Nations League: Abstieg des deutschen Teams besiegelt – Ob „Jogi“ Löw nun endlich die Konsequenzen zieht?

Schluss und ‚raus! Das war’s. „Die Mannschaft“ kann sich aus eigener Kraft nicht mehr vor dem Abstieg retten. Es hat gereicht, dass die Niederlande Frankreich heute Abend 2:0 geschlagen haben, um die Gruppen-Arithmetik vorzeitig zuungunsten des deutschen Teams zu entscheiden. Die Begegnung mit den Niederlanden am nächsten Montag in Gelsenkirchen ist damit nur noch Formsache. Künftig heißt es: zweitklassig in der Nations League. Trotzdem reden Trainerstab und DFB-Spitze die Lage schön.

Welchen Ball hätten'S denn gern? (Foto: BB)

Welchen Ball hättens denn gern? (Foto: BB)

Kann es denn Zufall sein, dass die Krisen und Niedergänge der CSU, des FC Bayern München, der deutschen Autoindustrie und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sich gleichzeitig manifestieren? Wohl kaum! Allerorten scheinen Neuanfänge und/oder Rücktritte fällig zu sein. Und das betrifft nicht mehr nur den bislang so erfolgsverwöhnten Süden der Republik.

„…dann ist es halt so“

Bundestrainer Joachim Löw, der eh mindestens rund 50 Millionen Kolleginnen und Kollegen im Lande hat, war inzwischen überaus reif für den Rückzug. Die „Bild“-Zeitung, mit der die Prominenz jeder Schattierung bekanntlich im Fahrstuhl aufwärts und dann irgendwann meist wieder rasant abwärts fährt, hat dafür ein geradezu teuflisch untrügliches Gespür: „Jetzt reicht’s, Jogi“, hieß neulich eine Brüllzeile im Online-Auftritt.

„Wenn wir absteigen, dann ist es halt so“, hat Löw schon vorauseilend verkündet. Googelt einfach mal: „Dann ist es halt so“ (oder „eben so“) ist eine immer mal wieder verwendete, geradezu flapsig-resignative Formel von Löw. Einen solchen Satz sollte sich mal ein Bundesliga-Trainer erlauben. Er wäre am nächsten Tag entlassen. Ebenso wie ein Firmenchef, der äußerte: „Wenn unsere Umsätze und Gewinne schrumpfen, dann ist es halt so.“ Doch der gleichsam verbeamtete, offenbar auf Lebenszeit bestallte Jogi darf die Misere weiter aussitzen. Oder etwa nicht? Tritt er nun in Etappen zurück, ähnlich wie Angela Merkel?

Die nie wieder verlieren können

Allzu lange hat Löw am vermeintlich Bewährten festgehalten; etwa nach dem insgeheimen Motto: Wer 2014 Weltmeister war und Brasilien 7:1 besiegt hat, kann quasi nie wieder verlieren. Ganz ähnlich, wie nach dem WM-Sieg 1990 Franz Beckenbauer getönt hatte, das nunmehr wiedervereinte Land sei „auf Jahre hinaus“ unschlagbar. Und so spielten sie denn entsprechend bräsig. Kritik ließen sie kaum an sich heran.

Wie lange beispielsweise ein Khedira noch auf dem Feld herumstehen durfte! Da ging jede Menge Zeit verloren, in der man begabte und ehrgeizige Nachfolger hätte aufbauen können. Löws geduldiges Zuwarten erwies sich zunehmend als beratungsresistente Sturheit und betraf beileibe nicht nur diesen Posten, sondern das gesamte Gefüge des Teams. Experimente wurden stets nur halbherzig in Angriff genommen, es fehlte die grundlegende Reform. Derweil bastelte der ach so smarte Oliver Bierhoff am coolen Image. Im Namen von Adidas und Mercedes-Benz.

Den Richtigen Zeitpunkt zum Rücktritt verpasst

Doch dann zeigte die bittere Wahrheit ihre Fratzen, sie feixte sich eins. Das gar frühe Aus bei der WM – hochnotpeinlich. Das 0:3-Debakel gegen die Niederlande – quälend oder lachhaft, je nach Betrachtungsweise. Sodann das nicht ganz so schlimme Match gegen das schier übermächtige Frankreich. Gegen die etwas unbedarften Russen lief es eine Halbzeit lang sogar wie am Schnürchen. Man wird sehen, ob es etwas zu bedeuten hatte.

TV-Motzki Oliver Kahn hat es schon recht früh gesagt: Hätte Löw gleich nach dem erfolgreichen WM-Finale 2014 seinen Bundestrainer-Posten quittiert, wäre er eine Art Lichtgestalt geblieben. So aber hat der Mann, der so gerne Leute aus dem deutschen Süden und Südwesten um sich versammelte (speziell Dortmunder Spieler hingegen mit Vorliebe ignorierte), sein eigenes Andenken gründlich beschädigt.

Künftig Gekicke à la Merz oder Spahn?

Und nun? Wird es wieder so sein, wie man seit Jahrzehnten munkelt: dass das Nationalteam eben jenen Fußball spielt, der „irgendwie“ der waltenden Bundespolitik entspricht (z. B. frischwärts unter Willy Brandt, behäbig unter Kohl)? Ich wage mir nicht vorzustellen, wie ein Gekicke à la Friedrich Merz oder nach Art von Jens Spahn aussähe. Wie bitte? Nee, AKK-Fußball wäre wohl auch nicht die Offenbarung. Was aber dann?




Von „Alka Seltzer“ bis „Schapusiak“ – Spitznamen, mit denen Fußballspieler ins Ruhrgebiet eingemeindet werden

Gastautor Heinrich Peuckmann über einfallsreiche Spitznamen im Ruhrgebiets-Fußball:

Borussia Dortmund hat wieder einen Knipser, und was für einen! Sechs Tore in 80 Minuten, das hat selbst „kleines dickes Müller“ (wie ihn sein Trainer „Tschik“ Cajkovski nannte) nicht geschafft, Bayern Münchens unvergessener Torjäger.

Da hängt es... und der Erwerb soll sich bitteschön auch gelohnt haben. (Foto: BB / © Trikot: Borussia Dortmund)

Manche nennen ihn der Einfachheit halber „Alka Seltzer“…  (Foto: Bernd Berke / © Trikot: Borussia Dortmund / Puma)

Aber der Name, Mensch der Name. Wie soll man sich das merken? „Alkacär“. Aber in so einem Fall sind wir Dortmunder Fußballfans findig und vor allem erfahren. „Dieser Alka Seltzer, hasse gesehen, hat wieder zugeschlagen“. Klar, Alka Seltzer spült das von der letzten Schreckenssaison vernebelte Gehirn wieder frei. Wir haben wieder Spaß, am Spiel und auch an unserer Wortschöpfung, die nicht die erste ist, die uns gelang.

Da gab es mal den aus der französischen Schweiz stammenden Stephane Chapuisat, auch so ein Knipser, aber noch schwerer auszusprechen. „Schapüisa“, wer kann sich schon derart die Zunge verbiegen? Vor allem, wo wir doch im Ruhrgebiet immer Fußballnamen hatten, die uns leicht und locker von der Zunge gingen. Beispielsweise Leo Konopczynki, SV Sodingen, B-Nationalspieler, oder der Altborusse Hans Cieslarczyk (WM-Teilnehmer).

Und jetzt so was, „Schapüisa“. Aber auch damals wussten wir uns schon zu helfen. Irgendwann rief es einer nach einem Tor: „Hasse gesehen, Schapusiak hat wieder zugeschlagen. Is gut, ey.“ Jau, das war er, wirklich gut. Und die Abkürzung hatten wir auch schnell drauf: Schappi. „Schappi wird Papi“ dichtete mal eine Zeitung. Und wenn sie erst mal solche Namen haben, unsere Stars, dann sind sie eingemeindet, dann gehören sie zu uns. Lange nach Schapusiak nun Alka Seltzer.

Zappel, Appel, Rübe, Ente

Überhaupt, die Spitznamen im Fußball. In Kamen spielte mal bei der örtlichen Westfalia „Zappel“ Lepke, und schon der Name reicht, um zu wissen, wie das aussah. Nervös hat er uns beim Zugucken gemacht, schrecklich nervös mit all seiner Ruderei mit den Armen. „Rübe“ Michalsky war schon fast eine liebevolle Bezeichnung angesichts seiner Birne, die jeder, aber wirklich jeder unter tausend Fußballerköppen sofort herausfinden würde, wenn er nur den Spitznamen kannte, aber nicht „Rübe“ selber.

Oder „Appel“ Maidorn vom VfL Kamen, dessen Wangen schon vor dem Anpfiff glühten wie Granatäpfel. „Appel“ war ein ungefördertes Talent, heute würde er sicher in der ersten oder zweiten Bundesliga spielen. Und egal, wie groß das Stadion sein würde, in dem „Appel“ seine Fußballkünste gezeigt hätte, egal von welchem Platz aus, man hätte ihn sofort unter all den Spielern entdeckt.

Und erst mal der unvergessene „Ente“ Lippens, grandios, wie er mit seinen nach außen gestellten Füßen durchs Westfalenstadion watschelte und seine Gegner schwindelig spielte. Sein Lieblingsgegner war übrigens der „Terrier“ Berti Vogts, den er nicht nur austrickste, sondern auf den er wartete, bis Berti sich wieder aufgerichtet hatte, einzig zu dem Zweck, um ihn noch mal auszutricksen.

Lange vor seiner Dortmunder Zeit hat sich Lippens bei Schwarz-Weiß Essen vorgestellt, wollte einen Profivertrag, aber Trainer Witzler schickte ihn nach dem Probetraining mit der Bemerkung weg: „Hau ab, du kannst ja nicht mal richtig laufen.“ Laufen vielleicht nicht, aber Fußballspielen.

 




In den besten Momenten fast schwerelos: Der „neue“ BVB spielt bestimmt nicht perfekt, aber unwiderstehlich mitreißend

Jetzt doch mal wieder ein paar Zeilen über Fußball. Über Fußballkultur, um euphorisch zu werden. Kurz und gut: Die letzten Spiele des BVB waren vielleicht nicht perfekt, phasenweise sogar holprig, aber dann – auf einmal dieser wundersame Wandel – allesamt unwiderstehlich mitreißend. Man muss schon an Jürgen Klopps oder auch Ottmar Hitzfelds beste Zeiten zurückdenken, um Vergleichbares zu finden.

Da hängt es... und der Erwerb soll sich bitteschön auch gelohnt haben. (Foto: BB / © Trikot: Borussia Dortmund)

Da hängt es nun… und der Erwerb soll sich bitteschön auch gelohnt haben. (Foto: BB / © Trikot: Borussia Dortmund)

Wie sich die im Durchschnitt sehr junge Mannschaft jeweils in den zweiten Halbzeiten aufgerafft hat, als wüchsen ihr Flügel, das war schon außerordentlich beeindruckend. So etwas wie die (nach Anfangsschwierigkeiten) ungeahnten Erfolge gegen Frankfurt und erst recht gegen Augsburg oder auch das satte 7:0 gegen Nürnberg hat man schon lange nicht mehr gesehen. Zugegeben: Glück ist dabei. Aber auch eine Menge Können.

Nicht nur Willensakte

Besser noch: Es waren nicht nur reine Kraft- und Willensakte, sondern Steigerungen, die in den schönsten Momenten ins wunderbar Spielerische und beinahe ins Schwerelose abhoben. Der neue Trainer Lucien Favre hat offenbar schon großartige Arbeit geleistet. Stets verweist er darauf, dass er und das Team noch Zeit bräuchten. Er hat sicherlich recht. Nun gut. Wir warten ab, was da noch kommen mag.

Wer war nochmal „Auba“?

Als hätte ich’s geahnt, habe ich zwei Tage vor dem Spiel gegen die tapferen, wenn auch arg rustikalen Augsburger das Trikot mit der Nummer 9 und der Aufschrift Paco Alcacer erworben – mit BVB-üblichem Torschützen-Rabatt. Und da zaubert der Spanier als Einwechselspieler gleich schon wieder drei Treffer, darunter den entscheidenden Freistoß in der allerletzten Sekunde. Wenn er so oder ähnlich weiter macht, wird man sich bald fragen: Aubameyang – wer war denn das nochmal?

Jedenfalls sollten sie den einstweilen vom FC Barcelona nur ausgeliehenen Stürmer unbedingt an den BVB binden. Angeblich sind die entsprechenden Verträge schon unterschriftsreif und die festgelegte Ablösesumme soll „nur“ bei rund 23 Millionen Euro liegen, was nach Lage der Dinge tatsächlich ein Schnäppchen wäre, so absurd es klingt. Die Aussichten, dass er in Dortmund bleibt, sollen jedenfalls sehr gut stehen.

Zugänge passen ins Gefüge

Aber auch die anderen Neuzugänge passen recht genau ins Gefüge, allen voran der Belgier Axel Witsel, der mit seiner Routine für dringend benötigte Stabilität sorgt, und der ebenfalls sehr zuverlässige Däne Thomas Delaney. Dazu die Sturm- und Drang-Abteilung mit frühreifen Talenten wie Pulisic, Sancho oder auch Bruun Larsen. Die nicht immer standfesten, doch sichtlich ehrgeizigen und steigerungsfähigen Akanji, Diallo und Hakimi. Natürlich nicht zu vergessen der gebürtige Dortmunder Kapitän Marco Reus, der die Mitspieler zu motivieren versteht. Wenn jetzt auch noch Mario Götze zu alter Stärke zurückfände, wär’s kaum auszuhalten. Dann hätte der BVB veritable Chancen, den derzeit kriselnden Bayern ein spannendes Rennen um die Meisterschaft zu liefern und in der Champions League mehr als achtbar abzuschneiden.

Trotzdem lieber mit Rückschlägen rechnen

BVB-Sportdirektor Michael Zorc hat also bei der Sichtung des Marktes offenbar das richtige Händchen bewiesen. Man darf auch annehmen, dass Sebastian Kehl, der neu bestallte Leiter der Lizenzspielerabteilung, zumindest klimatisch auch schon etwas bewirkt hat. Sollten zudem die fachlichen Ratschläge von Matthias Sammer im Hintergrund geholfen haben? Warum nicht?

Aber träumen wir nicht zu früh. Rechnen wir lieber mit zwischenzeitlichen Rückschlägen oder gar Krisen. Erwarten wir lieber erst einmal weniger als das Mögliche und Wahrscheinliche.




Standardsituationen und schwindende Gewissheiten – eine kurze, weitgehend schmerzlose Bilanz zur Fußball-WM

Meine kleine Ballsammlung (Foto: BB)

Unsere kleine Ballsammlung (Foto: Bernd Berke)

Na gut, äh! Irgend eine Bilanz zur Fußball-WM muss man jetzt wohl ziehen. Sei’s drum. Wir haken das mal eben Punkt für Punkt ab. Bei Nummer 22 (naturellement 2 x 11) ist dann aber Sense. Versprochen.

  1. Gratulation dem Weltmeister Frankreich. Es war – nehmt alles nur in Allem – tatsächlich das beste, in allen Mannschaftsteilen ausgewogene Team. Und der pfeilschnelle, erst 19-jährige Kylian Mbappé war vielleicht d e r Spieler dieser WM. Was aus dem noch werden kann! (Übrigens muss man den Nachnamen wirklich nicht „Emm-Bappeee“ aussprechen, wie das gewisse Experten im deutschen Fernsehen tun. Anlautendes M geht auch bruchlos mit nachfolgendem B).
  2. Um ein Haar wäre es zum Finale zweier kleiner Länder gekommen, Belgien und Kroatien. Ganz so, als sei die Zeit der „Großen“ vorbei. Kroatien war ein starker Finalteilnehmer, in der Anfangsphase zweifach entscheidend (?) vom Schiri benachteiligt.
  3. Die Engländer können neuerdings Torwart. Und sie können Elfmeterschießen. Und auch noch die ziemlich effektive „Buswarteschlange“ bei Ecken oder Freistößen. Sie haben mit dem alten Kick & Rush nichts mehr zu schaffen. Auch scheint es ihnen nicht zu schaden, dass so viele Leute aus anderen Ländern in der Premier League spielen. Da schau her, die wohligen alten Gewissheiten sind dahin. Dass die Engländer mit ihrem Trainer und eleganten Westenträger Gareth Southgate zudem einen vorbildlichen Gentleman aufgeboten haben, entspricht hingegen den althergebrachten Vorstellungen.
  4. Die These, dass der Fußball den Zustand einer ganzen Nation widerspiegele, mag füglich bezweifelt werden. Es lassen sich immer Argumente dafür, aber auch dagegen aufführen. So schlimm kann es um England nach dem Brexit eigentlich nicht stehen, wenn man die Leistung der „Three Lions“ zum Maßstab nimmt.
  5. Sportlich war es ein recht mittelmäßiges Turnier mit nur wenigen, wirklich packenden Partien. Viele magere 1:0-Ergebnisse, etliche Quälereien bis in Verlängerungen und ins Elferschießen hinein. Einige Abwehr-Bollwerke bis zum Abwinken. Entscheidungen oft nicht durch kreatives Spiel, sondern durch „Standardsituationen“ mit ruhendem Ball.
  6. So genannte Superstars nützen offenkundig überhaupt nichts, wenn nicht etwas hinzu kommt. Nach und nach durften Messi, Ronaldo und Neymar mit ihren Teams vorzeitig nach Hause fliegen. Der Satz, Fußball sei halt ein Mannschaftssport, taugt nicht nur fürs Phrasenschwein. Er hat was für sich.
  7. Sorry, aber: Nach dem frühen Ausscheiden habe ich (und haben wohl viele) die deutsche Mannschaft kaum vermisst. Man konnte auch mit den Konter-Königen aus Belgien oder mit sonstwem fiebern. Die Belgier haben sogar dieselben Flaggenfarben, wenn auch anders angeordnet. Das deutsche „Aus“ hatte auch sein Gutes: Auf diese Weise blieb Kanzlerin Merkel ein Tribünen- oder Kabinenbesuch erspart.
  8. Das ewige, überaus gestenreiche und zuweilen aggressive Reklamieren beim Schiri geht einem nur noch auf den Geist. Und das unsägliche „Markieren“ von Fouls (mit Neymars vielfacher Platzrolle als wahnwitzigem Tiefpunkt) sollte viel härter bestraft werden; ebenso wie die wild gestikulierende Forderung nach der gelben oder roten Karte für den Gegenspieler. Übrigens: Findige Leute haben ermittelt, dass Neymar während seiner Turnier-Auftritte rund 14 Minuten auf den Plätzen gelegen bzw. sich dort gewälzt hat. Scheint sein Hobby zu sein.
  9. Die deutschen TV-Kommentatoren bei ARD und ZDF waren zu allermeist nicht WM-tauglich. Hier sollte man grundlegende Reformen anstreben und vielleicht je zwei Sprecher(innen) bzw. ehemalige Spieler mit wachem Geist im möglichst munteren und uneitlen Dialog einsetzen. Nein, auch Claudia Neumann war nicht besser als ihre männlichen Kollegen. Aber auch nicht schlechter. Die endlosen Experten-„Analysen“ vor und nach den Spielen tue ich mir sowieso gar nicht mehr an. Ihr etwa?
  10. Immer häufiger beschränken sich die Kommentatoren als Künder des Offensichtlichen auf belanglose Feststellungen wie „gute Bewegung“, „gute Körpersprache“, „guter Laufweg“, „gut aufgepasst“ oder „geblockt“. Dazwischen irrwitzige Statistiken und Boulevard-Gewäsch. Das ist oft ziemlich ärmlich.
  11. Jetzt doch noch mal zur deutschen Mannschaft, die insgesamt aufreizend überheblich aufgetreten ist. Mir ist schleierhaft, warum Löw nicht loslassen mag. Oliver Kahn hat recht: Löw hätte nach dem Finale 2014 aufhören sollen, als er alles erreicht hatte. Noch viel fälliger zum Rücktritt wäre allerdings der ach so smarte Oliver Bierhoff. Er hat zunehmend nur noch aalglattes Marketing im Sinn gehabt. Von seinem Umgang mit der Causa Özil/Gündogan/Erdogan ganz zu schweigen. Erst abwiegeln, nach dem Ausscheiden auf einmal übel nachtreten und Özil für alles haftbar machen wollen. Unmöglich! Und die DFB-Spitzen? Versuchen sich ebenfalls rauszuwinden und wegzuducken. Welch ein Elend!
  12. Nicht unbedingt sympathischer: Auch ein Vielzahl von Salonlinken hat den Fall Özil“ auf die eigenen Mühlen lenken wollen. Erstaunlich, wie sie den Erdogan-Freund mit Pauken und Trompeten verteidigt haben, weil ja angeblich nur teutsche Nationalisten und Rassisten gegen ihn Stellung bezogen haben. So ein Unsinn! Es dürften auch etliche Gegner der Erdogan-Diktatur darunter gewesen sein. Ach so, wie konnte ich es nur vergessen: Es herrscht ja längst Redeverbot in dieser Sache. Es sei denn, man schwinge den politisch korrekten Degen.
  13. Auf verquere Art links gestrickt sind auch die blödsinnigen Versuche, die Migrantenquote abermals auf die Qualität des Fußballs anzuwenden. Nach der Formel „Je mehr Migranten in der Mannschaft, umso besser der Fußball“ predigen manche quasi einen auf links gekrempelten Rassismus. Es ist letzten Endes nur die spiegelbildliche Umkehr dessen, was rechts gestrickte Typen blöken: „Zu viele Ausländer im Team…“
  14. Das Getue um den Videobeweis hat nicht nur in der Bundesliga genervt, sondern auch bei dieser WM. Ungefähr jeder vierte Torjubel wird im Keim erstickt und infrage gestellt. Ständig fordern Spieler, die sich benachteiligt fühlen, mit der notorischen Rechteck-Geste die Videoprobe ein. Mag sein, dass der eine oder andere grobe Fehler korrigiert wird. Doch ob es insgesamt „objektiver“ zugeht, darf bezweifelt werden.
  15. Wirklich gerecht wird es erst im Jenseits sein. Das wird ein sonderbares Ding, wenn Begegnungen vor den versammelten himmlischen Heerscharen völlig ohne Fehler und Fouls vonstatten gehen. Klingt ganz schön langweilig, nicht wahr?
  16. Eins wollen wir nicht vergessen: Es war eine WM ohne terroristische Bedrohung oder gar einen Anschlag. Dazu darf man sogar Vladimir Putin gratulieren. Ansonsten aber…
  17. Wenn wir schon beim „lupenreinen Demokraten“ Putin sind: Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat sich unterdessen mit beiden Potentaten getroffen: Putin und Erdogan, bei dem er im staatlichen Auftrag als „besonderer Freund“ aufkreuzte. Auf seine alten Tage wird der Mann zusehends zur peinlichen Hofschranze. Ich kann mich an keinen Kanzler erinnern, der mir im Nachhinein widerlicher gewesen wäre.
  18. Man fragt sich, was aus all den Arenen in der russischen Provinz werden soll. Werden die sündhaft teuren Bauten jemals wieder auch nur annähernd gefüllt sein? Selbst zur WM sind ja schon etliche Plätze leer geblieben. Verrückt genug: Inzwischen verpflanzen die Russen schon ganze Vereine in die Diaspora. Ein Oligarch muss „seinen“ Erfolgsclub aus St. Petersburg nach Sotschi umtopfen. Was die Fans wohl dazu sagen? Man stelle sich vor, Bayern München würde seine Heimspiele nur noch in Erfurt oder Osnabrück austragen.
  19. Gibt es jemanden, der sich auf die nächste WM 2022 in Quatar/Katar freut? Müsste man dafür nicht ein Wort wie Vorzorn statt Vorfreude verwenden?
  20. Und danach? Sollen 2026 die USA und Mexiko ein WM-Turnier gemeinsam mit Kanada ausrichten. Schon allein das würde gegen die Mauer sprechen, die Donald T. an der Grenze zu Mexiko errichten will. Aber 2026 ist der Kerl eh schon längst ein irres Nebenkapitel der Geschichte.
  21. Freuen wir uns vorerst auf den Wiederbeginn der Bundesliga. Und auf die nächste Europameisterschaft 2020. Diese WM war ja am Schluss auch schon ein rein europäischer Wettbewerb.
  22. Zugabe: Entscheidend is aufm Platz!

 




Draußen! Das war’s mit der WM… (ein Trauerspiel in drei Akten)

Die Luft ist 'raus, der Ball ist nicht mehr rund. (Foto: Bernd Berke)

Die Luft ist ‚raus, der Ball ist nicht mehr richtig rund. (Foto: Bernd Berke)

Endgültiger Nachtrag und Abgesang am 27. Juni:

Aus in der Vorrunde! Sie haben es wirklich nicht besser verdient. Was war das heute für ein müdes, hilfloses Ballgeschiebe gegen Südkorea. Hat man die Blamage also doch schon beim ersten Spiel kommen sehen!

Es hat auch sein Gutes. So bleibt uns wenigstens ein Auftritt gegen Brasilien erspart, der vielleicht noch mit 1:7 ausgegangen wäre. Wer will das ausschließen? Und auch gegen die Schweiz hätten sie verloren.

Durch alle drei Vorrunden-Spiele ist es eine Quälerei gewesen, heute noch verschlimmert durch den ZDF-Kommentar von Béla Réthy.

Eine Pointe im sonstigen Einerlei: dass heute pfeilgerade ein Niederländer das Videobeweis-Team leitete und für die Vorentscheidung zum koreanischen 1:0 sorgte. Das kann man nicht besser erfinden. Hallo, Italiener und Niederländer, auch „unsere“ #Mannschaft kommt jetzt schon nach Hause. Obwohl: So war „Football’s Coming Home“ doch eigentlich nicht gemeint.

P. S.: Wie schade, dass nicht morgen die neue Bundesliga-Saison beginnt; möglichst mit einem wieder erstarkten BVB…

Nachtrag / Update am Samstag, 23. Juni:

Also gut, mit diesem Wahnsinns-Freistoß von Toni Kroos zum 2:1 gegen Schweden hatten wir alle nicht mehr gerechnet. Trotzdem war’s insgesamt kein Ruhmesblatt. Eigentlich hätte ich das Folgende schreiben wollen und möchte auch jetzt nicht weit davon abrücken:

Ursprünglicher Beitrag vom 22. Juni, nach dem Mexiko- und einen Tag vor dem Schweden-Spiel:

Titel: „Was ich geschrieben haben würde, falls das deutsche Team die Fußball-WM schon vergeigt hätte“

Aus, aus! Das Spiel ist aus! Auch gegen Schweden hat es nicht gereicht. Sie (DFB und Boulevard-Medien) haben uns all die Jahre mit einem ganz anderen – Achtung, Modewort! – Narrativ hinters Licht geführt: Deutschland sei eine „Turniermannschaft“, hieß es immer, die sich im Laufe einer EM oder WM kontinuierlich steigere und mindestens das Halbfinale erreiche. Ein Ausscheiden in der Vorrunde? Undenkbar. Und jetzt? Sind sie draußen.

In Umfragen vor der Weltmeisterschaft war alles wie üblich: Rund 70 bis 80 Prozent der Leute waren hierzulande überzeugt, dass „die Mannschaft“, „der Weltmeister“, den Titel verteidigen und den fünften Stern holen werde. Was haben wir uns da vorgaukeln lassen?

Die Talfahrt der Adidas-Aktie

Zwar gab’s nicht mehr so viel Public Viewing wie ehedem (ein Warnzeichen?), doch wurde noch das eine oder andere schwarzrotgoldene Fähnchen samt Trikot verhökert. Aber schon nach der peinlichen Auftaktpleite gegen Mexiko fuhr die Aktie von Adidas in den Keller. Die Investoren, diese Sensibelchen, erwarteten keine sonderlichen Geschäfte mehr mit den heimischen Fans. Recht hatten sie.

Bisher ist es ja ohnehin eine ziemlich blöde WM bei Herrn Putin! Von bislang 26 Spielen (Stand 22.6.2018, 22 Uhr) endeten zehn mit dem Langweiler-Ergebnis 1:0. Vieles wurde durch Eigentore und/oder Elfmeter entschieden. Da darf man schon mal herzhaft gähnen. Auch beim allfälligen Warten auf den Videobeweis.

Seit Jahren überschätzte Spieler

Please, let me introduce myself, darf ich mich vorstellen: Ich bin einer von ca. 50 Millionen Bundestrainern. Als solcher hätte ich Özil nicht aufgestellt, ja, nicht einmal nach Russland mitgenommen, und zwar schon aus sportlichen Gründen. Ihn und erst recht Khedira halte ich seit Jahren für überschätzt. Echt jetzt. Doch Löw steht in Nibelungentreue zu ihnen. Und die Sache mit Özil und Gündogan? Sehr prekär. Ganz und gar nicht, weil sie türkische Wurzeln haben oder die deutsche Hymne nicht mitsingen, sondern weil sie sich als nützliche Idioten eines üblen Diktators haben einspannen lassen.

Zurück zum Sportlichen: Timo Werner als Sturmspitze kann Vorläufern wie Rudi Völler oder Miro Klose, geschweige denn Uwe Seeler und Gerd Müller (noch längst) nicht das Wasser reichen. Charakterlich gefällt mir dieser Bursche gar nicht, aber: Der aggressive Sandro Wagner wäre vielleicht sogar die bessere Lösung gewesen, hätte aber vielleicht das Klima vergiftet. Mag sein, dass „Jogi“ außerdem Sané hätte mitnehmen sollen, Reus von Beginn an hätte bringen müssen und was dergleichen Ratschläge mehr sind. Ist jetzt auch egal. Schietegal.

Die dümmliche Ausrede mit Kroos

Ein schlechter Witz war Löws Ausrede nach dem Mexiko-Spiel. Die Mexikaner hätten Toni Kroos in Manndeckung genommen und dadurch verhindert, dass das deutsche Spiel in Gang kam. Ja, sakra! Dann hätten eben andere das Heft in die Hand nehmen müssen. Reicht es denn, einen einzigen Spieler auszuschalten, damit der „Weltmeister von 2014″ (Ich mag die bodenlose Retro-Lobhudelei nicht mehr hören) quasi nicht mehr stattfindet?

