And the Oscar goes to… – eine ganz persönliche Favoritenschau in letzter Minute

Weil ich ja so gern in Filme einziehe (ebenso gern wie in Bücher), hätte mich diese Oscar-Saison beinahe in die Obdachlosigkeit getrieben, wären da nicht doch noch zwei Außenseiter um die Ecke gekommen. Nach einigen Wochen extreme-movie-watching wurde ich quasi last minute noch fündig. Ein Glück!

Ich werde hier nur die wichtigsten Kategorien erwähnen, der Rest kommt bei mir so unter ferner liefen. Hauptsächlich weil so zeitaufwändig.

Zwei nominierte Filme beziehungsweise Darsteller, für die mein Herz dann Sonntagnacht ein paar Schläge mehr leisten muss, sind die, die ich zuletzt gesehen hatte.

„Philomena“ nominiert für „Best Motion Picture“ und „Best Leading Actress“ – Judi Dench
Eine schöne Geschichte, ein wenig traurig, ein wenig heiter. Bewegend. Vergangenheitsbewältigung einer alten Frau, die sich auf die Suche nach Anworten macht. Trotz ausgeprägt negativer Erlebnisse im Namen der Kirche verliert sie erstaunlicherweise ihren Glauben nicht.
Von mir Oscars für „Bester Film“ und „Beste Hauptdarstellerin“.

„Blue Jasmine“ bekam zwei Nominierungen:
für „Best Actress“ und „Best Supporting Actress“
Woody Allens „Blue Jasmine“ beschreibt den neuen Lebensabschnitt von Jasmine, die inzwischen völlig verarmt ist. Nicht zuletzt, weil der Ehemann vorher seinem betrügerischen Leben ein Ende gesetzt hatte. Jasmine kriecht bei ihrer Schwester unter, die aber ihre eigenen Probleme hat. Jasmine bewegt sich rasant in einer Abwärtsspirale zwischen Traum und Wirklichkeit.
Hier bin ich hin- und hergerissen zwischen Cate Blanchett und Judi Dench. Eigentlich ist meine erste Wahl doch Cate. Noch vor Judi.
Ach, ich würd mich für beide gleich freuen.

Nun mal zu meinen Vermutungen, wie die anderen Nominierten so abschneiden werden:

Kategorie „Best Motion Picture“
„American Hustle“

Ein Schelmenstück. Wer zieht wen geschickter über den Tisch, wer fliegt auf und warum. Witzig und turbulent erzählt und gespielt. Für mich allerdings kein Oscar-Kandidat.
„Captain Philips“
Ein amerikanischer Kapitän zur See fällt vor der Küste Ostafrikas in die Hände von skrupellosen Seeräubern. Durchgehend ziemlich spannend. Schlussszene mit Hanks schon oscarwürdig, aber ein Schluss allein kann doch nicht ausschlaggebend sein.
„Dallas Buyers Club“
Das Thema Aids, mit einigem Humor und genügend ernsten Untertönen erzählt. Unterm Strich eine Bad-Boy-Geschichte, deren Held, ein Rodeo-Cowboy, kriminell wird, um anderen helfen zu können. Mit seiner Southern-Boy-Schlitzohrigkeit sich selbst natürlich auch. Und weil ihn die Politik, das System, im Stich lässt. Mit einem Oscar für „Best Motion Picture“ könnte ich leben, aber muss nicht.
„Gravitiy“
Taumeln im Weltall. Abenteuer und Nervenkitzel. Wenn man bedenkt, dass bisher alle, die ohne Kapsel auf (filmischen) Missionen im Weltraum unterwegs waren, nicht zurück kamen, dann ist das schon ganz großes Abenteuer. Ziemlich früh werden die Hauptpersonen von zwei auf eine reduziert, die dann ganz allein und lost in space im dusteren All rumschwebt. Mit 90 Minuten Spielzeit durchaus Standard, aber gefühlte drei Stunden Spannung. Trotzdem war das Ende vorhersehbar. Wer in Hollywood lässt schon eine Sandra Bullock so im All verknuspern? Aber toll fotografiert. Excellent special effects, dafür allein müsste ein Oscar drin sein (Beste Kamera). Nix von mir.
„Her“
Science Fiction. Muss man mögen. Ich bin nur in ganz besonderen Fällen dafür zu haben. Dieser hier hat mich von Anfang an nicht erreicht. Bestimmt mein Fehler. Aber ich bin hier der Verteiler von Oscars, deshalb nix von mir. Also nix für whatever.
„Nebraska“
Vater und Sohn-Geschichte mit einem Hauch Road Movie, in „back tot he roots“ schwarz/weiß. Berührend, aber auch nicht ohne Witz und Charme. Wunderbare Vorstellung vom alten Bruce Dern. Best Motion Picture hab ich da nicht unbedingt gesehen, aber originelle Story. „Best Director“ allerdings, da wär ich für.
„12 Years a Slave“
Vergangenheitsbewältigungsfilme braucht jedes Land. Und viele haben sich schon getraut. Auch Amerika hat durchaus einiges zu bewältigen in seiner 238jährigen Geschichte. Viel Böses, Ungerechtes und Unschönes ist da passiert, das ja immer noch nicht wirklich bewältigt ist. So ist das überall auf der Welt und für jeden von uns. Es gibt immer was zu bewältigen, und das kann man immer in Filmen thematisieren. Das geht witzig (Inglourious Basterds, Django Unchained) aber es geht auch staatstragend. Das meine ich nicht abwertend, aber es nimmt jeder Geschichte die Leichtigkeit. Nun ist Sklavenhandel und –haltung nichts, das mit Leichtigkeit und Tralala verkitscht werden sollte. So gesehen, hat man sich in diesem Film des Themas würdig angenommen. Gute Darsteller, gute Geschichte, sehr viel Realismus. Und Epos nicht zu vergessen. Unglaublich brutal. Hollywood schwelgt derzeit in diesem Genre. Deshalb glaube ich, dass das der Abstauber des Abends werden könnte.
„The Wolf of Wall Street“
The American Dream. Sehr schnell sehr reich werden. Im schlimmsten Fall pflastern ein paar Leichen den Weg dahin. Bildlich gesprochen. Man braucht eine Idee, einen smarten Kopf und Chutzpe. All das hat der Wolf, der sein Glück an der Wall Street, dem Geldzentrum der westlichen Welt, sucht und findet. DiCaprio kann diese schmierigen Fieslinge gut (tendiert aber bisweilen zur Bräsigkeit). Egal, wie gut die Geschichte erzählt wird, ich kann diesen Storys über Abzocker, die sich ohne jegliche Skrupel über den Rest der Gemeinschaft (der sie nicht angehören wollen und können) erheben und sie um ihre Existenz bringt, einfach nichts abgewinnen. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um wirkliche Ereignisse handelt. (Wie übrigens einige andere der Wettbewerbsfilme auch.)

Kategorie „Beste Regie“
David O. Russell „American Hustle“

Nun ja, netter Film, lustig und gut besetzt. Durchweg straff inszeniert (ein Gag jagt den nächsten). Aber Trophäen-Material? Nicht für mich..
Alexander Payne „Nebraska“
Schön erzählt, ruhig und tongue-in-cheek: Eine 800-Meilen-Reise des alten Mannes (von Billings, Monatana, nach Lincoln, Nebraska), der sein Gewinner-Los bei den Sweepstakes einlösen will. Kauzige Darsteller, (wunderbar Bruce Dern), flotte Handlung. Paynes Film „The Descendants“ hatte mich nicht so beeindruckt, aber „About Schmidt“ – unvergessen. Einen Oscar von mir für „Best Director“ – yeah!
Martin Scorcese „The Wolf of Wallstreet“
Ja, der Marty, hier war ich erst mal hin- und hergerissen. Bombast und satte Bilder. Sprachgewalt und Spielfreude. Thematisch nix für mich. Wenn sich die Motion Picture Jury auf ihn eingeschworen haben sollte, dann kriegt er ihn. Aber die können sich ja auch nicht vierteilen. Von mir nüscht.
Steve McQueen „12Years a Slave
Im Rahmen der land slide Nominierungen könnte er gute Chancen haben. Hollywood, I hear you knocking. Wird das echt der Abräumer? Schon wieder nix von mir.
Alfonso Cuarón „Gravity“
Nö. Obwohl ja toll fotografiert, tolle Technik, eindrucksvolle Bilder und all das. Aber NÖ.

Bester Hauptdarsteller
Christian Bale „American Hustle“

Siehe oben. Guter Schauspieler, durchaus. Aber nicht in diesem Film. Vielleicht wusste ich seine Leistung auch nicht richtig zu schätzen, weil ich den Film nicht so mochte? Egal. Nix (ich kann ja auch nur einen Preis pro Kategorie vergeben).
Bruce Dern „Nebraska“

Jaaa, jaaaa, jaaaaa. Bruce Baby. Herrliche Szene gegen Ende, als er am Steuer des (fast) neuen Pick-up Trucks durchs Heimatdorf schleicht und seinen Sohn anweist: „Duck dich, duck dich“. Den Oscar würd ich ihm am liebsten persönlich in die Hand drücken.
Leonardo DiCaprio „The Wolf of Wall Street“
Der hatte ein paar richtig gute Rollen in den letzten Jahren. Er verkörpert den gierigen Schmierlapp sehr lebensecht. Aber er ist mir so unsympatisch, dieser Film und seine Protagonisten. Nix von mir.
Matthew McConnaughy „Dallas Buyers Club“
Ja, damit könnt ich leben. McConaughey wird immer mehr zum Charakterdarsteller. Als Ron Woodroof, Elektriker und in seiner Freizeit Rodeo-Cowboy, der für ein paar Dollar auf wilden Stieren rumreitet, hat er mich überzeugt. Als Aidskranker auch. Er war so besessen von der Rolle, dass er 20kg Gewicht verlor, um den immer kränker werdenden Ron so realistisch wie möglich darstellen zu können. Wenn Dern den goldenen Knaben nicht bekommt, dann sollte McConnaughy ihn haben.
Chiwetel Ejiofor „12Years a Slave“
Siehe oben. Hollywood Choice. Verdient hätte er es bestimmt. Aber… aber…

Beste Hauptdarstellerin
Amy Adams „American Hustle“

Uh-uuh – no no.
Cate Blanchett „Blue Jasmine“
Die isses. Für mich jedenfalls (siehe ganz oben).
Judi Dench „Philomena“
Ja, ja, ja! Am schönsten fänd ich, wenn sie und Cate Blanchett einen bekommen könnten. Aber wenn Blanchett leer ausgeht, dann bitte, bitte Judi Dench.
Sandra Bullock „Gravity“
Die Mimik von Frau Bullock durchläuft geschätzte drei Phasen. Wenn man vergisst, dass es den schönen George (Clooney) schon ziemlich am Anfang zerdengelt, ruht die ganze schauspielerische Anforderung auf Sandra Bullock, die auch eine Art „happy end“ mimen darf. Warum sie für „Best Actress“ nominiert ist, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.
Meryl Streep „August: Osage County“
NEE! Absolut nicht. Selten hab ich Streep so schrecklich gefunden. Eigentlich noch nie. Da häng ich ganz schnell mein Mäntelchen des gnädigen Vergessens drüber.

Bester Nebendarsteller
Barkhad Abdi „Captain Philips“

Nojo! Aber nö.
Bradley Cooper „American Hustle“
Nee, auch nicht.
Michael Fassbender „12 Years a Slave“
Im Rahmen der Anhäufungen von Nomis für gefühlt alle Sparten des Films. Und Fassbender ist ja ein guter Schauspieler, verdient hätte er einen Oscar allemal. Meinetwegen gerne.
Jonah Hill „The Wolf of Wall Street“
Wär ne Möglichkeit, aber lieber Fassbender. Am liebsten aber:
Jared Letho „Dallas Buyers Club“
Gerne den. Ein Gutes Team, er und McConnaughey.

Beste Nebendarstellerin
Sally Hawkins „Blue Jasmine“

Wär eigentlich okay, jedenfalls nicht so abwegig. Sie hat mir gut gefallen als die arme Schwester von Jasmine.
Julia Roberts „August: Osage County“
Um Himmels Willen, nein. Also wirklich!!!
June Squibb „Nebraska“
Leider weiß ich schon gar nicht mehr, welche Rolle die hatte. Offenbar hat sie mich nicht beeindruckt. Vielleicht war sie großartig, ’schullijung.
Jennifer Lawrence „American Hustle“
Ja! Mit Fug und Recht.
Lupita Nyongo’o „12 Years a Slave“
Könnte so ausgehen. Angesichts der Nominierungsschwemme durchaus möglich. Am besten 99 Oscars für alle, die maßgeblich an dem Werk beteiligt waren.
Auch für die Kabelträger.

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Die Oscar-Verleihung wird heute (Nacht vom 2. auf den 3. März deutscher Zeit) ab 1.30 Uhr bis 5.50 Uhr bei Pro Sieben übertragen)




Wer steckt eigentlich hinter dem „Oscar“?

Seit ich alljährlich meine persönlichen Gedanken zu den Oscar-Nominierungen niederschreibe, frage ich mich heute mal: „Who da fuck is Oscar“, obwohl das richtig heißen müsste, „Who da fuck is…“ diese ominöse „Academy of Motion Pictures“? Wer steckt dahinter? Kennt man die Leute? Sind das hoch dekorierte Aktricen und Akteure, Regisseure, Dekorateure, Requisiteure, Komponeure, Friseure, Couturiers, Make-up-Artisten, Drehbuchschreiber, Autoren, Kameraleute, Editoren, Cutter, Kabelträger, Besetzungsbüros, und andere Filmschaffende?

Oder gar Multimillionäre, Banker, Wheeler/Dealer, Money Traders, die Mafia vielleicht (an alle strenggläubigen Frauenrechtspersonen jeglichen Geschlechts: all diese Berufe auch für –innen, versteht sich von selbst)?

Ich hatte nie drüber nachgedacht.

Seit nun aber schon wieder so ein Mogelpaket mit Namen ADAC geplatzt ist und auch seit wir ja jetzt mit Gewissheit erkennen durften, dass dieser früher von vielen belächelte „Big Brother“ unser Leben nicht nur vollelektronisch überwacht, sondern auch steuert, hab ich mal ein bisschen recherchiert. Bei Wikipedia und Co. Da weiß man ja auch nicht immer, woher die Informationen kommen, ob sie komplett sind, und ob sie stimmen. Aber ich bin gutgläubig und nehm das jetzt alles mal als ziemlich wahr hin.

Ehrenamtlich und gemeinnützig

Ich wollte also wissen, wer genau die Bestimmer von Qualität und Leistung in der Illusionsfabrik Hollywood sind.

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) wurde 1927 als eine ehrenamtliche und gemeinnützige Organisation gegründet. Das heißt soviel wie: Die kriegen keine Knete für ihr Schaffen. Die Gründungsmitglieder kommen tatsächlich aus den von mir vermuteten Bereichen und noch ein paar mehr. Aber mafiöse Verbindungen sind nicht dokumentiert (die werden sich hüten, so was an die Öffentlichkeit dringen zu lassen). Obwohl, da ging ja mal die Frankie „Old Blue Eyes“ Sinatra-Geschichte einer Mafia-Connection durch die bunten Blätter. Alles nur Gerüchte?

Die Mitglieder also arbeiten (immer noch) ehrenamtlich. Das ist vielleicht für einige der Weltstars ein Opfer, wo ich doch immer wieder lese, dass man in den Kreisen gern schon für einen kleinen Händeschüttler bezahlt werden möchte. Aber schließlich, was zählt, ist doch zuerst die Ehre, dann das Amtliche.

