine Platte mache, lasse ich mir viel Zeit zur Vorbereitung, um Klänge zu kreieren, auszuprobieren und auszuwählen. SO ist da keine Ausnahme. Jeder Klang besitzt eine bestimmte Eigenart, einen Charakter, was für mich das Auswahl-Kriterium darstellt. Oft sind es gerade die simplen, primitiven und naiven Klänge, die am meisten Charakter haben“. Peter sammelte diese Klänge und holte sich dazu eine Reihe von großen Namen ins Studio. Dem Ex-Police-Drummer Stewart Copeland überließ er einen großen Teil seiner eigenen Trommeln, mit Kate Bush sang er ein herzzerreißendes Duett („Don’t give up“), und aus dem Senegal hatte er mit Youssou N’Dour einen Superstar der Worldmusic mitgebracht. Bei all dem Aufwand blieben dann doch nur 8 Songs übrig, die aber zum Besten gehören, was die 80-er zu bieten hatten. Dazu kam Peters Vorliebe für visuelle Ausdrucksformen. Sein vielfach preisgekrönter Video-Clip zu „Sledgehammer“ war wohl einer der witzigsten seiner Art. Zusammen mit Malern und Bildhauern hatte er in London und New York an diesem 4-Minuten-Kunstwerk gearbeitet. Er ermutigte diese Künstler-Kollegen, Möglichkeiten der neuen Technologie zu ergründen.

Doch Peter Gabriel war und ist auch in anderer Hinsicht ein öffentlicher Mensch. Als überzeugter Pazifist und Anti-Rassismus-Kämpfer stellte er sich für unzählige Benefiz-Konzerte zur Verfügung. So wäre er auch ohne SO zu einer Persönlichkeit der 80er geworden, denn seine Musik ist zeitlos. Schon damals 1986, schrieb die US-Fachzeitschrift „Rolling Stone“: „Peter Gabriel ist es gelungen, einen Sound zu etablieren, der das Jahrzehnt überstehen wird“.

http://www.youtube.com/watch?v=RVUxgqH-y4s

Mit diesem Beitrag beginnt eine Reihe in loser Folge.




Das Wort zum Wochenende

 

Westfalenstadion Dortmund, Südkurve, beim Spiel BVB - Hannover 96 am 2. April 2011 (Foto: Bernd Berke)

Westfalenstadion Dortmund, Südkurve, beim Spiel BVB - Hannover 96 am 2. April 2011 (Foto: Bernd Berke)

Es waren die Wochenenden, die vor langer Zeit viel erlebnisreicher waren.

Schon freitagabends ging es los, meist pünktlich um 20.30 Uhr. Bis zum Sonntagabend hielt dieses schier unbeschreibliche Gefühl an. Es waren junge Männer, die uns in den Bann zogen. Junge Männer in kurzen Hosen und Kniestrümpfen, farbenfroh gekleidet, im liebevollen Umgang mit einer Lederkugel. Dazu pfiff ein gestrenger Herr ein fröhliches Liedchen. Man nannte ihn zärtlich „Schiri“.

Wer erinnert sich nicht mit viel Wehmut an Szenen, wenn z.B. einer dieser tüchtigen Kerls seinen Schlappen ausfuhr zur Blutgrätsche? Oder gar den Ellenbogen in Richtung Halsschlagader? War das ein heiteres Bodychecken (Körpertasten)! Wir saßen alle um das bengalische Feuer, zusammen mit eifrigen Kuttenträgern, die ihrerseits ebenfalls immer bereit waren zum intensiven Körpertasten. Stimmungsvolle Choräle begleiteten das festliche Hochamt.

Die Messe dauerte in der Regel 90 Minuten, unsere Monstranz nannte sich Tabelle. Wir alle waren tiefgläubig.

Nun sind die Wochenenden trist und leer. Schon seit langer Zeit sind wir auf der Suche. Wo ist der Sinn, der Halt, der Anstoß?

Oh Herr, gibt sie uns zurück! – die LIGA!