Jetzt ist das Kind im Brunnen. Um es pathetisch zu sagen: Die Fußballnation Deutschland nimmt Schaden. Auch die Bundesliga nimmt Schaden. Im „Land des Weltmeisters“ haben noch einige Legionäre von Format spielen wollen. Damit ist’s jetzt Essig. Jetzt werden sie endgültig alle nach England oder Spanien ziehen wollen.

Auf Jahre hinaus schlagbar

Wie sagte die Nicht-mehr-Lichtgestalt Franz Beckenbauer um 1990? „Wir“ seien auf Jahre hinaus unschlagbar. Jetzt sind „wir“ eben auf Jahre hinaus schlagbar. Ebenso wie Messis Argentinien, unser Endspielpartner von 2014, der gleichfalls schon ausgeschieden ist. Vergessi Messi! Und Brasilien hatte auch nur Dusel. Apropos unschlagbar: Wäre theoretisch ein Finale Serbien – Kroatien denkbar? Ich weiß es nicht. Aber dann wären „die Jugos“ ja auf Jahre hinaus unschlagbar gewesen… Öhm. Gerade scheint Serbien gegen die Schweiz zu verlieren.

Und zu wem sollen wir fortan halten? Kroatien? Belgien? Schweiz? Brasilien? Immer noch zu Island? Sucht Euch was aus. Oder wendet euch halt ab.

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P.S.: Das „Schicksalsspiel“ Deutschland – Schweden hat tatsächlich erst am Samstag, 23. Juni (20 Uhr mitteleuropäischer Zeit) begonnen. Na und?

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P.S.: Putzig übrigens, wie bereitwillig aus der Ferne angereiste Zuschauer in den russischen Stadien (wer so viel Zeit und Geld hat, gehört eben zum globalen Establishment) die billigsten nationalen Klischees erfüllen. Der Ägypter sitzt als Pseudo-„Pharao“ auf der Tribüne, der Mexikaner mit Sombrero – und so weiter.

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„Niepo“, „Ente“ und all die anderen: Spitzenfußballer, die nie das deutsche Nationaltrikot getragen haben

Die deutschen Nationaltrikots von 1954 bis zur WM 2018. (© Nils Römling / www.deutschlandtrikot.de) Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/

Die deutschen Nationaltrikots von 1954 bis zur WM 2018. (© Nils Römling / www.deutschlandtrikot.de) Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/

Gastautor Heinrich Peuckmann über großartige Fußballer, die den Sprung ins Nationalteam nicht geschafft haben:

Warum hat Bundestrainer „Jogi“ Löw auf Leroy Sané verzichtet? Hätte er nicht besser Julian Brandt nach Hause schicken sollen, der dieselbe Position im Team spielt? Oder hätte er beide mitnehmen und Rudy nach Hause schicken sollen? Rudy, was will er denn mit dem? Fragen über Fragen.

Dabei ist es auch interessant, nachzuforschen, welche Fußballstars es gab, die niemals Nationalspieler wurden und vor allem, aus welchen Gründen. Spieler zum Beispiel aus dem Ruhrgebiet, deren Klasse unbestritten war und die bei dem jeweiligen Bundestrainer trotzdem keine Chance bekamen.

Ob Dortmund, Schalke oder Essen – viele Könner wurden übergangen

Paul Matzkowski, überdurchschnittlich guter Spieler beim FC Schalke 04, wurde um 1940 herum zu einem Sichtungslehrgang des DFB eingeladen, den weiteren Sprung ins Nationalteam schaffte er aber nicht, weil er beim Fragebogen, der ihm vorgelegt wurde, weder die Mitgliedschaft in der NSDAP, der HJ oder Arbeitsfront ankreuzen konnte. Da schimmerte eine Einstellung auf, die den Nazis nicht passte. Erst nach dem Krieg, schon über 30 Jahre alt, kam er zu einem B-Länderspiel.

Wenn man Kenner von Borussia Dortmund fragt, welcher Spieler der beste war, der jemals das schwarzgelbe Trikot getragen hat, fällt sofort der Name Max Michallek. „Spinne“, wie er wegen seiner langen Beine genannt wurde, gehörte zu Borussias Meistermannschaft, die 1956 und 57 in gleicher Aufstellung zweimal hintereinander Deutscher Meister wurde. Er war ein Supertechniker, war Spielgestalter und Torjäger zugleich, aber für Sepp Herbergers Nationalmannschaft reichte es trotzdem nicht.

Sepp Herberger mochte eben Kaiserslautern noch lieber

Von Michalleks Klasse gab es in Deutschland nur noch einen Spieler, und das war Fritz Walter, Herbergers Lieblingsspieler, um den herum er die Nationalmannschaft aufbaute, die 1954 Weltmeister wurde. Werner Liebrich aus Fritz Walters Club Kaiserslautern wurde deshalb Mittelläufer in der WM-Elf, nicht Max Michallek aus Dortmund.

Bundestrainer Sepp Herberger im Mai 1956. (Foto: Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst / Zentralbild-Beyer Bey-Ho / Bundesarchiv Bild Nr. 183-38701-0032) Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de

Bundestrainer Sepp Herberger im Mai 1956. (Foto: Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst / Zentralbild-Beyer Bey-Ho / Bundesarchiv Bild Nr. 183-38701-0032) Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de

Schon zu jener Zeit wurde das als äußerst ungerecht empfunden und über alle möglichen Gründe für die Nichtbeachtung spekuliert. Lag es daran, dass Michallek als Ruhrgebietskind eben SPD wählte, während Herberger bekanntermaßen konservativ war? Oder daran, dass Max, ebenfalls typisch fürs Ruhrgebiet, abends gern sein Bierchen trank? Alles Quatsch, sagen jene Nationalspieler, die beide kannten. Herberger mochte Michallek, er ließ auch immer Grüße an ihn ausrichten, nur den 1. FC Kaiserslautern mochte er eben mehr.

Auch noch so viele Tore halfen nicht

Mittelstürmer bei Borussia war damals Alfred Niepieklo, der in den beiden gewonnenen Endspielen drei Tore schoss. In der Saison 1956/57 erzielte er 44 Treffer, davon 10 in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft. Für die Nationalmannschaft reichte es trotzdem nicht. Herberger hatte sich auf den Stuttgarter Erwin Waldner versteift, der immer wieder eine Chance bekam und doch nie den Durchbruch schaffte.

1954 wurde das Übergehen von Niepo, wie er in Dortmund gerufen wurde, mehr als augenfällig. Da besiegte eine westdeutsche Auswahl das damals noch unabhängige Saarland mit 7:0. Vierfacher Torschütze war Niepo. Wenig später spielte Herbergers Nationalmannschaft in der Qualifikation zur WM 1954 gegen eben dieses Saarland und gewann mühevoll mit 3:1. Die gesamte Truppe schoss also weniger Tore als Niepo.

Oberschenkel vom Umfang eines alten Eichenstamms

August Gottschalk war der unbestrittene Kopf der Meistermannschaft von Rot-Weiß Essen, mit ihr wurde er 1953 Pokalsieger und 1955 Meister. Als Mittelläufer schoss er in 172 Oberligaspielen knapp 100 Tore und wurde mehrfach in die westdeutsche Auswahl berufen. Aber fast alle Spieler um ihn herum, aus der Abwehr Willi Köchling, Clemens Wintjes und Heinz Wewers, aus dem Sturm Helmut Rahn und Berni Termath, schafften den Sprung ins Nationalteam, nur nicht August Gottschalk, dessen Oberschenkel übrigens den Vergleich mit dem Stamm einer hundertjährigen Eiche nicht zu scheuen brauchten. Wenn man alte Fans auf die Essener Meistermannschaft anspricht, kommen neben Anekdoten über den WM-Helden von 1954 Helmut Rahn sofort Geschichten über den stämmigen August Gottschalk und seine Oberschenkel.

Von dem Mittelfeldspieler und Spielgestalter Dieter Bast meinte selbst der gestrenge Trainer Max Merkel, dass er garantiert 50 Länderspiele bestritten hätte, wäre er nur Spieler bei den damaligen Spitzenmannschaften Bayern München oder Borussia Mönchengladbach gewesen. Bast konnte alles. Er war ein Supertechniker, konnte ein Spiel gestalten, es langsam oder schnell machen, je nachdem, was gerade erforderlich war und torgefährlich war er noch dazu. In 400 Bundesligaspielen schoss er über 50 Tore. Aber Bast ging nicht zu den Großvereinen seiner Zeit, er spielte lieber für  Rot-Weiß Essen, den VfL Bochum und Bayer Leverkusen, wodurch er nie  Europapokalspiele bestreiten konnte und folglich nicht im Brennpunkt stand. Mit vier B-Länderspielen und 14 Einsätzen in der Olympiaauswahl durfte er sich trösten.

Betrübliche Beispiele auch aus Hamburg und Stuttgart

Für Thomas von Heesen, um den Blick mal über das Ruhrgebiet hinaus zu lenken,  gilt Ähnliches. 1983 gewann er mit dem Hamburger SV sogar den Europapokal der Landesmeister, 1982 und 83 wurde er Deutscher Meister. Auch von Heesen konnte ein Spiel gestalten, freilich stand er dabei etwas im Schatten von Felix Magath, aber er hätte wirklich mal eine Chance verdient gehabt, zumal er ebenfalls torgefährlich war. Gut 100 Tore hat er in der Bundesliga geschossen. Einmal ist er auch zu einem Länderspiel eingeladen worden, wurde aber nicht eingewechselt.

Torgefährlich war der Namensvetter, der „kleine“ Fritz Walter, der bei Waldhof Mannheim und dem VfB Stuttgart gespielt hat, auf jeden Fall. 157 Tore schoss er in knapp 350 Bundesligaspielen, also fast in jedem zweiten Spiel eines. 1992 wurde er nicht nur Meister mit dem VfB, sondern auch Torschützenkönig in der Bundesliga. Aber  er hatte das Pech, Spieler von der Klasse eines Klinsmann oder Völler vor sich zu haben, an denen der kleinere und darum weniger kopfballstarke Fritz Walter nicht vorbeikam.

Wenn man bedenkt, welche Stürmer später eine Chance bekamen (der hüftsteife Jancker, der ungefährliche Paolo Rink usw.), ist es schade, dass der kleine Fritz Walter nur ein einziges Mal, und das für sechs Einsatzminuten, berufen wurde. Acht Länderspiele für die Olympiaauswahl hat er zudem bestritten und 1988 bei der Olympiade in Seoul die Bronzemedaille gewonnen, zusammen mit den späteren Weltmeistern Klinsmann und Hässler. Was sicherlich ein Trost ist.

Der Vater von Willi Lippens konnte Deutschland nicht vergeben

Manche, die nie berufen wurden, haben sich das allerdings auch selbst verdorben. Otto Luttrop aus Altenbögge bei Hamm, der lange bei Westfalia Herne spielte und den seine Fans „Atom-Otto“ nannten, weil er aus 40 Metern aufs Tor schießen und treffen konnte, wurde von Helmut Schön 1965 zum Länderspiel gegen Italien eingeladen, erst einmal nur für die Ersatzbank, wie Schön ihm mitteilte. „Auf die Ersatzbank können Sie sich selber setzen“, hat Otto Luttrop geantwortet. Ein Fehler, wie der sturköpfige Westfale, der vor wenigen Monaten verstarb, anschließend erfuhr, denn Schön sprach ihn nie wieder an.

Willi „Ente" Lippens am 27. Dezember 1970, als er (ein einziges Mal) für die Nationalmannschaft antrat – für die niederländische. (Foto: Joost Evers / Anefo / Nederlands Nationaal Archief - Creative Comons. Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en)

Willi „Ente“ Lippens am 27. Dezember 1970, als er (ein einziges Mal) für die Nationalmannschaft antrat – für die niederländische. (Foto: Joost Evers / Anefo / Nederlands Nationaal Archief – Creative Comons. Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en)

Einer der besten Linksaußen, den die Bundesliga jemals hatte: Willi, genannt „Ente“ Lippens von Rot-Weiß Essen, später Borussia Dortmund, hat dummerweise auf seinen Vater gehört, als Schön ihn mehrfach bat, doch für die Nationalmannschaft zu spielen. Vater Lippens war Holländer und hat den Nazis nie verziehen, dass sie sein Heimatland überfallen hatten. Für die Bundesrepublik, das Nachfolgeland, sollte sein Sohn deshalb auf keinen Fall spielen, fand er. Auch dies war ein Fehler, wie „Ente“ heute weiß. 1974, als die Deutschen zum zweiten Mal Weltmeister wurden, wäre er dabei gewesen, auf vierzig, fünfzig Länderspiele hätte er es locker gebracht, aber da war ja der Wille seines Vaters, der im übrigens selber inkonsequent handelte. Während Sohnemann nicht für Deutschland spielen sollte, hatte er sich eine deutsche Ehefrau gesucht.

„Hau ab, du kannst ja nicht mal richtig laufen!“

So kam es zu der merkwürdigen Folge, dass der waschechte Ruhrgebietsjunge mit dem unverwechselbaren Slang („Woh, ey“) einmal für die holländische Nationalmannschaft spielte. Beim 5:1-Sieg gegen Luxemburg schoss er sogar ein Tor, aber mit den damaligen Stars Neeskens und Cruyff konnte er sich nicht verständigen. „Ente“ konnte kein Wort holländisch. So blieb es bei dem einen Einsatz.

Wer sich übrigens über seinen Spitznamen wundert, hat ihn nie spielen sehen. Willi Lippens hatte einen Gang, der einmalig war. Wie eine Ente watschelte er über den Rasen, weshalb ihn Trainer Witzler, als „Ente“ sich für einen Profivertrag bei Schwarzweiß Essen vorstellte, mit der Bemerkung wegschickte: „Hau ab, du kannst ja nicht mal richtig laufen!“ Ein Irrtum, wie die spätere Karriere zeigte.

„Ente“ hatte Humor, er trickste seine Gegenspieler nicht nur aus, er führte sie vor. Einen Trick und noch einen und einen dritten hinterher, obwohl der Weg zum Tor längst frei war. Klar, dass das Publikum ihn dafür liebte. Sein Lieblingsgegner war übrigens Berti Vogts, der schon in der Woche vorher Magenschmerzen hatte, wenn er wusste, dass er am Samstag gegen „Ente“ spielen musste. Als ihn mal ein Schiedsrichter mit den Worten ansprach: „Ich verwarne Ihnen!“, antwortete „Ente“: „Da danke ich Sie.“ Worauf er vom Platz flog. Ungerecht natürlich und überhaupt das alles nur, weil er als Ruhrgebietsjunge gutes Deutsch spricht.

So bleibt „Ente“ den Fans viel lebhafter in Erinnerung als mancher Nationalspieler, der längst vergessen ist. Was bestimmt ein Trost ist.




Wer war der dritte Torwart beim „Wunder von Bern“?

Gastautor Heinrich Peuckmann über einen mehr oder minder bekannten Fußballspieler aus Essen:

Es gibt Fragen, die muss der richtige Fußballfan einfach beantworten können. Zum Beispiel diese: Wer war der dritte Torwart in der Weltmeistermannschaft von 1954? Ex-Bundeskanzler Schröder soll sie manchmal stellen, wie ich hörte. Und da kommt dann erstaunlicher Weise mancher Fan ins Schleudern.

„Kicker"-Titelbild von 1956. (© Kicker)

„Kicker“-Titelbild vom 1. Oktober 1956. (© Kicker)

Ich stelle die Frage so ähnlich, aber etwas anders. Bei Lesungen in Essen, wenn ich einen Text zum Thema Fußball lese, frage ich die Zuhörer, welche beiden Spieler aus ihrer Stadt zum Weltmeisterteam 1954 gehört haben.

Klar, auf Helmut Rahn kommt jeder. Aber gab es da noch einen zweiten? Doch, den gab es, auch wenn er kurz vor dem Turnier vom Essener Traditionsverein Sportfreunde Katernberg zum FK Pirmasens wechselte. Heinz Kubsch war das und er ist auch der ominöse dritte Torwart in der Weltmeisterauswahl von 1954.

Dramatischer Vorfall bei einer Bootstour

Aber eigentlich ist Heinz Kubsch die falsche Antwort auf die Frage nach dem dritten Torwart. Kubsch war nämlich nicht als dritter, sondern als zweiter Torwart vorgesehen. Aber er und der andere Ersatztorwart Heini Kwiatkowski aus Dortmund rauchten gerne. Und weil Herberger das nicht leiden konnte, ruderten die beiden auf den Spiezer See hinaus, der direkt vor dem WM-Quartier der deutschen Mannschaft lag, pafften dort und kamen suchtgestärkt zurück. Aber als sie irgendwann nach einer ihrer Extratouren anlandeten, geschah das Unglück. Das Boot kenterte und offenbarte die zweite Überraschung. WM-Torhüter Heini Kwiatkowski konnte nämlich nicht schwimmen, und so musste Heinz Kubsch den wild um sein Leben strampelnden Kwiatkowski unter Aufbietung aller Kräfte aus dem Wasser ziehen. Dabei hat er sich die Schulter verrenkt. Herberger soll getobt haben.

Frage an die Ehefrau: „Hätte er den nicht halten müssen?“

So kam es, dass in dem Vorrundenspiel gegen Ungarn, das Herberger von vornherein verloren gab und mit einer B-Mannschaft bestritt, Heini Kwiatkowski im Tor stand und nicht Heinz Kubsch. Es war übrigens Kwiatkowskis erstes Länderspiel. Er erzählte mir später, dass seine Frau stolz in die nächste Kneipe gegangen sei, um dort die Fernsehübertragung zu sehen. „Mein Mann spielt heute in der Nationalmannschaft.“ Aber bei jedem Treffer, den Heini kassierte, drehten sich alle Kneipenbesucher zu ihr um und sahen sie vorwurfsvoll an. „Hätte er den nicht halten müssen?“

Nach dem sechsten Treffer ist Heinis Frau wutentbrannt nach Hause gegangen und hat sich so die beiden letzten Tore der Ungarn erspart. Mit 3:8 ist das Spiel verloren gegangen, und es ist gut, dass es bei diesen 8 Toren geblieben ist und es nicht mehr wurden, denn Heini hatte gar keinen Platz mehr am Torpfosten für weitere Striche, um so die Übersicht über den Spielstand zu behalten.

Seine Nationalmannschaftskarriere verlief sowieso etwas unglücklich. Viermal hat er gespielt und dabei sage und schreibe 18 Tore kassiert. Dabei wurde eines dieser Spiele sogar noch mit 3:0 gewonnen.

Aber immerhin, er hatte einen Einsatz bei dem Turnier 1954, das die Deutschen schließlich gewannen. Heini hat also aktiv teilgenommen an dem Gewinn der Weltmeisterschaft, wenn sein Anteil auch hauptsächlich darin bestanden hat, Stammtorwart Toni Turek zu schonen. Heini hat damit genau jenen Einsatz gehabt, der eigentlich für Heinz Kubsch vorgesehen war, wenn der nicht, ja wenn der nicht die gute Tat begangen hätte, seinem Konkurrenten und Freund im Paffen vor dem Ertrinken zu retten. Die Welt ist eben ungerecht.




Von Rahn bis Reus – Was wären die deutschen WM-Teams ohne Fußballspieler aus dem Ruhrgebiet?

Gastautor Heinrich Peuckmann über die unverkennbar wichtige Rolle von Kickern aus dem Revier:

Hat Jogi Löw für die morgen beginnende WM Fußballer aus dem Ruhrgebiet übersehen? Wenn es nach meinem jüngsten Sohn Niklas (Theologe an der Ruhruniversität Bochum) ginge, wäre da unbedingt Andreas Luthe zu nennen.

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn, der von 1951 bis 1959 für Rotweiß Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia Commons - Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn (1929-2003), der von 1951 bis 1959 für Rot-Weiss Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Luthe ist Ersatztorwart beim Zweitligisten VfL Bochum, der mit seinen Paraden so manche Partie entschieden hat, einige freilich auch zugunsten des Gegners. Wenn bei einer Fußballübertragung ein Torwart einen Fehler macht, ruft mein Sohn: „Luthe! Die sollten sich den Luthe holen.“

„Die sollten Andreas Luthe holen!“

Zuletzt war das beim Finale der Champions League der Fall, als Karius von Liverpool das Spiel ganz alleine entschied, allerdings für Real Madrid. Da schlug Niklas wieder Liverpools Trainer Klopp vor, den Luthe zu holen. Aber mein Sohn trinkt auch das Bochumer Fiege-Bier, und wer Fiege trinkt, der darf auch Luthe gut finden.

Aus dem Ruhrgebiet ist diesmal Marco Reus von Borussia Dortmund dabei, und dem haben wohl alle Fans im Revier die Berufung gegönnt, war er doch bei Großturnieren stets verletzt. EM, WM, egal was kam, Reus lief an Krücken. Aber diesmal ist er fit, die Fans im Revier staunen. Zuletzt haben sie gewitzelt, dass Löw ihn in den Testspielen besser nicht aufstellen sollte, damit bloß nichts passiert. Aber Löw hat nicht auf die Fans gehört, hat Reus (ein echter Dortmunder Junge übrigens) spielen lassen und der hat tatsächlich das Spielfeld verlassen, ohne zu humpeln. Es gibt in diesen harten Zeiten auch noch gute Nachrichten.

Weigl und Götze – leider nicht dabei

Hätte Löw noch andere Spieler aus dem Revier mit nach Russland nehmen sollen? Den Julian Weigl vom BVB vielleicht. Weigl ist ein Abräumer vor der Verteidigung, er läuft die Lücken zu, unterbindet wunderbar die Angriffe des Gegners und sorgt für Stabilität. Leider war er lange verletzt und fehlte Borussia. Bis auf den 8. Tabellenplatz rutschte der BVB zwischenzeitlich ab, dann kam Weigl zurück und es reichte gerade noch für die Qualifikation zur Champions League. Ein paar schöne Abende im kommenden Herbst bedeutet das. Mindestens. Fünfmal hat Weigl für die Nationalmannschaft gespielt, vielleicht ist er, wenn es bei der Borussia in der nächsten Saison (hoffentlich!) wieder besser läuft, bald wieder dabei.

Das könnte auch für Mario Götze gelten, Schütze des entscheidenden Tores bei der letzten WM. Sein Schuh, mit dem er das Tor zum 1:0-Siege gegen Argentinien im Endspiel erzielte, steht nun in einer Vitrine im Dortmunder Fußballmuseum. Wer sagt eigentlich, dass die Zeit der Reliquienverehrung vorbei ist? Götze hat sich damit in die Reihe der anderen WM-Finaltorschützen eingereiht: Helmut Rahn 1954, Gerd Müller 1974, Andreas Brehme 1990.

Entscheidende Finaltore von Revierjungs

Helmut Rahn, dies nebenbei, war auch ein echter Ruhrgebietsjunge, was man nicht zuletzt an seiner Liebe zum Bier erkennen konnte. Rahn stammte nämlich aus Essen und hat die längste Zeit für Rot-Weiss gespielt, das mit ihm den Meistertitel gewann und Pokalsieger wurde. Heute dümpelt der Verein in der vierten Liga rum. Wer die B1 durch Essen fährt, kann an den Brücken ablesen, wie präsent der Helmut noch immer ist. Der unsterbliche Kommentar von Herbert Zimmermann ist nämlich dort zu lesen. Erste Brücke bei der Einfahrt: „Rahn müsste schießen“, zweite Brücke: „Rahn schießt auch“, dritte Brücke bei der Ausfahrt: „Tor, Tor, Tor!“

Mario Götze war auch lange verletzt und hat nicht mehr rechtzeitig zu seiner alten Form gefunden. Schade. Für Borussia und die Nationalmannschaft. Götze ist ein eher langsamer Spieler, er war das von Jugend an. Umso wichtiger war daher für ihn die Ballbehandlung und die ist Klasse. Wie er den Ball stoppt, ihn fast blind weiterleitet, wie er auf engstem Raum den Gegner austricksen kann, eine Augenweide! Aber dafür muss er in Form sein und das war er lange nicht. Erst zuletzt blitzte in einigen Spielen sein Können auf. Leider nicht in jedem.

Keine Chance für Fährmann bei Jogi Löw

Auf Schalke, wie man im Revier sagt, spielt ein guter Torwart. Fährmann heißt er und der hätte, das sagen selbst wir „Feinde“ aus Dortmund, längst mal eine Chance bei Löw verdient. In den berühmten Derbys hat er die Spieler von Borussia so manches Mal zur Verzweiflung gebracht. So gut wie Trapp, dritter Torwart im Löw-Team, ist er auch. Aber merkwürdig, Fährmann bekam nie eine Chance. Aber vielleicht ergeht es ihm ja wie dem Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller, der auch jahrelang großartig hielt und von  Löw penetrant übersehen wurde, so dass Trainer-Idol Klopp schon witzelte, Weidenfeller sei der weltbeste Torhüter ohne Länderspiel. Das änderte sich erst kurz vor der WM 2014, als er überraschend doch berufen wurde, im reifen Alter von 34 Jahren noch zur WM mitgenommen wurde und es auf insgesamt 5 Länderspielen brachte.

Mit dabei ist noch Leon Goretzka, wie Reus ein richtiger Ruhrgebietsjunge, der aus Bochum stammt. Bis Ende dieser Saison spielte er für Schalke, nun wechselt er nach München. Dort spielt Manuel Neuer, trotz monatelanger Verletzung wieder Torwart Nummer 1 bei Löw. Neuer kommt auch aus dem Revier, aus Gelsenkirchen-Buer. Er ist der beste Torhüter der Welt, ein Junge von uns, aber seit er nach München gewechselt ist, mögen ihn auf Schalke nicht mehr viele.

Gelsenkirchen liegt nicht in der Türkei

Ja, und dann kommen noch andere Spieler aus dem Ruhrgebiet, die nun in ausländischen Spitzenclubs spielen. Julian Draxler, Mesut Özil und Ilkay Gündogan, alle aus Schalke, Verzeihung aus Gelsenkirchen. Auch wenn Özil und Gündogan zuletzt vielleicht gemeint haben, Gelsenkirchen liege in der Türkei und werde von Erdogan regiert.

Allein mit den Ruhrgebietsjungen könnte man also eine halbe Topmannschaft bilden. Nur fällt das leider nicht auf. Die Jungs verlassen uns. Warum eigentlich? Im Ruhrgebiet ist es doch „klasse“. Trotzdem, bei so viel „Ruhrgebiet“ im Löw-Team sind die Chancen auf den fünften WM-Titel riesig. Zweimal haben unsere Jungs schon die WM entschieden, Rahn und Götze. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob Deutschland wieder Weltmeister wird. Nein, einzig die Frage, wer von unseren Ruhrgebietsjungen das entscheidende Tor schießt, muss noch beantwortet werden.




„Gefährliches Spiel“ – Heinrich Peuckmanns wahre Geschichten über Fußball mit schrecklichen Folgen

Ein Fußballspiel auf dem Roten Platz in Moskau? Es klingt wie eine skurrile PR-Idee für die bevorstehende WM in Russland. In Wahrheit traten dort wirklich einmal zwei Mannschaften gegeneinander an – mit brutalen Folgen.

Es kämpften damals, 1936, Dynamo Moskau und Spartak Moskau um den Sieg. Diktator Stalin sollte mal ein Fußballspiel zu sehen bekommen, deshalb ein Ort in unmittelbarer Nähe zum Kreml. Dass vier Spieler, die bekannten Brüder Starostin, wegen des Erfolgs von Spartak Jahre später in einen Gulag deportiert wurden, hat Stalins Geheimdienstchef Berija entschieden. Der war ein entschiedener Gegner der Siegerelf.

An diese Begegnung erinnert Heinrich Peuckmann in seinem Buch „Gefährliches Spiel“, das unter dem Gattungsbegriff Novelle erschienen ist.

Wie fatal das Zusammenspiel von Fußball und Politik sein kann, zeigt der in Kamen lebende Schriftsteller auch in der zweiten Novelle. Peuckmann beschreibt eine fiktive Begegnung des einstigen HSV-Stürmers und Kapitäns der deutschen Fußballnationalmannschaft in den 20er Jahren, Tull Harder, mit seinem ehemaligen Mannschaftskollegen Björn Halvorsen.

Täter und Opfer aus den Reihen des Hamburger SV

Es ist ein Treffen von Täter und Opfer, ließ sich doch Harder von der SS anheuern, wurde Kommandant in mehreren Konzentrationslagern und war damit auch für das KZ Neuengamme zuständig, in das die Nazis Halvorsen deportiert hatten. Der Norweger, der mit dem HSV mehrere Titel holte, war mit der Machtergreifung der Nazis in seine Heimat zurückgekehrt und hatte sich nach der Besetzung Norwegens durch NS-Deutschland dem Widerstand angeschlossen.

Der Autor zeichnet in Rückblenden nach, wie der beliebte Stürmer („Wenn er spielt, der Harder Tull, steht es bald drei zu Null“) sich von der SS ködern ließ, die ihn zum Helden stilisierte, als seine Karriere schon Geschichte war. Gern sang man auch gemeinsam deutschnationale Lieder, die ganz nach dem Geschmack des Spielers waren.

Auch wenn die Darstellung in dem Buch den Eindruck erweckt, als habe sich Harder eher überwältigt als freiwillig den Nazi-Schergen angeschlossen, wird er zu deren willfährigem Lakai. Halvorsen wiederum kam in Haft, zunächst in ein KZ in Norwegen. Nach der Deportation in ein deutsches Konzentrationslager erkrankte er an Typhus und litt auch nach Ende des Krieges bis zu seinem frühen Tod 1955 unter den Spätfolgen von Krankheit und Unterernährung.

Tull Harder wollte von seiner SS-Zeit nicht mehr hören

Das Aufeinandertreffen der einstigen Mannschaftskameraden vor der Kulisse des WM-Qualifikationsspieles Deutschland-Norwegen im Jahr 1953 geht unter die Haut. Die drängende Frage von Halvorsen, ob sein Teamkollege ihn denn nicht gesehen habe, damals im KZ Neuengamme, quittiert Harder mit dem Verweis, nichts mehr hören zu wollen von alledem. Das sei doch alles lange her.

Überhaupt betreibt der frühere HSV-Stürmer – Peuckmann zufolge – eine Geschichtsklitterung, die ihresgleichen sucht und kann sich darin auch bestätigt fühlen. Nachdem er von einem britischen Militärgericht als Kriegsverbrecher zu 15 Jahren Haft verurteilt wird und bereits nach fünf Jahren freikommt, wird ihm überall Lob und Ehre zuteil.