Angeschwollen auf über 6000 Akademie-Mitglieder

Aus den anfänglichen 36 Mitgliedern wurden dann in 86 Jahren über 6.000, darunter manche, deren Namen nur begrenzt bekannt waren und wurden. Mitglied wird man nur auf Einladung der AMPAS. Wer über die Jahre des Filmschaffens einen oder gar mehrere Oscars einsammelt, darf fest damit rechnen, in den erlauchten Kreis eingeladen zu werden.

Damit da nun nicht alles kreuz und quer und chaotisch durcheinander läuft, gibt’s natürlich eine Organisation wie im richtigen Leben mit Präsident(in), 1. bis 3. Vize-Präsidenten, Schatzmeister, Sekretariat und CEO, dessen oder deren Aufgabe sich mir nicht ganz erschließt. Aber auch in Lala-Land ist ein Verein ohne Geschäftsleitung nichts. Auch eine Non-profit-Gesellschaft braucht eine Sekretärin, und die bekommt hoffentlich trotz aller Ehrenamtlichkeit ein Gehalt.

Titel wie Vice President und CEO machen sich immer gut auf einer Visitenkarte bei einer Party oder bei einem Telefonat, auch wenn das eine finanzielle Luftnummer ist. Da hat man halt was Eigenes, wie ein Diplom oder einen Ehrendoktor, mit dem man Eindruck schinden kann. Namentlich in Erscheinung treten diese Herrschaften äußerst selten.

Es gibt unheimlich viel zu gucken

Nun also sitzen jährlich Tausende von ebendiesen Filmschaffenden zuhause rum und gucken Filme ohne Ende. Nebenbei werden sie ja auch noch selber mal hier und da ’ne Rolle übernehmen. Je nach Autor, Story und Regisseur kann das auch ne wochen-, monate- oder jahrelange Sache werden. Ob die sich dann nach einem anstrengenden Dreh abends noch in ihre Wohnwagen schleppen, um das Material für den nächsten Preisverleih zu sichten? Das ist nicht überliefert. Aber falls sie es tun, dann gab’s für die diesjährige Veranstaltung viel, viel zu gucken, denn einige der nominierten Werke sind tatsächlich 180 Minuten lang.

That’s a lot of viewing! Und sie bekommen dafür ja höchstens diese Beutelchen mit hochwertigen Sächelchen drin, die „Goody Bags“ (und die Ehre natürlich). Da ist Kram drin, die keiner der Hollywoodies braucht, aber nett zum verschenken an Freunde, Verwandte und Fans. Oder verscherbeln sie es bei Ebay? Eine Gucci-Sonnenbrille, die Uma Thurman mal angefasst hat, das bringt bestimmt was ein.

Mein Fazit also, da sie es alle nur für Krishnas (beliebig ersetzbar durch andere Gottfiguren) Lohn tun, hoffe ich auch, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen jurieren. Ganz sicher bin ich da ja nie.
Vielleicht sagt sich da auch mal die Eine oder der Andere: „Hach nee, die/den kann ich nicht ab, keine Stimme von mir, egal wie göttlich die/der da war“. Oder solche, die grad nen brandheißen Film zu verhökern haben, antichambrieren und verführen Stimmberechtigte mit Champagner in Jacuzzis, gefüllt mit lauwarmer Eselsmilch – und reichen dazu frittierte Elefantenhoden.

In 86 Jahren präsidierten nur drei Frauen

Erstaunlich finde ich, dass in den ganzen 86 Jahren nur drei Frauen Präsidentin der Akademie waren. Die erste war Bette Davis 1941. Nach zwei Monaten schmiss sie der Academy ihr Amt vor die Füße, da war sie 33. Offizieller Grund: zu viel Filmarbeit, um diesen Job ausfüllen zu können. Hinter vorgehaltener Hand entwichen allerdings die wahren Gründe, nämlich, dass sie stinksauer war, weil sie vermutete, dass sie nur als Pappkameradin, Quotenfrau quasi, ausgewählt worden war.

Dann folgten erst mal wieder Männer, von denen nur Gregory Peck zu Weltruhm kam. Fay Kanin musste bis 1979 warten, ihre Präsidentschaft dauerte vier Jahre. Wie im wirklichen amerikanischen Leben. Über Frau Kanin, die in Hollywood und der Filmbranche weltberühmt war, habe ich nicht viel erfahren können. Sie war nur einmal, mit Herrn Kanin, verheiratet und wurde 96 Jahre alt. Sie starb voriges Jahr.

Nun folgen ganz viele Männer, der bekannteste war Karl Malden. Erst voriges Jahr im Juli übernahm dann Cheryl Boone Isaacs. Sie ist African American und war bisher im Film-Marketing tätig. Sie hat die Marketing Kampagnen für „Forrest Gump“ geleitet, der ja dann einen Oscar für „Best Picture“ gewann. Wenn das keine Empfehlung für die Präsidentschaft ist! Wir werden sie dieses Jahr zur Eröffnung der Feierlichkeiten kennenlernen.

Auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, dass AMPAS eigentlich nur um sich selbst rotiert, stimmt das nicht. Sie unterstützen und fördern verschiedene Akademien rund um das Filmgeschäft. Sie vergeben Stipendien und gut dotierte Preise an Studenten und Schulen. Woher diese finanziellen Mittel kommen, konnte ich noch nicht rausfinden, wo doch alle Mitglieder ehrenamtlich arbeiten. Vielleicht fließt da Geld von den oben erwähnten Gönnern, Million-Dollar-Unternehmen und anderen Mäzenen.

Ein wenig eigener Senf muss sein

Noch in diesem Monat und vor der Übertragung der Oscar-Zeremonie (2. März) werde ich mich hier über einige Filme fürs diesjährige Event auslassen. Wie immer eine total subjektive Beurteilung, und ich ahne jetzt schon, dass Aufschreie durch die Reihen meiner Leser gehen werden.

Fünfeinhalb der neun nominierten Filme hab ich schon gesehen (manche davon durchlitten, besonders den halben). Da es meistens sehr lange Filme sind, muss ich sehen, dass ich mich kurz genug fasse, um alle wenigstens andeutungsweise zu würdigen. Und das dauert ja auch. Also, gedulden wir uns.

Leider bin ich ja nicht Mitglied in dieser ehrenwerten Organisation (das wär mein Traumjob, würd‘ ich glatt ohne Lohn, nur gegen Kost und Logis, machen), deshalb kann ich jetzt schon und ohne zweckorientierte Begleiterscheinungen meinen (bis jetzt) Lieblingsfilm für dieses Jahr nennen, der zwar nicht nominiert ist, dafür aber die leading (Cate Blanchett) und die supporting (Sally Hawkins) Lady: „Blue Jasmine“ von Woody Allen.

Noch diese Woche fange ich an, meinen Senf über diesen oder jenen nominierten Film zu breiten. Bis dahin: Hasta la vista, Baby.




Exzentrisches Leben eines Pianisten: Steven Soderberghs Kinofilm über „Liberace“

Der Inhalt – gebündelt.

„Liberace – Behind the Candelabra“, so heißt dieses Bio-Pic im Original, das in Deutschland unter dem Namen „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll“ angelaufen ist. Ein umständlicher Titel, aber nicht abwegig.

Der Film behandelt im Wesentlichen die fünf Jahre seiner Beziehung mit dem jungen Tierpfleger Scott Thorson (Matt Damon) und basiert auf dem Buch „My life with Liberace“, das Thorson über diese Zeit geschrieben hat.

Plakat zum Film „Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll“ – mit Michael Douglas (li.) und Matt Damon. (© dcm 2013)

Als Liberace, genannt Lee, zufällig den 17jährigen Scott kennenlernt, verliebt sich der 30 Jahre ältere sofort in das schüchterne, hübsche Kerlchen. Scott bekommt eine volle Breitseite des überaus extravaganten Lebensstils des Pianisten. Scott ist glücklich, Lee ist glücklich. Lee kann dem Jungen alles und mehr bieten, wovon der je geträumt haben mag. Genau, zuviel des Guten ist eben wundervoll. Scott wird mitgerissen in den Strudel von Prunk, Pomp, Protz und Bombast. Er erlebt den liebevollen, fürsorglichen und den zickigen Lee. Sie leben zwischen überbordendem Privatleben und grandiosen Auftritten, zwischen Champangner und Drogen. Alles geht. Und wenn man grad mal denkt, mehr geht nicht, dann geht doch noch was, und mehr, und mehr.

Irgendwann ist aber auch Scott, der sein Gesicht auf Lees Wunsch liberacesk herrichten ließ, bedient. Sie zoffen sich wie die Kesselflicker, und der mit dem Geld hat das Sagen. Und das letzte Wort. Es kommt zur Trennung. Es folgt eine Klage, in der es um eine Abfindung für Scott (palimony bei unverheirateten Lebenspartnern) in Millionenhöhe geht, die der Stärkere, der Reichere, der Mächtigere gewinnt. Wie auch sonst?

Unter diesen Umständen kann der Film auch nur ein trauriges Ende haben. Allerdings gibt es auch eine nicht zu unterschätzende, versöhnliche Note.

Schöner Film.
Spannender Film.
Wundervoll bunt, exzentrisch und manchmal auch ein bisschen hysterisch.
Hingehen.

Steven Soderbergh ging betteln

Es grenzt an ein Wunder, dass es diesen Film überhaupt gibt. Hollywood zögert nach wie vor, das „heiße Eisen“ Homosexualität anzupacken, und so fand sich auch lange kein Studio, das dieses Risiko eingehen wollte. Es ging nur um fünf Millionen Dollar, vergleichsweise low budget.

„Zu gay“, sagten die Studiofürsten: „Wir wissen nicht, wie wir den vermarkten sollen.“ Eigentlich unverständlich, nachdem doch „Brokeback Mountain“ ein Riesenerfolg war. Und der war nicht mal witzig. Vielleicht passt es nicht in die gegenwärtig so kontrovers geführte Diskussion über same-sex-marriages, die erst in 13 von 50 Staaten legal sind.

Wir haben es Herrn Soderberghs Anstrengungen und dem Pay-TV Sender HBO (der uns auch „Boardwalk Empire“, „The Newsroom“ und „Six Feet Under“ bescherte) zu verdanken, dass dieser Film doch noch gedreht wurde.

Wer war Liberace?

Der Mann, der Valentino Liberace hieß und unter dem Namen „Liberace“ bekannt wurde, war Sohn eines italienischen Einwanderers. Er war ein musikalisches Wunderkind, das schon im Alter von sechs Jahren klassische Werke auswendig spielte. Mit 12 war er Solist beim Chicago Symphony Orchestra, später studierte er Musik. Er trat hin und wieder öffentlich auf. Das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam und er bekam seine eigene Fernsehshow.

Nach etwas zähem Beginn bekam er ein Engagement in Las Vegas. Damals fing er damit an, seine Auftritte flashy, prunkig und bombastisch zu zelebrieren. Seine reich verzierten Konzertflügel schmückte er seitdem immer mit protzigen Kandelabern.
Liberace war vermutlich Vorbild für einige Künstler des showbiz, aber selbst Prince, Jackson, Moshammer oder Glööckler scheinen Waisenkinder im Vergleich.

Liberace war eher der König Ludwig des Entertainment.

Kennt man hierzulande diesen Liberace eigentlich noch, oder hat ihn je gekannt?

Vielleicht die über 40jährigen. Und auch die nur vom Hörensagen. Aber wahrscheinlich eher nicht. In Kommentaren der US-Medien wurde er meistens lächerlich gemacht („Aber er hat seine Mami sehr lieb“) und seine Beteuerungen, nicht schwul zu sein, wurden mit vielsagendem Lächeln bedacht.

Oscarwürdige Darsteller – Maske und Ausstattung.

Die Maske hat Wunder vollbracht, als sie den 42jährigen Matt Damon (der mir gut gefiel in seiner Rolle) auf den 17jährigen Hänfling Scott zurechtmachte. Michael Douglas gibt einen außerordentlich glaubhaften Lee. Sehr dezent schwul in Gestik und Mimik, denn es galt ja damals, den prüden amerikanischen Fans seine wahre sexuelle Orientierung zu verheimlichen. Liberace hatte seinerzeit jeden, der öffentlich über seine Homosexualität spekulierte, sofort verklagt und immer gewonnen.

Generell gibt es viel schöne Musik, teilweise original Playbacks. Die Ausstattung ist an Glamour kaum zu überbieten.

Übrigens hat Douglas einige der Musiknummern selbst gespielt (und sehr viel dafür geübt, wie er gestand).

Außer Douglas und Damon spielen auch Dan Aykroyd, Debbie Reynolds, Rob Lowe und Scott Bakula mit.

Ich mochte den Film und empfehle ihn als sehr gute Unterhaltung. Amüsant und ohne Slapstick, lustig und heiter, ohne platt zu sein.

Von mir 5 von 5 Punkten.

Ach ja – und Oscars für alle!




„White House Down“ – Explodierende Monumentalbauten

Roland Emmerich, der Katastrophenfilm-Spezi, hat wieder einen Film gemacht, ganz nach dem Muster der anderen, zum Teil recht erfolgreichen: „Independence Day“, „Godzilla“ und „The Day After Tomorrow“. Er lässt gerne was explodieren oder auf alienöse Weise aus dem All zerdeppern. Er schafft draufgängerische Helden, die sich für nix zu schade sind, und die seit Jahren ihren Ruf als Haudraufs und Kill-’em-deads gefestigt haben.

Die Geschichte von „White House Down“ kann man schon erahnen: Böse Menschen wollen das Weiße Haus samt Präsident abfackeln oder niederreißen, in die Luft jagen oder ins All entführen. Das werden natürlich nicht nur der amtierende Präsident James Sawyer (Jamey Foxx) sondern auch die Guten Menschen zu verhindern wissen. Nicht ohne gewisse Kollateralschäden in Kauf zu nehmen. Das kennt man und erwartet man auch.

Prägnante Szene aus "White House Down" (© Sony Pictures)

Prägnante Szene aus „White House Down“ (© Sony Pictures)

In letzter Zeit ist der Obergute oft mal ein alleinerziehender oder dysfunktionaler Vater, der versucht, seinem wunderschönen, klugen und höchstens 14jährigen Nachwuchs zu beweisen, dass er ein oberprima Vater ist. Der Nachwuchs ist entweder vatergläubig oder vateragnostisch. Egal, bisschen Abwechslung muss sein.

In „White House Down“ ist der leitende Gute natürlich der POTUS (President of the United States), und sein Gefolge von ziemlich gut über mittelgut bis ungut wuselt um ihn herum, immer darauf bedacht, ihn zu beschützen.

Dauerjogging um die Präsidentenkarosse

Das möchte auch der Polizist John Cale (Channing Tatum) ganz dringend, und bewirbt sich als Personenschützer beim Secret Service. Den Personenschützer sieht man gerne im Dauerjogging um die Präsidentenkarosse rumtänzeln; jederzeit bereit, seinen Körper todesmutig vor den des POTUS zu werfen. Cale will seiner entzückend altklugen, politisch hochinteressierten 14jährigen Tochter Emily (Joey King) beweisen, dass er das Zeug für diesen Posten hat.

Das sieht aber leider die Chefin des Secret Service, Carol Finnerty (Maggie Gyllenhaal) anders. Sie meint, ihm mangele es an dem nötigen „R.E.S.P.E.C.T.“ – und nix is mit dem Macho-Job. Aber erst mal traut sich der um good vibes bemühte Vater John Cale nicht, das seinem entzückenden (sagte ich bereits?) Töchterchen zu beichten, und er macht eine Führung durch das Weiße Haus mit ihr. Wir erinnern uns, das Kind ist politisch nicht nur interessiert sondern auch extrem kundig. Wie die 14jährigen halt so sind.

Inzwischen plant der POTUS einen etwas umstrittenen Vertrag mit seinen Allierten zu schließen, der beinhaltet, dass im Mittleren Osten alle Truppen abgezogen werden sollen. Sowas kann natürlich nicht allen gefallen, das liegt in der Natur der Kriegsführung, die schließlich einen enorm wichtigen Wirtschaftszweig, Waffenherstellung und –handel unterstützt. Es sind aber nicht nur schwere Geschütze, Bomben und Granaten im Spiel, wenn’s ums Umbringen geht, sondern auch ganz normale aber schwere Dekorationsgegenstände. Und Fäuste natürlich.

Jetzt: Auftritt der Bösewichter. Denen sieht man das auch nicht immer an. Und man weiß nicht, ob sie wirklich Böse sind oder nur Undercover-Böse. Das ist der spannende Teil. Sobald sie aber eine Bombe geschickt platziert und zur Explosion gebracht haben, geht der Stress los. Zuerst fliegt mal das Dach über der Rotunda in die Luft und mit ihm leider viele unschuldige Menschen. Nun treten mehrere Pro-Präsident und Anti-Präsident-Truppen gegeneinander an, mit wechselndem Erfolg und Waffen, um an ihre jeweiligen Ziele zu gelangen.

Schließlich weiß man dann auch irgendwann, wer der Oberböse ist, und ja, er ist ein Interner. Mehr sag ich dazu jetzt nicht.

Entzückend schlaue Tochter des Personenschützers

Jedenfalls bleibt man lang genug im Unklaren über die Personenaufstellung, und Cale bekommt mehr als genug Chancen, seine Qualifikation für den Personenschützerjob unter Beweis zu stellen. Und natürlich auch, um seiner entzückend schlauen Tochter zu imponieren. Die ist auch furchtlos mitten in dem Chaos unterwegs, und alles nimmt ein gutes Ende. Anders wär ja auch blöd.

Für Herrn Emmerich war es sicher auch blöd, dass „Olympus Has Fallen“, ein gehobenes Katastrophenstück von Antoine Fuqua, vor seinem in die Kinos kam. Gleiches Thema, andere Feinde, und der Vater hat einen Sohn.

„White House Down“ ist kurzweilig unterhaltsam. Aber auch laut, brutal und marktschreierisch. Einige Überraschungen hat er trotz der Vorhersehbarkeit. Es ist nicht mein bevorzugtes Genre, aber das ist allein mein Problem.

Es ist auf jeden Fall ein Film für Fans von:

Katastrophenspektakeln

Verschwörungstheorien

Blow’em up and shoot’em down

Special Effects

Maggie Gyllenhaal (und da gehör ich auch dazu).

Alle zusammen sitzen wir in unseren puscheligen Kinosesselchen, rascheln mit übelriechendem Popcorn, klappern mit Alcopops im Rhytmus zu dem Hully Gully und seufzen: „Ach warum passiert so was denn hier nicht?“ Besonders VOR den Wahlen.

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Trailer zum Film (© Verleih Sony Pictures): http://www.trailerseite.de/film/13/white-house-down-kino-trailer-26708.html




„Killing Season“: DeNiro und Travolta sind kein Kino-Traumpaar

John Travolta, der aussieht wie Schwarzenegger als Waldmensch, trinkt Jägermeister, hat sich den Schädel rasiert, einen wuscheligen Bart wachsen lassen und spricht grammatisch korrektes Englisch mit etwas, von dem er zu denken scheint, es sei ein serbischer Akzent. Hin und wieder vergisst er das aber. Jedenfalls in der Originalfassung, die ich gesehen habe.

Früher waren Filme, in denen Robert DeNiro mitspielte, ein Garant zumindest für Spannung und meistens auch für Qualitätskino. Der Funke dieser Kombination DeNiro / Travolta ist schon verglimmt, bevor auch nur das kleinste Flämmchen glühen konnte.

Am besten die schlechte Nachricht zuerst, die ist ohnehin länger als die gute. „Killing Season“ (noch ohne deutschen Starttermin) ist ein schlimmer Film, den DeNiro, Travolta und das malerisch rauhe Gebirge zu 95% bestreiten; ein Film, der die beiden lange Zeit in den Appalachian Mountains einander jagen und aufeinander schießen lässt mit Gewehr und Pfeil und Bogen. Warum, das weiß man nicht genau, außer dass es anfangs einen wochenschauartigen Einspieler gibt von Kriegshandlungen und Erschießungen während des Bosnien-Kriegs.

Außerdem bekommt der düstere Emil Kovac (Travolta) ganz am Anfang des Films in einer Wirtschaft (vermutlich in Serbien) von einem finsteren Typen einen Umschlag mit Geld rübergeschoben, und der finstere Typ seinerseits einen Umschlag mit alten Akten. In einer Akte ist kurz ein Foto von DeNiro zu sehen. Das muss als Begründung für die folgenden 90 Minuten reichen. Danach ist Travolta dann in Amerika und trifft – von Travolta geplant zufällig – auf Colonel a.D. Benjamin Ford (DeNiro), und erst einmal freunden die Beiden sich an. Nach und nach entwickelt sich ein Katz- und Mausspiel, Schachspiel, ein Zwei-Personen Krieg.

Es war ja schon von Anfang an klar, dass Travolta einen Rochus auf DeNiro hat, weil der im Bosnien-Krieg was gemacht haben soll, wofür Travolta sich rächen möchte. Darum also jagen sie sich nun quer durch das unwirtliche, aber, wie gesagt, szenisch wunderbare Gebirge. Da durchbohrt ein Pfeil mal DeNiros Wade, und der muss den auf Anweisung Travoltas einfach so rausziehen. Ich finde ja, er hätte den mit den Zähnen rausbeißen sollen. Aber so tough ist er nun doch nicht. Geht aber auch so gut, blutet kaum, und DeNiro hoppelt weiter. Dann trifft ein Pfeil auch Travolta ins buschige Antlitz: linke Wange rein, rechte raus, das sieht aus wie Grillhähnchen auf dem Spieß (sorry, Mr. Travolta), hilft auch nicht beim Sprechen, egal ob mit oder ohne Akzent.

Travolta ist natürlich genauso hart wie DeNiro und nach dem Rausfriemeln sieht man alsbald keine Spur mehr von den Durchschüssen. Zwischendurch hängt Travolta den DeNiro mal koppheister an einem Ast auf, oder man sieht eine Variante des water boarding. Hier und da ist Verschnaufpause, die zu Gesprächen genutzt wird. Ganz am Anfang und ganz am Ende hat DeNiros Sohn mit Frau und Baby einen kurzen Auftritt, und zum Schluss siegt die Gerechtigkeit. Oder die Wahrheit. Oder was man dafür hält.

Es ist wirklich kein guter Film. Mich wundert, dass DeNiro diese Rolle angenommen hat. Bei Travolta wundert mich nix.

Für den Regisseur Mark Steven Johnson ist es der fünfte Film. Von den anderen vier hab ich nie gehört.

Keinen Stern für dieses Werk.

Jetzt die gute Nachricht: Ich gebe einen Gnadenstern für die dreimalige Einspielung von Johnny Cashs „Don’t take your guns to town“, beim zweiten Mal singt DeNiro mit.
Das war schön.

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Der Weg zu den Oscars (3. und letzter Teil): Darsteller, Drehbücher, Diverses

Wenn ein Film in 14, 12 und 11 Kategorien und für „Best Picture“ nominiert wird, bleibt es nicht aus, dass da einige Doppelungen vorkommen. Es ist ja ein Zusammenspiel von Drehbuch, Regie, Schnitt, Maske, Bühnenausstattung und nicht zuletzt der Schauspieler, die den Film erst in diese Kategorie hieven. Darum werde ich hier nur noch dann einen Film kurz kommentieren, wenn er nicht schon in „Best Picture“ vorkam. Da habe ich ja schon auf weitere Preisverdächtige hingewiesen.

„Best Actor“ (bester Schauspieler) ist fast komplett bei „Best Picture“ abgedeckt, ebenso wie „Best Director“ (beste Regie).

Bei „Best Actor“ kommt noch Denzel Washington dazu in „Flight“, gut gemachtes mainstream Kino über einen Piloten, der besoffen und bekifft ein Flugzeug vor einer Katastrophe bewahrt, und der sich am Schluss zum reuigen Sünder bekennt.
Auch Joaquin Phoenix ist unter „Best Actor“ nominiert für seine Rolle in „The Master“, den ich leider noch nicht gesehen habe.

Philip Seymour Hoffman wird für „Best Supporting…“ ebenfalls in „The Master“ nominiert. Auf den freu ich mich besonders. Einer der wandlungsfähigsten Schauspieler in ganz Hollywood.

Bei „Best supporting Actress“ kommt noch Helen Hunt für „The Sessions“ dazu. Ein Film nach einer wahren Begebenheit. Mark O’Brien (John Hawkes) liegt in einer eisernen Lunge und möchte seine Jungfräulichkeit verlieren, ehe er stirbt. Die Sexualtherapeutin Cheryl (Helen Hunt) machts möglich. Zu technisch für mein Empfinden. Lieblos und unsexy Helen Hunt. Erinnert mich vage an „Ziemlich beste Freunde“, ebenfalls nach einer wahren Geschichte. So wahr und tragisch beide Schicksale sind, so sehr schwingt immer diese Durchhalteparole mit: „Egal, ob halb gelähmt oder ganz, halbtot oder unmittelbar dem Tode geweiht, Hauptsache, wir ziehen das fröhlich und mit Zuversicht durch“. Von mir nix.

Unter „Best Actress“ wird Naomi Watts für „The Impossible“ aufgeführt. Solide Leistung in einem Mainstream-Film. Großer Aufwand mit special effects. Auch hier wird ein Trauma aufgearbeitet: der Tsunami. Drückt auf die Tränendrüse. Auch hier liegt eine wahre Geschichte zugrunde, die einer spanischen Familie. Amerikanische Kinokassen klingeln lauter, wenn es sich im Katastrophenfilm um eine amerikanische Saubermannfamilie handelt.

Bei „Best Original Screenplay“ (Originaldrehbuch) kommt noch „Moonrise Kingdom“ dazu, ein fröhlicher coming-of-age Film über zwei Schulkinder, die von einem Camp ausreißen und von der gesamten Inselbevölkerung gesucht werden. Ein Genre-Film, sowas muss man mögen. Nix für mich.

Zuguterletzt: die Filme „Lincoln“, „Silver Linings Playbook“, „Life of Pi“, „Argo“ und „Zero Dark Thirty“ sind auch für „Best Film Editing“ nominiert, und das ist oft, ja, meistens, schon ein sehr positives Omen für „Best Picture“.

All die anderen Nominierungen für Musik, Maske, Ton und Kabelträger berücksichtige ich hier nicht. Die sind ohnehin schon fast alle in den Hauptkategorien erwähnt.

Aber einen, den ich mit Spannung erwartet hatte, und der mich sehr enttäuscht hat, kommentiere ich doch noch: „Hitchcock“ für „Best Makeup and Hairstyling“. Der Film: nicht gut. Das Makeup: noch weniger gut. Hairstyling kann nicht gemeint sein. Sir Alfreds Asche wird in der Urne rotieren, wenn er Hopkins sieht. Helen Mirren, die ich sehr mag, gibt eine höchst unglaubwürdige Powerfrau. Sepia die Optik. Aber auch die Stimmung.  Dieser Film ist zurecht für nichts Wesentliches nominiert. Da ist auch Maske und Frisur zu viel der Ehre.

Mehr kommt nicht, das ist schon mehr als genug bis hierher. Vielleicht bin ich zu streng? Vielleicht sollte ich berücksichtigen, dass die Verleihung der Oscars einfach ein riesengroßes Fest für alle ist, die am Entstehen von Filmen beteiligt sind. Hier geht es nicht um absolut messbare Werte. Und ich bin natürlich nicht im Besitz der absoluten Wahrheit.

Das Medium Film wurde erfunden, um die Massen zu unterhalten, was davon Kunst war und ist, wurde später festgelegt von Menschen, die zu wissen glaubten, was davon denn nun weg könnte.




Der Weg zu den Oscars (Teil 2): Die Filme von Michael Haneke und Quentin Tarantino

„Amour“: Mein absoluter Favorit. Darf alle fünf Nominierungen gewinnen, wenn’s nach mir ginge. Aber besonders Michael Haneke („Best Director“), Emmanuelle Riva („Best Actress“). Mein ausführlicher Bericht steht hier: http://leah-live.blogspot.de/2012/10/liebe-ein-film-von-michael-haneke.html)

„Django Unchained“: Ach, Quentin Tarantino! Wie immer: Ironie, Spaß und rasante Action mit dem Tarantino-üblichen Maß an Schießen, Prügeln und Messerstecherei. Es muss nicht immer Sinn ergeben, es dürfen Fragen offen bleiben. Oder anders, Fragen sollten gar nicht gestellt werden. Einfach so hinnehmen, wie es angeboten wird.

Warum sollte ich mir Gedanken darüber machen, wieso so plötzlich und vor allem so bequem der etwas merkwürdige deutsche Zahnarzt Dr. King Schultz (Christoph Waltz, nominiert für „Best Supporting…“, den Golden Globe hat er schon) mitten im Wald auf einen Sklavenhändler trifft, und der ausgerechnet diesen Django im Angebot hat, der genau weiß, wo die vom Zahnarzt (und dem Sheriff) gesuchten Verbrecher„dead or alive“ sind, und wie sie aussehen? Dr. Schultz ist hauptamtlich als Kopfgeldjäger unterwegs, und er praktiziert die in Western weitverbreitete Regel: „Erst schießen, dann fragen“ oder „Nur ein toter Verbrecher ist ein guter Verbrecher“. Oder waren das die Indianer? Sein Gegenspieler ist der berüchtigte und gnadenlose Sklavenhalter Calvin Candie (Leo diCaprio).

Warum Tarantino nicht als „Best Director“ nominiert wurde, ist mir schleierhaft, aber wenigstens doch noch für „Best Original Screenplay“. Jamie Foxx (als Django) geht auch leer aus. Dass diCaprio, das Hollywood-Zugpferd, nicht nominiert wurde, ist eine Überraschung. An dieser Stelle empfehle ich gern noch mal „Lincoln“ zum besseren Verständnis des historischen Hintergrunds. Christoph Waltz schätze ich schon seit vielen Jahren sehr. „Parole Chicago“ – unvergessen. In der Rolle des Dr. Schultz ist Waltz ein hervorragender „Guter“. In Tarantinos „Inglourious Basterds“ ist Waltz ein hervorragender „Böser“. Ich nehm ihm beides ab. Tarantino hat Waltz zum Weltstar gemacht. Waltz hat „seinen“ Regisseur gefunden.

Es herrscht allgemeine Aufregung über den mindestens hundertfachen Gebrauch von „Nigger“. Heute möchte das zu Recht niemand mehr hören, aber „them was the times“, so hieß das Schimpfwort jener Zeiten eben. Wenn heutzutage hier (oder anderswo) ein Film über das Dritte Reich gedreht wird, dann spricht niemand über „Menschen mit unterschiedlicher Religion“ oder „…mit Migrationshintergrund“. Das ist so, als würde man in neueren Filmen, die vor 100 Jahren spielen, von einem „Smartphone“ sprechen, wenn man ein Morsegerät meint. In „Django unchained“ spricht man eben die Sprache, die zu Zeiten des Sklavenhandels üblich war.

Man darf, ja man muss sich allerdings darüber empören, wenn dieses Wort heute (mit der vollen Absicht zu beleidigen und erniedrigen) noch immer benutzt wird. Und es wird ja. Leider.