Peuckmann geht in dem Buch noch auf ein Begebenheit viele Jahre nach dem Tod von Harder ein, die auch zeigt, welch schwieriges Erbe der Umgang mit seiner Person darstellt: Als 1974 zur WM der HSV eine Broschüre drucken ließ, in der Harder als Vorbild für die Jugend präsentiert wurde (neben Uwe Seeler und Jupp Posipal, dem Weltmeister von 1954) hat der „halbe Vorstand“ des Vereins noch in letzter Minute vor der Veröffentlichung die Seite über den früheren Erfolgsstürmer herausgerissen.

Karlsruher Stürmer ins Exil getrieben

Im dritten Kapitel schildert Peuckmann das Schicksal von Gottfried Fuchs, der ein für die deutsche Nationalelf einen immer noch gültigen Rekord aufstellte, gelang es ihm doch, 1912 gegen Russland zehn Tore (Endstand: 16:0) zu erzielen. Auch darüber hinaus hatte Fuchs eine sehr ansehnliche Torbilanz. Der Stürmer des Karlsruher FV war jüdischer Abstammung, die er selbst gern mit gewisser Ironie betrachtete. Er sah sich dann aber mit dem Aufstieg der Nazis zur Flucht gezwungen und fand in Kanada eine neue Heimat.

Sepp Herberger, erster Bundestrainer im Nachkriegsdeutschland, wollte 1972 Fuchs zur Einweihung des Münchner Olympiastadions und zum Spiel Deutschland-Sowjetunion auf Kosten des DFB einladen. Doch die Spitze des Verbandes lehnte mit dem Hinweis ab, man würde einen Präzedenzfall schaffen und das sei angesichts der Finanzlage problematisch. Godfrey Fochs, wie er später hieß, erhielt diese Nachricht nicht mehr, er war kurz vorher gestorben. Herberger hatte sich damals übrigens an den DFB-Vize Hermann Neuberger gewandt, der als Verbandschef im Jahr 1978 über den Juntachef von Argentinien, das vor 40 Jahren WM-Gastgeber war, meinte: „Ich halte ihn für eine Taube. So wird er ja auch allgemein, glaube ich, gesehen.“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Peuckmanns Geschichten geben mancherlei Anlass, über die Rolle des Fußballs und seiner Akteure nachzudenken – übrigens auch mit Blick auf den aktuellen WM-Gastgeber Russland.

Heinrich Peuckmann: „Gefährliches Spiel. Fußball um Leben und Tod“. Kulturmaschinen-Verlag. 122 Seiten, 10,80 Euro.

Infos zum Verlag: https://kultur-und-politik.de




Schier 60 Jahre ist es her: Am 18. Mai 1958 wurde Schalke 04 zum letzten Male Deutscher Fußballmeister

Schon seit Wochen wird im Hinblick auf dieses eher unangenehme Jubiläum einschlägig gescherzt und in digitalen Fotokisten gekramt.

Die begehrte Schale für Deutsche Fußballmeister. (Foto: Florian K. / Wikimedia Commons - Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Die begehrte Meisterschale, auf Schalke lange nicht mehr erblickt, also dort allmählich ein unbekanntes Objekt. (Foto: Florian K. / Wikimedia Commons – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Wat ham wer da gelacht: Als Schalke 04 zum letzten Male Deutscher Fußballmeister war, gab es diese und jene historischen Automodelle, solche vorsintflutlichen Telefone und dergleichen nostalgischen Kram mehr. Adenauer hatte jedenfalls noch fast fünfeinhalb Kanzlerjahre vor sich, Dwight D. Eisenhower war US-Präsident. Popmusikalisch machten beispielsweise der munter gepfiffene „River Kwai March“ und Paul Ankas Heuler „Diana“ Furore.

Jaja, genau 60 Jahre ist es her, dass die Blauen aus Gelsenkirchen ihren letzten Meistertitel errungen haben. Es war am 18. Mai 1958, als sie das Endspiel gegen den dieser Tage aus der ersten Liga abgestiegenen Hamburger SV (!) glatt mit 3:0 gewinnen konnten. In der Schalker Mannschaft standen u. a. Günter Siebert, Berni Klodt und Willi Koslowski. Klingt irgendwie kernig und authentisch, woll? Ich sach dir!

Manchmal ziemlich dicht dran

Jawohl, es war ein Endspiel. Denn die Bundesliga mit Punkten und Tabellen wurde ja erst Jahre später aus der Taufe gehoben – übrigens per Beschluss in Dortmund… Aus Jux wurde jetzt auch schon gemunkelt, dass Schalke die einstweilen abgelaufene Bundesliga-Uhr aus Hamburg übernehmen werde, um all die verflossenen titellosen Jahre anzuzeigen. Um es mal donaldistisch und comictauglich zu sagen: kreisch! schenkelklopf!

Zugegeben, seit 1958 waren die „Knappen“ immerhin ein paar Mal ziemlich dicht dran am ersehnten Erfolg. Doch genau darin liegt ein Teil des Langzeit-Witzes, dass sie es immer wieder verfehlt haben, manchmal auf geradezu groteske Art und Weise, als laste ein listiger und irgendwie auch lustiger Fluch auf ihnen. Gern nennen sie sich selbst „Meister der Herzen“. Wenn’s ihnen Freude bereitet…

Die Häme höret nimmer auf

Einmal hat ihnen auch der BVB quasi in letzter Minute den Titel vermasselt. Wie singen sie heute noch auf der schwarzgelben Tribüne, wenn’s um S04 geht: „Ein Le-heben laaaang / keine Schale in der Hand…“ Sie haben da auch schon Schlimmeres gegrölt. Anders gesagt: Wer die Schale so dauerhaft nicht hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Vor allem in und um Dortmund höret die Häme nimmer auf. Revier-Solidarität? Tja. Öh… Vielleicht ein andermal.

Zugegeben auch, dass der einst hart konkurrierende oder gar zeitweise enteilte BVB diesmal – frei nach Roman Weidenfeller – gar keine „grandios Saison gespielt“ hat und deutlich hinter dem Vize(!)-Meister Schalke zurück geblieben ist. Auch haben die Schwarzgelben das letzte Revierderby kläglich vergeigt, nahezu ohne nennenswerte Gegenwehr. Es war quälend, wie so vieles in der gottlob abgelaufenen Spielzeit. Leute, es kommen auch wieder andere Jahre. Aber es muss dringend etwas geschehen. Etwas? Nein, jede Menge.

Unverrückbare Tatsache bleibt jedoch: Der BVB hat acht Deutsche Meisterschaften eingefahren, und zwar beginnend direkt vor dem letzten Schalker Titel, also 1956 und 1957; danach noch 1963, 1995, 1996, 2002, 2011 und 2012. Hinzu kamen vier Pokalsiege und zwei legendäre europäische Triumphe (1966 und 1997). Auch in der „Ewigen Tabelle“ der Bundesliga zeigt sich der feine Unterschied: Da haben die Dortmunder 2730 Punkte gesammelt, die Gelsenkirchener deren nur 2444.

Zahlen, Herr Ober!




Die Kunst des Schmerzes: Marina Abramović in Bonn

Marina Abramović auf einem Hügel aus blutigen Knochen: "Balkan Baroque" (Performance, 4 Tage, 6 Stunden - 47. Biennale Venedig, Juni 1997 / © Marina Abramović, Courtesy of Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Marina Abramović auf einem Hügel aus blutigen Rinderknochen, die sie tagelang abgebürstet hat: „Balkan Baroque“ (Performance, 4 Tage, 6 Stunden – 47. Biennale Venedig, Juni 1997 / © Marina Abramović, Courtesy of Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Die Frau ist verrückt. Das steht fest für uns, die wir im Leben nach Wohlbefinden streben. Marina Abramović setzt sich körperlichen Schmerzen und seelischen Qualen aus und nennt das Kunst. Sie zelebriert ihren Masochismus in aller Öffentlichkeit.

Dafür wird sie von Kuratoren und Vernissage-Plauderern in den renommiertesten Galerien der Welt vergöttert. Warum nur? Vielleicht, weil es ihr gelingt, das Dunkle und Wilde, das Gefühl von Wut, Angst und Gefahr vor unseren Augen in ein Gezähmtes zu verwandeln, es gewissermaßen unschädlich zu machen. Das versteht, wer sich auf die Retrospektive in der Bonner Bundeskunsthalle einlässt: „The Cleaner“ (Tatortreiniger) heißt die furiose Schau und ist kein Familienprogramm.

Anders als in der Malerei entfernt sich ein Performance-Künstler nie von seinem Werk. Es existiert ja nur im besessenen Schöpfer. Marina Abramović erscheint ungezählte Male auf Videos und Fotos in dieser aufwändig, mit zahlreichen Requisiten inszenierten Ausstellung. Sie ist eine serbische Schönheit mit pechschwarzem Haar und herben Zügen, die – dank einer verschwiegenen Beauty-Medizin – im Alter von 71 Jahren glatter wirken als je zuvor. Unheimlich glatt. Mit dem Glamour eines Filmstars erscheint diese Marina Abramović ihrem Publikum. Das genügt manchmal schon. „The Artist is Present“, die Künstlerin ist anwesend, hieß es 2010 im New Yorker Museum of Modern Art, wo sie im bodenlangen Gewand insgesamt 736 Stunden unbeweglich an einem kleinen Tisch saß.

Marina Abramović: "The Artist is Present" (Performance, 3 Monate, The Museum of Moderne Art, New York, 2010 / © Marina Abramović / Foto: © Marco Anelli - Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-KUnst, Bonn 2018)

Wer zuerst wegschaut, hat verloren: Marina Abramović „The Artist is Present“ (Performance, 3 Monate, The Museum of Moderne Art, New York, 2010 / © Marina Abramović / Foto: © Marco Anelli – Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Wer wegsieht, hat verloren

Freiwillige mit guten Nerven konnten gegenüber Platz nehmen und der erstarrten Lady in die Augen sehen. Die armen Amateure sollen zum Teil recht emotional reagiert haben, und das erinnert irgendwie an das alte Kinderspiel: Wer zuerst wegguckt oder zuckt, der hat verloren. Marina Abramović gewinnt immer.

Sie macht ihr Spiel mit so mancher alten Qual. Viele Frauen ihrer Generation erinnern sich, dass sie als Mädchen von schroffen Müttern so straff frisiert wurden, dass es wehtat. Marina die Unerbittliche hat das schon in den 1970er-Jahren in einer Performance verwertet, in der sie ihr herrliches Haar so lange mit Metallzinken bürstete und kämmte, bis es beschädigt und die Kopfhaut aufgekratzt war: „Die Kunst muss schön sein, die Künstlerin muss schön sein“, hieß der zynische Titel.

Aber das war eine Kleinigkeit gegen die 1975 zum ersten Mal durchlittene Performance „Lips of Thomas“ – eine Selbstgeißelung der extremen Art, benannt nach dem Kollegen Thomas Lips, mit dem sie eine kurze Affäre hatte. Und die Show geht so: Die nackte Künstlerin trinkt Honig und Wein, zerbricht ihr Glas, dass die Hand blutet, peitscht sich aus, ritzt sich mit einer Rasierklinge ein Pentagramm in den Bauch und legt sich dann mit bloßem Körper auf ein Eiskreuz unter einen Heizstrahler, der das Kreuz langsam schmelzen und die Wunden heftiger bluten lässt. Komplett zerschunden, behält die Künstlerin doch stets die Kontrolle. Sie macht den Plan.

Qual und Erlösung

Kontrolle: Das ist das Stichwort zu den lebenslangen Grenzerfahrungen der Marina Abramović. Man hört ihre Schreie durch den ganzen Saal, doch sie bleibt immer die Königin des Schmerz-Theaters. Anders als in ihrer Kindheit, als sie mit dem Arm in die neue Walzen-Waschmaschine ihrer Mutter geriet, sich den Arm quetschte und dafür noch geohrfeigt wurde. Die Mutter fackelte nicht lange. Sie war Partisanin im Zweiten Weltkrieg gewesen und arbeitete unter Tito als Chefin des Revolutionsmuseums. Der Vater gehörte zur Staatssicherheit. Beide Eltern waren so etwas wie Profi-Jugoslawen, entschlossene Typen. Ihre kleine Marina, 1946 in Belgrad geboren, lebte die ersten Jahre allerdings bei ihrer Großmutter, einer frommen orthodoxen Christin, die ihr ein diffuses Gefühl gibt für Schmerz und Erlösung.

Aus dem Frühwerk: Marina Abramović "Truck Accident (I)", 1963, Öl auf Leinwand (© Marina Abramović, Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Aus dem Frühwerk: Marina Abramović „Truck Accident (I)“, 1963, Öl auf Leinwand (© Marina Abramović, Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Obgleich den Eltern nur die kommunistische Idee heilig war, förderten sie doch Marinas Talent und ermöglichten ihr ein Studium an der Belgrader Akademie. Tatsächlich machte sie ihr Diplom und malte in der ersten Zeit erstaunlich gute Bilder. 1965 entsteht ein expressives Selbstporträt, und aus dem garstigen Thema „Truck Accidents“ (LKW-Unfälle) zaubert die junge Frau fast abstrakte Kompositionen. Eine andere Serie widmet sich auf kühl-konstruktive Art dem Thema „Wolken“.

Bis das Blut spritzt

Sie hätte weiter malen können, aber die Zeiten waren nicht so. Es wurden Experimente gemacht, Studentin Marina ließ sich mit Klebeband auf eine Bank im Kulturzentrum fesseln und begriff: Körperliche Erfahrungen können Kunst sein. Aus der Koje nebenan hört man ein Klopfen und Stöhnen. Das ist der „Rhythm 10“ von Marina Abramovićs erster öffentlicher Performance 1973 in Edinburgh, als sie sich mit wechselnden Messern so schnell zwischen ihre gespreizten Finger hackte, dass sie sich immer wieder schnitt und das Blut spritzte.

Von nun an gehörte sie zum internationalen Performance-Zirkus, alsbald unterstützt von dem deutschen Künstler Frank Uwe Laysiepen alias Ulay, den sie 1975 in Amsterdam kennengelernt hatte und der die Wirkung ihrer Ideen verdoppelte. Gemeinsam zogen sie durch die Welt und ersannen Paar-Dramen, die im Video bis heute erschreckend präsent sind. Um den Bonner Besucher herum küssen sich Ulay und Marina mit verstopften Nasen, bis sie schier ersticken, sie ohrfeigen sich, rempeln sich an und brüllen wie die Tiere – bis einer aufgibt. Aber das sieht man im Film nicht, da wiederholt sich alles ungebrochen, mit hypnotischer Wirkung auf das Publikum. Und Ulay spannt immer wieder den Bogen, richtet den vergifteten Pfeil auf Marinas Herz und hält ihn mühsam zurück: „Rest Energy“, wie es heißt.

Mit Pfeil und Bogen auf die Partnerin zielen: Ulay / Marina Abramović "Rest Energy" (Performance für ein Video, 4 Minuten, ROSC' 80, Dublin 1980 - Detail aus: 16-mm-Film, auf Digitalvideo überspielt, mit Farbe, Ton 4:04 min (© Ulay / Marina Abramović - Courtesy of the Marina Abramović Archives - VG BIld-KUnst, Bonn 2018)

Mit Pfeil und Bogen auf die Partnerin zielen: Ulay / Marina Abramović „Rest Energy“ (Performance für ein Video, 4 Minuten, ROSC‘ 80, Dublin 1980 – Detail aus: 16-mm-Film, auf Digitalvideo überspielt, mit Farbe, Ton 4:04 min (© Ulay / Marina Abramović – Courtesy of the Marina Abramović Archives – VG BIld-KUnst, Bonn 2018)

Der letzte Liebesdienst

Das konnte nicht ewig gut gehen. 1988, nachdem sie 90 Tage lang über die Chinesische Mauer aufeinander zugelaufen waren („The Lovers“), platzte die Schmerzensliebe. Von ihm spricht man nicht mehr so oft. Sie wurde immer berühmter, zog nach Paris, später nach New York. Bewundert, umstritten, auf keinen Fall ignoriert. Nachdem sie 1997 bei der Biennale in Venedig einen preisgekrönten „Balkan Baroque“ inszenierte und unter Gesang tagelang an einem Berg blutiger Rinderknochen herumschrubbte, entwickelte Marina Abramović elegantere Performances, bei denen es eher um das Durchhalten geht. Zwölf Tage verbrachte sie 2002 im Schaufenster einer New Yorker Galerie, in drei kleinen, mit schönen Holzmöbeln eingerichteten Räumen – ohne zu essen, zu sprechen, auszubrechen.

Sich zwischen zwei Nackten hindurchzwängen: Ulay / Marina Abramović "Imponderabilia" (Performance, 90 Minuten, Galleria Communale d'Arte Moderna, Bologna 1977 (© Ulay / Marina Abramović - Foto © Giovanni dal Magro - Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Sich zwischen zwei Nackten hindurchzwängen: Ulay / Marina Abramović „Imponderabilia“ (Performance, 90 Min., Galleria Communale d’Arte Moderna, Bologna 1977 (© Ulay / Marina Abramović – Foto © Giovanni dal Magro – Courtesy of the Marina Abramović Archives / VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Die Leitern, die hinaufführten zum „House with the Ocean View“, hatten Sprossen aus glänzend polierten Tranchiermessern. Nur Wassertrinken hatte sich die Künstlerin erlaubt. Vor aller Augen lebte sie dahin, döste, lief umher, pinkelte gelegentlich und duschte oft. Und heute starrt man fasziniert in der Ausstellung auf die Bühne dieser Performance, die vom 12. bis 24. Juni noch einmal von der unerschütterlichen Diva benutzt werden soll.

Und wer macht mit?

Bis dahin kann man sich täglich ein kleines Abramović-Prickeln holen. Besucher sind eingeladen, barfuß in Schuhe aus unbeweglichen Mineralbrocken zu schlüpfen oder alle Habseligkeiten abzugeben, um, an einem langen Tisch sitzend, Linsen und Reiskörner zu sortieren und sich so in Achtsamkeit zu üben.

Derweil sorgen Statisten für Live-Atmosphäre durch „Re-Performances“. So stehen täglich zwei Nackte in einem engen Eingang, so wie Ulay und Marina es 1977 in Bologna taten. Wer sich traut, zwängt zwischen ihnen durch und riskiert die Berührung. Besonders Frauen lassen sich, wie man an einem ganz normalen Ausstellungstag sieht, auf solche Herausforderungen ein. Verrückt, so sind wir eben.

„Marina Abramović – The Cleaner“. Bis 12. August in der Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4. Di. und Mi. 10 bis 21 Uhr, Do.-So. 10 bis 19 Uhr. Eintritt: 10 Euro. Täglich Re-Performances mit Statisten. Katalog: 32 Euro.

www.bundeskunsthalle.de




Löw hat WM-Kader in Dortmund verkündet, doch das Treffen von Özil / Gündogan mit Erdogan überschattet die DFB-Show

So. Jetzt ist es heraus. Bundestrainer „Jogi“ Löw hat heute in Dortmund sein vorläufiges Aufgebot für die Fußball-WM verkündet. Ein verdammt ungünstiger Zeitpunkt. Just gestern war bekannt geworden, dass die beiden deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, Mesut Özil und Ilkay Gündogan, in London gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Erdogan für Fotos posiert und liebedienerisch Trikots ihrer Vereine Arsenal und Manchester City für ihn signiert haben. Gündogan schrieb gar den Zusatz „Für meinen Präsidenten“. Bloß gut, dass der Kerl den BVB verlassen hat!

Irgendwo in diesem Fotografengewühl saß Bundestrainer Löw. (Screenshot / ZDF Sport)

Irgendwo in diesem Fotografengewühl saß Bundestrainer Löw. (Screenshot / ZDF Sport)

Die beiden Spieler, die anscheinend außer Fußball und weit überzogenen Millionenbeträgen nicht allzu viel im Kopf haben, sehen Erdogan also als „ihren Präsidenten“ an. Und das als deutsche Staatsbürger. Und das mitten im türkischen Wahlkampf, in dem die dämliche Aktion als Sympathiewerbung für den Despoten wahrgenommen wird. Das haben Erdogan und seine Berater perfide eingefädelt. Im Nachhinein wollten die Spieler es als Geste der Höflichkeit verstanden wissen. Lächerliche Ausrede.

Na, klar: Die beiden fahren mit

Diese völlig unnötige, verwerfliche Aktion war gewiss bewusst so hinterhältig terminiert. Was wäre geschehen, wenn sich Löw im letzten Moment ein Herz gefasst und die Nominierung der beiden zurückgezogen hätte? Aber nein, der Bundestrainer glaubt die Herrschaften für die „kreativen Momente im Mittelfeld“ zu brauchen, wie es im Sportreportersprech heißt. Alles ganz unpolitisch, versteht sich.

Leute, ihr ahnt vielleicht, was jetzt in den (a)sozialen Netzwerken los ist. „Spaßes“halber, nein: Aufregungshalber habe ich mal auf der Facebook-Seite der CSU gestöbert. Da geht’s in den Kommentaren richtig zünftig ab. Dass Özil und Gündogan ihre deutschen Pässe abgeben sollen, ist noch einer der milderen Vorschläge. Nein, mit dem AfD-Auftritt habe ich mir dann nicht mehr die Kante gegeben.

Bei jedem Fehlpass wird gegiftet werden

Özil und Gündogan haben nicht nur dem Nationalteam und allen Integrations-Bestrebungen, sondern auch sich selbst enorm geschadet. Was wird während der WM passieren? Bei jedem kleinen Fehlpass von Ö. oder G. werden Millionen selbsternannte Bundestrainer giftige Sprüche absondern – nicht alle vollkommen unberechtigt.

Das alles spielt jenen in die Karten, die ohnehin keine Spieler mit ausländisch klingenden Namen in der Mannschaft sehen wollten. Und mit den hochdotierten Werbeverträgen der beiden Fußballkasper dürfte es auch nicht zum Besten stehen. Welche Firma will schon (wenn auch nur indirekt) mit einem wie Erdogan in Verbindung gebracht werden?

Das Problem kleingeredet und schnell weggebügelt

Doch bei der heutigen Pressekonferenz im Deutschen Fußballmuseum zu Dortmund wurden etwaige Bedenken allesamt rasch weggebügelt. Wortblasen des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel: „Menschen können Fehler machen. Und wir müssen das Maß wahren.“ Man werde zum Miteinander zurückkehren und das Trennende überwinden. Fall erledigt. Joachim Löw sekundierte, es sei „keine glückliche Aktion“ gewesen, die Jungs hätten aber einen guten Charakter, es werde ihnen eine Lehre sein. Und dann, besonders bildkräftig: Bei Spielern mit Migrations-Hintergrund schlügen oft zwei Herzen in einer Brust, die schwer unter einen Hut zu bringen seien. Alles klar?

Andere, eher sportliche Einzelfall-Entscheidungen standen so ziemlich im Schatten des hochnotpeinlichen Vorfalls. In Dortmund gab’s ein bisschen medienwirksamen Budenzauber. Das Fußballmuseum war draußen mit 26 Schattenrissen verhängt, die nach und nach durch Porträts der auserkorenen Spieler ersetzt wurden. Das Museum blieb derweil ganztags geschlossen.

Und was ist nun herausgekommen, nachdem der Berg gekreißt hatte?

Ohne Mario Götze und Sandro Wagner

Dass Mario Götze nicht benannt werden würde, war schon im Vorfeld sonnenklar, zumal Joachim Löw selbst in weitaus besseren BVB-Zeiten Berührungsängste hatte, was Dortmunder Kicker anging. In aller Regel nahm er lieber noch einen Münchner und noch einen Landsmann aus dem Südwesten mit… Reicht ja auch, wenn er seine Entscheidungen in Dortmund bekanntgibt. Naja, immerhin steht der Dortmunder Marco Reus (Löw: „Eine besondere Waffe“) im Aufgebot.

Die Namen des vorläufigen Kaders – ohne Mario Götze, ohne Sandro Wagner, vorerst mit Manuel Neuer – wurden in schneller Abfolge eingeblendet (siehe Liste am Schluss), sodann kommentierte Löw seine Präferenzen. Man muss das nicht alles zitieren. Beinahe beiläufig erfuhr man noch, dass die Verträge von Löw und seinem Trainerteam bis 2022 verlängert worden sind.

WM-Vorfreude hält sich vielfach in Grenzen

Es scheint so, als hätten viele Fußballfans eh keine rechte Lust auf diese kommende WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli), bei der sich ab Mitte Juni Präsident Putin im Licht der Weltöffentlichkeit sonnen will, in mancher Hinsicht ein Ungeistesbruder von Erdogan. Der Missmut darüber wird allenfalls noch übertroffen von mulmigen Gedanken an die darauf folgende WM 2022 in Katar. Alles ganz unpolitisch, versteht sich.

Auch an solchen trüben Aussichten mag es liegen, dass sich selbst in der „Deutschen Fußballhauptstadt“ Dortmund nicht genügend Sponsoren für größere Public-Viewing-Veranstaltungen zur WM gefunden haben. Es sieht ganz so aus, als seien die Zeiten fürs bierselige Rudelgucken eh vorbei, weil viele Leute daheim inzwischen ziemlich große Bildschirme oder Beamer haben. Und der Kühlschrank ist auch groß genug.

Ach, übrigens: Die Türkei nimmt gar nicht an der Fußball-WM teil. Sie hat sich – ebenso wie Holland und Italien – nicht qualifiziert. Hätten sich Özil und Gündogan seinerzeit für die türkische Nationalmannschaft entschieden, wär’s jetzt also Essig mit der WM.

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Die 27 nominierten Spieler im vorläufigen Kader (endgültige Liste mit 23 Namen folgt am 4. Juni):

Tor: Neuer, Leno, ter Stegen, Trapp
Abwehr: Boateng, Ginter, Hector, Rüdiger, Tah, Hummels, Kimmich, Plattenhardt, Süle
Mittelfeld und Angriff: Brandt, Draxler, Gomez, Goretzka, Gündogan, Khedira, Kroos, Müller, Özil, Petersen, Reus, Rudy, Sané, Werner




Heikle Situation für Dortmund: Gerät das Deutsche Fußballmuseum finanziell ins Minus?

Der frühere Rundschau-Kollege Gregor Beushausen hat jetzt recherchiert, was man quasi von Anfang an befürchten musste: Offenbar steht es ums Deutsche Fußballmuseum in Dortmund finanziell nicht gerade rosig. Laut Bericht drohen mittelfristig gar rote Zahlen.

Das Deutsche Fußbballmuseum hat in Dortmund keinen allzu markanten Architektur-Auftritt. Es ist das flache weiße Gebäude ganz links im BIld. (Foto = Ausblick vom "U"-Turm: Bernd Berke)

Das Deutsche Fußballmuseum hat in Dortmund keinen allzu markanten Architektur-Auftritt. Es ist das flache helle Gebäude ganz links. (Foto = Ausblick vom „U“-Turm: Bernd Berke)

Die Stadt begibt sich demnach dringlich auf weitere Sponsorensuche fürs Fußballmuseum und will diverse Förderer überreden, ihre Beträge aufzustocken. Beushausen deutet an, dass dies – falls es überhaupt geschieht – auf Kosten anderer Einrichtungen gehen dürfte. Beispiel: Der örtliche Energieversorger DEW21 stellt anscheinend die Förderung so um, dass das „einst mit mehreren Zehntausend Euro pro Jahr“ unterstützte Konzerthaus „in die Röhre“ gucke. Oha!

Im Vertrauen gesagt: Angesichts solcher Perspektiven bin ich doppelt froh, kürzlich Strom- und Gasvertrag bei DEW21 gekündigt zu haben und zu einem günstigeren Anbieter gewechselt zu sein. Dortmunder Stallgeruch brauche ich bei Strom- und Gaslieferungen bestimmt nicht. Den brauchen höchstens jene Sozialdemokraten, die bei derlei kommunalen Unternehmen wahrlich wohlversorgt auf die Leitungsebene gehievt werden.

Jedenfalls habe ich so gar keine Lust, das von der vielfach gebeutelten Stadt Dortmund und dem pekuniär weitaus besser gestellten Deutschen Fußballbund (DFB) gemeinsam getragene Fußballmuseum indirekt nochmals mitzufinanzieren. Als Steuerzahler und Bürger dieser Gemeinde gibt man ja eh schon sein Scherflein. Oder sollte es sich um ein ausgewachsenes Scherf handeln?

Scherz beiseite. Die ernste Sache ist die: Bis zu einem Defizit von 500.000 Euro haften Stadt Dortmund und DFB gleichermaßen. Was darüber hinaus geht, muss nach den jetzigen Verträgen die Stadt allein tragen, die eh schon etliche Sach- und Personalleistungen beisteuert.

Da wird man schon fragen dürfen, ob die Vertreter Dortmunds im Vorfeld geschickt verhandelt haben oder ob sie sich haben blenden lassen. Sollten sie das Potenzial und die bundesweite Anziehungskraft des Hauses überschätzt haben? Kämmerer und Stadtdirektor Jörg Stüdemann möchte jetzt aus guten Gründen im Sinne der Kommune nachjustieren. Für dieses enorm ambitionierte Unterfangen ist ihm Fortune zu wünschen. Ob der DFB tatsächlich ein Einsehen haben wird?

Gewiss: Dortmund hat mehrere andere Bewerber-Städte aus dem Feld geschlagen, als es um den Standort des Museums ging. Mehr noch: Die Auslosungen zu den Hauptrunden des DFB-Pokals finden jetzt stets in Dortmund statt. Auch will Bundestrainer Löw am 15. Mai höchst medienwirksam sein vorläufiges WM-Aufgebot im hiesigen Fußballmuseum verkünden. Das alles bedeutet sicherlich gehörige Werbung für die Stadt; freilich wieder und wieder auf dem Felde, auf dem sich Dortmund ohnehin am meisten profiliert, wenn auch in letzter Zeit nicht immer vorteilhaft, was den BVB angeht.

Zugleich hat die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) über die neue Ausstellung des Fußballmuseums („Schichtwechsel – FußballLebenRuhrgebiet“) längst nicht nur in üblicher Art berichtet, sondern legt dazu eine veritable Serie auf. Tagein tagaus geht es da um einzelne Exponate und/oder Geschichten des Revierfußballs. Kann man machen, zumal als Ruhrgebiets-Blatt. Schmeckt aber trotzdem auch nach spezieller Hilfestellung fürs Haus. Irgendwie müssen sich die Besucherzahlen ja festigen oder steigern lassen.

Apropos: Das Museum teilt bislang nicht etwa das konkrete Aufkommen zahlender Besucher (satte 17 Euro Vollzahler-Eintritt) mit, sondern nur eine – weit weniger aussagekräftige – Gesamtziffer. Was soll man davon halten?

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Um mal ein Stück vom (kommerziellen) Umfeld zu skizzieren:

Laut Homepage des Deutschen Fußballmuseums gibt es zwei „Premium-Partner“, nämlich die Dax-Konzerne Adidas und Daimler-Benz. Weitere Partner sind Bitburger, Rewe, Sky, Sparkasse Dortmund und Deutsche Post.

Als Förderer werden genannt: DEW 21, Wilo und Gelsenwasser.




Globaler Hype um ein Training in Dortmund-Brackel: Weltrekord-Sprinter Usain Bolt zu Gast beim BVB

Welch ein Hype! Usain Bolt, als 100-Meter-Weltrekordler schnellster Mensch unseres Planeten (jedenfalls zu Fuß), hat heute öffentlich beim Bundesligisten Borussia Dortmund mittrainiert – und im Testspiel gleich ein Kopfballtor erzielt. Auch hat er einen „Elfer“ souverän verwandelt. Nach rund einer Stunde war er allerdings sichtlich aus der Puste…

Usain Bolt (rechts) beim Lauftraining im BVB_Trikot. (Screenshot vom YouTube-Kanal des BVB)

Usain Bolt (rechts) beim Lauftraining im BVB-Trikot. (Screenshot: YouTube-Kanal des BVB)

Schon im Vorfeld hatte es halbironisch großmundig geheißen: „Dortmund, mach dich bereit!“ Man fühlte sich glatt an die lang zurück liegenden Tage erinnert, als der für alle Zeiten weltbeste Boxer Cassius Clay (später: Muhammad Ali) sein „I am the Greatest“ postulierte.

Usain Bolt bevorzugt bekanntlich die siegesgewisse Bogenschießer-Geste. Gelbe Trikots müssten ihm übrigens liegen, ist er doch in dieser Farbe auch als Sprinter für sein Heimatland Jamaika angetreten. Die gerade mal 5 Grad plus, die beim Training in Dortmund herrschten, dürften freilich nicht seine Lieblings-Temperatur sein.

War es nur ein harmloses Späßchen, oder hat Bolt mit 31 Jahren tatsächlich noch Ambitionen auf eine Fußball-Karriere? Oder sollte etwa der Sportartikel-Ausrüster, auf den der BVB und Bolt gleichermaßen zurückgreifen (Quizfrage: weder Adidas noch Nike, sondern welches Tier…?), hier einen speziellen Crossover-Werbecoup gelandet haben? Man muss das Ganze wohl mit mehrfachem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen. Global verbreitete Reklame auch für die Stadt, die dutzendfach genannt wurde, ist es nebenher sowieso. Nach dem Extra-Honorar für Bolt wollen wir lieber nicht fragen, sonst geht die Neiddebatte wieder los.

Das heftig gewollte und gepushte Ereignis war selbstverständlich live zu verfolgen. Ich habe es auf einem BVB-Kanal bei YouTube gesehen, mit munterem englischem Dialog-Kommentar, der offenbar für die interessierte Weltgemeinde zwischen Jamaika, Japan, Australien und China gedacht war.

Elfmeter versenkt: Usain Bolt am Punkt. (Screenshot: YouTube-Kanal des BVB)

Elfmeter versenkt: Usain Bolt am Punkt. (Screenshot: YouTube-Kanal des BVB)

Am Ort des Geschehens waren immerhin rund 1400 Fans dabei, als es auf dem Trainingsgelände im Dortmunder Ortsteil Brackel zur Sache ging. Hinzu kamen etwa 140 akkreditierte Medienvertreter, darunter 25 Kamerateams und rund 25 Fotografen. Wer wollte auch nicht für die Nachwelt festhalten, wie Mario Götze einen Traumpass auf Usain Bolt spielt?

Leider waren nicht alle BVB-Stars mit von der Partie. Manche sind verletzt, andere weltweit bei Länderspiel-Begegnungen im Einsatz. Jammerschade vor allem, dass es nicht zum Laufduell zwischen Usain Bolt und dem ebenfalls recht pfeilschnellen Pierre-Emerick Aubameyang kommen konnte. Der Mann, der sich aus dem BVB-Vertrag herausgelümmelt hat, treibt sich halt nun bei Arsenal London herum. Wie man hört, richten sich Bolts fußballerische Amibitionen ebenfalls nach England. Sein Lieblingsverein soll Manchester United sein. Die sollen dort auch ziemlich gut zahlen, dem Vernehmen nach sogar noch ein bisschen besser als der BVB…

Jedenfalls soll das alles auch Labsal für die zuletzt öfter geschundene BVB-Seele sein. Die englischsprachigen Kommentatoren spekulierten, ob sich Bolts Siegermentalität ansteckend auf Borussia Dortmund auswirken könne. Sie hielten diesen Effekt durchaus für möglich. Wir werden ja sehen.

 




Nach dem Debakel gegen Salzburg: Servus, Peter Stöger! Der BVB muss sich völlig neu orientieren…

Ach, du meine Güte! Der BVB ist gegen RB Salzburg aus der Europa League ausgeschieden. Gegen Salzburg! Und zwar völlig verdient. Die Österreicher waren im Hin- und Rückspiel eindeutig stärker und wacher als Borussia Dortmund.

Noch BVB-Trainer: Peter Stöger gegen Ende des Rückspiels gegen RB Salzburg. (Screenshot der Sky-Übertragung)

Noch BVB-Trainer, resignativ gestimmt: Peter Stöger kurz vor dem Ende des Rückspiels gegen RB Salzburg. (Screenshot der Sky-Übertragung)

Und jetzt? Muss der (österreichische) BVB-Trainer Peter Stöger nach der Saison wohl seiner Wege gehen. Gewiss: Er ist sympathisch. Er hat Humor. Aber das genügt eben doch nicht. Wenn er jetzt auch noch den entscheidenden Platz vier in der Bundesliga vergeigt… Oha!

BVB-Geschäftsführer Watzke ist keineswegs schuldlos: Der Sauerländer hat – nach Jürgen Klopps Abgang – den Erfolgstrainer Thomas Tuchel ‚rausgeekelt. Er hat zunächst den glücklosen Niederländer Peter Bosz als Nachfolger geholt. Dann hat er Peter Stöger, den Trainer des desolaten Tabellenletzten Köln, antreten lassen. Die Erfolge, die Stöger in Dortmund hatte, kamen beinahe allesamt glücklich zustande. Der Offenbarungseid hätte schon viel früher geleistet werden müssen.

Hochnotpeinlich war schon das Ausscheiden aus der Champions League, vor allem gegen die Pseudo-Giganten aus Nikosia. Danach wähnte man sich – im alten Größenwahn – schon als Gewinner der Europa League. Denkste!

Gegen die Mannschaft aus der bislang nicht gerade sonderlich fußballaffinen Mozartstadt Salzburg war schon wieder Sense. Wat willze gegen die Nockerln ausrichten? Nix. Zu kaum einem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass da noch etwas ginge… Und nun vergleiche man mal die Ablösesummen und die Gehaltsstrukturen! Ach, es ist einigermaßen trist.

Es läuft einfach nicht. Es fehlt jede Leichtigkeit. Wenn überhaupt Siege verzeichnet werden, dann solche, die der Fußballgott gnädig verfügt hat. Arbeitssiege. Kampfsiege. Nichts leichthin Erspieltes.

Nein, wir wollen keine einzelnen Spielernamen nennen. Wir wollen auch nicht einen Mannschaftsteil gegen den anderen ausspielen. Was hier vorgeht, ist grundsätzlicher. Es fehlen die Leitfiguren. Es fehlen die Anstöße.

Nun, denn: Servus, Peter Stöger!

 

 




Wenn der Schiri Diridari… – ein spezielles Gewerbe beschäftigte den Bundesfinanzhof

Vorhin im stockseriösen Finanzteil der heutigen FAZ einen unscheinbaren Einspalter entdeckt, der sich (mit boulevardeskem Geschick) zur Schenkelklopf-Geschichte hochhotten ließe. Wenn das die Leute von der „Bild“-Zeitung spitz kriegen, ist was fällig…

Werkzeug zur unternehmerischen Marktteilnahme, vulgo: Pfeife. (Foto: © Rike / pixelio.de)

Wichtiges Werkzeug zur „unternehmerischen Marktteilnahme“, vulgo: Pfeife. (Foto: © Rike / pixelio.de)

Es geht recht eigentlich um staubtrockene Materie, nämlich darum, wie die Tätigkeit von Schiedsrichtern steuerlich zu behandeln sei. Die Sache ging freilich bis hinauf zum Bundesfinanzhof in München, der jetzt befunden hat, dass Schiedsrichter einem Gewerbe nachgehen und daher Gewerbesteuern zu zahlen hätten. Und wenn sie noch so oft auf dem grünen Rasen hin und her rennen, so gelten sie demnach steuerlich nicht als Sportler, was rein fiskalisch wohl günstiger wäre.

Diese Finanzrichter scheinen aber auch wahre Spielverderber zu sein, die ziemlich humorlos reingrätschen oder – anders betrachtet – die Rote Karte zücken.

Jedenfalls kam damit ein rund rund zehnjähriges (!) Verfahren zum Abpfiff, äh: Abschluss. Erst jetzt wurde laut FAZ öffentlich bekannt, dass es dabei um den Fall Dr. Markus Merk ging, also um einen der bekanntesten (Ex)-Schiedsrichter des Landes, der auch häufig internationale Begegnungen geleitet hat und heute als Fußball-Regelexperte für den Bezahlsender Sky auftritt.

Der Bundesfinanzhof attestierte dem Schiedsrichter Merk die Absicht der Gewinnerzielung. Er sei bei all dem kein Angestellter von DFB oder FIFA gewesen (obwohl sie ihn zu den Spielterminen beordert haben), sondern habe als Selbständiger „unternehmerische Marktteilnahme“ angestrebt.

So haben wir das Metier der Unparteiischen noch nicht betrachtet. Wir basteln nun schon mal ein wenig an der Schlagzeile und bedienen uns im bayerischen Idiom, wo Zahlungsmittel gern scherzhaft „Diridari“ genannt werden. Also  geben wir schon mal diese verbale Steilvorlage: „Wenn der Schiri Diridari…“ Na, und so weiter. Da wird uns schon noch was knackig Albernes einfallen. Vielleicht was mit Larifari?

Mutet schon das ganze Verfahren – wie so manche juristische Spitzfindigkeit – ein wenig absurd an, so gipfelt der kurze FAZ-Bericht in dem Satz: „Betriebsstätte der Schiedsrichter sei ausschließlich die inländische Wohnung, urteilten die Finanzrichter, auch wenn die Referees im Ausland pfiffen.“ Der Schiedsrichter als Stubenhocker im Home Office. Hübsche Vorstellung.

Aber vielleicht ist die ganze Angelegenheit ja doch noch nicht vorbei. Denn wir wollen jetzt nach Köln schalten. Zur Auswertung des Videobeweises.




Was ist denn nur los mit Borussia Dortmund? Muss jetzt der Trainer schleunigst gehen?

Jetzt mal Butter bei die Fische: Borussia Dortmund ist derzeit schwach. Erschreckend schwach. So schwach wie lange nicht mehr. Als Jürgen Klopp, nach all den bahnbrechenden Erfolgen, auf einmal seine unerklärliche „schwarze Serie“ hatte, war es so ähnlich. Doch sein Nachnachfolger Peter Bosz kann, bis auf ein paar anfängliche Strohfeuer, noch keine nennenswerte Erfolgsserie aufweisen.

...und wieder ein Tor für die Bayern (das 0:3). (Screenshot: Sky-Übertragung)

…und wieder ein Tor für die Bayern (das 0:3). (Screenshot: Sky-Ticket-Übertragung)

Mit 1:3 haben sie soeben das Heimspiel gegen die Bayern verloren. Keine normale Niederlage. Sie haben nicht verloren wie der BVB, sondern – mit Verlaub – eher wie Mainz o5. Daran ändert auch der späte Anschlusstreffer in der 88. Minute nichts. Ansonsten: grottige Chancenverwertung, furchtbar wacklige Verteidigung; wie fast schon üblich in letzter Zeit.

Ist das heutige Gewürge etwa wieder in ca. 180 Länder übertragen worden? Gnade! Bitte nicht! Was sollen sie da draußen denken?

Nicht nur die in den letzten Wochen oft gescholtene Abwehr spielt weit unter Form, auch Mittelfeld und Angriff schwächeln deutlich, ja mitunter erbärmlich. Es könnte einem so vorkommen: Schießen die Gegner, ist beinahe jeder „drin“, zielen „wir“, geht praktisch alles daneben. Es ist wie verhext.

Fragt mich bitte nicht nach meiner Meinung über Neuzugänge wie „Toto“ (Toprak / Toljan), sonst werde ich vielleicht noch ausfallend. Aber es liegt beileibe nicht nur an ihnen. Der einstige Torjäger Aubameyang ist nur noch ein Schatten seiner selbst, sogar der sonst so unerschütterliche Sokratis bleibt unter seinen Möglichkeiten. Heute hat eigentlich nur Pulisic gänzlich überzeugt. Doch glücklos blieb auch er.

BVB-Geschäftsführer Watzke muss sich allmählich ernsthaft fragen, ob es richtig war, den doch recht erfolgreichen Trainer Thomas Tuchel achtkantig `rauszuwerfen und statt dessen den Holländer Peter Bosz zu holen. Der Mann mit dem eleganten Outfit hat binnen weniger Wochen nahezu alles vergeigt. Ihm fehlt einfach die Fortune.

Das Ausscheiden aus der Champions League ist gewiss, nicht einmal die Teilnahme an der Europa League ist gesichert. Ein zweifaches 1:1-Unentschieden gegen einen Club wie Apoel Nikosia entspricht bei weitem nicht den Ambitionen des Vereins.

Die Tabellenführung mit fünf Punkten Vorsprung auf die Bayern ist nicht nur rapide geschmolzen, sondern hat sich in einen Rückstand von sechs Punkten verwandelt. Auch Leipzig hat jetzt den BVB überholt, Schalke ist bereits punktgleich. Zu fürchten steht, dass die Dortmunder nach unten „durchgereicht“ werden.

Aufs „Aus“ im DFB-Pokal darf man sich wohl ebenfalls einrichten. In der kommenden Runde geht es ausgerechnet zu den Bayern nach München. Nach den heutigen Eindrücken ist dort kein Blumentopf zu gewinnen.

Die meisten Sportjournalisten haben sich inzwischen darauf geeinigt, dass Bosz nach seinem (offenbar von Gegnern inzwischen leicht berechenbaren) Hurra-Stil keinen „Plan B“ habe, also vorerst nicht mehr weiter wisse.

Es sieht also ganz so aus, als müsse „man“ die Reißleine ziehen und schleunigst einen Trainer holen, der ein Spielsystem installiert, das zu den Fähigkeiten des vorhandenen Kaders passt. Oder kann Bosz diese Kehrtwende noch selbst vollziehen? Ich wage zu zweifeln.

P.S.: Mir ist bekannt, dass es oft vernünftiger ist, vertrauensvoll zuzuwarten und nicht gleich alle Flinten ins Korn zu werfen. Doch es gibt Grenzen.




Wer fliegt denn da einfach mal so nach Zypern?

Also bitte, reden wir nicht mehr drüber. Über das ärgerliche Spiel gestern Abend. Schon während der BVB-Blamage beim erschröcklichen Giganten Apoel Nikosia (da steckt das reviertypische „Pöhlen“ quasi schon im Vereinsnamen, hoho) schweiften meine Gedanken ab.

Schwarzgelbe Fankurve an der Grenze zur Abstraktion. (ARD-Screenshot vom Pokalfinale in Berlin)

Schwarzgelbe Fankurve an der Grenze zur Abstraktion. (ARD-Screenshot vom Pokalfinale in Berlin)

Als es dann eh nichts mehr zu deuteln gab, habe ich mich ablenkungshalber gefragt: Was sind das wohl eigentlich für Leute – diese sangesfreudigen Fußballfans, die an einem gewöhnlichen Dienstag einfach mal so nach Zypern fliegen und dort ins Stadion strömen? Allgemeines Gemurmel: „Billigflieger“. Trotzdem muss man schon ein paar Mark mitbringen und genügend Muße haben. Sie fahren oder fliegen ja auch nicht nur einmal.

Ja, sie scheinen immerhin Zeit u n d Geld für derartige Exkursionen übrig zu haben, eine wahrhaft beneidenswerte Kombination also. Als man jung war, hatte man deutlich mehr Zeit als Geld, später denkt man vielleicht von Fall zu Fall, es sei umgekehrt. Aber lassen wir das. Es führt zu nichts und füllt keine Kassen.

Bezahlen etwa die Eltern dem Ultra die kontinentalen Ausflüge, die ja theoretisch schon mal bis nach Kasachstan oder Israel führen können? Damit er nicht noch mehr Randale macht. Oder damit er sie halt woanders macht als daheim. Vielleicht ist er ja auch der schon zum Klischee geronnene Sparkassen-Angestellte, der außerhalb seines Instituts schon mal gepflegt die Sau `rauslässt. Oder er macht am Ende überhaupt keine Randale. Das wäre ja ein Ding. Womöglich stimmt ja keine schnellfertige Mutmaßung.

Laut TV-Kommentator sind fürs gestrige Match immerhin rund 1500 Leute mit dem BVB nach Nikosia aufgebrochen. Nicht wenige von ihnen dürften durch Champions League und Europa League etliche Länder „kennen gelernt“ haben. Oder vielleicht eher deren Getränkekarten. Obwohl: Braucht’s für trinkfeste Gesellen eine Getränkekarte? Fragen über Fragen.




Irrwitz zwischen Dortmund und Barcelona: Der BVB verkauft den (derzeit) zweitteuersten Fußballer aller Zeiten

Seien es nun 140 oder 150 Millionen Euro, die Borussia Dortmund vom FC Barcelona für den hochbegabten, aber noch keineswegs ausgereiften Spieler Ousmane Dembélé kassiert. Derlei pekuniäre Details sind schon beinahe zweitrangig. Dass der vorherige Verein Stade Rennes auch noch ein millionenschweres Stück vom Kuchen abbekommt, mutet ebenfalls wie eine Petitesse an.

In solchen Dimensonen ist Dembélé jedenfalls (derzeit) der zweitteuerste Spieler aller Zeiten – hinter Neymar, der bekanntlich für 222 Mios von Barcelona nach Paris wechselte. Mal schauen, wie lange dieser Rekord Bestand hat. In Relation müssten jetzt Messi und Christiano Ronaldo je ca. eine halbe bis eine ganze Milliarde kosten, oder?

Natürlich sind das wahnwitzige, geradezu obszöne Preise, was denn sonst? Ans soziale Umfeld des Ruhrgebiets, in dem sich das zuträgt, und erst recht an Dembélés Herkunft darf man in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht denken.

Die Rendite für den börsennotierten Club kann sich jedenfalls sehen lassen. Für gerade mal 15 Millionen war der jetzt 20jährige Dembélé vor einem Jahr nach Dortmund gekommen, jetzt steht nahezu der zehnfache Betrag zu Buche.

Den herben sportlichen Verlust wird der BVB allerdings irgendwie wettmachen müssen, und zwar rasend schnell; bevor sich das Transferfenster Ende August wieder schließt. Schließlich steht seit gestern fest, dass man in der Champions League mal wieder gegen Real Madrid und Tottenham antreten muss.

Man kann jetzt schon wetten, dass Spieler, für die sich der BVB interessiert, sogleich immens im Markt-„Wert“ steigen dürften. Schließlich weiß ja alle Welt, wie viele Milliönchen neuerdings in die BVB-Kasse gespült werden. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass der Verein vor 13 Jahren um ein Haar in die Pleite geschlittert wäre…

Und nein: Dembélé wird trotz seiner tollen Dribbeltricks nicht in allerbester Erinnerung bleiben. Gewiss, er hat magische Momente gehabt, hat Fußball mitunter staunenswert zelebriert. Aber das unwürdige Gezerre um seinen Vertrag, seine geradezu kindische Weigerung, zum Training zu erscheinen – das war ungefähr das Gegenteil dessen, was sie in Dortmund von einem Spieler erwarten. Er möge also seiner Wege ziehen.




Rennstrecke der 1000 Herzen: Bericht vom schonungslosen Selbstversuch beim Triathlon in Essen

Die Ruhr in Kettwig. Foto: es

Wieviel Grad hat die Ruhr? Solche Fragen musste man sich jahrelang gar nicht stellen. Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, in diesem Revierfluss zu schwimmen. „Entengrütze“ hieß das Wasser zu meiner Schulzeit. Doch das ist zum Glück vorbei.

Vom Baldeneybad in Essen kann man sich jetzt wieder in die Fluten der gestauten Ruhr stürzen. Auch die Essener Triathleten haben den Fluss für die Disziplin Schwimmen bei der Neuauflage 2016 in ihren Wettkampf eingebaut, aus nostalgischen Gründen: Denn 1982 fand am Baldeneysee der erste deutsche Triathlon überhaupt statt. Allerdings wurde damals im Rüttenscheider Bad geschwommen. 2017 will ich mit dabei sein und habe mich kurzerhand zum „1000 Herzen Triathlon“ am 20. August angemeldet.

Lieber mit Neoprenanzug

Am 19. August regnete es und wurde plötzlich kalt. Da ich nicht größenwahnsinnig bin, hatte ich mich zwar nur für die Sprintdistanz (500 Meter Schwimmen – 24 Kilometer Radfahren – 5 Kilometer Laufen) entschieden, aber kaltes Wasser ist kaltes Wasser und 15-20 Minuten im kalten Wasser sind noch kälter.

In der Wechselzone…
Foto: es

Also musste ein Neoprenanzug her und zwar sofort. Zum Glück haben Sportgeschäfte in der Essener Innenstadt so etwas im Angebot und siehe da, ein Modell passte und ließ sich mit Schnur am Rücken auch schnell öffnen: Denn nichts nervt den Triathleten mehr als lange Wechselzeiten, die versauen das ganze schöne Ergebnis.

„Zügig ins Wasser da vorne!“

Doch der Ruhrgebietsgott ist ein Naturfreund und deswegen ließ er am Sonntagmorgen die Sonne scheinen: Ruhr, du mein Heimatfluss, ich komme! Mit mir kamen rund 600 weitere Athleten und wollten alle am Campingplatz Cammerzell in Kettwig ins Wasser gehen.

Doch nicht ohne Wettkampfbesprechung, die der Rennleiter fröhlich und geduldig für alle neun Startgruppen nacheinander abhielt: „Ihr seht die große orange Boje auf der linken Seite? (Alle Köpfe nach links) Da schwimmt ihr mit der rechten Schulter vorbei, dann durch die zwei Bojen in der Mitte zur großen Boje auf der rechten Seite (alle Köpfe nach rechts), wieder rechte Schulter vorbei, dann zur kleinen Boje vor dem Ausstieg, linke Schulter vorbei, zügig bis an die Rampe schwimmen, die Helfer ziehen euch aus dem Wasser. Alles klar? Noch neun Minuten bis zum Start, jetzt alle ins Wasser gehen und zur Startposition schwimmen!“

Ich glaube, es wird ernst, doch Zeit zum Nachdenken ist keine mehr. Eisig packt mich die Ruhr an den Fußknöcheln. „Zügig ins Wasser da vorne!“, rufen die Helfer – nix für Zimperliche! Sehnsüchtig schaue ich ans sonnige Kettwiger Ufer gegenüber, noch fünf Minuten bis zum Start.

Ich hole tief Luft und schmeiße mich rein, der Neo saugt sich voll und siehe da, er wärmt tatsächlich ein wenig. Von links nähert sich ein Schiff der Weißen Flotte, allerdings in sicherer Entfernung, und ehe ich noch denken kann, ob ich nicht lieber auf dem Schiff fahren würde, ertönt der Countdown zum Start: „Zehn, neun, acht…los!“

Da ist ja mein Rad…
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Die Ruhr ist dunkelgrün und kühl

Wat willste machen? Ich schwimme los, die kühle Ruhr umfängt mich ganz. Sie ist dunkelgrün und schmeckt ein wenig metallisch. Manchmal wickeln sich abgerissene Wasserpflanzen um meinen Hals und lösen sich wieder. Alles fließt. Ich keuche etwas, als ich nach dem Wenden gegen die Strömung schwimmen muss, doch so stark finde ich sie nicht.

Weit hinten schimmert die zweite Boje, autsch, jetzt habe ich aus Versehen in etwas Weiches getreten, das war mein Hintermann, der mir zu nahe gekommen ist – überholen geht auch hier nur mit Abstand. Nach der zweiten Boje kommt der Flow, mit Strömung im Rücken trägt er mich ans Ufer.

Hände strecken sich mir entgegen, helfen mir aus dem Wasser, jetzt schnell in die Wechselzone laufen, wo ist bloß mein Rad? Ohne Brille nicht so leicht zu finden, Mist, ich bin in der falschen Reihe! Ach, da drüben leuchtet es weiß, das geliebte „Cervélo“! Nassen Neo aus, wieso klebt der jetzt so? Helm auf, Schuhe an, Rad zum Start schieben, aufsitzen, losfahren.

Auf der Radstrecke…
Foto: es

Demütig auf dem Rad

Zum Glück sind Radstrecken an Flüssen entlang meist flach, doch nach der ersten Runde an der Laupendahler Landstraße zwicken die Oberschenkel – wegen all der Kilometer, die ich im Training nicht gefahren bin. Und ich muss noch zwei Runden drehen. Da überholen mich schon Staffelfahrer, die eine halbe Stunde nach mir gestartet sind.

Triathlon macht demütig, aber ich lasse mir die Laune nicht verderben. Es ist erst mein fünftes Rennen überhaupt und die mussten ja schließlich nicht schwimmen. Die Luft ist klar, der Fluss blitzt durch die Bäume und die Straße ist nur für uns abgesperrt: Kein Autoverkehr, keine Fußgänger stören die ultimative Raserei. Letzte Runde, komm, die schaffe ich jetzt auch noch.

Das Koppeltraining versäumt

Den Gedanken an den Lauf danach verdränge ich lieber erst mal. Bis er sich nicht mehr verdrängen lässt: Ich schiebe mein Rad in die Wechselzone und hänge den Helm dran. Das Schild zur Laufstrecke zeigt nach rechts, also los. Doch die Beine funktionieren nicht richtig, sie sind noch ans Radfahren gewöhnt. Das ist zwar völlig normal, ich kenne das Gefühl und weiß auch eine Maßnahme dagegen, die Triathleten nennen sie „Koppeltraining“: Also öfter mal erst radeln und dann sofort danach laufen. Blöd ist nur: Ich habe kein Koppeltraining gemacht, ich war einfach zu faul. Das rächt sich jetzt, also muss ich langsam machen, einen Fuß vor den anderen setzen.

Finisher-Shirt
Foto: es

Nach anderthalb Kilometern normalisiert es sich, die Beinchen haben sich ans Joggen gewöhnt, der Weg führt an der Ruhr entlang, dann über die Felder, schöne Strecke, doch wann kommt endlich der Wendepunkt? Drei Kilometer, Eva, es ist nicht mehr weit.

Grillwürstchen am Ziel

Ich sammele mein Bändchen ein und darf auf den Rückweg, nun kommt der schönste Moment: Wenn man den Ziel-Lärm hört. Die Namen derer, die gerade angekommen sind, werden laut ausgerufen, die Musik schwillt an. Und ich rieche Gebratenes vom Grill…letzte Kurve, das Zieltor liegt vor mir, Augen auf und durch! Geschafft!

Meine Güte, ich habe das Ruhrding gerockt, jetzt bin ich total stolz! Mein Kopf ist leer und ich brauche dringend einen Isodrink und Bananen, beides steht schon bereit. Wie ging es den anderen? Da sind sie ja, wir fallen uns um den Hals, total verschwitzt. Vielleicht sollte man nochmal in die Ruhr tauchen? Nee, heute nicht mehr, aber bald komme ich wieder, du kühler, grüner Fluss, du hast uns alle zurückgewonnen.

Weitere Infos:
www.triathlon-essen.de
www.seaside-beach.de




„Der war nicht drin!“ – über den Dortmunder Torwart Hans Tilkowski und den umstrittensten Treffer aller Zeiten

Unser Gastautor, der Schriftsteller Heinrich Peuckmann, über den legendären Torhüter von Westfalia Herne und Borussia Dortmund:

Untrennbar ist seine Fußballkarriere mit einem einzigen Tor verbunden. „Herr Tilkowski“, rufen ihm bis heute wildfremde Menschen zu, „ich habe da mal eine Frage.“ Und noch im Umdrehen antwortet er: „Der war nicht drin!“ Hans Tilkowski und das Wembley-Tor, er wird es einfach nicht los.

Torwart-Legende Hans Tilkowski an seinem 70. Geburtstag im Juli 2005. (Foto: Helmut S. / Redaktion "Die Kirsche" - Permission: Wikimedia Commons) - Permission: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Hans_Tilkowski.jpg&action=edit

Hans Tilkowski an seinem 70. Geburtstag im Juli 2005. (Foto: Helmut S. / Redaktion „Die Kirsche“ – Wikimedia Commons)

1966 hat dieses Tor, das keines war, das WM-Finale entschieden, die Engländer wurden  Weltmeister, Hans Tilkowski blieb die Ehre, Torhüter im Endspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft gewesen zu sein.

Vor oder hinter der Torlinie?

Der aserbaidschanische Linienrichter Tofiq Bachramow hat die folgenreiche Entscheidung nach einem Schuss von Geoff Hurst getroffen. Tilkowski hatte den Ball noch mit den  Fingerspitzen berührt und an die Unterkante der Latte gelenkt, von wo er, da ist er sich sicher, auf und nicht hinter die Torlinie tickte. Schiedsrichter Dienst aber folgte der Meinung von Bachramov und erkannte auf Tor. Es war das 3:2 für England und die Entscheidung bei dieser WM. 