– Fortsetzung folgt –




Der Weg zu den Oscars: Was taugen die nominierten Filme? (Teil 1)

Ich hab’s geahnt. Es ist soweit: „Ich bin zu alt für diesen Scheiß!“ So resigniere ich immer öfter vor den Werken, die zur Prämierung bei den Oscar-Festivitäten (diesmal am 24. Februar) freigegeben werden. Die Ausbeute wird geringer. Also meine jetzt.

Das geneigte Hollywood-Publikum bekifft sich ja nach wie vor am eigenen Ruhmesdunst, rotiert im Glanze der Ritte in Sonnenuntergänge, Shoot-outs und Show-downs. Das muss so, denn wozu sonst der ganze Firlefanz.

Nun ist es ja auch nicht so, dass ich plötzlich keine Filme mehr mag, aber offenbar haben sich (mein) Geschmack und (deren) Angebot etwas auseinandergelebt. Tapfer hab ich nun an Auge und Hirn vorbei laufen lassen, was an Krumen vom Tisch des Freundes „in da bizzness“ zu meinen Füßen fiel.

Wie voriges Jahr konzentriere ich mich auf die Nominierungen in den Hauptkategorien. Mein Töpfchen Senf steht bereit:

Best Picture

„Beasts of the Southern Wild“: Ein unsentimentaler, leider wenig beachteter Film über eine bunte Gruppe von Menschen, die im „Bathtub“ – einer kleinen Insel im Mississippi-Delta von Louisiana – leben. Alle Darsteller sind Laien. Die phantasievolle und sehr niedliche kleine Hushpuppy (Quevenzhané Wallis ist für „Best Actress“ nominiert) philosophiert viel für eine Sechsjährige und nimmt ihr Leben in die Hand, als ihr Vater stirbt. Benh Zeitlin „Best Dirctor“. Aber egal. Für mich auch in diesen beiden Kategorien leider chancenlos. Schade um die schöne Geschichte. Es sei denn, Hushpuppys Niedlichkeitsfaktor obsiegt. Und der rekordträchtige Nebensatz: jüngste Oscargewinnerin aller Zeiten.

„Silver Linings Playbook“ – musste ich nach gefühlten drei Stunden abbrechen, was echten 40 Minuten entsprach. Verspürte das starke Verlangen nach Valium. Robert de Niro und Jacki Weaver für „Best supporting…“, David O. Russell „Best Director“, Bradley Cooper „Best Actor“, Jennifer Lawrence „Best Actress“. Bin ich so verpeilt? Von mir gibt’s nix, bin immer noch gerädert, wenn ich nur dran denke. Und vielleicht tu ich damit all den Darstellern großes Unrecht. But who said life is fair?

„Lincoln“: Eine Geschichtsstunde für Amerikaner und alle, die an amerikanischer Historie interessiert sind. Etwas dröge. Im Zusammenhang mit „Django Unchained“ wertvolle Verständnishilfe zur Sklavenbefreiung. Nicht besonders unterhaltsam für den europäischen Kinogänger, aber sehr gute Schauspieler: Tommy Lee Jones und Sally Field für „Best supporting…“, Daniel Day Lewis „Best Actor“, Steven Spielberg „Best Director“. Wenn solche Oscars dazu beitragen könnten, dass das Leben des bunten Volks derer, die sich alle Amerikaner nennen, friedlicher vonstatten gehen könnte, dann sollen sie meinetwegen abräumen. Alles.

„Les Miserables“: Ein Musical, gar nicht mein Genre. Galeerensträflinge, die in Reih und Glied im hüfthohen Wasser stehen, an armdicken Tauen zerren und dabei singen… danke, nein danke! Sorry, Anne Hathaway („Best Supporting“), Hugh Jackman („Best Actor“), ihr seid sicher toll, aber ich hab euch nicht sehen können.

„Life of Pi“: Oh je, oh je. Das Buch hab ich nicht geschafft. Der Film, so dachte ich, wird einfacher. Schöne Bilder, viel Meer, viel Abenteuer, tolle Tricks mit Wasser, Dschungel, Tiger und seafood. Und am Ende hab ich mich dann doch gefragt: wie denn, was denn nun? Ich bin zu wenig Emo, Epi und Eso für solche Filme, die bestimmt ganz, ganz toll und wunderschön sind. Nur eben für mich nicht. Ang Lee ist auch für „Best Director“ nominiert.

„Argo“ Eine moderne „Cloak and Dagger“-Geschichte (Mantel- und Degenstück). Ein aufwändiges „böhmisches Dorf“ wird aufgebaut in Form eines Filmsets im Iran, wo nach der Stürmung der amerikanischen Botschaft sechs Mitarbeiter in die kanadische Botschaft flohen. CIA und Kanadier schmieden die Befreiungspläne. Unter dem Vorwand, einen Film drehen zu wollen, etabliert sich ein kanadisches Team, um die Flüchtlinge als „production crew“ außer Landes zu schaffen. Alan Arkin ist für „Best supporting…“ nominiert. Das ist ein spannender Film und sicher auch Aufarbeitung eines amerikanischen Traumas. Eines der vielen. Wie z.B. auch

„Zero Dark Thirty“. OMG – Terroristen und deren Bekämpfung und Verhörung. Sehr brutal (Folterungen in epischer Breite), eine verbissene, aber sehr gute Jessica Chastain („Best Actress“ Nomi) auf der (erfolgreichen) Jagd auf Bin Laden, auch für „Best Original Screenplay“ nominiert. Spannend, aber nichts für schwache Nerven.

– Fortsetzung folgt –




„Glück“ – und was daraus werden kann: Der neue Film von Doris Dörrie

Entlaubt, grau, desolat.
Baum, Himmel, Gegend.
So fängt der Film an. Schon weiß ich, was ich zu erwarten habe. Irgendwann wird zartes Grün sprießen, werden ein blauer Himmel mit entzückenden weißen Wolkenformatiönchen und ein lebendiges Stadtviertel zu sehen sein. Denn schließlich heißt der Film „Glück“ und das muss ja dann auch optisch zu erkennen sein.
Symbolik.

Nun kommt die Vorgeschichte: Irina erleidet ein brutales Schicksal in einem der von Kriegen zerrütteten Länder Osteuropas. Ihre Eltern werden ermordet, sie wird vergewaltigt. Sie taucht tief in einen Fluss ein. Überlegt sie Selbstmord zu verüben? Will sie die Entwürdigung, die Verletzung abwaschen? Vermutlich Letzteres, denn sonst wäre der Film nach 10 Minuten zu Ende gewesen, aber da taucht Irina auch schon in Berlin auf. Wie sie da hingekommen ist, erfährt man im Film nicht. Es steht im Buch „Verbrechen“ von Ferdinand von Schirach, das ich mit großer Begeisterung gelesen habe, und in dem „Glück“ einer von 11 Fällen ist, die er als Strafverteidiger verhandelt hat.

Und hier möchte ich kurz diese Filmbesprechung verlassen, um das Buch zu loben und zu empfehlen. Es ist ein hochspannendes Buch, in einem Stil, den ich gern „bare bones“ nenne. Unverschnörkelt, geradeaus, Fakten. Einfach erzählt, alles Wesentliche ist drin, und dennoch ist es nicht kalt oder unbeteiligt. Ich hab es in einer Nacht gelesen und sofort den zweiten Band „Schuld“ bestellt.

Zurück zum Film.
Natürlich ist es ein Klischee, dass alle Frauen, die aus den osteuropäischen Ländern kommen, illegal in Deutschland sind und ihr Geld auf der Straße verdienen. Aber das war die Buchvorgabe, und es trifft wohl hier und da für einige Frauen zu, egal woher sie kommen.

Nun trifft Irina (Alba Rohrwacher, sehr überzeugend, zurückgenommen in Gestik und Mimik) den jungen Punker Kalle (Vinzenz Kiefer). Der sieht so aus, wie sich der deutsche Michel den Straßenjungen vorstellt: mit strähnigen Zottelhaaren, mehreren Piercings in Unterlippe und Nase, fadendünnen Klamotten und einer stylischen Bikerjacke mit Nieten. Und mit Hund. Aber unter dieser Fassade steckt ein hübscher Teenieschwarm, der im Laufe der Geschichte das ganze Blech aus seinem Gesicht spurlos entfernt. Keine Stechlöcher, wo die Piercings waren, schön geschnittene Frisur, blankpoliertes Strahlegesicht. Alles aus Liebe zu Irina. Und weil er einen Job hat, für den er im Film aber zu blöd ist. Dass eine Zeitung gefaltet werden müsste, bevor sie in den Briefkasten passt, kann man als obdachloser Punk auch nicht wissen. Ist klar. Aber Kalle und Irina sind glücklich, irgendwie ist es egal, dass sie im neuen Ein-Zimmer-Heim Kundschaft bedient und er nichts gebacken kriegt. Die Liebe siegt. Das ist schön, und wenn ich wogende Mohnblütenfelder sehe, und mittendrin räkelt sich Irina, dann habe auch ich verstanden: das ist das reine Glück. Erwachsene, die glückselig in Kinderschaukeln dem schäfchenbewölkten Himmel entgegenschwingen? Achtung: Glück.

Ein schmuddeliger Punk, der für seine Freundin zum Sauberbubi mutiert? Noch mehr Glück.
Ja danke, ich habe verstanden.
Ist es das Glück, das Herr von Schirach meinte?

Der Film ist gefühlte drei Stunden alt, als es endlich zum dem Ereignis kommt, das von dem Anwalt – im Buch dem Ich-Erzähler von Schirach – vor Gericht verhandelt wird: die etwas unorthodoxe Entsorgung der Überreste (und man darf das wörtlich nehmen) eines dummerweise am falschen Ort zur falschen Zeit durch Herzinfarkt verstorbenen (und offenbar auch einzigen) Kunden von Irina.
Weil auch das in den malerischsten Farben beschriebene Glück irgendwann mal kinematographisch ein Ende nehmen muss, wird dann der eigentliche Kriminalfall in den letzten 10 Minuten zwischen einem Verteidiger (Matthias Brandt) namens Noah Leyden (hä???) und einer namenlosen Anklagevertreterin (Maren Kroymann) schwupp-di-wupp in einem Bistro ausgehandelt. Glück.
Zwischendurch gewährt uns der Anwalt noch schnell einige schnipselige Einblicke in sein eigenes familiäres Glück. Mit einer tollen Gattin und zwei gescheiten Kindern. Zu viel des Guten.
Dass Matthias Brandt, der kaum Möglichkeiten hatte, sein Rolle als Anwalt zu unterfüttern, hier so blass blieb, liegt wohl an der Aufbereitung des Drehbuchs.
Was in von Schirachs kompakte Geschichte hineininterpretiert wurde, ist hanebüchen. Überfrachtet mit Symbolik und überwältigend kitschig.

Allerdings gab es im Film tatsächlich eine Szene, die ich besonders erwähnen will: als Irina nach brutaler mehrfacher Vergewaltigung auf dem Tisch liegt und eine weiße mit Lämmchen bestickte Tischdecke komplett über sich zieht. Kitsch? Effekthascherei? Möglich. Aber das hat mich berührt.
Alba Rohrwacher ist ein Lichtblick im Film und ihrer Darstellung ist es zu verdanken, dass ich nicht vorzeitig das Kino verließ.
Ich habe ein Interview gesehen, in dem Herr von Schirach sich zufrieden über den Film äußerte. Frau Dörrie hatte große Hoffnungen für „Glück“ bei der diesjährigen Berlinale. Zu große Hoffnungen werden leider oft enttäuscht.
Vielleicht waren meine Erwartungen ebenfalls zu hoch (was ja bekanntlich auch Enttäuschung erzeugt), und ich habe mich zu sehr ans Buch geklammert?

Ich hatte meine Freundin, die das Buch nicht kannte, ins Kino mitgezerrt. Gerade WEIL sie das Buch nicht kannte.
Selten waren wir uns so einig.




„Extrem laut und unglaublich nah“: Kinofilm über das Trauma des 11. September

Als ich vor fast elf Jahren am frühen Nachmittag bei Saturn in der Nähe der Fernsehabteilung rumstand und auf eine SIM-Card wartete, vertrieb ich mir die Zeit damit, die einzelnen Programme zu erkennen. Urplötzlich schalteten alle Geräte auf einen Katastrophenfilm um, in dem es mal wieder um brennende Wolkenkratzer ging. Es dauerte einen Moment, bis ich das „Breaking News“-Banner von CNN wahrnahm. Es war 14:45h. Das Datum der 11. September 2001.

Es gibt wohl Wenige, die einem nicht auf Anhieb sagen können, was sie an dem Tag gemacht haben. Jeder hat eine Geschichte dazu. Ein Landmark. Es wird auch viele geben, die dabei waren, die überlebt haben, die einen Menschen verloren haben, ihre Existenz oder den Verstand.

Überlebende. Hinterbliebene. Einzelschicksale. Jeder von ihnen könnte eine Geschichte erzählen. Diese hier, von Oskar Schell, hätte auch die von John oder Jane Doe sein können. Also nehm ich das so hin.

Ob so eine Geschichte erzählt werden muss? Warum nicht? Filme, in denen geschichtliche Katastrophen aller Art aufgearbeitet werden, gibt es viele: über Weltkriege, Terrorherrschaften, Weltuntergänge mit und ohne Vulkane, Überflutungen, Erdbeben, Feuersbrünste und Terroranschläge. Und wenn es dann noch um tatsächliche Begebenheiten geht, umso besser und umso Oscar-verdächtiger. Ein Film, in dem ein Einzelschicksal geschildert wird, erreicht vermutlich mehr Zuschauer als eine Dokumentation, sie lässt den Verlust deutlicher und tiefer empfinden als eine Doku das vielleicht kann. Ich glaube ja, dass die Amerikaner trotz all des „Dennoch“ – „Jetzt erst recht“ – „Yes, wie Can“ diese Katastrophe noch nicht verabeitet haben. Fast 4000 Menschen starben, 4000 Hinterbliebene. 4000 Geschichten, die erzählt werden könnten oder sollten. Eine stellvertretend hier für alle.

Kein Wunder also, dass der Film „Extremely loud and incredibly close“ für zwei Oscars nominiert wurde: in der Kategorie „Bester Film“ und Max von Sydow für den besten Nebendarsteller. Um es gleich vorweg zu nehmen. Mit von Sydow bin ich sehr einverstanden. Allerdings mit dem anderen Nominierten, Christopher Plummer („Beginners“) auch. Wir werden sehen.

Filmplakat (Verleih Warner Bros.)

Filmplakat (Verleih Warner Bros.)

Zurück zum Film im Titel. Ach ja – ach nein. Nach Ansicht des Regisseurs (Stephen Daldry – „Billy Elliot“, „The Hours“, „Der Vorleser“) und des Drehbuchautors (Jonathan Safran Foer) musste das ein Film werden, ich nehm das also auch so hin.

Oskar ist neun Jahre alt, als er der durch den Anschlag auf das World Trade Center seinen Vater verliert. Er hat Schuldgefühle. Kinder haben oft Schuldgefühle, wenn es um das Scheitern oder den Verlust der Eltern geht. Oskar wünscht sich, dass es seine Mutter getroffen haben sollte. Nicht den verständnisvollen Vater, der sich sehr intensiv mit ihm beschäftigte und auf seine vielen Talente einging. Oskar findet bei den Sachen seines Vaters einen kleinen Umschlag, auf dem „Black“ steht, und in dem ein Schlüssel ist. Er glaubt, dieser Schlüssel werde ihm etwas über seinen Vater offenbaren, seine Vergangenheit vielleicht, eine Nachricht. Fortan sucht er das Schloss, in das der Schlüssel passt. Er findet nichts. Als nächstes schreibt er aus dem New Yorker Telefonbuch die Adressen aller Blacks raus und macht sich auf den Weg, um alle zu besuchen, um dieses Geheimnis aufzudecken.