Als 2009 die deutsche Fußballnationalmannschaft in einem WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan antreten musste, sind Tilkowski und ich im Vorfeld des Spiels nach Baku gereist. Bachramow war nämlich nicht einfach nur ein Linienrichter, er war später der berühmteste Fußballfunktionär des Landes geworden, er hat den Verband nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion gegründet. Es gibt eine Briefmarke mit seinem Konterfei, nach seinem Tod wurde das Nationalstadion nach ihm benannt und überlebensgroß, in Bronze gegossen, steht sein Denkmal davor.

Eine versöhnliche Rede an den früheren Linienrichter

Der aserbaidschanische Fußballverband und Vertreter der deutschen Industrie wünschten sich vor dem Länderspiel eine versöhnliche Geste. Was lag da näher, als Hans Tilkowski einzuladen? Und wenn es um Werte wie Versöhnung oder soziales Engagement geht, ist Tilkowski immer ansprechbar. Da lebt fort, was er als Kind einer Bergarbeiterfamilie in Dortmund-Husen erfahren hat, Solidarität nämlich und ein tief empfundenes Gerechtigkeitsgefühl.

Vor der versammelten Presse, vor Fernsehen, Funktionären und Regierungsvertretern hat er in Baku, unter dem Bachramow-Denkmal stehend, eine beeindruckende Rede zur Fairness im Sport gehalten. Der erste Satz stand natürlich schon beim Abflug fest: „Der Ball war nicht drin.“ Aber dann wies Tilkowski auf die völkerverbindende Funktion des Fußballs hin, der es immer wieder schaffe, Menschen zusammen zu führen und so seinen Beitrag zu leisten zu einer friedlichen Welt. Zum Schluss hob er den Kopf und  sprach das Denkmal direkt an: „Tofiq, wenn du noch leben würdest, hätten wir garantiert ein schönes Gespräch über Fairplay im Sport.“

Es begann beim Vorortverein SV Husen

Das kam gut an, Tilkowski war ein überzeugender Botschafter des deutschen Fußballs. Trotz solcher Momente, seine Karriere auf das  Wembley-Tor zu reduzieren, ist aber ebenso falsch  wie ungerecht. Beim SV Husen, dem Dortmunder Vorortverein, hat er begonnen, Fußball zu spielen. Ganz nebenbei hat er auch noch geboxt, es waren die beiden Sportarten, die Arbeiterjungen im Ruhrgebiet damals gerne ausübten. Samstags boxen, sonntags Fußball.

Der Fußball war aber doch Tilkowskis große Liebe. Nach der Zwischenstation beim SuS Kaiserau, dem Verein im Schatten der Sportschule, wo er schon als ganz junger Mann in der ersten Mannschaft spielte, wechselte er 1955 zu Westfalia Herne in die Oberliga. Fußballlegende Ernst Kuzorra hätte ihn gerne „auf Schalke“ gesehen, aber Tilkowski hatte die Sorge, an deren Stammtorwart Orzessek nicht vorbeizukommen. Und er wollte vor allem eins, nämlich spielen.

Als Sepp Herberger aufmerksam wurde

Seine Entscheidung erwies sich als goldrichtig, Trainer Fritz Langner vertraute dem jungen Torwart und Westfalia konnte, nicht zuletzt dank seiner tollen Paraden und seines noch besseren Stellungsspiels, jahrelang die Klasse halten. Schnell fiel er Bundestrainer Herberger auf, der Torhüter ohne Showeinlagen liebte, und im April 1957 war es so weit. Beim Länderspiel in Amsterdam, das 2:1 gewonnen wurde, stand der junge Hans Tilkowski zum ersten Mal im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Auf insgesamt 39 Einsätze hat er es gebracht und war damit für einige Zeit Rekordnationaltorhüter.

1959 wurde dann zum großen Jahr von Westfalia Herne. Noch vor den Großvereinen Schalke und Borussia Dortmund wurde völlig überraschend die westdeutsche Meisterschaft gewonnen. Bei der darauf folgenden Endrunde zur Deutschen Meisterschaft fehlte den Spielern allerdings die Kraft. Fritz Langner, unsterblich mit der Trainingsanweisung „Ihr fünf spielt jetzt vier gegen drei“, hatte wohl zu hart trainieren lassen.

Funkstille mit dem Bundestrainer

In dieser Zeit stieg Tilkowski zum Stammtorhüter der Nationalmannschaft auf. Er bestritt alle Qualifikationsspiele für die WM 1962 in Chile, beim Turnier selbst aber  erlebte er eine bitterböse Überraschung. Nicht er durfte nämlich spielen, sondern der unerfahrene Wolfgang Fahrian. Vier Jahre vorher hatte Herberger Tilkowski nicht zur WM in Schweden mitgenommen, weil er zu jung sei und zu wenige Länderspiele bestritten hätte. Vier Jahre später war Fahrian noch jünger und hatte noch weniger Länderspiele als Tilkowski 1958 bestritten. Der hat mit dem Bundestrainer danach für einige Zeit kein Wort mehr gewechselt.

Eineinhalb Jahre lang herrschte Funkstille zwischen den beiden, denn Tilkowski hat Stolz und ein bisschen ist er auch ein westfälischer Dickkopf. Er stand in dieser Zeit trotzdem im Blickpunkt des Fußballs. 1964, mit Einführung der Bundesliga, war er  zu Borussia Dortmund gewechselt und lieferte mit dem Verein glanzvolle Spiele im Europapokal, vor allem gegen Titelverteidiger Benfica Lissabon.

1966 Europapokalsieger mit dem BVB

Tilkowski hielt in diesen Spielen, was zu halten war und immer auch ein bisschen mehr. Sogar  in eine Europaauswahl wurde er berufen. Schließlich war es Herberger, der ganz gegen seine Gewohnheit nachgab. Ob er ihn mal anrufen dürfe, hat er ihn beim Bankett nach einem Europapokalspiel gefragt. Er durfte und am Neujahrstag 1964 stand Tilkowski wieder im Tor der Nationalmannschaft. Es war aber kein guter Neueinstand, das Spiel gegen Algerien ging mit 0:2 verloren.

Mit Borussia Dortmund feierte Tilkowski weiter Erfolge. 1965 wurde die Mannschaft Pokalsieger und im Jahr darauf gewann sie als erste deutsche Mannschaft einen Europapokal, den der Pokalsieger. Nach Libudas sagenhaftem Heber aus vierzig Metern wurde Liverpool in Glasgow mit 2:1 geschlagen.

Die deutsche Meisterschaft hätte die Mannschaft  auch gewinnen können. Trainer „Fischken“ Multhaup wollte den Feiern aus dem Wege gehen und die Mannschaft für die letzten Bundesligaspiele abseits vom Trubel in aller Ruhe vorbereiten, aber das ließ sich in Dortmund, das im Freudentaumel lag,  nicht durchsetzen. Nach vielen Feiern gingen die letzten drei Spiele allesamt verloren,  1860 München überflügelte im letzten Moment die Borussia und wurde Deutscher Meister. So blieb Tilkowski, 1965 Fußballer des Jahres, der Meistertitel verwehrt.

Zwei Jahre spielte er noch bei Eintracht Frankfurt, dann begann er eine Karriere als Trainer. Werder Bremen, der 1. FC Nürnberg, auch AEK Athen waren u.a. seine Wirkungsstätten.

Soziales Engagement – vor allem für Kinder

Danach engagierte sich Tilkowski für Sozialprojekte, für das Friedensdorf in Oberhausen zum Beispiel, wo in Kriegen verwundete Kinder operiert und wieder  gesund gepflegt werden. Er sammelte Geld für Aktionen der Unicef, für leukämiekranke Kinder und vieles mehr. Eine Hauptschule in Herne, wo er noch immer wohnt, ist  nach ihm benannt worden. Natürlich sorgte Tilkowski dafür, dass diese  Multikulti-Schule einen Bolzplatz bekam, getreu seinem Motto, dass der Fußball über alle Unterschiede hinweg Gemeinschaft stiftet.

Neuerdings ist er Botschafter für den westfälischen Fußball-  und Leichtathletikverband und weist beharrlich daraufhin, dass Westfalen und das Ruhrgebiet viel zu bieten haben, auch im Sport. Er muss in dieser Eigenschaft oft in die Sportschule Kaiserau, wo er als junger Spieler unter Leitung von Dettmar Cramer seine Torwartausbildung erfuhr und wo inzwischen ein Neubau nach ihm benannt wurde. So schließt sich bei ihm, der immer wieder gerne nach Kaiserau zurückkommt, der Kreis.

Auch mit 82 noch drahtig und rege

Skandale sind Tilkowski fremd. Er ist noch immer mit seiner Frau Luise, mit der er drei Kinder hat, verheiratet.

Am 12. Juli wurde er, der noch immer regelmäßiger Tribünenbesucher bei den BVB-Heimspielen ist, 82 Jahre alt. Wer diesen drahtigen, geistig regen und immer, wenn es um eine gerechte Sache geht, streitbaren Mann sieht, wird ihm das Alter kaum abnehmen. Er müsste, denkt man, nur seine Torwartkluft anziehen, dann könnte es wieder losgehen.




Frauenfußball: Weniger Dynamik, Aggression und Anmaßung – mehr Fairness und mehr Hymne…

Was ist das wohl für ein Ereignis, bei dem selbst die Ränge im übersichtlichen Stadion des niederländischen Breda nur zur Hälfte gefüllt sind? Welches Turnier können sogar die gebeutelten öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF noch übertragen, während sonst fast alles ins Bezahlfernsehen abwandert? Richtig, es ist die Fußball-Europameisterschaft der Frauen, die sich mit dem Hashtag #WEURO (Women’s Euro) anpreist.

Deutscher Spielerinnenkreis vor dem Spiel gegen Schweden. (Vom ARD-Fernsehbild abgeknipst)

Deutscher Spielerinnenkreis vor der Partie gegen Schweden. (Eigenhändig vom ARD-Fernsehbild abgeknipst)

Lang, lang ist’s her, dass in den 1970 er Jahren der Frauenfußball von oben herab noch derart verspottet wurde, dass es nur so seine Unart hatte. Den YouTube-Link zur unsäglich feixenden Herablassung eines Wim Thoelke (ZDF) ersparen wir uns diesmal, obwohl er aus heutiger Sicht ein Schenkelklopfer unfreiwilligen Humors ist. Googelt halt einfach Wim Thoelke und Frauenfußball, dann habt ihr den Salat.

Doch auch heute noch gibt es zahlreiche Verächter, die dem Damenfußball keinerlei Qualität zubilligen. Sie trauen sich nur nicht mehr ganz so ungeniert hervor. Okay, ich geb’s zu, ich sehe meist auch lieber die Kerle spielen; wenn sie’s denn können.

Gestern hat also die Frauen-EM begonnen, heute ist das deutsche Team gegen Schweden angetreten und hat mir mit einem 0:0 meinen Siegtipp gründlich versaut. Wen aber reißt es vom Sessel, wenn ich jetzt sage, dass die verletzte Svenja Huth durch die Ruhrgebiets-Pflanze und Bundesliga-Torschützenkönigin Mandy Islacker (Enkelin der Essener RWE-Fußball-Legende Franz Islacker) ersetzt wurde? Bei den Männern würden sie sich über solch einen Vorgang die Köpfe heiß reden. Anderntags wären die Zeitungen voll davon.

Ja, gewiss, die Männer gehen noch athletischer und dynamischer zu Werke, der sportliche Unterschied dürfte sich – etwa analog zum 100-Meter-Lauf – im Maßverhältnis von Zeiten unter 10 Sekunden (Männer) und unter 11 Sekunden (Frauen) bewegen, von unerlaubten Hilfsmitteln mal abgesehen.

Vor allem aber sind die Männer weitaus aggressiver. Zudem versuchen sie gar häufig, den Schiri durch Schauspielerei zu beeinflussen – und sei es nur, um einen läppischen Einwurf oder eine Ecke herauszuschinden. Wie wohltuend, dass es derlei Mätzchen bei den Frauen kaum gibt, wie es denn bei ihnen überhaupt deutlich fairer zugeht. Und sie machen erheblich weniger Getue um sich selbst. Freilich kann man sich auch nur schwer vorstellen, dass hier Legenden geboren werden. Vielleicht gehört ja die arrogante Anmaßung dazu, wenn man „unsterblich“ werden will?

Schwachmaten der Boulevardblätter haben sich schon in aller Breite darüber ausgelassen, ob ein Tor im Männerfußball mit dem Penis erzielt worden sei. Nun gut, das geht hier in der Regel nicht. *hüstel* Ansonsten spielen aber auch die Frauen schon mal Traumpässe und schlagen hin und wieder herrlich abgezirkelte Flanken. Und sie können zuweilen sehr entschlossen grätschen. Meine Lieblingsspielerin im EM-Auftaktmatch war denn auch in dieser Hinsicht die abwehrstarke Anna Blässe.

Während Männer schon mal pro Nase 300.000 Euro für einen Turniersieg erhalten (und den Betrag als Trinkgeld erachten), stehen bei den Frauen (die weitaus mehr EM-Titel errungen haben, nämlich nahezu alle) nicht einmal 40.000 Euro zu Buche. In den 80er Jahren gab’s mal für einen EM-Sieg der Frauen – ungelogen – einen feuchten Händedruck und – ein Porzellan-Service…

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass anteilig offenbar deutlich mehr Frauen als Männer die deutsche Nationalhymne mitsingen? Nein, ich mag daraus gar nichts schlussfolgern. Und kommt mir jetzt bloß nicht mit albernen Buchstabendrehern, ihr Machos!

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P.S.: Satz des TV-Abends, den der ARD-Kommentator Bernd Schmelzer vom Stapel ließ: „Gar nichts ist ja immer sehr wenig.“

 




Warum nicht gar auf die 2. Liga in Macau setzen? Vom Reiz und Irrsinn der Online-Fußballwetten

Wie gut, dass jetzt erst einmal Sommerpause ist.

Warum? Neuerdings bin ich zum Zocker geworden – allerdings auf ganz kleiner Sparflamme. Denkt euch nur: Bei einem Wettanbieter habe ich in jüngster Zeit online auf den Ausgang des einen oder anderen Fußballspiels gesetzt. Ja-haaaa…

„Wir haben eine gute…

Warum soll ich auch nichts Zählbares daraus machen, dass ich einer von Millionen ungemein sach- und fachkundigen Fußballtrainern bin, die alles besser wissen – und zwar stets im Voraus?! Stellt euch hier bitte ein paar schräg grinsende Smileys vor.

Die Online-Wettbüros werben nach dem Motto, dass es erst dann richtig „dein“ Spiel ist, wenn du darauf gewettet hast. Und tatsächlich: Ein bisschen mehr interessiert man sich für die Resultate, wenn man ein paar Euro in die Manege geworfen hat. Hauptsache, man hat ein Eisen im Feuer – und glühe es auch noch so schwach.

Aus einer einschlägigen Facebook-Gruppe weiß ich, dass sich dort echte Hasardeure tummeln. Wenn ich nicht irre, dürfte mancher ein Fall für die Suchtberatung sein. Unter einer riskanten Quote von 50:1 (im Erfolgsfalle Auszahlung von 50 Euro für jeden eingesetzten Euro) fangen einige Typen gar nicht erst an. Oder sie halten sich gar nicht mehr mit einzelnen Begegnungen auf, sondern bündeln Vorhersagen zu diversen Spielen zu waghalsigen Kombi-Wetten. Notfalls setzen sie hübsche Sümmchen auf ein x-beliebiges Mittelfeldduell in der dritten chinesischen Liga. Nur gut, dass die Höhe der Einsätze ebenso limitiert ist wie die Ausschüttung. Trotzdem dürfte das Engagement hie und da die finanziellen Möglichkeiten der Beteiligten übersteigen.

...und eine weniger gute Nachricht für Sie." (Screenshots)

…und eine weniger gute Nachricht für Sie.“ (Screenshots von E-Mail-Benachrichtigungen)

Nein, ich verzerre die Sachlage nur unwesentlich. Man konnte jüngst z. B. wirklich und wahrhaftig auf die 2. Division in Macau wetten. So gab es dort z. B. am 9. Juni die sicherlich atemberaubende Begegnung Chuac Lun – CDF Benfica. Nicht minder exotisch die finnischen Amateure, 3. Division – beispielsweise mit dem fußballerischen Giga-Hammer Atlantis FC vs. Atletico Malmi. Aber diese – zugegeben arg spöttische – Einschätzung zeugt bestimmt nur von deutscher Überheblichkeit.

Auf Boca Juniors gegen Independiente in Argentinien habe ich auch schon gewettet, aber das ist recht eigentlich was für Anfänger, da die Teams namentlich weltweit bekannt sind. Man schaut sich halt die aktuelle Tabelle und die Ergebnis-Trends der letzten Zeit an, lote aus, für wen es noch um die sprichwörtliche „Wurst“ geht, überprüfe womöglich noch die Aufstellungen (falls einem die Spielernamen überhaupt etwas sagen) – und schon glaubt man, rundum im Bilde zu sein. Wer will und wer’s verstehen kann, kann zusätzlich argentinische Sportberichte im Netz durchstöbern. Doch das ist beinahe schon Wissenschaft.

Teams, von denen ich mein Lebtag nie gehört habe, erlangen durch virtuelle Wettscheine plötzlich eine gewisse Bedeutung; ganz so, als würde man bei Pferderennen ahnungslos auf das Tier mit dem schönsten Namen oder der prächtigsten Mähne wetten. In diesem Sinne habe mich aufs Geratewohl dazu hinreißen lassen, auch einen Tipp zur italienischen Begegnung Benevento gegen Carpi abzugeben. Da ging’s um den Aufstieg in die Serie A, also die erste Liga Italiens.

Bundesliga ist natürlich absoluter Standard, ebenso gewisse Begegnungen der englischen Premier League, der spanischen, italienischen oder französischen Liga. WM und EM auch, falls sie mal laufen. Doch jenseits dessen beginnt das endlos weite Gelände des Ungefähren und Exotischen. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Spiele in einer einzigen Woche stattfinden. Und nun mal Hand aufs Herz: Würde man ruhigen Gewissens wetten wollen, dass bei all dem nie und nimmer Manipulation im Spiel sein kann?

Die abenteuerlichsten Wetten kann man da verzapfen, auch auf bereits laufende Spiele. Wer schießt das nächste Tor? Wie genau lautet das Endergebnis in der regulären Spielzeit? Welcher Spieler erzielt einen Treffer? Wem gelingen in der zweiten Halbzeit mehr Tore? Wer netzt „ab sofort“ öfter ein (bisherige Tore werden dabei nicht gewertet)? Und noch viele, viele Spitzfindigkeiten mehr. Es grenzt mitunter an Irrsinn. Oder an Kinderei.

Man kann auch spaßeshalber Mannschaften gegeneinander antreten lassen, deren Match gar nicht auf dem Spielplan steht. Mal dieses Beispiel eines weniger absurden Fernduells angenommen: Real Madrid spielt gegen Atletico und siegt mit 2:1. Zur gleich Zeit gewinnt Barcelona gegen Sevilla 4:1. Damit hätte (aber wirklich nur rein theoretisch) Barcelona gegen Real 4:2 gewonnen… Fußballerisch ein Witz, aber das schert den Möchtegern-Wettkönig wenig.

Ihr fragt nach Gewinn und Verlust bei meinen anfängerhaften Bemühungen? Welch‘ prosaisches Ansinnen, welch‘ schnöder Materialismus! Na gut, wenn ihr’s unbedingt wissen wollt: Es hält sich bisher einigermaßen die Waage – mit leichter Tendenz ins Minus. (*grumpf*) Drum lest in Kürze auch die nächste Folge: „Mein Offenbarungseid“.

Wie gut, dass jetzt erst einmal Sommerpause ist.




Ob Kultur oder Sport: Ohne Holländer geht es nicht! Jetzt wird Peter Bosz aus Amsterdam Trainer in Dortmund…

Soso, nach all den unwürdigen Machenschaften um den achtkantigen und nach meiner Meinung vereinsschädigenden Rauswurf Thomas Tuchels (lest die 5000 möglichen Links bitte bei Gelegenheit nach) bekommt der BVB also einen neuen Trainer. Und nach dem Vorbild gewichtiger Kultureinrichtungen im Revier ist es abermals ein Holländer.

Zur Feier des Tages schwenken wir schon mal niederländische Mini-Flaggen. (Foto: Bernd Berke)

Zur Feier des Tages schwenken wir schon mal niederländische Mini-Flaggen. (Foto: Bernd Berke)

Wie jetzt?

Nun, das Kulturzentrum „Dortmunder U“ hat bekanntlich seit Januar einen Chef aus den Niederlanden. Edwin Jacobs kam aus Utrecht. Und wer leitet seit 2015 die RuhrTriennale? Richtig, es ist der Holländer Johan Simons, der ab 2018 Intendant des Bochumer Schauspielhauses wird. Bei vakanten Posten dieser erstrangigen Güte schweift der suchende Blick also nicht selten aus dem Westen noch weiter westwärts. Nach englischem Vorbild, wo sie auf alles setzen, könnte man nun Wetten auf die künftige Leitung des Dortmunder Konzerthauses abschließen. Kommt er/sie aus den Niederlanden? Ja: Quote 1,5. Nein: Quote 3,5.

Ja, geht es denn überhaupt nicht mehr ohne die Leute aus dem flachen, topfebenen Nachbarland? Ist das jetzt unsere neue Leitkultur? Jedenfalls klingt der Akzent immer recht charmant und aufmunternd. Man weiß es spätestens seit Rudi Carrell.

Seine Oma  hielt zu Schalke

Zurück zum oft so bitteren Ernst des Fußballs. Der neue Mann beim BVB wird nicht nur Boss am Spielfeldrand, er heißt auch ungefähr so: Peter Bosz. Achtet mal drauf, wie oft wir ab sofort mit entsprechenden Wortspielen behelligt werden. Man soll ja auch keine sprachliche Steilvorlage verschenken, sondern beherzt einnetzen. Übrigens: Peter Bosz (Aussprache „Bosch“) spricht sehr gut Deutsch. Wohlfeile Scherze werden sich im Ruhrgebiet darum ranken, dass seine Großmutter angeblich Schalke-Fan gewesen ist.

Mijnheer Bosz (53) kommt von Ajax Amsterdam, wo es zuletzt Konflikte mit dem vielköpfigen Trainerstab gegeben haben soll. Mit dem jungen Team, das er nur für eine einzige Spielzeit betreut hat, ist er immerhin gleich ins Finale der Europa League vorgedrungen, das allerdings deutlich gegen Manchester United verloren wurde. Außerdem hat Bosz mit Ajax den zweiten Rang der höchsten niederländischen Liga („Eredivisie“) erreicht. Wobei zu sagen wäre, dass der dortige Fußball einiges von seinem früheren Glanz eingebüßt hat. An manchen großen Turnieren nimmt Oranje mangels Qualifikationserfolg gar nicht mehr teil, was stets hämische Gesänge deutscher Fans nach sich zieht.

Ein ordentlicher Karriereschritt

Mit dem BVB darf Peter Bosz gleich in der Champions League antreten, der Wechsel bedeutet also einen ordentlichen Karriereschritt für ihn. Er wird als Draufgängertyp beschrieben, als einer, der einen angriffslustigen Hurrastil spielen lasse. Gerühmt wird besonders sein Umgang mit jungen Talenten. Da hat er in Dortmund ein reiches Betätigungsfeld. Eine Aufzählung der Namen erspare ich uns.

Beim BVB erhält er jedenfalls einen Vertrag bis 2019. So war auch sein Vertrag in Amsterdam datiert – ebenso wie Tuchels Vertrag in Dortmund. Aber was sind heutzutage schon Verträge? Man kann die Leute ja notfalls kostspielig herauskaufen oder dito abfinden.

Sollte Bosz eines Tages beim BVB seine Mission (nicht) erfüllt haben, so kann ich euch schon jetzt eine bevorzugte Überschrift auf den Sportseiten nennen: „Der fliegende Holländer“. Jede Wette! So sind sie drauf, die für Leibesübungen zuständigen Redakteure.

Watzke wirkte seltsam verhalten

Auf die offizielle Deutung der Ereignisse haben wir natürlich demütig bis zur Pressekonferenz gewartet, die ab 15:15 Uhr per Livestream bei BVB total übertragen wurde. Ich mag hier keine ferndiagnostische Küchenpsychologie betreiben – und doch: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wirkte bei seinem ersten Statement vor den Kameras äußerst verhalten, er rang nach Worten und wirkte nicht gerade froh. Anscheinend haben ihn die letzten Tage mitgenommen. Daraus leiten wir jetzt mal gar nichts ab.

Und Peter Bosz? Versicherte selbstverständlich, dass er den BVB für einen Superverein halte und in einem fast dreistündigen Gespräch mit Watzke und Sportdirektor Michael Zorc überzeugt worden sei, nach Dortmund zu kommen. Und ja: Dem Kartenspiel frönt der offenbar umgängliche Mann gelegentlich auch…

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P.S.: Alle, die seit Tagen vor lauter trunkener Vereinstreue nur noch nach vorn blicken und keinerlei Hergangs- oder gar Gewissenserforschung zulassen mochten, werden jetzt hörbar aufatmen. Nun spricht ja erst einmal keiner mehr über Tuchel.

P.P.S.: Voreiliges Unken ist ebenso unangebracht wie voreiliger Jubel über den neuen Trainer. Peter Bosz soll halt mal schauen und machen. Viel Glück und Erfolg dabei!




BVB feuert Tuchel – und nun wabern die Gerüchte

Es kam, wie es (vielleicht nicht) kommen musste: Der BVB hat am Mittag tatsächlich die Trennung von Trainer Thomas Tuchel vollzogen, das Personal-Gespräch soll gerade mal 21 Minuten gedauert haben. Über diese Fehlentscheidung, die sich seit Tagen und Wochen angedeutet hatte, habe ich mich hier schon gleich nach dem Pokalendspiel echauffiert.

Flüchtiger Moment nach dem Pokalfinale: BVB-Geschäftsführer Watzke (hinten) umarmt Trainer Tuchel. (Vom ARD-Bildschirm abgeknipst)

Flüchtiger Moment nach dem Pokalfinale: BVB-Geschäftsführer Watzke (hinten) umarmt Trainer Tuchel. (Vom ARD-Bildschirm abgeknipst)

Jetzt wabern die Spekulationen. Doch egal, woran es nun letztlich gelegen haben mag, ob halt „die Chemie nicht gestimmt hat“ und ob Tuchel für Watzke & Co. etwa kein guter Kartenspielpartner oder Bierkumpan gewesen ist, wie es hie und da geheißen hat: Die Meinungen bei den Fans sind gespalten, wie nie in den letzten Jahren. Es mutet wie eine Zerreißprobe an. Wenn man sich heute in den so gern zitierten „sozialen Netzwerken“ umtut, liest man, dass sich dort vielfach tiefe Enttäuschung Luft macht. Und man fragt sich, wie das nun alles gekittet werden soll. Der Slogan „Echte Liebe“ wird derweil fast nur noch ironisch zitiert.

Außerhalb von Dortmunder Dunstkreisen schütteln sie eh die Köpfe: Wie kann man nur einen Erfolgstrainer so Knall auf Fall entlassen? Es muss wahrlich triftige Gründe geben, die weit über den zuweilen spröden Charakter Tuchels hinaus reichen.

Das wird ein ziemlich teurer Spaß

Das Ganze wird mit Sicherheit ein ziemlich teurer Spaß: Tuchel wird eine mehr als ordentliche, millionenschwere Abfindung erhalten, weil sein laufender Vertrag nicht erfüllt wird. Auch wird man sich beim Angebot für den Nachfolger nicht lumpen lassen dürfen. Das kommt einiges zusammen.

Doch natürlich hat sich die Geschäftsführung in Person von Hans-Joachim („Aki“) Watzke der breiten Gremien-Unterstützung versichert. Also wird Watzke die nunmehr nötigen Beträge wohl nicht aus eigener Tasche bezahlen (haha, bitterer kleiner Scherz meinerseits). Bin allerdings mal gespannt, wie der BVB-Aktienkurs sich jetzt entwickelt…

Apropos Nachfolger. Da kommen jetzt die wildesten Gerüchte auf. Vom Kölner Coach Peter Stöger ist die Rede, auch vom Frankfurter Trainer Nico Kovac, dessen Team gerade noch Gegner im Pokalfinale war. Lucien Favre (Nizza, vormals Mönchengladbach) ist eh seit Wochen im Gespräch.

Jedenfalls kann sich der neue Mann darauf gefasst machen, dass er mit großen Erwartungen befrachtet wird. Platz zwei in der Liga wäre wohl das Mindeste, was man sich von ihm erhoffen müsste, außerdem eine erstklassige „Performance“ in der Champions League. Falls der künftige Trainer sportlich hinter Tuchel zurückbleibt (der laut „Kicker“-Berechnung im Schnitt aller Spiele die meisten Punkte für den BVB geholt hat – sogar mehr als Klopp oder Hitzfeld), werden viele zu maulen beginnen. Und man kann nur hoffen, dass dann kein Dortmunder Trainer-Karussell angeworfen wird.

In der offiziellen Mitteilung des Vereins heißt es übrigens heute u. a.: „Der BVB legt großen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei der Ursache der Trennung keinesfalls um eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Personen handelt. Das Wohl des Vereins Borussia Dortmund, den viel mehr als nur der sportliche Erfolg ausmacht, wird grundsätzlich immer wichtiger sein als Einzelpersonen und mögliche Differenzen zwischen diesen.“

Klingt ein wenig nach Kommuniqué aus dem Kreml, nicht wahr? Und die uralte Leier, dass der Verein größer sei als jeder Einzelne? Ach, Sportsfreunde: geschenkt!

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P.S.: Inzwischen hat sich Hans-Joachim Watzke mit einem „Offenen Brief“ an die BVB-Fans gewendet, der Wortlaut findet sich hier. Es müssen ja auch einige Wogen geglättet werden. Ob’s hilft?




Pokal geholt – und jetzt soll Tuchel gehen?

Endlich geschafft! Der BVB hat, nach einigen vergeblichen Endspiel-Anläufen, im Berliner Olympiastadion gegen eine tapfere Eintracht aus Frankfurt den DFB-Pokal errungen. Und jetzt?

Ziemlich gelb: BVB-Triumph im Berliner Olympiastadion. (Vom ARD-Bild abgeknipst)

Ziemlich gelb: BVB-Triumph im Berliner Olympiastadion. (Vom ARD-Bild abgeknipst)

Jetzt wird erst einmal gefeiert. Morgen gibt’s die große schwarzgelbe Jubelorgie in Dortmund – mit Autokorso durch die Innenstadt. Wie sich das gehört. Und wie sie es in München so gar nicht mehr kennen. Dort werden Titel eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Und wehe, es gibt kein Double oder Triple…

Und dann?

Die BVB-Bosse werden doch wohl den Trainer Thomas Tuchel nicht entlassen? Was soll er denn noch abliefern? Letzten Samstag Platz drei in der Bundesliga, der die direkte Qualifikation zur Champions League bedeutet. Heute den DFB-Pokal. Und dabei haben wir die furchtbare Geschichte mit dem Bus und der Bombe gar nicht mal erwähnt. Diese Krise überwunden zu haben…

BVB-Trainer Thomas Tuchel im Moment der Genugtuung. (Vom ARD-Bild abgeknipst)

BVB-Trainer Thomas Tuchel im Moment der Genugtuung. (Vom ARD-Bild abgeknipst)

Und daraus soll man nun die Konsequenz ziehen, den Schweizer Lucien Favre aus Nizza nach Dortmund zu holen? Klingt irgendwie falsch, auch wenn Favre ein guter Trainer sein mag. Doch warum dieser Tage ausgerechnet der einstige BVB-Erfolgscoach Ottmar Hitzfeld für seinen Beinahe-Landsmann Favre plädiert („Favre passt zum BVB“), bleibt sein Geheimnis. Der gebürtige Lörracher, längst nicht mehr im Geschäft, hätte doch einfach mal schweigen können.

Dasselbe gilt für den Mannschaftskapitän Marcel Schmelzer, der offenbar noch gegen Tuchel nachgetreten hat, indem er die Nicht-Aufstellung Nuri Sahins fürs Finale heftig kritisiert und den Trainer dafür verantwortlich gemacht hat. Ach was! Moment mal: Wer stellt ein Team eigentlich auf? Die Fans? Der Kapitän? Oder gar der Trainer?

Um mal etwas weiter unten anzusetzen: Auf Schalke, wo sie in dieser Saison rein gar nichts erreicht haben, hätten sie einem wie Tuchel zu Füßen gelegen. Selbst dort, wo alleweil Chaos herrscht, würden sie ihm also gewiss nicht den Stuhl vor die Tür setzen.

Kurz noch dies notiert: Beim DFB haben sie offensichtlich einen grottenschlechten Geschmack. Was sollten diese golden gewandeten Deko-Miezen zur Pokalübergabe? Was um Himmels Willen sollte der Auftritt von Helene Fischer zur Halbzeitpause? Sofortiges Abschalten für 15 Minuten war das Mindeste.

Und was für ein Schwätzer war bei der ARD zugange? Kommentator Steffen Simon richtet sein Fähnlein – wie üblich – stets minutengenau nach dem Wind. Erst gerierte der Opportunist sich wie ein BVB-Fan, dann zwischenzeitlich wie ein Frankfurter – und schließlich schwenkte er wieder zu den Westfalen über. Schilfrohr am Mikro.




Konjunktur mit Fußballbildchen: Das Wunder in Tüten aus Dortmund und Unna – zur Geschichte des Bergmann-Verlags

Anno 2011 war in den Revierpassagen einmal vom heute längst vergessenen Dortmunder Pinguin-Verlag die Rede. Unser Gastautor Horst Delkus (Kamen) hat dazu noch ein paar Hintergründe und Weiterungen recherchiert. Hier sein Bericht:

Mit Autogramm: Spielerkarte des BVB-Stürmers Siggi Held, Jahrgang 1942, der zu den Europacup-Gewinnern von 1966 gehörte. (Bergmann-Verlag/Sammlung Delkus)

Mit Autogramm: Spielerkarte des BVB-Stürmers Siegfried („Siggi“) Held, Jahrgang 1942, der zu den Europacup-Gewinnern von 1966 gehörte. (Bergmann-Verlag/Sammlung Delkus)

Für uns Jungs der fünfziger und sechziger Jahre bestand das Wirtschaftswunder vor allem aus Tüten. Wundertüten. Gekauft am Kiosk – „anne Bude“ – für einen Groschen, was damals 10 Pfennig, etwa 5 Cent waren. Diese Tüten waren gefüllt mit buntem Popcorn, Karl May-Figuren, Tieren aus Afrika. Und mit bunten Fußballbildern: Mannschaften im Postkartenformat und Spielerporträts im handlichen Format von 9 mal 6 Zentimetern.

Man konnte die Bilder in Alben einkleben, die „Doppelten“ tauschen, gegen eine Hauswand „schnibbeln“ (wer seine Karte am nächsten an der Wand liegen hatte, hatte gewonnen) und mit Autogrammen veredeln. Welche Anziehungskraft diese bunten Pappbilder damals hatten, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Denn Fußballer kannte man meist nur dem Namen nach. Oder aus dem Stadion. Bilder, zumal in Farbe, waren noch selten.

Boom mit Beginn der Bundesliga

Ihren Boom erlebten die bunten Fußball-Karten mit Beginn der der Bundesliga im Jahr 1963. Beliebt wurden vor allem die Tütenbilder aus dem Bergmann-Verlag. „Der Name Bergmann“, so der „Spiegel“, „steht wie kein anderer für die Fußballbilder der sechziger und siebziger Jahre.“

Rückseite des oben wiedergegebenen Fotos von Siegfried Held. (Bergmann-Verlag/Sammlung Delkus)

Rückseite des oben wiedergegebenen Fotos von Siegfried Held. (Bergmann-Verlag/Sammlung Delkus)

Gegründet wurde Bergmann-Verlag 1964 in Dortmund. 1967 dann die Verlegung des Unternehmenssitzes nach Unna, 1975 in die Schweiz. Seitdem gab es auch die Kooperation mit Panini, dessen Bilder und Alben bis heute zur Fußball-Fankultur gehören.

Hervorgegangen ist der Bergmann-Verlag aus einem kleinen Dortmunder Kinderbuchproduzenten, dem Pinguin-Verlag am Westenhellweg. Der stellte Bilderbücher her wie „Der Baron Fox von Kolon“, eine italienische Lizenzausgabe. „Unbeholfen gezeichnet und gleich zu Beginn sprachlich fehlerhaft“, wie der Kulturjournalist Bernd Berke an dieser Stelle, nämlich 2011 im Revierpassagen-Blog befand, zudem eine „spindeldürre Geschichte“ von einem bösen Fuchs und einem guten Hasen mit „einer windschiefen politischen Codierung“.

Gegründet hatten den Pinguin-Verlag der Unnaer Heinz Bergmann und seine aus Italien stammende Ehefrau Maria Luisa. Neben Kinderbüchern vertrieb der Verlag seit Beginn der Bundesliga Postkarten mit deren Fußballvereinen.

Böser Fuchs, guter Hase (Copyright 1963 by editrice AMZ, Milano / Pinguin-Verlag, Dortmund)

Aus dem Vorläufer-Verlag: böser Fuchs, guter Hase in „Der Baron Fox von Kolon“ (Copyright 1963 by editrice AMZ, Milano / Pinguin-Verlag, Dortmund)

1964 erfolgte die Gründung der Bergmann GmbH als Beteiligungsgesellschaft. Mit dieser GmbH als Komplementär gründete das Unternehmerpaar die Bergmann GmbH & Co.KG. Ein Jahr später gründeten sie noch eine dritte Bergmann-Gesellschaft, die Bergmann GmbH & Co.KG Fußballbild-Vertrieb, später Sportbild-Vertrieb.

Aus Pinguin wurde Bergmann

Die Herstellung und den Vertrieb von Fußball-Bildpostkarten übernahm der Bergmann- vom Pinguin Verlag zum 1. Oktober 1964, „nachdem“, heißt es in einem Schreiben an die IHK, „ein Hamburger Verlag gegen die Herausgabe dieser Karten unter dem Namen Pinguin-Verlag protestiert hatte“. Der Pinguin-Verlag hatte bereits im ersten Jahr allein mit den Postkarten einen Umsatz von etwa 100.000 DM erwirtschaftet – bei einem Verkaufspreis von 15 Pfennig.

Legendäre deutsche WM-Siegermannschaft von 1954 als Postkarte aus dem Dortmunder Pinguin-Verlag. (Pinguin-Verlag/Sammlung Delkus)

Legendäre deutsche WM-Siegermannschaft von 1954 als Postkarte aus dem Dortmunder Pinguin-Verlag. (Pinguin-Verlag/Sammlung Delkus)

Bald wurden auch größere Bilder der Bundesligavereine sowie Karten einiger prominenter Fußballspieler vom neuen Verlag hergestellt. Die Kunden des Bergmann-Verlages bestanden anfangs aus großen Waren- und Kaufhäusern, aus Buchhandlungen und Sportvereinen sowie Schreibwaren- und Sportgeschäften, die diese Postkarten und Bilder wiederum an ihre Kundschaft verkauften. Fehlende Postkarten und Bilder konnten Sammler auch direkt über den Versandhandel des Verlages erwerben. Nicht ohne Stolz schrieb Heinz Bergmann: „Wir sind der einzige vom Deutschen Fußball-Bund lizenzierte Verleger, der die farbigen Fußball-Bildkarten herstellt und vertreibt.“ Diese Lizenz stellte sich für Bergmann schon bald als eine Lizenz zum Gelddrucken heraus.

Lukrative Kooperation mit Heinerle

Unscheinbar: das ehemalige Bergmann-Verlagshaus in Unna, Hochstraße 12. (Foto: Horst Delkus)

Unscheinbar: das ehemalige Bergmann-Verlagshaus in Unna, Hochstraße 12. (Foto: Horst Delkus)

Ein weiterer Coup gelang Heinz Bergmann, als er 1965 Hugo Hein aus Bamberg, den Erfinder der Heinerle-Wundertüten, als Kommanditisten an einer seiner drei Gesellschaften, den Sportbild-Vertrieb, beteiligte. Damit war dem Bergmann-Verlag eine neue wichtige Vertriebsschiene für die Fußballbilder gesichert. Die Firma Heinerle selbst hatte bereits seit 1959 diverse Bilder als Beilage in ihren millionenfach verkauften Wundertüten abgesetzt. Mit den Bildern von Bergmann – oder umgekehrt: mit den Wundertüten von Heinerle – gelang bald der Durchbruch auf dem umkämpften Markt der Sammelbilder. Eine Win-win-Situation, wie man heute sagt.

Das erste Bundesligaalbum des Bergmann-Verlages erschien im Jahr 1965: „Bundesliga 65/66“, damals noch mit dem Kultverein Tasmania Berlin. Bis 1984/85 kam dann in jeder Bundesligasaison ein Sammelalbum für jeweils 300 bis 400 Bilder heraus. Dazu gab es Sonderauflagen zum Beispiel zu Weltmeisterschaften. Diese Sammelalben waren neben der exklusiven DFB-Lizenz an den Bildrechten und den Heinerle-Wundertüten die dritte Säule des wirtschaftlichen Erfolges des Bergmann-Verlages. Denn ein Album sollte natürlich voll und möglichst komplett werden.

Sechs VW-Busse für die Auslieferung

Zwei Jahre nach der Gründung, Ende 1966, beschloss Heinz Bergmann, seine Verlagsaktivitäten an seinen Wohnort zu verlegen, nach Unna-Königsborn. Hier wuchs der Verlag weiter, hatte Ende 1967 sechs VW-Busse für die Auslieferung und zwölf Beschäftigte.

Die Produktpalette seines Verlages erweiterte Bergmann ständig. So erschienen Fußball-Postkarten als Reklamebilder. Für Knorr-Suppen zum Beispiel, für Aral und andere. Neben den Sammelalben gab der umtriebige Verleger auch Poster von Mannschaften heraus. Seine Rechte an den bunten Fußballbildern vergab Bergmann ebenfalls an andere Verlage, die die Bilder dann in Lizenz druckten. Auch im Fußballmagazin „Kicker“ erschienen Sammelmarken für Fußballbilder aus dem Bergmann-Verlag. Bergmann schaffte es so, zum Marktführer für Fußball-Sammelbilder zu werden.

Rückseite eines Fußball-Sammelbildes von Helmut Haller - als Werbung für Knorr-Suppen. (Sammlung Delkus)

Rückseite eines Fußball-Sammelbildes von Helmut Haller – als Werbung für Knorr-Suppen. (Sammlung Delkus)

1969 gab Bergmann gar – „mit freundlicher Unterstützung der Schallplatten-Industrie“ – ein erstes Sammelalbum über Musiker heraus, die „Schlager-Star-Parade `69“. Auch diese Bilder waren für 10 Pfennig pro Tüte am Kiosk zu kaufen.

Als die Qualität nachließ

Anfang 1975 erfolgte – aus mir unbekannten Gründen – die Auflösung der Bergmann-Gesellschaften in Unna und die Verlagerung nach Fribourg in der Schweiz – nun als Bergmann AG. Dort brachte der Verlag anstelle der Kartonbilder erstmals selbstklebende Bilder heraus. „Leider“, heißt es, „ließ die Qualität der Bildmotive stark nach. Hatte man sich bis dato mit wenigen Ausnahmen auf Porträts der Spieler beschränkt, bestimmten nunmehr lieblos fotografierte Spielszenenbilder den Eindruck. Noch dazu waren sie grobkörnig und nicht selten auch unscharf.“

…und dann trat Panini auf den Plan

1979 kam es zu einer weiteren entscheidenden Veränderung: Der Bergmann-Verlag gab in diesem Jahr das erste Bundesliga Fußball-Sammelalbum in Kooperation mit Panini heraus. Vermutlich war diese Kooperation mit dem italienischen Sammelbildhersteller der Anfang vom Ende der Eigenständigkeit des Bergmann-Verlages.

Das Aus für den Bergmann-Verlag kam dann 1984. Ironie der Geschichte für einen Verlag mit schwarz-gelben Wurzeln: Nach „80 Jahre Schalke 04“, der Jubiläumsserie für ein Faltposter, kam das Ende. „Neben vielen Spielszenenbildern der Bundesliga-Begegnung „Schalke – Karlsruhe“ aus der Saison 1983/84 umfasst die Serie Spielerporträts, welche der Verlag bereits in früheren Jahren publiziert hatte.“ Danach war es vorbei mit dem Bergmann-Verlag.

Doch Fußballbilder gibt es weiterhin. Auch heute noch sammeln und tauschen viele junge (und inzwischen alte Männer) die Bilder aus Tüten. Wen wundert`s?

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Quellen- und Literaturverzeichnis:

Westfälisches Wirtschaftsarchiv WWA, Dortmund: Signatur K1 Nr. 7841-7843; K1 Nr. 13595-98
Bergmann-Sammelalben 1965 – 1984 bei www.stickerfreak.de
Berke, Bernd: „Pinguin-Verlag in Dortmund? Nie davon gehört!“ in: www.revierpassagen.de vom 29. September 2011
Giesen, Klaus: Sammelbilder in www.sammlerforen.net/showthread.php?t=1243




Mythos Tour de France: Ja, wo radeln sie denn?

Die Düsseldorfer meckern gerne bei einem schönen Gläschen Crémant über den Grand Départ, den großen Start der Tour de France 2017 in unserem Möchte-gern-Klein-Paris. Ein einziger Reklamerummel sei das, viel Geld, Gedöns und blöde Dekoration für ein paar Momente, die nur Radsport-Fans interessieren.

Aber halt, die Chose hat auch kulturelle Aspekte, ja, da staunen Sie, Mesdames et Messieurs! Im NRW-Forum, dieser Forschungsstation für eine Philosophie der westlichen Lebensart, wurde soeben eine Ausstellung über den „Mythos Tour de France“ eröffnet, die auch Sportschau-Verächtern gefallen wird.

Dabei geht es nicht um eine kritische Betrachtung des Radzirkus mit seinen obskuren Geschäften und Skandalen. Man will ja die Stimmung und das Sponsoring nicht verderben. Lediglich ein kleines Wandobjekt mit Beutelchen Eigenblut des jungen Künstlers Martin Höfer weist diskret auf das Doping-Problem hin. Ansonsten freut man sich an Menschen, Rädern, Emotionen – und einer zum Teil überwältigenden Ästhetik. Düsseldorfs Kulturdezernent Hans-Georg Lohe hat nicht Unrecht, wenn er feststellt, Sport und Kunst seien sich näher als gedacht.

Legenden der Landstraße

So edel sah man die Helden des belgischen Radsports gewiss nie wie auf den Schwarz-Weiß-Porträts des Fotografen Stephan Vanfleteren: Eddy Merckx, Briek Schotte, Johan Museeuw – Legenden der kurvenreichen Landstraße. Aber selbst, wenn man die Namen der Sportstars überhaupt nicht kennt und kein Fachgespräch über sie führen könnte, wird man die markanten Visagen zu schätzen wissen.

Gleich davor kann man seinen kindlichen Spaß haben. Der Franzose Pascal Rivet hat Radsportler der 1990er-Jahre in hölzerne Aufstellfiguren verwandelt – lebensgroß und kopflos wie auf einem altmodischen Jahrmarkt. Besucher dürfen damit posieren und das Smartphone für ein Selfie zücken.

An der Wand hängen, in weiß gerahmten Kästen, die Trikots diverser Tour-Teilnehmer, getränkt mit dem Schweiß der Helden: Reliquien der besonderen Art aus der Privatsammlung des britischen Modedesigners Paul Smith. Aufschlussreicher ist allerdings eine Serie der Fotografin und Bloggerin Nicola Mesken, die seit zwölf Jahren mit einer analogen Kleinbildkamera und liebevollem Blick die Fans entlang der Strecke fotografiert – und vor allem eins entdeckt hat: Begeisterung.

Harry Gruyaert (75), einer der großen Bildreporter der Agentur Magnum, hielt in den 1980er-Jahren mehr Abstand und fotografierte die stillen Landschaften, durch die Radler sausen wie ein Schwarm aggressiver Insekten. Am Rand grasen die Schafe, Brünnlein fließen, Kinder spielen, Familien machen Picknick, als wäre nichts geschehen.

Euphorie und Elend

Dazu spielt die Musette-Musik, und man hört Männerstimmen aus einem Dokumentarfilm, den der Regisseur Louis Malle 1962 gedreht hat: „Vive le Tour“. Zur großen Euphorie, zeigt Malle, gehören auch Schmerz, einsamer Kampf, Verletzung, Zusammenbruch.

Die Tour ist, jenseits der Tabellen und der üblichen Sportberichte, ein Ereignis, das verschiedene Aspekte des irdischen Lebens auf eigentümliche Art verdichtet. Man sieht beklommen auf die von Robert Capa fotografierten Fähnleinschwenker von 1939, die kurz vor Ausbruch des katastrophalen Krieges noch einmal nur ans Radfahren dachten. Man sieht den Hippie und die Mutti nebeneinander 1978 in Paris. Man sieht in wandhoher Vergrößerung die zerschundenen und verpflasterten Beine von Radsportlern, die Tim Kölln nach dem Zieleinlauf fotografiert hat: Säulen aus Muskeln.

Olaf Unverzagt, selbst begeisterter Radler, fotografierte nur die Schauplätze vor dem Sturm – die menschenleeren Kurven zwischen Häusern oder Gipfeln. Die Erwartung ist spürbar – und zugleich ein Wissen um die Flüchtigkeit des Ereignisses. Auf der berühmten Fotografie „Tour de France“, die Andreas Gursky 2007 machte, wirken Sportler, Fans, Begleiter wie winzige Ameisen in der gewaltigen Kulisse einer aus der Ferne betrachteten Serpentinenstraße irgendwo im Gebirge.

Das große Rauschen

Gursky ist nicht der einzige Düsseldorfer Kultur-Star, der sich für das Thema Tour engagiert. Kraftwerk, die Band, die 1970 den Elektropop erfand („Wir sind die Roboter“), wird zum Start der Tour de France am 1. Juli im Ehrenhof spielen und hat für die Mythos-Schau eine Filmcollage mit typischer Kraftwerk-Musik produziert. Konzeptkünstler Reinhard Mucha präsentiert im dunklen Hinterzimmer einige Bilder und Papiere, deren Sinn sich nur dem geduldigen Betrachter erschließt.

Bestechender sind da die Bilder des Fotografen Philipp Hympendahl, der mit einer altmodischen Rollfilm-Kamera nicht nur unwirklich schöne Panoramen von der Wegstrecke schuf. 2001 gelang ihm an der Route auf der Alpe d’Huez eine verblüffende Fotografie, auf der alles Umgebende überdeutlich zu sehen ist: die Berge, Bäume, Zuschauer, sogar der Kirchturm des nahen Dorfs. Die Truppe der Radler aber erscheint nur wie eine abstrakte Woge aus vorbeirauschenden Farben. Es ist eben alles nur ein Spuk.

Info:
„Mythos Tour de France“. Bis 30 Juli im NRW-Forum Düsseldorf, Ehrenhof 2. Täglich 11 bis 18 Uhr, Fr. und Sa. bis 20 Uhr. www.nrw-forum.de




Martin Schulz, der BVB und die „Geißböcke“ – ein Fan-Fake oder nur ein Ausrutscher?

So, da hätten wir den SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz also ertappt. Wobei? Ihr werdet es gleich sehen.

SPD-Spitzenmann Martin Schulz, hier beim Bundesparteitag am 19. März 2017 in Berlin. (Foto: Olaf Kosinsky / konsinsky.eu / Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

SPD-Spitzenmann Martin Schulz, hier beim Bundesparteitag am 19. März 2017 in Berlin. (Foto: Olaf Kosinsky / konsinsky.eu / Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Ein widerspenstiger Freund, seines Zeichens Fan des 1. FC Köln, wollte mich gestern ein bisschen ärgern und hat deshalb bei Facebook hämisch auf ein Foto von Schulz hingewiesen, das den Politiker mit einem BVB-Schal um den Hals zeigt. Nicht nur subkutane, sondern laut verkündete Botschaft: Bei BVB-Anhängern klappt’s auch nicht mit Wahlerfolgen. Und wenn man dann noch die schwarzgelben Borussen-Farben mit einer möglichen schwarzgelben Koalition in NRW zusammendenkt…

Halt! Erstens ist das natürlich reiner Unsinn und bloßes Wunschdenken eines notorischen Geißbocks. Zweitens muss man nicht einmal näher hinsehen, um zu erkennen, dass Martin Schulz mit dem BVB-Schal alles andere als froh ist. Er schaut dermaßen miesepetrig drein, als stünde der Abstieg (wessen Abstieg auch immer) unmittelbar bevor. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich das Bild hier nicht einfach hinsetzen, aber schaut doch bitte mal auf diesen Link.

Damit nicht genug. Drittens kommt Schulz, der in jungen Jahren eine Karriere als Fußballprofi angestrebt hat, bekanntlich aus Würselen bei Aachen. Drum stünde zu vermuten, dass sein Herz eher an dortigen Vereinen hängt. An Alemannia Aachen beispielsweise. Oder halt am 1. FC Köln. Es wabert also der vage Verdacht eines Fan-Fakes im Raum, wenn Schulz sich auf BVB-Farben einlässt.

Und siehe da! Die Suchmaschine spuckt tatsächlich sofort aus, dass Martin Schulz immer schon den Kölnern die Daumen drückt. Dabei wird er in dem entsprechenden Beitrag des Deutschlandfunks mehrmals als Vereins-„authentisch“ bezeichnet, wohingegen Altkanzler Gerhard Schröder, der in derlei Clubfragen treulose Gesell‘, nach leutseliger Lust und Laune mal den oder jenen Schal umgelegt hat.

Warum also hat Schulz sich (offenbar widerwillig) mit BVB-Schal ablichten lassen, warum hat er sich den offensichtlichen Tort angetan? Um hier noch ein paar ruhrige, westfälische und sonstige Stimmen abzufischen? Sollten bei hartnäckiger Suche etwa auch noch Schulz-Bilder mit Fanklamotten von Werder Bremen, Hertha BSC, dem VfB Stuttgart oder gar von Schalke auftauchen? Der Wahrheit die Ehre: Dergleichen habe ich einstweilen nicht gefunden. War also der BVB nur ein „Ausrutscher“?

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Hier noch ein paar hübsche Fundstücke:

Martin Schulz mit Schal von Holstein Kiel
Martin Schulz mit Trikot des 1. FC Köln
Martin Schulz mit Trikot von Rhenania Würselen

Wer findet mehr?




3:2 in München gewonnen – Balsam für die wunde, geschundene Dortmunder Seele

Der BVB gewinnt in München 3:2 gegen den FC Bayern und steht somit im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt. So weit die dürren, freilich bedeutsamen Fakten.

Euphorie in Schwarzgelb - Screenshot von der ARD-Übertragung aus München

Euphorie in Schwarzgelb – Screenshot von der ARD-Übertragung aus München

Wohl noch nie hat man den eher zur spartanisch-puritanischen Nüchternheit neigenden Borussen-Trainer Thomas Tuchel dermaßen euphorisiert, ja momentan nahezu enthemmt gesehen. So kann er also auch sein. Es waren die Augenblicke seines bislang größten Triumphs. Dem sollte er beim Finale in Berlin die Krone aufsetzen können.

Es war mutig bis tollkühn, dass er gegen Schluss den offensiven Christian Pulisic für den Verteidiger Łukasz Piszczek einwechselte. Und es war richtig. Sonst wechselt Tuchel auch schon mal unbegreiflich hasenherzig. Diesmal nicht. Und siehe da…

Von den Taten der Bender, Bürki, Aubameyang und Dembélé (und all den anderen) zu berichten, bleibt der zeitgenössischen Heldendichtung vorbehalten. Ihr nehmt das bitte ebenso ernst wie ironisch, nicht wahr?

Das ganze Spiel ist Balsam für die zuletzt so wunde, geschundene Dortmunder Seele gewesen. Der Bus. Die Bomben. Wir müssen an dieser Stelle nicht mehr weiter darüber reden. Offenbar ist die Dortmunder Mannschaft gerade jetzt und gerade dadurch zusammengewachsen. Was man gemeinsam erlitten hat…

Es war denn doch eine aufregende Begegnung. Zunächst gewann Borussia Dortmund die Oberhand und die 1:0-Führung. Nach dem 1:1-Ausgleich waren die Bayern für einige Zeit die deutlich bessere Mannschaft, sie haben jedoch riesige Chancen vergeben. Ohne Glück war heute nichts zu machen.

Was war nicht im Vorfeld spekuliert worden! Beide Mannschaften waren in der Vorwoche aus der Champions Lague ausgeschieden, beide Trainer würden also sozusagen um ihren Job spielen. Stimmungslagen und Mentalitäten wurden austariert bis zum Gehtnichtmehr. Ach, wie sensibel doch Sportredakteure sind…

Löw war da. Nagelsmann war da. Überhaupt hat heute wahrscheinlich tout Fußball-Deutschland zugesehen. Über den ARD-Kommentator Tom Bartels möchte ich nicht viele Worte verlieren. Bei ihm wird immerzu „abgeblockt“, ein Schuss oder eine Flanke ist „gut, aber nicht gut genug“, ein Spieler vollführt eine „gute Bewegung“ oder wirft sich in den gegnerischen Angriff „mit allem, was er hat“. Derlei Gelaber wird auch noch richtig gut bezahlt.

Am besten ist’s überhaupt, wenn man solche Fußballspiele ohne das ganze Geplänkel drumherum genießt. Schnörkellos, sozusagen. Den Ball flach halten.

Seltsames Zusammentreffen übrigens: Bei Facebook habe ich just vor diesem Spiel einen hartleibigen politischen Linksaußen „entfreundet“, entfreunden müssen, der in quasi-adornitischer Manier den Anschein erweckte, man dürfe nicht über Fußball reden, ohne sich zuvörderst an die KZ-Vergangenheit zu erinnern. Verrückt. Als wenn man dies jemals vergessen und vermindern könnte.

 

 




Zur Not kann man auch am Gegner seine Freude haben – über solche und solche Fußballfans

In dieser „englischen“ Fußballwoche geht’s gleich zweimal rund in der Bundesliga: Heute (Dienstag, 4. April, 20 Uhr) trifft der BVB im heimischen Dortmunder Westfalenstadion * auf den Hamburger SV, am Samstag (8. April, 18:30 Uhr) geht’s zu den Bayern nach München. Anlass genug für diesen Beitrag: Unser Gastautor, der Schriftsteller Heinrich Peuckmann, schreibt über verschiedene Arten von Fußballfans:

Dortmunder Torjubel im Westfalenstadion beim 3:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur. (Foto: Bernd Berke)

Dortmunder Torjubel im Westfalenstadion beim 3:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur. (Foto: Bernd Berke)

Meine drei Söhne sind brav, sie sind ihrem Vater gefolgt und Fußballfans geworden. Und weil sie auch noch gut erzogen sind, haben sie die Vorliebe ihres Vaters übernommen. Sie sind Fans von Borussia Dortmund.

Zwei Dauerkarten haben wir und gehen in wechselnden Kombinationen ins Stadion. Und dabei stellen wir immer neu fest, was wir schon vorher wussten. Fan ist nicht gleich Fan. Wir merken es beim Absingen der Fan-Lieder. „Borussia, unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz…“ ist ein Lied, das wir nicht mitsingen können. Der Fußball ist ein schöner Teil unseres Lebens. Wie genießen die Spiele im Stadion, haben Freude an den Fernsehübertragungen, aber unser ganzes Leben ist Borussia nicht. Und stolz sind wir auf das, was wir selber schaffen, ohne es freilich übermäßig nach außen zeigen zu wollen.