Er ist, wie gesagt, neun Jahre alt. Einen Jungen dieses Alters allein durch alle fünf Boroughs tigern zu lassen, ist tollkühn. Soll man davon ausgehen, dass die Mutter nichts davon weiß? Er ist eines dieser hochbegabten Kinder, die möglicherweise eine Verhaltensstörung haben, vielleicht Asperger oder ein andere Form von Autismus. Jedenfalls ist er intelligent genug, diese Suche akribisch zu planen. Dass er allerdings bei dieser Intelligenz auch davon ausgeht, dass er allein unterwegs sicher ist, wirft Fragen auf. Hat er doch panische Angst vor U-Bahnen, Zügen und Bussen. Jedenfalls gehen wir mit ihm auf diese zweijährige Reise, auf der er bald einen alten Mann („the renter“, der Mieter seiner Großmutter) kennenlernt, der ihn von nun an auf seiner Suche begleitet. Der Mieter spricht nicht. Er verständigt sich mit Zetteln und seinen beiden Händen, auf denen mit Filzstift „Ja“ und „Nein“ geschrieben steht. Zwischendurch sehen wir auch Tom Hanks, den guten Vater, in Rückblicken. Alles ist ein bisschen wie im Märchen. Der tote Vater, der Schlüssel, die Suche, der schweigende Mieter. Nirgendwo passt der Schlüssel, niemand weiß etwas darüber, und auch nichts über den Vater. Jeden Moment erwarte ich die gute Fee mit einem Zauberstab.

Zwei Reaktionen hat der Film in mir ausgelöst: einerseits hat der Junge mich sehr genervt. Diese altkluge, geschwätzige, besserwisserische Umtriebigkeit. Seine Unkindlichkeit. Andererseits überkam mich eine unüberwindbare Traurigkeit, als ich erkannte, was ihn so umtrieb: eine von vielen Nachrichten, die der Vater auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte. Ich hab Sturzbäche geheult, wie damals bei Saturn, später zu Hause, per e-Mail verbunden mit Freunden und Verwandten in der Stadt, die einmal meine war.

Gleichgültig, ob diese Geschichte erzählt werden musste oder die eines Anderen, vielleicht gibt es für Viele den einen Moment, in dem sie einen packt. Wo man nicht mehr überlegt, ob das nun ein guter, schlechter, nötiger oder unwichtiger Film ist.

Vielleicht ist es wirklich kein guter Film, sondern einer, der aus ist auf Effekthascherei, das Ergattern des Vergangenheitsbewältigungs-Oscar. Andererseits, ist das nicht das Ziel der Filmemacher, einmalige, unverwechselbare Filme zu machen? Einen Hit, der obendrein auch noch ein Anliegen hat, ein Kassenschlager ist, mit Aussichten auf einen Preis wie einen Golden Globe oder Oscar?

Tom Hanks wächst mehr und mehr in die Rolle des Joe Everyman, der den Familienvater so überzeugend spielt wie den Buchhalter. Sandra Bullock gefiel mir in der Rolle der Mutter, no glitz, no glam, solide Arbeit.

Einen ganz bedeutenden Pluspunkt hat der Film auf jeden Fall: Oskar, gespielt von Thomas Horn, ist ein beruhigend unniedlicher Junge. Er ist auch im wirklichen Leben ein Schlaukopf: er lernt gerade Mandarin, und er war der Sieger in der Kinderversion von Jeopardy, wo er 31.000 Dollar gewann. In einem Interview zum Film für celebs.com (mit vielen „I mean“ und „amazing“) spricht ein 14jähriger Junge, als stünde er kurz vor seinem 41. Geburtstag. Aber vielleicht muss man so ein kleiner Klugscheißer sein, um diese Rolle so zu spielen, wie er es getan hat.

Der Film läuft derzeit u.a. in folgenden Kinos: Roxy (Dortmund), Union und Casablanca (Bochum), Lichtburg und CinemaxX (Essen), Schauburg (Gelsenkirchen), CinemaxX (Mülheim).




Der Weg zu den Oscars – eine ganz subjektive Betrachtung

Januar und Februar, aus mehrerlei Gründen nicht meine beliebtesten Monate, bescheren mir alljährlich zwei Höhepunkte: die „Golden Globes“ und die „Oscars“. Ich versuche ja immer, mich so gut wie möglich vorzubereiten und die wichtigsten Filme alle vorher zu sehen. Manchmal klappt das mit der Hilfe meines Freundes, der in Hollywood lebt und „in da bizzness“ ist. Meine Einladung hab ich auch schon, aber ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich hinfliege.

Beim Filmschauen konzentriere ich mich nur auf sechs Kategorien, in denen einige Filme günstiger Weise mehrfach auftauchen.
Von den neun „Best Picture“-Nominierungen habe ich sieben gesehen. Gute Basis. Einen von den neun, „War Horse“, will ich nicht sehen. Absolut nicht mein Thema. Möglicherweise ist der fantastisch und künstlerisch und überhaupt, aber… nein.
Bis vor Kurzem hatte „Midnight in Paris“ auf meiner persönlichen Richterskala noch einen eindeutigen Vorsprung vor „The Help“, aber seit ich „The Artist“ gesehen habe, sind „Midnight…“ und „Help…“ eine Leitersprosse tiefer gerutscht.
Über „The Artist“ habe ich schon ausgiebig enthusiasmiert, und meine Rangfolge steht unumstößlich fest. Und wenn der alle 10 Oscars bekommt, für die er nominiert ist, dann ist es mir auch sehr recht.
„Hugo“ war so eine Mischung aus Fantasy und Puppentheater. Ich weiß nicht genau, was diesen Film so außergewöhnlich machen soll. Vielleicht, dass er starke autobiografische Züge des Regisseurs, Martin Scorsese, trägt? Das ist mir bisher immer ziemlich egal gewesen, ob etwas wirklich passiert oder nur erfunden war. Wenn eine Geschichte gut erzählt und gut umgesetzt wurde, kann sie meinetwegen auch von einem kleinen grünen Männchen mit Migrationshintergrund stammen.

„The Descendants“ ist auch so eine Geschichte mit viel Gummigehalt. Ausgeleiert. Interessant war die Konstellation um das Thema „Stecker ziehen“, das war auch der stärkste Moment des Films. Ist eine Szene Grund genug, um einen Film in die Reihe der besten neun zu hieven? Und vorhersehbar war er auch. Manchmal ist „vorhersehbar“ schön, weil es mit Vorfreude verbunden ist, aber manchmal bedeutet es nur „Langweile“.
„Moneyball“ : hier fehlte mir das Durchhaltevermögen und der Durchblick. Baseball ist nicht mein Gemüse. Ich bin froh, dass ich weiß, wie Football funktioniert. Soweit ich dem Handlungsstrang folgen konnte, ging es darum, mi geringen Mitteln eine Baseball Mannschaft zusammenzustellen. Und das hauptsächlich auf der Basis von elektronisch dargestellten Statistiken. Dieser Schalter in meinem Hirn wurde nie umgelegt, und Zahlenwerke sind so ziemlich das einzige Gebiet, dem ich mich starrsinnig verweigere. Aus diesem Grund war der Film für mich schlicht langweilig.
„Tree of Life“ mochte ich. Darüber hab ich hier berichtet. Auch wenn ich meine, dass er in den Kreis der besten neun (warum eigentlich nicht 10?) des Jahres 2011 gehört, dann doch erst auf Platz vier. Einem guten Platz vier.
„War Horse“ siehe oben.

Irgendwann werden die Filme auch lexikalisch. (Foto: Bernd Berke)

Irgendwann werden die Filme auch lexikalisch. (Foto: Bernd Berke)

In der Kategorie „Best Actor“ kenne ich nur Demian Bichir und seinen Film „A better Life“ noch nicht.
Brad Pitt (Moneyball) war in „The Tree of Life“ besser, allerdings legt er so langsam das „hübscher Bubi“-Image ab, und den reiferen Pitt weiß ich eher zu schätzen. Das geht mir mit Leo di Caprio ebenso.
Gary Oldman (Tinker Tailor Soldier Spy) hervorragend, ebenso wie John Hurt. Den hätte ich auch gern auf der Liste gesehen. Der Film allerdings hat mich nicht mitgerissen.
George Clooney (The Descendants), wer weiß, vielleicht wird aus ihm noch mal ein richtiger Charakterdarsteller. Auch einer, der mit zunehmendem Alter besser wird. Goes to show you: a pretty face isn’t everything.
Jean Dujardin (The Artist). Muss ich dazu überhaupt noch etwas sagen? Er ist zwar fast einen Tacken zu schön, aber idealissimo für diese Rolle. And the Oscar goes to….

Jetzt zu „Best Actress“.
Hier sieht es bisher noch mau aus. Nur drei von fünf Filmen hab ich gesehen. Da werde ich aber noch meinen Senf zu nachreichen – und vielleicht meine Meinung noch ändern.
Viola Davis (The Help) ist eindeutig besser als Rooney Mara (The Girl with the Dragon Tattoo), die zwar auch nicht schlecht ist, aber in meinem Hirn geistert noch die hervorragende Noomi Rapace aus der vierteiligen schwedischen Version herum, und zwar so sehr, dass Rooney Mara es schwer haben wird bei mir.
Glenn Close (Albert Nobbs), darf man die schon „große alte Dame“ nennen (obwohl sie erst 65 ist, und die großen alten Damen des Films immer etwas betagter sind)? Sie hat schon fünf Oscar-Nominierungen auf ihrem Zettel, und ich wünsche ihr, dass sie endlich mal gewinnt, bevor man wieder zum Todes-Oscar „Life Time Award“ greifen muss. Hier spielt die Dame einen Mann. Sowas ist nicht neu. Es ist allerdings nicht eine dieser fröhlichen Verwechslungsgeschichten, sondern die traurige Geschichte einer Frau, die ihr Leben als Mann lebt, weil die damalige Gesellschaft verbot, sich ihren Traum von einem kleinen Tabakladen zu erfüllen. Ihr Gesicht gibt den unscheinbaren Butler durchaus her. Der Film ist etwas blass, spielt in einem alteingesessenen Hotel in Dublin, in englisch-matten Tönen. Farbe und Sprache. Nominiert ist er für nichts.
Close hat allerdings schon drei Tonys, drei Emmys, zwei Golden Globes und einen SAG Award, also ist sie ja nicht gänzlich leer ausgegangen in ihrer Karriere.

Best Supporting Actor.
Christopher Plummer (Beginners) bekommt von mir ein dreifaches JA mit Sternchen.
Jonah Hill (Moneyball) rollt eher bergab.
Die anderen drei Filme: „Warrior“, Extremely Loud & Incredibly close“ und „My Week with Marilyn“ habe ich noch nicht gesehen. Vielleicht ändert sich noch was in meiner Bewertung, aber möglicherweise auch nicht.

Best Supporting Actress.
Bérénice Bejo (The Artist), ja, sehr gerne.
Janet McTeer (Albert Nobbs), nun ja, auch eine Frau, die einen Mann spielt. Hauptsächlich eine Leistung der Maske. Nicht schlecht gespielt, aber Oscar hätt ich jetzt nicht spontan gerufen.
Jessica Chastain (The Help), ja, gerne. Hier bin ich noch unentschlossen, ob ich für Chastain nicht doch etwas gerner votiere. Schwierig. Bejo war großartig. Aber Chastain auch. Auf jeden Fall werde ich zufrieden sein mit der einen oder der anderen. Vermutlich stehen die Sterne für Bejo besser.
Melissa McCarthy (Bridesmaids). Oscar? Warum? Nominierung? Doppelwarum.
Octavia Spencer (The Help). Die Nominierung geht für mich in Ordnung, aber gegen Bejo und Chastain sind die Chancen gering. Allerdings ist Chastain bei den Globes auch leer ausgegangen.

Best Director
Hier fällt mir die Wahl leicht. Ich kenne alle fünf nominierten Filme:
Woody Allen „Midnight in Paris“
Terence Malick „The Tree of Life“
Michel Hazanavicius „The Artist“
Alexander Payne „The Descendants“
Martin Scorsese „Hugo“.
Nun ratet mal!
Ich melde mich wieder, wenn ich die anderen Filme auch gesehen habe. Oder am 26. Februar bei den „Oscars“. See ya.




Andreas Dresens Film „Halt auf freier Strecke“: Sterben muss nicht furchtbar sein

Der Arzt spricht ruhig die verhängnisvollen Worte: „Gehirntumor – gestreut – inoperabel“. Frank schaut starr, wartet vielleicht auf das „…aber“, Simone, seine Frau, findet keine Worte, Tränen tropfen wie von selbst aus ihren Augen.

Dr. Träger (auch im echten Leben Neurochirurg in Potsdam) schildert in Andreas Dresens Kinofilm „Halt auf freier Strecke“ nüchtern die Krankheit und ihren voraussichtlichen Verlauf. Er rettet sich in seine fachliche Kompetenz. Zwischendurch nimmt er ein Telefongespräch an, wendet sich dann wieder seinem Patienten zu, sachlich, die nackte Wahrheit. Was soll er auch machen? Ihn trösten, ihn in den Arm nehmen? Das wird dann die Sache seiner Frau, seiner Kinder, seiner Familie. Und es wird keine einfache Sache.

Nein, man kann nichts mehr machen. Vielleicht noch Chemo, aber wirklich helfen wird die nicht. Frank (Milan Peschel) geht weiter arbeiten. Er bedient einen Gabelstapler in einem Baumarkt. Die Kollegen, Freunde, Eltern, alle sind hilflos. Wie geht man damit um, wenn der Tod so sichtbar vor der Tür steht? Aufmunterung wie „Es wird schon wieder“ funktioniert nicht, denn es wird definitiv nicht mehr. Alle wissen das. Frank weiß das. Wir begleiten die Familie und beobachten den Zerfall eines Lebens. Irgendwann kann Frank nicht mehr arbeiten.

Szene am Familientisch (Bild: Pandora-Filmverleih)

Szene am Familientisch (Bild: Pandora-Filmverleih)

Seine Frau Simone (Steffi Kühnert) versucht, ein wenig Normalität zu erhalten. Ein Tag für die ganze Familie im Erlebnisbad. Ein neues Bett für Sohn Mika. Frank will es zusammenschrauben, muss aber dann doch den Freund um Hilfe bitten. Wir sehen das Ehepaar im Beerdigungsinstitut einen Sarg für die Feuerbestattung aussuchen. Als Abschiedmusik wünscht er sich „Three imaginary boys“ von The Cure. Er ist ganz da, er akzeptiert und plant seinen Abschied. Wir sehen ihm zu, wie er eine Art Videotagebuch führt. Mika übt Klavierspielen. Simone holt noch vor Tagesanbruch ihre Tram aus dem Depot. Der Dienst geht weiter. Das Leben geht weiter. Auch das, das bald zu Ende sein wird. Frank eigens beschafftes Spezialbett wird im Wohnzimmer mit Blick auf den Garten ausgerichtet. Manchmal spielt Frank noch Gitarre und singt dazu. Neil Youngs „Dead Man“.

Bald erweist sich das neue Einfamilienhaus über zwei Stockwerke als zusätzliche Belastung. Aber Simone schafft auch das. Arbeit, Familie, Krankenpflege. Wir leiden mit, wenn sich Frank schreiend vor Schmerzen windet. „Ich will nicht sterben“ brüllt er. Wir nicken innerlich, wir flüstern ein „ja“ weil wir verstehen, wenn Simone einfach nur noch will, dass es endlich aufhört.