Sport ist doch nicht alles…

Fußball hat für uns einen Stellenwert, aber er dominiert uns nicht. Entsprechend gehen uns Fans, für die Fußball alles ist, gehörig auf die Nerven. Irgendwann saß so ein Fan in der Kneipe neben uns, brüllte rum, kommentierte alles (ohne viel Ahnung zu haben) und sprach uns immer wieder an. Bis es meinem jüngsten Sohn endgültig reichte. „Wir interessieren uns nur für Fußball, weil uns Gespräche über Baumärkte und Autos noch mehr langweilen“, sagte er dem Mann. An das erstaunte Gesicht mit dem offenen Mund erinnere ich mich gut. Man sah dem Mann deutlich an, wie sein Männerbild zusammenbrach.

Leute, die keine Ahnung vom Fußball haben, aber umso lauter rumbrüllen, sind schwer zu ertragen. Als ein Angriff unserer Borussia mal wegen Abseits abgepfiffen wurde, sprang der Mann neben uns auf. „Schieber!“, schrie er, „das war doch kein Abseits.“
„Setz dich“, sagten wir, „das war Abseits.“ Überrascht schaute er uns an. „Und ich dachte, ihr seid Borussenfans“, sagte er. „Sind wir“, antworteten wir, „aber Regel ist Regel. Also ist Abseits Abseits. Auch für uns.“

Als Juventus über die linke Seite kam

Dafür lieben wir jene Fans, die wirklich Ahnung haben. Bei einem Europapokalspiel gegen Juventus Turin saß mal ein junger Mann neben mir im Stadion, der wirklich was von Fußball verstand. Juventus griff über die rechte Seite an und dem Mann fiel auf, was mir auch auffiel. „Guck mal, was da gerade links passiert!“, rief er. „Unsere rennen alle nach rechts, die haben noch gar nicht gemerkt, dass die Gefahr gleich von der anderen Seite kommt.“ Tatsächlich liefen dort unbemerkt zwei Juve-Spieler in Stellung, als unsere Abwehrspieler sich endgültig rechts versammelt hatten, kam der präzise Flankenwechsel und zwei Juve-Spieler standen frei. Mit 1:3 haben wir das Spiel verloren. Mein Nachbar stand nach dem Schlusspfiff auf und gab mir zum Abschied die Hand. „Wir haben heute eine gute Mannschaft gesehen“, sagte er, „schade, dass es die falsche war.“ Ein Satz, der Fairness zeigte und vor allem Verständnis von der Sache.

Drei Jahre später standen sich übrigens die beiden Mannschaften wieder gegenüber, im Endspiel um die Champions League, und diesmal waren „wir“ besser. Längst hatte unsere Mannschaft dazu gelernt.

Mit einem Buch im Dortmunder Stadion

Ich sehe die Dinge gerne zusammen. Fußball und Kultur, Fußball und Religion. Einmal habe ich ein Fußballspiel wie einen Gottesdienst geschildert, und siehe da, es funktioniert. Viele der Riten sind wie aus der Kirche übernommen.

Einmal bin ich sehr früh ins Stadion gegangen, weil ich sonst keine Karte mehr bekommen hätte. Es war noch die Zeit, als man an den Schaltern neben dem Stadion Eintrittskarten kaufen konnte. Heute gibt es die Schalter gar nicht mehr, die Karten sind immer verkauft. Immerhin über 80.000 pro Spiel! Weil ich also früh im Stadion sein würde, steckte ich ein Buch ein, Stefan Austs „Baader-Meinhof-Komplex“, das ich spannend fand.

Ich las also, während die Spieler sich unten warm machten und plötzlich bemerkte ich die scheelen Blicke meiner Nachbarn. Was will der denn hier, schienen sie zu denken, hat der sich verlaufen? Jedenfalls sprachen sie nicht mit mir, wie man das sonst ganz selbstverständlich im Stadion tut. Bis plötzlich ein Verteidiger der gegnerischen Mannschaft, der einen Mordsschuss hat, auf unser Tor zulief und nicht angegriffen wurde. „Passt auf da“, schrie ich und sprang erregt auf, aber es half nichts. Der Spieler zog ab und es stand eins zu null für den Gegner. Ich setzte mich wieder. „Hab ich´s nicht gesagt?“, sprach ich meine Nachbarn an. Jetzt schauten sie mich noch erstaunter an. Einer, der Bücher liest im Stadion und trotzdem Ahnung hat. Fortan wurde ich in die Gespräche einbezogen.

Unsere Helden Hans Tilkowski und Aki Schmidt

Mein Freund seit Jugendzeit, der frühere Pressesprecher von Borussia, ist mir in diesem Punkt ähnlich. Er sieht die Dinge auch in Zusammenhängen. Gleich mehrere meiner Romane und Sachbücher, in denen Fußball eine Rolle spielt, hat er in einer Pressekonferenz im Stadion vorgestellt. Wenn Borussia ruft, das wissen wir beide, kommt die Presse. Die Aufmerksamkeit, die auf diese Weise erzeugt wurde, hat meinen Büchern gut getan.

Seit Jugend an, er noch früher als ich, sind wir ins vergleichsweise kleine Stadion „Rote Erde“ gegangen und haben unseren Helden, den Nationalspielern Hannes Tilkowski und Aki Schmidt zugejubelt. Später wurden sie unsere Freunde und wir redeten und reden mit ihnen gerne über alte Zeiten. Wir als kleine Jungs auf der Tribüne, unsere Helden unten auf dem Rasen. Wenn ich meinen Söhnen Anekdoten aus dieser Zeit erzähle, lachen sie. „Telefon, Papa, das letzte Jahrhundert hat wieder angerufen.“

Der Stürmer, der fast alles verstolperte

Spotten tun nicht nur sie, sondern wir alle gerne, das will ich gerne zugeben. Irgendwann und irgendwo muss man seinen Frust ja ablassen. Von Gewalt, von sinnlosem Krakeelen aber sind wir weit entfernt. Es ist ein paar Jahre her, dass Borussia gegen den Abstieg spielte. Einen Stürmer hatten wir damals, der beinahe jeden Ball verstolperte. Wenn er ihn verloren hatte, grätschte er hinterher und beförderte ihn bestenfalls ins Aus. „Kämpfen tut er aber“, kommentierten die Dortmunder Fans dann, immer in der Hoffnung, dass der Junge irgendwann besser würde. Wurde er aber nicht. Als er wieder mal den vierten oder fünften Angriff durch seine Stolperei unterbrochen hatte und wieder jemand kommentierte, dass er immerhin schnell sei und kämpfen würde, sprang ein Freund von mir erregt auf und schrie: „Was ist das hier? Ist das Leichtathletik oder Fußball?“

Bei einem späteren Spiel lag dieser Spieler verletzt auf dem Rasen und mein ältester Sohn kommentierte: „Ich glaube, es geht gut aus, Papa. Er kann nicht weiterspielen.“
Überhaupt lieben wir Humor. Unser früherer Klasseverteidiger Julio Cesar, brasilianischer Nationalspieler, hat in einem Spiel mal zwei Ecken hintereinander ins Tor geköpft und wurde dann, unter dem Jubel der Zuschauer, ausgewechselt, weil das Spiel längst entschieden war. Bei der nächsten Ecke aber sprangen wir trotzdem auf und riefen: „Julio, Julio.“

Ein verbotener Vereinsname

Den Namen unseres Erzrivalen Schalke nehmen wir übrigens nicht in den Mund, auch ich zögere jetzt, ihn hier zu schreiben. Als ich mal eine Delegation aus Schuldezernenten bei einer Stadionführung in Dortmund begleitete, habe ich ihnen vorher erklärt, dass sie den Namen im Stadion nicht erwähnen sollen. Wer unbedingt von unserem Erzrivalen reden wolle, müsse von Herne-West sprechen. Die Dezernenten haben das für einen Witz gehalten, aber als Aki Schmidt bei seiner Führung ebenfalls immer Herne-West sagte, wurde ihnen bewusst, dass das absolut ernst gemeint war. Selbst bei dem Revierderby wird der Name unseres Gegners im Stadion nicht erwähnt. „Und jetzt die Mannschaftsaufstellung der Blauen …“, ruft unser Stadionsprecher ins Mikrophon.

Fußball ist schön, er ist unterhaltsam. Für meine Söhne und mich kommt ein kleines Nebenergebnis hinzu. Wir sind, wenn zwei von uns zum Stadion fahren, für drei Stunden unter uns. Wir haben Zeit, über alles Mögliche zu reden, über Fußball natürlich, aber auch über alles andere, was uns bewegt: Politik, Bücher, Religion, unsere Pläne …

Nicht das Hobby versauen lassen

Warum sich also schlagen? Warum Gewalt im Stadion bis hin zum Niederschießen eines Fans, wie das vor ein paar Jahren in Italien geschah? Straßenschlachten der Hooligans wie kürzlich gegen Leipzig? Wir wollen Freude haben, an unserer Mannschaft, die seit Jahren oft einen wunderbaren Fußball spielt, zur Not aber auch an der gegnerischen Mannschaft, wenn sie einen guten Ball spielt.

In einem meiner Krimis wird ein Fußballer ermordet, der zu den gewalttätigen Fans, die sich auch noch rassistisch äußern, gesagt hat, dass sie zu Hause bleiben sollten, weil ihr Handeln nichts mit Fußball zu tun hat. Mein Kommissar macht sich auf die Suche nach Täter und als er ihn hat, ruft er seinen Sohn von Leipzig aus an. „Wann kommst du nach Hause?“, fragt der Sohn. „Heute bleibe ich noch in Leipzig und esse in Auerbachs Keller“, antwortet mein Kommissar. „Aber morgen fahre ich ganz früh los, dann bin ich rechtzeitig zum Spiel von Borussia im Stadion. Von solchen Dummköpfen lasse ich mir doch nicht mein Hobby versauen.“

Meine Söhne lachten, als sie es lasen. „Das war wieder ganz unser Papa“, sagten sie. „Diesmal in der Verkleidung seines Kommissars.“

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* Westfalenstadion lautet der richtige Name, im Kommerz-Sprech heißt der Fußballtempel „Signal-Iduna-Park“ (Anm. Bernd Berke)




Stand jetzt ziemlich „humorlos“ – Notizen zum TV-Fußballjargon

Über die gängigen Floskeln der Fußball-Kommentatoren im Fernsehen kann man sich – je nach Laune – immer wieder amüsieren oder echauffieren. Hier sind ein paar neuere Standard-Wendungen, die ich mir in letzter Zeit geflissentlich notiert habe:

"Der hat ein anderes Spiel gesehen als ich." (Verfremdeter Screenshot aus dem Dortmunder Stadion)

„Der Blindfisch hat ein anderes Spiel gesehen als ich.“ (Verfremdeter Screenshot einer Begegnung im Dortmunder Stadion)

Gilt es ein Foul zu bewerten, heißt es vom Reporterplatz aus gern: „Da gibt es keine zwei Meinungen“. Diese Verfügung im nahezu diktatorischen, jedenfalls keinen Widerspruch duldenden Gestus bedeutet, dass der Kommentator genau und unwiderleglich weiß, ob es regelwidrig zugegangen ist oder nicht. Könnte der Schiedsrichter ebenfalls Zeitlupen aus einem Dutzend Blickwinkeln begutachten, wäre er vielleicht ebenso oberschlau. Wenn’s denn überhaupt stimmt, was der rundum bildversorgte Fernsehmann gesehen haben will.

„Mit allem, was er hat“

Ein kompromissloser Abwehrspieler wird seit einigen Jahren bevorzugt als „humorlos“ bezeichnet. Auch seine entschlossene Grätsche ist „humorlos“. Wer also Mist baut und dem Gegner dadurch unnötige Chancen gestattet, besäße im Umkehrschluss beträchtlichen Humor. Wat hammwer da gelacht! Apropos Abwehrspieler, einige Kommentatoren gefallen sich öfter mal in der erlesenen Formulierung, einer gehe „mit allem, was er hat“ in die Szene `rein. Das muss man sich im Vortrag mit einem ganz leicht gekräuselten Grinsen vorstellen. Wie denn überhaupt weichgespülte Ironie zur Grundausstattung gehört.

Diverse Sprecher gelangen freilich eh kaum über ein pures Nachplappern dessen hinaus, was man als Zuschauer mit eigenen Augen sieht. Man möchte unentwegt „Ach was!“ murmeln: Kommt einer nicht an den Ball, sagen sie „Er kommt nicht `ran“, stehen Widersacher seinem Schuss im Wege, heißt es, er sei „geblockt“ worden. Segelt eine Flanke etwas zu weit, ist sie „gut, aber nicht gut genug“. Verfehlen Pässe ihr Ziel, mangelt es an „Präzision“. Greift eine Mannschaft an, steht sie „hoch“, zieht sie sich nach hinten zurück, steht sie „tief“. Welch‘ ein (tief)sinnig ausdifferenziertes Fachvokabular… Vorteil: Bei solchen Nullformeln kann man vielfältig andocken und zu (un)passender Gelegenheit auch mal Bescheidwisser-Schenkelklopfer wie etwa Mentalitätsmonster“ oder „Feierbiest“ einstreuen.

Als man noch von „Granaten“ sprach

Der wohl schlimmste Mikrophonquäler von allen, den ich hier nicht namentlich nennen mag (er labert für einen Bezahlsender drauflos) und mit dem verglichen selbst Béla Réthy, Tom Bartels oder Gerd Gottlob wahre Leuchten ihrer Zunft sind, überbrückt die Zeit mit Bemerkungen des Kalibers, dass es dieser (oder eben jener) Mannschaft gefallen würde, wenn sie z.B. noch ein, zwei Tore macht, die Punkte holt und gewinnt. Man hält es nicht für möglich. Da sehnt man sich heftig zurück nach einem Ernst Huberty, der auch mal eine ganze Strecke schweigen konnte. Okay, wenn dann ein entscheidendes Tor fiel, war er auch nicht vollends aus dem Häuschen. Aber das konnte man verschmerzen. Ein paar Emotionen brachte man ja selbst mit.

Immerhin knödeln sie alle heute längst nicht mehr im martialischen Jargon von früher, als stets von Bomben und Granaten die Rede war und der erfolgreichste Stürmer als „Bomber der Nation“ bezeichnet wurde. Bis tief in die 70er Jahre hinein ging das so. Es war die Zeit, als der eine oder andere tyrannische Trainer noch geschrien haben soll: „Ihr müsst Gras fressen“. Dies und das pathetische Wochenschau-Tremolo der 50er Jahre, in denen der Krieg noch nachzitterte, brauchen wir erst recht nicht mehr.

Es kommt auf die Sekunde an

Statt dessen bequatschen uns jetzt Sprachverweigerer, die nicht mehr „nach jetzigem Stand“ sagen können. Die allermeisten sagen immer nur „Stand jetzt“, auch dann, wenn es z. B. um Transfergerüchte geht. Auch bringen sie nicht „die erste Halbzeit“ über die Lippen, sondern immer nur „Halbzeit eins“ oder „Minute zehn“, um nur ja keine Sekunde zu verschenken. Die gewonnene Zeit füllen sie sodann mit aberwitzigen Statistiken. Oder sie weisen schon mal wortreich auf die anschließende „Analyse“ respektive auf eine selbstverständlich hochkarätige Expertenrunde hin, in der uns diese eben gesehene (läppische) Szene „noch lange beschäftigen“ werde.

Wo wir schon bei Minuten sind: Wenn es auf die Nachspielzeit zugeht, gibt es bei diesen Herrschaften immer zwei oder drei Minuten „oben drauf“, niemals „zusätzlich“. Pardon, ich habe eine Ausnahme vergessen: Für Bayern München gibt’s bei Bedarf natürlich mindestens 8 Minuten „oben drauf“.

Jaja, schon klar, man möchte mit diesen sich überaus wichtig nehmenden Leuten (außer womöglich beim Gehalt) auch nicht unbedingt tauschen. Unter dem Druck eines Millionen-Publikums würde jede(r) von uns gelegentlich Unsinn verzapfen. Doch was sind das für Zeiten, in denen man den arroganten und manchmal parteiischen, doch immerhin deutlich sprachbegabten Marcel Reif wieder am Mikro haben möchte? Vom unvergleichlichen Ruhri Werner Hansch mal ganz zu schweigen. Aber seit er das selbst zu sehr weiß, nervt auch er gelegentlich.

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Nachträge (werden gelegentlich aktualisiert)

„Gute Bewegung“ (Wenn einer am Gegner vorbeikommt)
„Das war kein Freistoß für die Geschichtsbücher.“
Der Ball wird „durchgesteckt“.
„Ein emotionaler Moment“ (Inflationär gebräuchlich, wenn etwas nicht ganz gleichgültig ist)

Das neueste Ding der Sport-Kommentatoren ist es, den mächtig intellektuell klingenden Begriff „Momentum“ einzustreuen. Spieler nutzen demnach nicht mehr den richtigen Moment, sondern das Momentum. Es ist zu erwarten, dass demnächst auch „Telos“ und „Kairos“ verwendet werden.

„Fix“ (Eher in Print-Produkten gebräuchlich. Bezeichnet in aller Kürze einen unzweifelhaft geschlossenen Vertrag bzw. erfolgten Transfer. Weiß der Teufel, wer zuerst darauf gekommen ist.)




Ernst Huberty wird 90 Jahre alt – Er stand für Fußball-Kommentare mit gedämpften Emotionen

TV-Legende Ernst Huberty (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=VmYQEJ_Ww8E)

TV-Legende Ernst Huberty (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=VmYQEJ_Ww8E)

Ernst Huberty, der legendäre ARD-Sportjournalist („Mister Sportschau“), wird heute 90 Jahre alt. Aus diesem Anlass noch einmal der Beitrag, der im Juni 2014 über ihn in der Revierpassagen-Reihe „TV-Nostalgie“ erschienen ist:

Wenn man Béla Réthy, Tom Bartels, Steffen Simon und Co. über Fußball palavern hört, dann sehnt man sich manchmal zurück in die alten Zeiten eines Kurt Brumme, Rudi Michel – oder Ernst Huberty. Wie nüchtern und abgeklärt wirkte das, verglichen mit heute.

Beispielsweise im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien fiel es 2014 wieder besonders auf, welch ein Geschrei inzwischen um den Fußball gemacht wird. Im Laufe eines Spiels werden alle möglichen und unmöglichen Statistiken geliefert, auch gibt’s schon mal neckische Anspielungen auf halb private Umtriebe der Kicker. Mal ganz abgesehen von der umfangreichen Vor- und Nachberichterstattung. Das alles war in den alten Zeiten undenkbar.

„Ausgerechnet Schnellinger“

Man höre sich noch einmal (leider nur in Ausschnitten möglich) Ernst Hubertys Fernsehkommentar zum sogenannten „Jahrhundertspiel“ zwischen Italien und Deutschland bei der Fußball-WM 1970 in Mexiko an. Lange wogte die legendäre Begegnung hin und her, es ging in eine Nerven zerreißende Verlängerung. Schließlich gewann Italien mit 4:3.

Man mag sich gar nicht ausmalen, wie heutige Sprecher bei einem solchen Match simulieren würden, dass sie von einer Ohnmacht in die andere fallen. Ernst Huberty, ab 4. Juni 1961 über Jahrzehnte der „Mister Sportschau“ der ARD (als noch keine private Konkurrenz drohte), blieb hingegen die Ruhe selbst. Ein leise, aber irgendwie doch intensiv dahingesagtes „Ausgerechnet Schnellinger“ markierte schon einen Gipfel der Gefühle.

Keine starken Gefühle zeigen

Tatsächlich wurde damals ja auch noch langsamer gespielt, so dass Huberty und Kollegen die Ballstaffetten sehr gemächlich mit bloßer Namensnennung abhaken konnten. Wenn überhaupt. Fiel ein Treffer, so reichte meist ein lakonisches „Und Tor.“ Oder dergleichen. Während des Spiels wurde oft einfach geschwiegen. Es gibt ja auch nicht immer was zu schwätzen.

Selbst das WM-Finale von 1966 (England – Deutschland 4:2) rang Rudi Michel nur begrenzte Emotionen ab. Jedenfalls trug er sein Herz nicht auf der Zunge, nicht einmal beim berühmten „Wembley-Tor“ (oder eben Nicht-Tor). „Das wird wieder Diskussionen geben“, sagte er, äußerlich seelenruhig, innerlich aber wohl bewegt. Männer durften damals noch immer keine allzu deutlichen Gefühle zeigen. Metallisch dröhnende Töne wie noch 1954 waren freilich auch nicht mehr erwünscht.

Wohltuend unaufgeregt oder langweilig?

Die Sprecher der 60er und 70er Jahre klingen für heutige Empfinden einerseits wohltuend unaufgeregt. Andererseits bringt man die Geduld für einen solchen Stil gar nicht mehr auf. Je nach Gemütszustand, möchte man Ernst Huberty am liebsten nachträglich schütteln: „Nun reg’ dich doch endlich mehr auf! Nun lass doch mal deinen Empfindungen freien Lauf!“

Es müsste mal einer ein Buch darüber schreiben, wie sich die Fernseh-Fußballreportage seit Hubertys Zeiten grundlegend verändert hat, mit Zwischenstationen wie Heribert Faßbender oder Gerd Rubenbauer – und wie sie alle hießen.

Ein Extra-Kapitel könnte man der Entwicklung widmen, dass gesellschaftliche Befunde anhand des Fußballs dingfest gemacht werden – und dass neuerdings auch mehr oder weniger subtiler Humor in Sachen Fußball erlaubt ist. Man vergleiche etwa den betulich ernsten „Kicker“ mit dem quicken und hellwachen Blatt „11 Freunde“…

Der Mann mit dem „Klappscheitel“

Ernst Huberty, der Mann mit dem unvergleichlichen „Klappscheitel“, hatte seine Laufbahn in den späten 50er Jahren begonnen. Als WDR-Sportchef und Moderator der Sportschau wurde er 1982 abgelöst, weil er es mit Spesenabrechnungen nicht so genau genommen haben soll. Man schob ihn ins dritte Programm ab.

1990 sprang Huberty beim noch neuen Bezahlsender Premiere ein und gab nebenher jungen Talenten wie Johannes B. Kerner oder Reinhold Beckmann Tipps. Doch da waren die alten Zeiten schon vorbei – und das unaufhörliche Geschrei über Fußball hatte begonnen.




Transfer-Hammer: Botho Strauß von Hanser zu Rowohlt

Das ist ja mal eine bemerkenswerte Meldung aus dem Verlagsbereich: Botho Strauß, der nicht immer unumstrittene Schriftsteller von außerordentlichem Rang, wechselt von München nach Reinbek bei Hamburg. Will heißen: Seine kommenden Bücher werden nicht mehr im Hanser Verlag erscheinen, sondern bei Rowohlt.

Im deutschsprachigen Literaturbetrieb darf diese Nachricht, die uns als Rowohlt-Pressemitteilung um 16:44 Uhr erreichte, als gelinde Sensation gelten. Eine Blitzmeldung sozusagen.

Blick ins Regal: bei Hanser erschienene Bücher von Botho Strauß. (Foto: Bernd Berke)

Blick ins Regal: bei Hanser erschienene Bücher von Botho Strauß. (Foto: Bernd Berke)

Ich will hier nicht weiter darüber spekulieren, was ihn zu diesem Schritt bewogen haben mag. Auch weiß ich nicht, ob man ihn gar dazu überredet hat. In der Buchbranche werden sicherlich entsprechende Gerüchte wabern.

Nein, ich möchte hier nur ein klitzekleines Gegengewicht setzen, indem ich den Wechsel überhaupt vermelde. Denn bekanntlich werden in anderen Bereichen schon die kleinsten Bewegungen zu Breaking News aufgeplustert.

Da firmiert etwa die Tatsache, dass ein 17jähriger Kicker aus Schweden nach Dortmund wechselt, als „Kracher“. Wenn wiederum einer Dortmund verlässt und in Köln anheuert, ist von einem „Transfer-Hammer“ die dumpfbackig übertreibende Rede. Es klingt ziemlich absurd, wenn man eine solche Diktion in literarische Gefilde verpflanzt, nicht wahr? Gerade deshalb lautet die Überschrift dieses Beitrag so, wie sie lautet.

Jedenfalls dürfte Strauß, der sich aus dem Literatur- und Medienbetrieb seit jeher in die Stille zurückgezogen hat, ein jeglicher Wirbel um seine Person unlieb sein. Also lassen wir mal den unseriösen Sektor hinter uns.

Ob mich denn irgend etwas mit Botho Strauß verbinde, fragt ihr? Nun ja. Irgendwie schon. In grauer Vorzeit, als er noch längst nicht so bekannt war, habe ich meine Examensarbeit über ihn verfasst. Damals durfte ich Strauß – gemeinsam mit einer Germanistin aus Heidelberg, die ebenfalls über ihn schrieb – in Berlin besuchen. Es war eine höchst selten gewährte und somit unvergessliche Gelegenheit, ihn persönlich kennen zu lernen. Jetzt aber genug. Sonst werde ich noch feierlich.




Bremer Schiri pfeift Bremen in der Bundesliga

Harm Osmers ist ja nun mal so ein richtig norddeutsch klingender Name, so könnte eine Figur bei Theodor Storm heißen. Doch der Mann ist Bundesliga-Schiedsrichter, sein Wohnort wird mit Hannover angegeben. So weit, so gut.

Um es mal biblisch auszudrücken: Nun begab es sich aber zu der Zeit, dass Harm Osmers in der schönen Hansestadt Bremen geboren ward und aufgewachsen ist.

Warum ich das eigens erwähne? Nun, Herr Osmers pfeift an diesem Samstag in Berlin die Partie Hertha BSC gegen Werder Bremen. Für beide Vereine geht es um einiges. Die Hertha will weiter ganz oben mitmischen, Bremen endlich die abstiegsgefährdete Zone verlassen.

Nur noch mal ausdrücklich feststellt: Es ist lang geübte und gar zu nachvollziehbare Praxis, dass ein Schiri kein Spiel eines Teams aus seiner Heimatstadt pfeift. Dass man das überhaupt noch erwähnen muss!

Wir setzen mal voraus, dass Harm Osmers sich in irgend einer Weise für Fußball interessiert. Und man weiß ja aus eigener Erfahrung, wie das ist: Der Verein, der einen als Kind quasi umgibt, prägt sich dann mit allem Drum und Dran zutiefst und dauerhaft ein. Man darf also vermuten, dass Harm Osmers gewisse Sympathien für die Grün-Weißen hegt. Zumindest kann man es überhaupt nicht ausschließen.

Psssst: Kein Berliner, sondern ausgerechnet ein bekennender Fan von Werder Bremen hat mich auf diesen misslichen Umstand aufmerksam gemacht, den bislang weder „Bild“ noch „Kicker“ oder andere einschlägige Medien bemerkt haben. Auch die Berliner Fans („Hertha-Frösche“) sind in dieser Hinsicht offenbar arglos. Ha-ho-he…

Auf so etwas muss man ja auch erst einmal kommen.

Und jetzt? Jetzt bin ich mal doppelt gespannt auf Verlauf und Resultat der Begegnung. Nicht auszudenken, wenn Bremen durch strittige Entscheidungen gewinnen sollte. Wobei ich übrigens zu Bremen halte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.




Buchtipps zum Fest: Peter Rühmkorf, Christa Wolf, Wembley-Tor, Krimi und Architektur

Ist da draußen noch jemand auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken in Buchform? Hier ein paar empfehlende Hinweise in verschiedenen Geschmacksnoten:

Zunächst die so genannte Hochliteratur, wie es sich konservativ-feuilletonistisch gehört:

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Rühmkorfs funkelnde Lyrik

Das ist wahrlich kein Geheimnis mehr: Der 1929 in Dortmund geborene, später freilich aus hanseatischer Überzeugung in Hamburg ansässige Peter Rühmkorf gehört zu den wichtigsten Lyrikern der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Insofern ist eine Gesamtausgabe seiner Gedichte ein besonderes, vielfach funkelndes Juwel der Sprachkunst. Rühmkorfs Tod im Jahr 2008 bedeutet einen immensen Verlust für die Literatur, der immer noch schmerzt.

Er war (ähnlich wie der mit ihm befreundete Robert Gernhardt) einer, der die Überlieferung von Reim und Metrik wach und lebendig gehalten hat – und er hat die althergebrachten Formen mit neuen Inhalten reich gefüllt. Im souveränen Spiel mit gebundenen und freien Versen kommt ihm im hiesigen Sprachraum wohl keiner aus seiner Generation gleich.

Die von Bernd Rauschenbach sorgfältig edierte Ausgabe „Sämtliche Gedichte“ enthält alle Lyrikbände von 1956 bis 2008 und (in Auswahl) ganz frühe Schöpfungen, die ab 1947 im Selbstverlag erschienen sind.

Dies ist ein Buch, das einen Ehrenplatz im Regal verdient und das man als Vademecum stets griffbereit halten sollte. Hier wird ein wesentlicher Teil des Lebenswerks ausgebreitet; hier kann man Sprachfeinheiten geradezu genießerisch schlürfen und wird überdies noch mit luziden Erkenntnissen belohnt. Rühmkorf hat ja nicht nur die ewigen Themen Liebe und Tod bedichtet, sondern war auch ein eminent politischer Kopf mit links geschärften Sinnen. Legendär wurde diese lyrische Essenz: „Bleib erschütterbar – und widersteh.“

Für den unverwechselbaren Klang (in Rühmkorfscher Diktion „einmalig / wie wir alle!“), in dem auch Alltagssprache aufgehoben ist, nur mal ein Beispiel, das Rühmkorf selbst als Bagatelle bezeichnet hat:

Abschiede, leicht gemacht

Denen, die vor Gier nach Ewigkeit entbrennen,
geb ich mich geniert
als sterblich zu erkennen.

Lieber als verhaunen Bällen nachzusinnen,
zieh ich vor,
nochmal von vorne zu beginnen.

Allerdings, statt bieder vor mich hinzuwerkeln,
scheint mir lustiger,
freischaffend loszuferkeln.

Dies als Kunstgesetz gesamt gesehen:
Ein Gedicht, das auf sich hält,
das läßt sich gehen.

Und je tiefer ich empfinde, um so seichter
schmiere ich mich aus,
dann fällt der Abschied leichter.