Und so ganz nebenbei geht das Leben weiter. Die Tochter Lilli trainiert fürs Turmspringen; der neunjährige Mika begreift ein bisschen, dass sein Vater bald nicht mehr da sein wird. Jahreszeiten gleiten als Kulisse vorbei. Wochen, Tage, Stunden eilen dem Finale entgegen. Die Palliativärztin, Dr. Petra Anwar (auch hier, keine Schauspielerin, sondern echte Ärztin in Berlin) unterstützt Simone. Ja, sagt sie ihr, sie macht alles richtig. Sie gibt Frank den Halt, die Pflege, die Zuwendung, die er braucht, um in Würde zu Hause bei seiner Familie sterben zu können. „Sterben muss nicht schrecklich sein“ sagt Dr. Anwar.

Wir alle wissen, das Sterben gehört zum Leben, und es ist nicht immer gnädig, sanft oder schmerzlos. Wir wünschen uns, dass es schnell gehe. Ohne langes Leiden. Ohne lange im voraus zu wissen, wann es geschieht. Ex und hopp.
Doch die Verhältnisse, die sind nicht so.




John Carpenters „The Ward“ – ein November-Gruselchen

Das Genre Grusel, Horror, Gänsehaut und Co. ist ja generell nix für mich. Probieren tu ich’s trotzdem immer mal wieder, so vorurteilsfrei wie möglich, denn es gibt ja auch wirklich spannende und gute Filme dabei.

Im Vorspann zündet eine blonde junge Frau per Streichholz die Gardinen eines Farmhauses an, und während das Haus lichterloh brennt, kommt auch schon die ländliche Feuerwehr angetütatat, und das Nächste, was wir sehen, ist diese blonde Frau Kirsten (Amber Heard) in der Klapse. Ab hier jetzt denk ich schon, dèja vu, kennste: „Girl Interrupted“ aus dem Jahr 2000 (Regie James Mangold). Mit einer ziemlich jungen Winona Ryder und Angelina Jolie (das einzige Mal, wo sie mir gut gefiel – als Irre).

Zurück zu „The Ward“ jetzt. Nach einer halben Stunde tummeln sich da mindestens ein halbes Dutzend Darsteller (die mir alle unbekannt sind bis auf Heard, deren Namen ich schon mal auf der Besetzungsliste anderer von mir gemiedenen Gruselorgien gelesen habe). Und weil ja jeder weiß (auch die, die noch nie in der Geschlossenen waren), dass es da immer einen großen Aufenthaltsraum gibt, möbiliert mit Omas alten Sofas und Sesseln vom Speicher und ausrangierten Bürostühlen der Sechziger, hat man die uns freundlicherweise da hingestellt. Und der alte Schwarzweiß-Fernseher. Die Beleuchtung ist gern ein schmuddeliges Sepia mit tanzenden Staubpartikeln, also auch die Deko überrascht überhaupt nicht. Vermutlich aus ökonomischen Gründen wird allgemein zur Abendstunde am Strom gespart, denn ins solchen Filmen muss das Anstaltsinnere düster bleiben.

Szene mit Amber Heard aus "The Ward" (Bild: Concorde)

Szene mit Amber Heard aus "The Ward" (Bild: Concorde)

Die Insassinnen sehen aus, wie man sich die üblichen irren Frauen vorstellt. Kennen wir doch alle, die Ein oder Andere: auf den ersten Blick und Ton ein Girl wie du und ich, aber spätestens, wenn die verkniffene Krankenschwester dem widerspenstigen Opfer Medikamente in den Schlund rammt, merkt man, ach ja, klar, die muss irre sein, wenn sie die nicht will. Ansonsten: Die Insassinnen sind alle jung, hübsch, korrekt geschminkt und modisch gekleidet. Na ja, ein bisschen verhaltensauffällig. Aber sonst?

Und natürlich gibt es dann eine Irre, die in Wirklichkeit gar nicht irre ist, sondern nur ein bisschen traumatisiert und verwirrt und amnesiert. Kirsten. Da ist auch der Arzt, Dr. Stringer, der mich etwas an Seymour Philip Hoffman gekreuzt mit David McCallum erinnert, aber Jared Harris heißt, von dem ich auch noch nie gehört habe, weil er mir in der 4. Staffel von „Mad Men“ und in „Benjamin Button“ leider nicht aufgefallen war. Gefällt mir aber in der Rolle als Irrenarzt. Ein bisschen verwaschen, profillos, trotzdem fahl bedrohlich.

Es gibt die böse Schwester und die liebe Schwester (bad cop – good cop) und so nach 45 Minuten weicht der Film etwas von „Girl Interrupted“ ab, denn Kirsten berichtet nun, dass sie einen Geist sieht, der nachts rumschleicht. Doch irre? Wobei, nachts Gespenster sehen oder hören, meine Güte, wer hat das noch nicht? Sind wir deshalb gleich irre? Kleine Monster unterm Bett oder im Schrank… kennen wir doch alle.

Na gut, dann fällt von irgendwo eine halbverweste Hand mit Arm von der Decke, ohne Körper dran, aber die Gänsehaut will sich einfach nicht einstellen (selbst bei mir nicht, und ich bin ein extraweiches Weichei).

Ein diabolische Pfleger übernimmt jetzt das Gruselprogramm, gefolgt von einem krassen Schnitt auf die freundliche Architektur der Anstalt inmitten lieblicher Herbstlandschaft. Dann noch’n bisschen Zwangsjacke, Kreissäge, Zwangsbepillung und ne Verfolgungsjagd durch die düsteren Kellergänge der Anstalt, verbunden mit Hechelei, Schreierei und Möbelzusammenkracher und Umfallerei.

Mr. John Carpenter, you’ve done better before.
Alles in allem, bei weitem nicht so gruselig wie ich dachte.
Alles in allem, die ganz normale Irrizität.
Alles in allem, muss man nicht sehen.

Zwei fahle Sternchen auf meiner persönlichen Richterskala.




„Die Lincoln Verschwörung“: Gleiches Recht für fast alle

Um das gleich am Anfang zu klären, es geht hier nicht um die Hintergründe und den Ablauf der Verschwörung, die zu Lincolns Ermordung durch John Wilkes-Booth führte, sondern zu dem nachfolgenden Prozess der überlebenden Attentäter und der Mutter zweier Mittäter. Es ist allerdings ein Kostüm- und Historienfilm, ein Genre, das ich nicht so auf mein Banner geschrieben habe. Andererseits fand ich das Thema vom Grundsatz her interessant genug, um mir den Film anzusehen.

Robert Redford als Regisseur von „The Conspirator“ (Originaltitel) ist ein Fürsprecher der Gerechtigkeit für alle. Er hat inzwischen sieben Filme inszeniert, von denen ich besonders „Ordinary People“ sehr positiv in Erinnerung habe.

Hier also stehen die überlebenden Verschwörer und alle, die mit ihnen zu tun hatten, nun vor Gericht. Vor einem Militärgericht, wohlweislich, weil sich bei Mord an einem Präsidenten, dem obersten Befehlshaber, die Militärs diesen Fall nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Das ist, wie der widerwillig bestellte Anwalt (James McAvoy) der Angeklagten Zivilistin, Mary Surratt (Robin Wright) findet, gegen die Verfassung, die jedem Bürger eine Jury von „peers“ zugesteht. In einem Militärtribunal findet die Angeklagte allerdings keine Gleichstehenden.

Über solche Kleinigkeiten setzt sich Edwin Stanton (Kevin Kline), der Kriegsminister (sowas wie Verteidigungsminister, was ja paradox ist) großzügig hinweg. Wichtig ist für ihn, das Land „vom großen Schmerz des Verlustes“ schnell zu heilen und den Terror der Mörderbande im Keim zu ersticken. So gelangt auch Mary Surratt sofort ins Visier des gnadenlosen Ministers. Sie führte die Pension, in der Wilkes-Booth ein und aus ging, was sie automatisch als Keimzelle der Verschwörung abstempelt. Dazu kommt, dass der bereits getötete Wilkes-Booth ihren Sohn John des Öfteren dort besuchte. Ihre Beteuerungen, dass sie von Zweck und Inhalt dieser Treffs nichts wusste, stoßen auf taube Ohren. Allerdings neigt ihr Anwalt nach mehreren Gesprächen mit seiner Klientin doch zu der Auffassung, dass sie höchstwahrscheinlich unschuldig ist. Erschwerend kommt zu seiner Verteidigung hinzu, dass er nie allein mit Mrs. Sarratt sprechen darf, ein weiterer Verstoß gegen ihre Bürgerrechte. Jeder Einspruch, jeder Entlastungszeuge wird vom Tribunal abgelehnt. Wer sich in der amerikanischen Historie auskennt, weiß, wie der Prozess ausging.

Wer sich in der amerikanischen Historie auskennt, merkt auch die Analogie zu heutigen Verfahren, besonders was sogenannte „Kriegsgefangene“ angeht, Bürger islamischen Glaubens, oder mit einer Herkunft aus Krisengebieten, die gleichzeitig terroristische Hochburgen sind. Verfassung hin oder her, auch heute werden verfassungsrechtliche Bestimmungen mit Füßen getreten, aber mit umfangreichen Rechtfertigungsstatements und ordentlich Schuhwichse blankpoliert.

Gut gefallen hat mir Kevin Kline in seiner sehr untypischen Rolle als bösartiger Minister. Robin Wright, für mich ansonsten Königin der Eiswürfelmimik, ist hier gut besetzt und gar nicht so eisig. Auch James McAvoy ist glaubwürdig als junger, eher unerfahrener Anwalt. Überrascht war ich vom Anblick des „Gilmore Girls“ Rory, aka Alexis Bledel, als McAvoys love interest. Wie schade, so ein Image wie das der Serienheldin wird man schwer wieder los.

Dem Thema angemessen war leider auch die Beleuchtung. Immer wieder musste ich dem Impuls widerstehen, meine kleine Taschenlampe hervorzukramen. Vielleicht wollte Redford, ein Umweltretter, Strom sparen? Es war stellenweise – sogar bei Außenaufnahmen – so duster, dass der Film ebenso gut in Schwarzweiß hätte gedreht werden können. Oder Sepia.

Die Geschichte ist im Großen und Ganzen spannend erzählt, selbst wenn man den Ausgang kennt. Historiker mit Schwerpunkt USA und Menschen mit Interesse am geltenden amerikanischen Recht sind in diesem Film genau richtig.




„Melancholia“ – Poetischer Weltuntergang auf leisen Sohlen

Im ersten Teil des Films, „Justine“ (gespielt von Kirsten Dunst), befinden wir uns im eleganten Clubhaus eines Golfplatzes, wo ihre Hochzeit mit Michael (Alexander Skarsgard, Sohn vom berühmten Stellan, der in jedem skandinavischen Film präsent ist, und auch hier mitspielt) gefeiert werden soll. Arrangiert wurde die Fête von Schwager John (Kiefer Sutherland), der nicht aufhören kann zu betonen, wieviel Geld er für dieses Fest ausgegeben hat. Alle Freunde, Verwandte und Kollegen warten schon seit langem auf die Braut. Aber zwei Stunden zu spät – der wedding planner (Udo Kier) ist ein Nervenbündel – betritt sie lächelnd den Saal, und das Festessen kann beginnen. Tafel und Gesellschaft erinnern an „Festen“ von Thomas Vinterberg, allerdings nur optisch.

Es wird bald klar, dass Justine sich irrational verhält. Sie verlässt scheinbar grundlos den Tisch, sie spaziert auf den Greens herum, nimmt ein Bad, schläft ein Ründchen, aber zwischendurch kommt sie auf einen Happen, auf einen Schluck, auf einen Tanz, zurück in den Saal. Sie tanzt mit dem Vater (John Hurt), wechselt ein paar Worte mit Mutter (Charlotte Rampling), Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) und deren kleinem Sohn Leo (Cameron Spurr). In Justines Gesicht erkennt man eine gewisse Ratlosigkeit, in ihrem Verhalten Rast- und Ruhelosigkeit. Sie bricht unvermittelt in Tränen aus. Sie schaut durch ein Teleskop, sieht den zusätzlichen Planeten. Sie ist besorgt, will funktionieren, will glücklich sein und glücklich machen, will das Richtige tun. Monumentale Aufgaben, die ihre Depression vorantreiben?

Es kommt zu einem Eklat, und sie flieht die Feier.

Der zweite Teil, „Claire“, spielt im Haus von Justines Schwester, wo sie Unterschlupf gefunden hat. Immer wieder schweift ihr Blick zum näherkommenden Planeten. Das Familienleben mit Schwester, Schwager John und Neffen Leo ist nicht einfach. Die Beziehung von Justine und Claire ist nicht einfach. Claire fürchtet sich vor dem Planeten, fürchtet um ihr Leben und das von Leo. John tut die Gefahr eines Zusammenstoßes mit dem Hinweis „It’s a fly-by“ ab. Je besorgter Claire wird, desto ruhiger wird Justine. „I know things“ sagt sie.

Das Thema Weltuntergang war mir bisher nur aus Science-Fiction-Filmen bekannt. Mit viel Getöse, special effects und fulminanten Feuersbrünsten. Nicht so in „Melancholia“. Der Mikrokosmos dysfunktionale Familie ist der Untergang. Die Depressionen, die Melancholie, die Angst.

Der Titel des Films ist der Name des Gestirns, das auf die Erde zusteuert, und die Melancholie ist Thema.

Lars von Trier hat ja seit einigen Jahren von den meisten Vorgaben für die sogenannten Dogma-Filme Abstand genommen, aber ein bisschen was ist immer noch geblieben. Zum Beispiel die Handkamera. Stative oder Rollkameras sind was Schönes, und Regisseure wie Fassbinder haben geniale Sachen damit gemacht. Sie haben sie schweben, tanzen oder im Kreis rum fahren lassen. Sie haben sie starr stehen lassen, oder wie ein menschliches Auge benutzt. Lars von Trier bevorzugt die Handkamera. Das mag manche Menschen schwindlig machen, mich macht’s zum Teil des Geschehens. Diese Kamera schaut genau dahin, wo ich auch hinschauen würde. Ich fühle mich mittendrin.

Und grad wenn mir der Kopf anfängt zu schwirren vom Partygeschehen, kommen unvermittelt dazwischengeschobene, standbildhafte, gemäldeartige Ruhemomente. Zum Verweilen, Eintauchen, Erholen. Justine treibt ruhig auf einem Waldsee, ein Bild von der Schönheit eines Monet-Gemäldes. Personen stehen weit voneinander auf einer geheimnissvoll beleuchteten Wiese. Die Oberfläche des bedrohlichen Planeten strahlt in freundlichem Blau.

Die Besetzung hätte besser nicht sein können. Kirsten Dunst, die es noch nie auf meine top-ten Liste geschafft hatte, ist perfekt für diese Rolle. Die anderen sind keine Nebenrollen, es sind alles kleine Hauptrollen. Es ist ein Film voller „Wow“-Momente, voller „Trinkt, o Augen, was die Wimper hält“-Momente. Der malerisch schöne Anfang, der verstörende Verlauf, und die opulenten Bilder des Endes.

So merkwürdig das klingt: es ist trotz des düsteren Themas ein wunderschöner Film. Eine Augenweide, und wegen des wunderbaren Soundtracks auch eine Ohrenweide.




„What a Man“: Kassen lügen nicht

Also Kinokassen. We have a winner. Über eine Million Zuschauer. Das hat bei deutschen Filmen Seltenheitswert.

Aber von vorn: Da war es wieder, dieses (kalendarische) Sommer-Loch. Das ist für Kinofreunde besonders dann unerfreulich, wenn man wegen des Regens gern öfter mal ein paar Stunden im Kino verbringt. Es gab aber außer „Midnight in Paris“ rein gar nix, was ich hätte loben können. Alles andere, was es zu loben gab, habe ich schon abgearbeitet – und es ist inzwischen auch Oscar-bestückt.

Vor 14 Tagen hab ich mich quasi geopfert und „What a Man“ angeschaut. Man, oh man!

Nun ist ja Matthias Schweighöfer ein veritabler Schauspieler, der mir unter anderem als Marcel Reich-Ranicki in „Mein Leben“ gut gefiel. Und auch sonst so schon.

Jetzt hat er sich der im deutschen Film nicht als Königsdisziplin berühmten Sparte Komödie angenommen. Als Hauptdarsteller, Regisseur und Autor. Kann man machen, müsste man aber nicht. Ich will gar keine Vergleiche zu anderen, schiefgegangen Versuchen heranziehen. Was hat er sich nur dabei gedacht? Vermutlich nichts. In einem Interview fürs TV hörte ich ihn sinngemäß so in etwa plappern: „Da ham wir uns hingesetzt und die Story im hoppigaloppi zusammengeschmissen“. Check. Hoppigaloppi.

Alex (Matthias Schweighöfer) und Carolin (Mavie Hörbiger) sind ein Paar. Lehrer Alex ist das, was ich gern mal mitleidig als milque toast bezeichne. Ein Beta- bis Delta-Männchen. Was Wunder, dass das schnieke Model Carolin, blond bubikopfig gestyled, sich einen Anderen an Land zieht – und das Milchbrötchen Alex muss ausziehen. Der flüchtet zu seiner WirSindGuteFreunde-Freundin Nele (Sibel Kekilli). Nele ist so ein in-Name jetzt, Neles sind immer prima Kumpels, total anständig, lieb und verständnisvoll, wenn auch ein bisschen verrückt. Verrückt mögen wir, denn wenn man verrückt ist, dann ist man auf jeden Fall kein Spießer. Und schließlich will Nele nach China, um dort Tiere zu schützen, Pinguine, wenn ich nicht irre, und außerdem um sich selbst in die schützenden Arme ihres französischen Freundes Etienne zu werfen.

Sobald man den Überblick über die Aufstellung hat, weiß man auch schon, wie das weiter geht, und wo das hinführt. Das ist die Konstellation, aus der man die lustigsten Beziehungskomödien stricken kann. Vorausgesetzt, der Regisseur und der Autor können gut stricken. Hier wurde gestickt, bestenfalls gehäkelt. Dialoge, die ich hätte mitsprechen können, so voraussehbar waren sie. Ein paar Schenkelklopfer, ein paar Stammtischplattitüden zum Thema, man kennt das ja.

Gut, ich hab da tatsächlich einige Male spontan mitgelacht, weil manche Witze auch zum 30sten Mal komisch sind. Aber sonst? Alles so, wie man ahnt. Viel abgedroschene Kalenderweisheiten und Klischees. Vom Sexunfall bis zum letzten Gehechel zum Flughafen und dem beinahe und huch und ja doch und na sowas, etc pp.

Am besten von allen Darstellern hat mir Elyas M’Barek als Alex’ bester Freund Okke, Fachberater in Sachen Beziehungen, Sex, et al gefallen. M’Barek war mir schon in der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ sehr angenehm aufgefallen. Da kommt hoffentlich mehr.

Sibel Kekilli war mir ein bisschen fremd als die pinguinaffine Tierschützerin und Strickliesel. Aber das ist meine Schuld, ich hab sie noch so fest in meinem Hirn aus „Gegen die Wand“. Da muss sie einfach mal raus, dann kann ich sie bestimmt unvoreingenommener ansehen.

Diese Komödie ist nicht die Krone des deutschen Humors, aber so grottenschlecht ist sie auch nicht. Als Schweighöfers Regie-Erstling etwas enttäuschend. Da hab ich mehr erwartet, aber das ist allein meine Schuld.

Harmloses, leichtes Sommerkino. Also jetzt rein, solang noch Sommer ist.

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Filmtrailer:




Kino: „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ (die zweite Kritik)

Sgt. Gerry Boyle (Brendan Gleeson) ist ein irischer Polizist in Galway im malerischen Irland. Er hat’s gern easy. Nur nicht das Leben mit unnötigen Arbeitsstress belasten.

Als ihm der junge übereifrige Kollege Mc Bride (Rory Keenan) aus Dublin als Partner zugeteilt wird, ist er „not amused“. Er hat seine eigenen – man kan schon sagen unorthodoxen – Methoden, und das soll so bleiben. Einer Leiche, die aus einem verunfallten Auto purzelte, zieht er erst mal ein Tütchen Drogen aus der Hosentasche und steckt sie ein. Für den eigenen Bedarf. Außerdem: “Deiner Mama würde das gar nicht gefallen.” Boyle ist weder saublöd noch superschlau, aber er ist sicher ein gewieftes Schlitzohr.

Einem Mordopfer zieht er die handschriftliche Nachricht aus dem Schlund, liest sie, versteht nur Bahnhof, schmeißt sie weg. Zusammen mit Assi McBride rätselt er über die in Blut geschriebene Nachricht “5 ½” an der Wand. Fünf ganze und ein halbes Opfer, bietet McBride, dem halben sind nur die Beine abgeschossen worden.

Brendan Gleeson in "The Guard - Ein Ire sieht schwarz" (Bild: Ascot Elite Verleih)

Dummerweise gibt’s dann plötzlich Hinweise auf einen riesigen Drogendeal, der genau in Boyles Bezirk stattfinden soll. Von 500 Millionen ist die Rede. Dollars, also „eine halbe Milliarde“ wie der Chef Inspektor erläutert. Boyle wird dem eigens aus Atlanta angereisten schwarzen FBI-Agenten Wendell Everett (Don Cheadle) als Partner zugeteilt. Zu allem anderen ist Sgt. Doyle auch ein ungehobelter Trampel, der seine guten Manieren gar nicht vergessen kann, weil er keine hat. Er ist auch kein Rassist, aber er hat keinerlei Vorstellung vom Leben der schwarzen Bevölkerung in den USA. So fragt er den FBI Mann ganz unbedarft, wie denn das Leben in den Slums von Kenosha, Wisconsin (Everetts Heimatort) so sei. Everett ist Yale Absolvent und Rhodes Scholar und ebenfalls not amused. Als man den versammelten Polizisten die Fotos von den vier weißen Verdächtigen zeigt, äußert Boyle die feste Überzeugung, nur Schwarze und Mexikaner schmuggelten Drogen. Er zieht die Fettnäpfchen geradezu magisch an. Man kann nicht sagen, dass Everett und Boyle gute Buddys werden, aber sie raufen sich zusammen. Everett wird nie ganz schlau aus ihm, aber zusammen entwickeln sie im Film ein bisschen „good Cop/bad Cop“ Routine, aufgelockert mit Dialogen, die an „The Odd Couple“ erinnern. Witzig und originell.

Die Drogenbösewichte zitieren en passant neben Nietzsche und Bertrand Russell alle namhaften Philosophen und schmieren hier und da locker ein paar Cops, und am Schluss gibt es einen show down, der wirklich aus dem Rahmen des Üblichen fällt.

Der Regisseur, John Michael McDonagh hat dankenswerterweise auf die üblichen Klischees verzichtet. Er hat einen spannenden und – trotz Mord und Totschlag – heiteren Film gemacht.

Brendan Gleeson gefällt mir sehr als irischer Polizist, Fionnula Flanaghan in einer Nebenrolle als Gleesons totkranke Mutter ist großartig. Don Cheadle wirkt fast ein bisschen blass neben den anderen Darstellern.

Ich habe die Originalfassung gesehen und gestehe, dass ich mich sehr anstrengen musste, den Irish brogue zu verstehen. Wer den irischen Klang nicht ganz frisch auf dem Ohr hat, gehe besser in die synchronisierte Fassung.

Außerdem gibt’s einen schönen ohrenfreundlichen Soundtrack.

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Vergleiche auch Jens Matheusziks Kritik zum selben Film:
http://www.revierpassagen.de/4268/the-guard-ein-ire-sieht-schwarz-morgen-neu-im-kino/20110921_1942




„Four Lions“: Die Grenzen der Komik

Als ich vor Monaten diesen Film in der OF sah, war ich dann doch zu angepisst, um selbst diesen Verriss zu posten. Inzwischen kann man die DVD kaufen. Wer dafür über €12 ausgeben möchte: selbst schuld. Selbst 80ct fürs Friday Special in der Videothek ist da noch zu viel. Aber wie es immer heißt, wir leben in einem freien Land, und jeder kann das halten, wie er will.

Nun aber doch. Passt auch grad in das Sommerloch:

So lustig kann ein Film über Terroristen gar nicht sein, als dass er mich nicht ängstigen würde. Mehr ängstigen als erheitern. Viele sagen, es sei der lustigste Film des Jahres. Totaler Slapstick. Eine schwarze Komödie. Sogar tiefschwarzer englischer Humor. Okay, der schwarze britische Humor hat sich mir nur selten erschlossen. Und eine Freundin von Slapstick bin ich auch nicht gerade.

Dass die vier Protagonisten ausgemachte Deppen sind, ändert nichts an der Tatsache, dass sie Mitbürgern im Namen ihrer Religion nach dem Leben trachten und bereit sind, dafür ihr eigenes „mit einem Lächeln im Gesicht“ zu opfern. Wobei, für die Vier ist es kein Opfer, denn im Jenseits warten ja nicht nur Gott sondern auch jede Menge hübsche Jungfrauen auf sie.

Sie leben in Nordengland und genießen durchaus die modernen Errungenschaften der Ungläubigen des versauten Westens, über die sie sich so erzürnen. Sie unterhalten sich in einem schwer verständlichen Mix aus Cockney/Paki/Afghani/Brit-Slang.

Sie planen also, sich als Mudjschaheddine für den heiligen Jihad in Menschenmengen zu begeben und sich zum geeigneten Zeitpunkt als Selbstmord-Attentäter in die Luft zu sprengen und alle ungläubigen Schweinebacken mitzunehmen.

Im Wohnzimmer bereiten sie per Video einen dilettantischen Bekenner-Rap vor, der voller törichter Statements ist. Dabei fuchtelt einer wild mit einer Waffenattrappe rum. Alles was sie „planen“ scheitert an ihrer Dummheit und Trotteligkeit. Dabei muss dann auch mal ein unschuldiges Tier dran glauben. So weit, so komisch (wobei bestimmt alle Tierschützer und –liebhaber sich empören werden, weil das Tier auch „in echt“ totging – soviel zur Komik).

Die aktuellen Medien sind nun täglich voll von solchen Attentaten, und nicht zu Unrecht haben Menschen überall in der Welt Angst. Es ist ja auch durchaus möglich, dass die echten Attentäter genau so dumm, so verbohrt und fanatisch sind, wie die im Film. Vielleicht unterhalten sie sich auf die gleiche hirnrissige Weise miteinander, wie die im Film. Wer weiß das schon? Tatsache bleibt, dass sie Mörder sind. Und wenn sie nicht die erwünschten Hunderte von Menschen mit in den Tod reißen, sondern nur drei oder vier, die dummerweise zur falschen Zeit am falschen Platz waren, ändert das auch nichts daran: sie sind Mörder.

Einer der vier Jihadisten ist ein britischer Konvertit, und der ist ein völlig verpeilter Fanatiker, der plant, eine Moschee in die Luft zu sprengen, es den westlichen Ungläubigen in die Schuhe zu schieben, um so die gemäßigten Moslems zu radikalisieren. Sie streiten sich andauernd über die Pläne, das Bombenbauen, das Beschaffen der Zutaten dafür, und all das hat auch eine gewisse Komik.

„Ist doch nur ein Film, ist doch lustig, nimm’s nicht so ernst, lach drüber“ werden manche sagen.

Gelacht werden soll (und kann auch bisweilen) über die Dummheit des Quartetts. Aber die Tragik ist ja, dass es ein ernstes und sehr heikles Thema ist. Und dass vermutlich genug (zu viele) Menschen in der Welt rumlaufen, die genauso strunzdumm, verbohrt und fanatisch sind, und tatsächlich so gestrickt sind. Die die Idee gut finden, und die zufällig noch genug Grips haben um erfolgreich zu sein.
Es gibt schon genug Filme, die sich mit Mord, Totschlag und sinnloser Gewalt in der Welt befassen.
Einen lustigen Film über Jihadisten hatte ich nie vermisst.

Was ist als nächstes dran, Mr. Chris Morris (Regisseur), eine Musical-Comedy über 9/11?




„Midnight in Paris“: Woody Allen und die Nostalgie

Der Herr Woody Allen filmt in den letzten Jahren so oft in Europa, dass ich den Verdacht habe, dass er in all den Städten einfach ausgestiegen und für ein Weilchen dageblieben ist, weil sie ihm gefielen. Wie Clint Eastwood in „The Bridges of Madison County“. Kaum hat er London, Barcelona und Paris erlebt, dreht er schon in Rom.

Aber jetzt „Midnight in Paris“: schon beim allerersten Bild, bevor der Vorspann kam, begann meine Verliebung. Ich nostalgierte sofort beim Anblick dieser zärtlichen Schwenks über Arondissements, Straßen, Alleen, Parks und der Brücken über die Seine! Diese liebevolle Musik! Genau da wär ich ausgestiegen aus dem Zug und wäre geblieben. Aber ich kenne Paris schon, und trotzdem bin ich ausgestiegen. Und eingestiegen, mitgefahren auf dieser romantischen Zeitreise.

Denn das ist es, eine Zeitreise. Ich kann über diesen Film gar nichts schreiben, ohne nicht wenigstens ein paar klitzekleine Spoiler preiszugeben. Die Reise geht in die Roaring Twenties. Oder waren es die Golden Twenties? Das Jazz-Age?

Szenenbild (Concorde Filmverleih)

Der junge Hollywood-Schreiberling Gil (Owen Wilson) ist allerdings erst mal mit Braut Inez (Rachel McAdams) und Schwiegereltern in spe als Tourist im Paris der Gegenwart unterwegs. Er hat seinen 400-Seiten Roman über den Betreiber eines Nostalgieladens in der Tasche. Seine zukünftige Familie – laute, neureiche Amerikaner, wie sie jeder Europäer zu kennen glaubt – muss er hin und wieder mal ausblenden. Und bei diesem Ausblenden findet er sich unversehens in Gesellschaft all der illustren Gestalten der bewussten Zwanziger. Plötzlich ist Hemingway sein Gesprächspartner, „Gert“ Stein (großartig: Kathy Bates) will sich mal seinen Roman ansehen, sobald sie damit fertig ist, Picassos abstraktes Gemälde einer schönen jungen Frau in Grund und Boden zu stampfen. Ansonsten hängt er ab mit Zelda und Scott, mit Salvador und Bunuel. Unversehens lebt er in seiner eigenen Nostalgie.

Er transportiert seine Begeisterung für das Lebensgefühl der goldenen Zeit in die Gegenwart, und die freundlichste Reaktion seiner Braut ist: „Your brain tumor is acting up“. Owen Wilson gehört nun wirklich nicht zu meinen Favoriten, aber für diese Rolle hätte ich mir keinen Anderen vorstellen können. Er ist der Woody in diesem Gil, der nicht nur seine Zeitreise in die Vergangenheit hat. Gil hat eine Zukunft.
Ich musste den einfach lieben, und so wird es vielen gehen, auch wenn man noch nicht franko-, pariso- oder bibliophil ist. Man wird es. Wenigstens für die Dauer dieses Films. Und vielleicht bleibt auch ein bisschen davon hängen. Mit einem Schuss Woodyphilie. Das wäre schön.

Samstagabend nochmal um 21:30h im Cinenova Open-Air in Köln.
Ab 18. August 2011 in den Kinos.

(Szenenbild – Rechte: Concorde Filmverleih)




„Beginners“: Glücklicher sein als zuvor

Irgendwann muss man ja mal anfangen. Mit dem Freuen, dem Lieben und dem Leben. Dem Verarbeiten. Das mit dem Leben vergisst man manchmal, weil es so viel von dem anderen Zeug gibt, dem Trauern, Leiden, Weinen. Da bleibt kaum Zeit zum Leben. Und wir wissen doch alle, wie endlich das Leben ist.

Endlich ist es für Hal (Christopher Plummer), der gleich am Anfang des Films schon tot ist. Sein Sohn Oliver (Ewan McGregor) räumt das Zimmer aus, in dem er starb, ordnet seine Papiere, schmeißt seine Pillen ins Klo und übernimmt Hals Hund Arthur. Arthur ist putzig und hat eine kleine Denkrolle.

Hal war 75, als er an Krebs starb. Seine Frau Georgia (Mary Page Keller) war vier Jahre vorher gestorben, und kaum war sie tot, entschloss sich Hal, seine „andere Seite“ endlich auszuleben, die er während seiner 40 Jahre dauernden Ehe unterdrückt hatte. „Ich bin schwul“, erzählte er seinem verdutzten Sohn „und ich will diese Seite in mir jetzt ausprobieren.“

Die Geschichte wird quasi auf drei Ebenen in flashbacks erzählt: Olivers Kindheit, die vier Jahre nach Hals Verkündigung und die Zeit nach Hals Tod. Ab und zu unterbricht der Erzähler (Oliver) den Ablauf, und zeigt in einer Art Slideshow Dokumente der aktuellen Zeit, was man aß, sang, womit man arbeitete, und wer ab Ike (Eisenhower) bis Baby Bush grad Präsident war. Eine coole Idee, das.

Filmszene mit Christopher Plummer (li.) und Ewan McGregor (Bild: Universal)

Filmszene mit Christopher Plummer (li.) und Ewan McGregor (Bild: Universal)

Es gibt überhaupt viele heitere Momente, eine Comedy ist es trotzdem nicht, eher das, was die Amis „Dramedy“ nennen. Heiter mit Tiefe.

Olivers Mutter hat eine Schrägizität, die mich an „Harold and Maude“ erinnert. Sie ist jedenfalls nicht das, was man sich so unter der lieben Mutti vorstellt. Hal hält sich in diesem Eheleben weitestgehend bedeckt. Er wusste schon als Dreizehnjähriger, dass er schwul ist, aber die Zeiten waren damals nicht so, er heiratete und blieb seiner Frau, die er liebte, auch treu. Nun, wo sie tot ist, hat er endlich sein coming out, geht in Tanzbars und Lokale, wo sich Schwule treffen. Er zieht den jüngeren, strubblig-attraktiven Andy (Goran Visnjic) an Land, der sich zu älteren Männern hingezogen fühlt. Sie sind glücklich. Andy liebt Hal aufrichtig, und dass er nicht monogam ist, nimmt Hal gelassen hin. Es ist Andy, der bei ihm ist, als er stirbt.

Oliver, der seine Kindheit nicht ganz unbeschadet überstand, hat Bindungsängste. Einige kaputte Beziehungen hat er schon hinter sich, da trifft er die französische Schauspielerin Anna (Melanie Laurent, bekannt aus „Inglourious Basterds“) auf einer Kostümparty. Sie wohnt während der Dreharbeiten in einem Hotel, wo sie ihrer frischen Verliebung ein Heim geben. A home away from home. Als Oliver sie überredet, zu ihm zu ziehen und ihr dafür extra zwei Schubladen in seiner Kommode freigemacht hat, weint sie. Freie Schubladen haben so etwas Eingezogenes. Endgültiges. Klaustrophobisches.

Am besten hat mir Christopher Plummer gefallen, dem man bei seiner Vitalität und Präsenz den Sterbenden gar nicht abnehmen will. Selten ist jemand im Film so souverän gestorben. Goran Visnjic spielt den sanft verlotterten Andy mit wundervoller Leichtigkeit, und auf Melanie Laurent, die schöne Anne, freu ich mich in neuen Rollen. Ewan McGregor ist sehr gut, glaubwürdig, in der Rolle des Sohns in einer dysfunktionalen Familie. McGregor ist leider auch einer dieser Schauspieler, deren Namen ich nie spontan mit einem Gesicht verbinden kann. Und wenn ich sein Gesicht in einem Foto sehe, frag ich mich „Wer ist das noch mal?“ Aber für diese Rolle ist er genau der richtige. Er ist kein Held, er ist ein Überlebender.

Es gibt in diesem Film keinen Bösewicht, der zu bekämpfen wäre. Harmonie schwebt über Handlung und Hauptpersonen, alle sind freundlich, liebenswert, sehen toll aus. Da könnte man jetzt mäkeln: „Ach, son Friede, Freude, Eierkuchen Gedöns.“ Ja, vielleicht. Aber die Herzlichkeit, die Wärme und die Aufrichtigkeit dieser Figuren ist so fassbar, geht ans Herz und an die Nieren, wenn man sich darauf einlässt. Alle wollen nur glücklicher sein, als sie am Anfang sind, und irgendwie werden sie es auch.

„Life, liberty, and the pursuit of happiness…“, die der Amerikaner gern als seine Grundrechte ins Gespräch bringt, das ist das Ziel. Allerdings ist das dritte Wort eigentlich property, und Besitz und Glück werden ja gern mal verwechselt. Aber das Glück, ganz im Vertrauen, wollen wir das nicht alle, und sonst gar nichts?

Viereinhalb von fünf Punkten auf meiner privaten Richterscala.




„The Tree of Life“: Evolution und Alltag

Meine weise Oma mahnte gern: „Kind, geh nicht am Samstagnachmittag ins Kino, wenn es regnet.“ Sie hatte wie immer Recht.

Mein Leib- und Magenkino, das Metropolis in Köln, war krachend voll, obwohl der Film als OF angekündigt war. Solchen Informationen ist nie zu trauen: es war OmU. Es wird allerdings im Film ziemlich wenig gesprochen, und das bisschen Text wurde nur blitzartig kurz eingeblendet. So gesehen…

Der Film also, von dem ich nicht mal Trailer gesehen, von dem ich generell nur kurz eingestöhnte: „Hach, schön…“ vernommen hatte, begann dramatisch. Weniger die Handlung (erst mal keine für ne gefühlte Stunde) als die Bilder. Bilder in überwältigenden Farben und Beweglichkeiten. Überwältigend! GEO und National Geographics all rolled in one mit orchestraler Musik dazu. Die Evolution im Zeitraffer. Prächtige Szenen mit Vogelschwärmen, die balletös ihre Choreographien in den Himmel tanzen.

Es ist eine solche Wonne, den Meeren und Urwäldern, den Vulkanen und Gletschern, Meteoriten und der eruptierenden Sonne beim Evolutionieren zuzuschauen, dass man vorübergehend ganz vergisst, dass doch nun bald mal Brad Pitt, Jessica Chastain und Sean Penn ins Bild treten sollten. Das tun sie dann aber auch. Die Menschenstory des Films beginnt. Bezeichnend ist, dass es kleine Episoden sind, die nicht sofort in einem Zusammenhang stehen. So erkennen wir zwar an den Reaktionen der Eltern, Mr. & Mrs. O’Brian (Pitt, Chastain), dass etwas Schreckliches passiert sein muss, aber wir sehen nicht, wie, wir ahnen das Was.

Wir sehen in Flash-backs die Geburten der drei Söhne, wie sie in den Fünfzigern in der Kleinstadt Waco in Texas aufwachsen, ein ganz normales Leben führen. In der ruhigen Straße spielen, Unsinn machen, mit Nachbarskindern Streiche aushecken. Wir fühlen ihre vertrauensvolle Zuneigung zur Mutter, einer elfenhaften jungen Frau, die ihre Kinder liebt, ihnen Raum gibt, ihre starke innere Bindung zu ihnen, ganz besonders zu Jack. Ihre Liebe soll ihnen die Kraft geben, die unkontrollierten Ausbrüchen des Vaters durchzustehen. Der Vater ist ein strenger Mann. Er ist emotional verschüttet. Er bedrängt die Kinder, misshandelt sie seelisch. Besonders der älteste Sohn, Jack, leidet unter ihm, versucht sich mit ihm auseinander zu setzen. Mr. O’Brian wäre gerne ein guter, ein perfekter Vater, er möchte gern eine funktionierende, eine liebevolle Beziehung zu seiner Frau und den Söhnen, aber er kann aus seinem Korsett nicht raus. Er wäre gern ein Künstler geworden, ein Pianist, spielt aber nur Orgel in der Kirche und zu Hause am Klavier.
Es ist ein Leben, das Millionen von Amerikanern so gelebt haben, so auch in Zukunft leben werden.

Die kurzen Episoden sind immer wieder von den dramatisch schönen Bildern der Schnee- und Sandwüsten und Gebirge und Tetonen, der Saurier und Meeresbewohner umrahmt. Eine ruhige Stimme legt sich über die Szenen mit der Familie.
Trotz der Wucht der Bilder, trotz der tyrannischen Vaterfigur, trotz der elfengleichen Mutter ist es ein harmonischer Film.
Jessica Chastain ist… lieblich und herb zugleich. Worte, die ich eher bei der Beschreibung von Wein anwende. Sie ist Harmonie in einen schönen kleinen Körper gegossen. Es gibt eine Szene, in der sie auf dem räudigen Rasen vorm Haus steht und sich mit dem Gartenschlauch die Füße – schöne Füße – abwäscht. Ich rieche den warmen Sommerabend, spüre die flirrende Luft, höre die Abendgeräusche – und mittendrin Jessica Chastain, Mrs. O’Brian, die Waldfee mit dem plätschernden Wasser. Sinnlich.

Brad Pitt gab diesmal nicht den knackigen Helden. Die ersten Bilder zeigen ihn von hinten seitlich, was ihn bräsig und ein bisschen schweinebackig aussehen lässt. Später tritt er als korrekt gekleideter, disziplinierter Büroangestellter auf. Sean Penn – der “dignified” altert – ist der erwachsene Sohn Jack. Sean Penn ist… nun, Sean Penn, den ich sehr schätze.
Der Regisseur, Terrence (Terry) Malick hat erst vier Filme gemacht. Nun kenne ich drei davon. “A thin red Line” ist einer davon. An seinen Ersten, „Badlands“ erinnere ich noch sehr gut. Da spielte übrigens Sissy Spacek mit, damals grade 24, sechs Jahre jünger als Chastain in „Tree of Life“. Die beiden sind sich frappierend ähnlich. Ich bin nicht überrascht über die Besetzung in Malicks nächstem – bisher titellosem – Film, der 2012 rauskommen wird. Hier spielt Chastain wieder mit. Zusammen mit Javier Bardem. Vorsichtige Vorfreude ist angesagt.

Bis dahin schaut Euch „Tree of Life“ an, lasst es auf Euch wirken, lasst Euch darauf ein. Trotz einiger Abstriche, auf die ich bewusst nicht eingehe, ist das ein sehenswerter Film.

Von mir vier Sterne auf meiner eigenen Richterscala von Fünf.




„Source Code“: Floh im Kopf

Meine Oma war eine weise Frau. Und sie kannte alle guten Ratschläge, die eine Oma zu kennen hat. Einer der wichtigsten war „Kind, lass dir keinen Floh in den Kopf setzen“. Oma zitierte nicht immer ganz korrekt, aber doch treffend. Um so einen Floh im Kopf geht‘s hier.

Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) findet sich als Passagier in einem Zug, der nach acht Minuten Laufzeit des Films explodiert. Und nun kommt so eine Art Molekülar Science ins Spiel. Ein militärisches Team von Wissenschaftlern hat ausgetüftelt, wie man Hirne von Menschen auch nach deren Ableben noch anzapfen kann.

Also haben wir hier einen Science Fiction-Film. Nicht so mein Fall, normalerweise. Weil das oft so weit hergeholt ist, dass es bereits ans Fantasy-Genre grenzt. Und viel Fantasie braucht man hier schon, und allerhöchste Aufmerksamkeit. Außerdem tendiert der Film auch stark in Richtung Thriller. Die Science, auf der diese Operation beruht, scheint jedenfalls ziemlich fragwürdig, auch wenn der Zweck die Mittel heiligt. Denn im Verlauf des Films wird Colter versuchen, die Vergangenheit zu verändern.

Vielleicht sollte ich hier davor warnen, weiterzulesen, weil es nicht ohne einige verräterische Hinweise abgeht, wenn ich überhaupt irgendwas über den Inhalt des Films erzählen soll – spoilers also –, aber ich verrat doch mal ein bisschen.

Colter also befindet sich plötzlich in diesem Zug und spricht mit der ihm unbekannten Christina (Michelle Monaghan), die ihn aber zu kennen scheint, und die ihn “Sean” nennt. Als Colter sich im Bordklo im Spiegel anschaut, erkennt er sich nicht, ein fremdes Gesicht blickt ihm entgegen. Nach und nach erfährt er, was die Militärwissenschaftler vorhaben. Colter, der nach eigenem Wissensstand grad einen Einsatz im fernen Osten hinter sich hat, ist in den Kopf eines Mannes gebeamt worden, der an Bord des explodierten Zuges war. Colter Stevens jedoch befindet sich in einem militärischen Labor, seine Ansprechpartnerin ist die Wissenschaftlerin Colleen Goodwin.

Im Zug gab es keine Überlebenden. Um dem Attentäter auf die Spur zu kommen, muss Colter also wieder und wieder die letzten acht Minuten vor der Explosion durch die Wahrnehmung des Passagiers Sean erleben. Er soll jede noch so kleine Handlung, Äußerung, Bewegung registrieren und ihr nachgehen. So, das hoffen die Militärs, wird er ihnen helfen, den Bombenleger zu finden und weitere Anschläge zu verhindern. Wie er seine Beobachtungen verwertet, bleibt Colter überlassen. Er hat Handlungsfreiheit, aber schnell sollte es gehen. Immer wieder laufen die acht Minuten an ihm vorbei, und er merkt, dass er sich an seine vorherigen Beobachtungen erinnert. Die anderen in seinem Abteil haben diese Erinnerungen nicht. Alles, was Colter in den jeweiligen acht Minuten tut, erleben sie zum ersten Mal.

Im üblichen Action-Thriller dieser Art gibt der Täter meistens nachträglich kleine Hinweise, er ruft an, droht, fordert, pöbelt oder hinterlässt ganz allgemein Spuren, denen die Polizei nachgehen kann. Das ist hier nicht der Fall, denn alle Spuren, die auf ihn hinweisen könnten, sind ja mit der Explosion in Feuer und Flamme verschmaucht.

Das alles ist wirklich sauspannend, wenn man es einfach auf sich wirken lässt. Hinterfragen sollte man die wissenschaftliche Durchführbarkeit nicht. Nicht umsonst nennt man solche Filme Science FICTION. Andererseits, Männer sind über den Mond spaziert, Herzen wurden verpflanzt, ganze Körperteile sogar… warum nicht auch Hirnaktivitäten?

Mir hat der Film gut gefallen, abgesehen von der hochgradigen Spannung seh ich Jake Gyllenhaal sehr gern, und Michelle Monaghan (keine der Hollywood- Zuckerbäcker-Cuties) auch.

Duncan Jones, der Regisseur, der ja schon 2009 mit „Moon” ein spannendes SciFi-Thema verfilmte, hat die richtige Einstellung: Man nimmt eine abwegige Idee und schaut mal, wohin sie führen kann. Übrigens ist Jones der Sohn von David Bowie und „Source Code” ist erst sein zweiter Film. Bleibt Sci-Fi vielleicht sein Thema? Wenn die kommenden Filme auch so spannend werden, why not? Da geb ich gern 4 Punkte auf einer Skala von 5.

(Foto: Szene mit Jake Gyllenhaal – Bild: Kinowelt Verleih)