Da haben wir es also mal wieder: das Leichte, das so schwer zu machen ist. In der Nachfolge von Heine, Benn und Ringelnatz (unter anderen) hat Rühmkorf beileibe nicht nur höheren Jux getrieben, sondern auch die Vergänglichkeit besungen wie nur je einer seit barocken Zeiten. Doch auch die Fährnisse zwischen Geilheit und Vögeln wusste er in sprühend wohlgesetzte Worte zu fassen. Der Mann, der sich zuweilen als (erotischer) Filou gefiel, war intellektuell ein Ausbund an Unbestechlichkeit. An seinem lyrischen Zuspruch konnte und kann man sich nicht nur ergötzen, sondern aufrichten.

Noch ein Zitat, ein vermeintlich unscheinbares, das aber zu denken gibt. Aus dem Gedicht „Zum Jahreswechsel“:

Diese Welt kann doch nicht so gemeint sein
Wie sie aussieht, oder?

Peter Rühmkorf: „Sämtliche Gedichte“ (Hrsg.: Bernd Rauschenbach). Rowohlt Verlag. 621 Seiten. 39,95 €

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Briefe von Christa Wolf

Nun zu einer literarischen Protagonistin, ja Repräsentantin aus dem östlichen Teil Deutschlands, die im selben Jahr geboren wurde wie Rühmkorf: Christa Wolf (1929-2011), Autorin von Büchern wie „Kindheitsmuster“, „Der geteilte Himmel“, „Nachdenken über Christa T.“, „Kassandra“, „Kein Ort. Nirgends“ und „Störfall“, hat auch umfangreiche Konvolute von Briefen hinterlassen, um die es hier geht.

Insgesamt enthält die vorliegende Auswahl der „Briefe 1952-2011“ genau 483 Schriftstücke, die sich an rund 300 Adressaten richten. Abgedruckt sind nur die Briefe von Christa Wolf, nicht aber die Schreiben ihrer Briefpartner. So wirkt das Ganze gelegentlich etwas monologisch, man muss sich einiges hinzu denken. Immerhin sind rund 90 Prozent der abgedruckten Briefe bislang noch nicht veröffentlicht worden. Auch das gibt dieser Sammlung, bei aller wohlweislichen Beschränkung im Einzelnen, einiges Gewicht.

Der Obertitel lautet „Man steht sehr bequem zwischen allen Fronten“ und könnte als Zitat auch etwas sarkastisch gemeint sein. Denn gar so bequem kann es nicht immer gewesen sein für Christa Wolf. Vielfach ereilte sie der Vorwurf, dem SED-Staat doch etwas zu sehr auf den Leim gegangen zu sein.

Über sehr lange Zeit hinweg ist sie zumindest von naiver Gutgläubigkeit gewesen. Spätestens im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung aus der DDR (1976) hat auch sie Farbe bekannt. Freilich hielt sie damals immer noch Erich Honecker für eine ansprechbare Instanz: „Sehr geehrter Genosse“ lautete ihre Anrede, und sie bat ihn brieflich darum, inhaftierte Autoren zu begnadigen. Hat sie damit das Menschenmögliche versucht, oder hat sie gar zu sehr laviert? Darüber könnte man noch heute lange streiten. Doch allmählich verblassen die Meinungskämpfe jener Tage.

In der ausgewählten Korrespondenz (insgesamt hat Christa Wolf wohl um die 15.000 Briefe verfasst) tauscht sie sich nicht nur mit Schriftstellern (u. a. Grass, Frisch, Sarah Kirsch, mit der sie sich später heillos überworfen hat) aus, sondern auch mit „ganz normalen“ Lesern. Dafür hat sie viel Geduld aufgebracht. Nur ganz selten wurde sie zornig, so etwa, als sie den Schülerinnen eines Deutsch-Leistungskurses barsch deren absolute Unkenntnis ihres Werkes vorwarf und sich über „absurde“ und „verletzende“ Fragen beschwerte. Wie gesagt, das war eine Ausnahme.

Man muss wissen, dass Christa Wolf wegen der Stasi-Briefzensur häufig nicht offen schreiben konnte, sondern ihre Botschaften und Anliegen allenfalls sprachlich verschlüsselt übermitteln konnte, was der verbalen Kunstfertigkeit mitunter zuträglich war. Besonders ehrlich klingen manche der Briefe, die sie seinerzeit nicht abgeschickt hat, die aber erhalten geblieben sind. Dass Wolfs Werke und Briefe zudem von grundsätzlicher Sprachskepsis durchzogen sind, lässt dieses Zitat aus „Nachdenken über Christa T.“ ahnen: „Wie man es erzählen kann, so ist es nicht gewesen“.

Christa Wolf: „Man steht sehr bequem zwischen allen Fronten – Briefe 1952-2011“. Suhrkamp Verlag. 1040 Seiten, 38 €

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Ein einziges Tor

Dass über eine Mannschaft oder ein Turnier ganze Bücher entstehen, mag angehen. Aber über ein einziges Tor?

Ganz klar, es gibt aus deutscher Sicht nur einen Treffer, der buchfüllend ist: das wohl für alle Ewigkeiten umstrittene 3:2 beim Endspiel der Fußball-WM 1966. Bekanntlich wurde das Tor für England gegeben, obwohl der Latten-Abpraller mutmaßlich vor der Linie aufschlug. So jedenfalls die deutsche Lesart.

Dass man diesen fußballhistorischen Moment in tausend Facetten ausbreiten und anreichern kann, beweist Manuel Neukirchner, Chef des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, mit dem Band „Wembley 1966“, der vor allem von der vielfältigen und großzügigen Bebilderung lebt.

Das 50 Jahre zurück liegende Ereignis spiegelt natürlich auch längst den damaligen Zeitgeist wider, so dass das Match über das rein Fußballerische hinaus interessant ist. Also war es auch dem Deutschen Fußballmuseum eine Sonderausstellung wert. Hier haben wir das Begleitbuch dazu.

Wie simpel die Sache damals im Grunde gewesen ist, formuliert treffsicher der damals beteiligte (und vom 4:2-Endergebnis für England tief enttäuschte) Mittelstürmer Uwe Seeler im Interview für den vorliegenden Band: „Für die Engländer war er drin, für uns Deutsche nicht. So einfach ist das.“

Man darf ergänzen: einfach kompliziert. So, dass man ganze Bücher darüber machen kann… Und somit hätten wir auch ein passendes Geschenk für altgediente Fußballfans.

Manuel Neukirchner: „Wembley 1966. Der Mythos in Momentaufnahmen“. Deutsches Fußballmuseum, Dortmund/Klartext Verlag, Essen. 160 Seiten, großformatiger Bildband (Broschur) mit zahlreichen Abbildungen (Farbe und schwarzweiß). 14,95 Euro.

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Ruhrgebietskrimi

Wer für Ruhrgebietskrimis zu haben ist, freut sich vielleicht über dieses etwas kleinere Geschenk: „Am Boden“ von Lucie Flebbe dreht sich zunächst u.a. um den riskanten Kletter-Trendsport „Roofing“.

Ein Student wird verdächtigt, einem Freund bei einer Klettertour einen Stoß versetzt zu haben – mit tödlichen Folgen. Lucie Flebbes schon mehrfach erprobte Privatdetektivin Lila Ziegler und ihr Partner Ben Danner wollen den Fall aufklären – ein Unterfangen mit ungeahnten Weiterungen. Alsbald geht es auch um häusliche Gewalt (Lila zeigt ihren eigenen Vater an), und schließlich kommt es zu einem spektakulären Showdown im Bochumer Opel-Werk. Merke abermals: Aufgegebene Industrie-Standorte des Reviers (vgl. auch Phoenix West und ähnliche Locations in Dortmunder „Tatort“-Folgen) eignen sich oft bestens als Krimischauplätze.

Lucie Flebbe: „Am Boden“. Kriminalroman. Grafit Verlag, Dortmund. Paperback, 251 Seiten, 11 Euro (als E-Book 9,99 €)

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Architektur der Region

So. Und nun hätten wir noch etwas für die an Kunst und Architektur Interessierten.

Christoph Rauhut und Niels Lehmann stemmen ein wahrhaft ambitioniertes Projekt. Seit einigen Jahren widmen sie sich eingehend der Architektur des Expressionismus, ein Band über herausragende Beispiele in Berlin und Brandenburg hatte den Anfang einer groß angelegten Reihe gemacht. Jetzt liegt ein weiterer Band vor, der sich den einschlägigen Baubeständen an Rhein und Ruhr zuwendet.

Zur ersten Orientierung schaue man am besten gleich ganz hinten nach, nämlich im reichhaltigen Gebäuderegister, das nicht nur Geschäfts-, Büro und Industriebauten auflistet, sondern auch öffentliche Gebäude, Sakralbauten und Wohnhäuser.

Auch wenn so vieles im Krieg zerstört worden ist, so gibt es doch auch in NRW noch eine imponierende Fülle von oftmals monumentaler expressionistischer Architektur (manches freilich nur noch in fragmentarischer Form), wobei gerade im Ruhrgebiet jede Stadt ihr eigenes Profil ausgebildet hat.

Die Textbeiträge in diesem Band (jeweils auf Deutsch und Englisch) sind sehr überschaubar, es handelt sich zwar um ein Ergebnis, nicht aber um die Wiedergabe einer fundierten wissenschaftlichen Aufarbeitung. Den weit überwiegenden Teil des Buches machen Fotografien und Lagepläne aus. Das darf sicherlich auch als Ermunterung verstanden werden, sich das eine oder andere der insgesamt 155 Gebäude einmal selbst anzusehen.

Um nicht ins Uferlose zu geraten, hier nur ganz wenige Beispiele aus dem Ruhrgebiet: Bogestra-Verwaltung (Bochum), Hans-Sachs-Haus (Gelsenkirchen), Union-Brauerei/Dortmunder „U“, Hauptpost (Essen), Polizeipräsidium (Oberhausen), Volkshochschule (Gladbeck), Gebäudeensemble Hauptfriedhof (Dortmund).

Im Vorwort heißt es, die vorgestellten Bauten (vorwiegend aus den 1920er Jahren) ließen samt und sonders künstlerischen Gestaltungswillen erkennen und stünden einer auch damals schon drohenden Banalisierung des Metiers entgegen. Und wie sieht’s damit heute aus? Eine Frage, bei der man unwillkürlich seufzt.

Christoph Rauhut/Niels Lehmann: „Fragments of Metropolis – Rhein & Ruhr. Das expressionistische Erbe“. Hirmer Verlag. 256 Seiten (Format 15,5 x 24,5 cm). 156 Farbabbildungen, 30 Pläne und Karten. 29,90 Euro.




Er wird fehlen – „Aki“ Schmidt, BVB-Legende

Unser Gastautor Heinrich Peuckmann zum Tod des legendären BVB-Spielers Alfred „Aki“ Schmidt:

Der frühere VBV-Spieler Alfred "Aki" Schmidt im Juli 2008. (Foto: © Arne Müseler - www.arne-mueseler.de / Link zur Wikipedia-Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Der frühere VBV-Spieler Alfred „Aki“ Schmidt im Juli 2008. (Foto: © Arne Müseler – www.arne-mueseler.de / Link zur Wikipedia-Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Alfred Schmidts erfolgreiche Fußballkarriere begann mit einer Enttäuschung. 1956 war er vom Dortmunder Vorortverein SpVgg Berghofen zur großen Borussia gewechselt, die gerade eine schwache Saison in der Oberliga West hinter sich hatte und deshalb neue Spieler suchte und auch den Trainer wechselte. Mit Trainer Helmut Schneider ging es wieder aufwärts und 1956 wurde Borussia zum ersten Mal Deutscher Meister.

„Aki“, wie ihn alle nannten, konnte diesen Erfolg jedoch nur von der Tribüne aus beobachten, denn er musste erst einmal die damals übliche Wechselsperre von einem Jahr absitzen. Danach aber wurde er zur erhofften Verstärkung für den BVB und schaffte es sogar, in vielen Spielen den erfolgreichen Torschützen Alfred „Nipo“ Niepieklo zu ersetzen.

Wieder qualifizierte sich Dortmund für das Endspiel, Alfred bestritt während dieser Saison seine ersten drei Länderspiele und schoss bei seinem ersten Einsatz gegen die Niederlande gleich den Siegtreffer zum 2:1. Bei diesem Länderspiel war übrigens auch Akis späterer Mannschaftskollege Hans Tilkowski erstmals dabei, ein weiterer Westfale.

Vom Trainer enttäuscht

Dann aber folgte für Aki die größte Enttäuschung seiner Karriere. Schneider hatte sich nämlich entschieden, 1957 mit derselben Mannschaft wie im Vorjahr im Endspiel anzutreten. Beim 4:1-Sieg gegen den Hamburger SV saß Aki Schmidt auf der Ersatzbank, Alfred Niepieklo schoss zwei der vier Tore. Zwei Endspiele mit derselben Mannschaft zu gewinnen ist ein einmaliger Vorgang in der deutschen Fußballgeschichte. Außer Borussia hat das keine andere Mannschaft geschafft.

Schon am Vortag hatte Aki Schmidt gehört, dass Trainer Schneider das Endspiel ohne ihn plane, enttäuscht wollte er nach Hause reisen, aber die Mitspieler drängten ihn zum Bleiben. Erst kurz vor dem Spiel kam Schneider in Akis Zimmer und teilte ihm seine Entscheidung mit. Schneider hätte dabei Tränen in den Augen gehabt, sagt Aki, aber ob die wirklich echt waren, dazu will er sich nicht äußern. Er vermutete jedenfalls einen anderen Hintergrund. Hätte er gespielt, wären entweder Niepieklo oder Kelbassa draußen geblieben. Die beiden aber waren eng verwandt, ihre Kinder hatten geheiratet und so, meinte Aki, haben sie Schneider erklärt, dass sie entweder beide spielen oder gar keiner. Eine Vermutung, beweisen lässt sie sich nicht.

Die Tipps von Sepp Herberger

An der positiven Einstellung des damaligen Bundestrainers Sepp Herbergers zu Schmidt änderte sich dadurch aber nichts. Er mochte den vielseitig einsetzbaren blonden Halbstürmer aus Dortmund, zum einen, weil er sowohl offensiv als auch defensiv spielen konnte, zum anderen, weil Aki gerne den Ball direkt abspielte und damit für Tempo in den Angriffen sorgte. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit, damals war es eher die Ausnahme.

"Aki" Schmidt (links) und unser Gastautor Heinrich Peuckmann. (Foto: privat)

„Aki“ Schmidt (links) und unser Gastautor Heinrich Peuckmann. (Foto: privat)

Herberger gab Tipps, wie Schmidt lernen sollte, noch schneller abzuspielen. Beim Spaziergang durch die Stadt, gab Herberger vor, sollte Aki üben, mit einem Blick die Situation zu erfassen. Wo stehen die Leute, wo steht jemand allein. So könne er lernen, eine Situation schnell zu erfassen, was ihm dann im Spiel zugute kommen würde. Herberger, meint Aki Schmidt, sei schon damals seiner Zeit weit voraus gewesen.

Freundschaft migt Helmut Rahn

Bei der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden war Aki Schmidt dabei und bestritt das erste Spiel gegen Argentinien, das 3:1 gewonnen wurde. Dabei verletzte er sich allerdings und verpasste so die beiden folgenden Vorrundenspiele, die jeweils 2:2 endeten, aber beim zweiten Sieg der deutschen Mannschaft im Viertelfinale gegen Jugoslawien konnte er wieder mitwirken. Mit Leuten wie Fritz Walter, Hans Schäfer und Helmut Rahn, allesamt Weltmeister von 1954, hat er damals zusammen gespielt, worauf er noch heute stolz ist. Mit Helmut Rahn verband ihn eine besondere Freundschaft. Rahn wünschte nämlich immer, das Zimmer bei der Nationalmannschaft mit Aki zu teilen. Die beiden kamen aus dem Ruhrgebiet, sie waren gradlinig im Reden und verstanden sich somit glänzend.

Insgesamt 20 Länderspiele hat Aki in diesen Jahren bestritten, erreichte mit Borussia auch das Endspiel um die Meisterschaft 1961, verlor aber gegen den 1. FC Nürnberg mit 0:3.

Bayern München verschmäht

Dann gab es einen Bruch beim BVB. Erfolgreiche Spieler hörten auf, es folgten keine gestandenen Spieler nach, sondern Talente aus den unteren Spielklassen, die erst einmal Zeit brauchten, um sich an den Spitzenfußball zu gewöhnen. Eigentlich hatte Aki ebenfalls geplant, den Verein zu verlassen. Ein glänzendes Angebot von Bayern München lag ihm vor, damals noch nicht der Spitzenverein von heute, aber Bayern wollte vorankommen und um Aki Schmidt herum eine Mannschaft aufbauen, die erfolgreich war. Borussias Vorstand bekam Wind von dieser Sache, lud Aki zum Gespräch und unterbreitete ihm ebenfalls ein gutes Angebot. Es war nicht so gut wie das der Bayern, aber akzeptabel. Aki entschied sich für Borussia, die Liebe zu seiner Heimatstadt Dortmund spielte dabei eine Rolle.

Der „Einbruch“ bei Borussia bewirkte, dass Aki nicht mehr im Blickwinkel von Herberger stand. Eine mehrjährige Länderspielpause trat ein, wodurch Aki auch die Teilnahme an der WM 1962 in Chile verpasste. Dann aber, 1963, fand Borussia, dank Trainer Hermann Eppenhoff, zu alter Stärke zurück, drang bis ins Endspiel vor, dem letzten vor der Gründung der Bundesliga. Aki konnte endlich seinen ersten großen Titel gewinnen. Mit 3:1 wurde der 1.FC Köln geschlagen. Nach einem Endspiel auf der Tribüne und einem verlorenen vier Jahre später gegen Nürnberg wurde Aki mit sechs Jahren Verzögerung endlich Deutscher Meister.

Schwierige Rechenaufgabe

Dabei hätte es durch einen dummen Zufall beinahe gar nicht geklappt. Borussia hatte damals ein großartiges Sturmduo, Jürgen „Charly“ Schütz und Friedhelm „Timo“ Konietzka hießen die beiden, die prächtig miteinander harmonierten und Tore am Fließband schossen. Kein Wunder, dass beide den Sprung ins Nationalteam schafften. „Max und Moritz“ nannten die Fans die beiden liebvoll wegen ihres blinden Zusammenspiels auf dem Platz. Diese Harmonie bestand jedoch nur während des Spiels, richtig gute Freunde außerhalb des Stadions waren sie nicht, verriet Aki.

Der erste Fehler in der Vorbereitung zum Endspiel unterlief der Mannschaftsleitung. Man hatte nämlich ein Bett zu wenig im Hotel in Stuttgart gebucht. Aki entschied, dass er mit Außerläufer „Jockel“ Bracht und mit Charly ein Zweibettzimmer teilen sollte. Dann musste eben einer auf der Besucherritze schlafen.

Zum Schlafen aber kamen die drei nicht, denn Charly Schütz hatte ein großes Problem. Er hatte nämlich einen Vertrag beim AS Rom unterschrieben und wurde am Tag nach dem Endspiel in der italienischen Hauptstadt erwartet. War der Vertrag gut, den er unterschrieben hatte? Vor allem, war er lukrativ? Diese Fragen bewegten Charly Schütz während der Nacht und so begann er, Lire in D-Mark umzurechnen, was ihm aber schwer fiel. Charly rechnete laut, sprang aus dem Bett, schrieb mit Bleistift irgendwelche Zahlen auf die Tapete und strich ein paar Nullen weg. „Aki“, rief er dann, „die haben mich betrogen! Ich kriege viel zu wenig Geld.“ Und dann begann er noch mal zu rechnen, Lire in D-Mark und zurück, gar nicht so einfach. Ein großes mathematisches Problem!

Keine Chance bei Helmut Schön

Erst am frühen Morgen hätten sie ein wenig schlafen können, erzählt Aki. Charly Schütz hat denn auch schlecht gespielt, wahrscheinlich hat er noch während des Spiels gerechnet, immerhin reichte es aber, um Aki die Vorlage zum 3:0 zu geben. „Das habe ich für dich getan“, hat er erzählt, „weil du mir immer geholfen hast.“ Das war nicht falsch, Aki hat den Mannschaftskollegen gerne geholfen, nur einmal, beim Umrechnen der Währung, hat es nicht geklappt.

Die folgenden Jahre wurden für Aki Schmidt dann sehr erfolgreich. Noch fünfmal spielte er in der Nationalmannschaft, so dass er auf insgesamt 25 Länderspiele kam, wobei er jetzt der Mannschaftskapitän war. Der erste und bisher einzige, den Borussia Dortmund in der lange Geschichte der Nationalmannschaft gestellt hat. 1964, beim 4:1-Sieg gegen Finnland, stand er zum letzten Mal im Nationalteam. Es war ein denkwürdiges Länderspiel, denn es war gleichzeitig das letzte von Sepp Herberger. Und weil Aki in diesem Spiel Mannschaftskapitän war, hielt er die Abschiedsrede und sagte darin den denkwürdigen Satz: „Einen Bundestrainer wie Sie wird es nie wieder geben.“ Nachfolger Helmut Schön saß dabei und hörte zu. Niemals hat er Aki zu einem Länderspiel eingeladen…

5:0-Heimsieg gegen Benfica

Im Europapokal der Landesmeister war Borussia sehr erfolgreich. Im Viertelfinale schaltete Borussia den Titelverteidiger Benfica Lissabon aus. Im Hinspiel in Portugal unterlag man noch mit 1:2, wobei Hannes Tilkowski im Tor sein wohl bestes Spiel für den BVB ablieferte und eine weitaus höhere Niederlage verhinderte, weil er nahezu alles hielt. Im Rückspiel aber wurde Benfica mit sage und schreibe 5:0 abgefertigt. Es war wohl das beste Spiel im alten Stadion „Rote Erde“, das der BVB je abgeliefert hat.

Im Halbfinale gegen Inter Mailand traf Aki dann auf Horst Szymaniak, seinen Freund aus der Nationalmannschaft, der damals in Italien spielte. Beim Hinspiel in Dortmund, das 2:2 ausging, seien sich die beiden aus dem Weg gegangen, hat Szymaniak später erzählt. „So konnten wir beide glänzen.“

Das Rückspiel wurde dann mit 0:2 verloren, wobei Inter-Star Suarez den Dortmunder Mittelfeldspieler „Hoppy“ Kurrat brutal in den Unterleib trat, so dass Hoppy nicht weiterspielen konnte. Es war ein Foul, das man nur als Körperverletzung werten kann und das strafrechtlich hätte verfolgt werden müssen, aber Suarez bekam nicht einmal die rote Karte.

Libudas unvergessene „Bogenlampe“

Der Europapokal wurde für Aki und die Dortmunder aber trotzdem noch zu einer Erfolgsgeschichte. 1965 schlug der BVB Alemannia Aachen beim Pokalendspiel in Hannover mit 2:0, wobei Aki schon nach zehn Minuten das erste Tor schoss. Der unvergessene „Emma“ Emmerich sorgte acht Minuten später für den Endstand. Damit war Borussia für den Europapokal der Pokalsieger qualifiziert und gewann ihn in einem denkwürdigen Endspiel gegen Liverpool in Glasgow mit 2:1. Unvergessen ist „Stan“ Libudas Bogenlampe, die in der Verlängerung die Entscheidung brachte.

Borussia Dortmund war damit die erste deutsche Mannschaft, die einen Europapokal gewann, nicht etwa Bayern München. Und hätte die Vereinsführung auf Trainer „Fischken“ Multhaup gehört, wäre der BVB auch noch Deutscher Meister geworden. Aber die Vereinsführung wollte den Fans die Siegesfeier nicht vorenthalten, verzichtete auf eine sinnvolle Vorbereitung auf die noch ausstehenden Bundesligaspiele und ließ die Mannschaft feiern. „Wir sind kaum ins Bett gekommen“, sagt Aki Schmidt im Rückblick. So gingen die beiden letzten Spiele verloren und 1860 München wurde Deutscher Meister, nicht der BVB.

Danach begann in Dortmund der Niedergang, der bis zum Abstieg führte. Aki Schmidt beendete 1967 seine Karriere und wurde zuerst Trainer in Regensburg, woher seine Frau stammte und danach in Offenbach, das damals in der Bundesliga spielte. Im Pokal warf er 1970 ausgerechnet seinen alten Verein BVB aus dem Rennen, schaffte überraschend den Einzug ins Finale und gewann den Pokal fast sensationell gegen den 1. FC Köln, in dessen Reihen viele Nationalspieler mitwirkten.

Repräsentant des Vereins

Später kehrte Aki nach Dortmund zurück und wurde allseits beliebter Fan-Beauftragter, zuerst allein, später zusammen mit seinem alten Kumpel „Emma“ Emmerich. Ein tolles Duo sind die beiden gewesen, die bei den Stadionführungen witzig miteinander umgingen. Unglaublich oft hat Aki damals hören müssen, wie Emma von Besuchern nach seinem Sensationstor gegen Spanien bei der WM in England befragt wurde. Fast von der Torlinie aus knallte Emma den Ball ins Netz. Aki wusste, dass Emma solche Torschüsse drauf hatte, oft genug hat er selbst darunter gelitten, wenn er bei einem Angriff über Emmerich mitlief, der aber, anstatt abzugeben, aus den unmöglichsten Winkeln draufschoss. So manches Mal hat er ihn deshalb angemeckert, denn eine Vorlage hätte eher zum Tor geführt als Emmas Torschüsse aus spitzem Winkel.

Nach Emmas Tod und inzwischen fast 80 Jahre alt wurde Aki Schmidt zum Repräsentanten des BVB ernannt. Wenn er Lust dazu hatte, machte er noch Stadionführungen. Die waren beliebt und immer witzig. Außerdem fuhr er vor den Auswärtsspielen des BVB zu den jeweiligen Gegnern und machte dort Pressekonferenzen zur Vorbereitung auf das Spiel mit. Das bescherte ihm manche Begegnung mit alten Nationalspielern und gab ihm die Gelegenheit, Anekdoten zu erzählen, von denen er immer welche auf Lager hatte. Sie werden uns nun fehlen. Am vergangenen Freitag, 11. November, ist Aki im Alter von 81 Jahren gestorben.




Schalke vs. Bayern 0:2 – von Dusel, Revier-Solidarität und zweifelhaften Verknüpfungen

Und wieder hat’s – neben dem bekannten Können – der übliche Bayern-Dusel gerichtet. Sie haben Schalke mit 2:0 unter Wert geschlagen. Warum nur hat Huntelaar diesen unseligen Lattentreffer nicht reingemacht? Und überhaupt…

„Lewandowski macht den Unterschied“ schreibt oder palavert in derlei Fällen der gemeine Sportreporter. Wir rufen ihm spontan und beherzt zu: Halt doch den Schnabel! Morgen drücken wir uns dann etwas zivilisierter aus. Oder auch nicht.

Screenshot vom Spiel Schalke 04 - Bayern München (© Sky Bundesliga)

Screenshot vom Spiel Schalke 04 – Bayern München (© Sky Bundesliga)

Schalke hat sich eindeutig verstärkt, der neue Trainer Weinzierl scheint wahrhaftig ein Konzept zu haben. Doch was hat es heute genutzt? Die Blauen stehen ganz hinten in der Tabelle, doch das wird sich gründlich ändern.

Was vorher geschah: Kaum war die Bundesliga nach schier ewig anmutender Pause endlich wieder gestartet, hatte es gleich diese zwei dämlichen Länderspiele gegen Finnland und Norwegen gegeben. Welch eine unsinnige Planung. Umso mehr dürstete man nach Fortsetzung der wahren Kicks – und die gab’s heute gleich mit der ziemlich hoch anzusiedelnden Partie FC Schalke – Bayern München.

Als Dortmunder und BVB-Anhänger tut man sich gerade mit dieser Begegnung ziemlich schwer. Instinktiv möchte man zu beiden n i c h t halten und möglichst beiderseits je null Punkte und null Tore vergeben. Aber das geht ja nun mal nicht.

Außerdem ist dies schließlich eine Nagelprobe auf die Revier-Solidarität. Wenn schon, dann muss man es in solchem Falle wohl mit den Schalkern halten. Die altgediente und gar oft ausgekostete Rivalität an Ruhr und Emscher muss dabei einmal hintan stehen; übrigens in umgekehrter Richtung auch morgen, wenn’s für den BVB gegen diesen seltsamen Retorten-Club aus Leipzig geht.

Wo wir gerade bei Leipzig sind: In Dortmund und Gelsenkirchen spielen selbstverständlich jeweils „Elf Freunde“ (plus ein paar weitere Kumpel) ohne Ansehen des Kommerzes. Einfach aus Spaß an der Freud’. Gut, nech?

Aber mal im Ernst: Dass etliche BVB-Fans an diesem Wochenende lieber den eigenen Amateuren zuschauen und das Bundesliga-Match gegen Leipzig nur kollektiv im Radio hören wollen, das hat doch was.

Noch’n kleiner Einschub: Auf Dauer nervt es ein wenig. Im Ruhrgebiet wird selbst bei vielen journalistischen Kultur-Terminen auf die Konkurrenz zwischen Schalke 04 und BVB 09 abgehoben. Nichts geht ganz ohne Fußball. Und wer zählt die Leute, die an stinknormalen Tagen im sündhaft teuren BVB-Trikot durch die Straßen gehen? Von ballonseidenen Trainingsklamotten ganz zu schweigen.

Aber ich verplaudere mich. Ganz gegen meine Gewohnheit.

Schalke – Bayern also. Tagsüber hatte schon die Nachricht für netzweite Häme gesorgt, dass der Vereinsstatus des FC Bayern juristisch angefochten wird, vielleicht droht sogar eine Löschung aus dem Vereinsregister mit eventuell weit reichenden Folgen. Vielen wär’s gerade recht.

Schalker Fans hielten vor dem Anpfiff Transparente hoch, auf denen sie ihre „alten Helden“ von Kuzorra über Klodt und Libuda bis Wilmots priesen. Wer hat, der hat. Auch wenn es schon lange her ist.

Im Spiel begann Bayern stärker, doch Schalke fuchste, fudelte und wurschtelte sich relativ rasch `rein, wurde dann hie und da wirklich gefährlich, um nicht zu sagen: streckenweise ebenbürtig.

Bayerns Hummels holte sich früh eine gelbe Karte ab, was ihm beim BVB so gut wie nie passiert ist. Das sollte ihm zu denken geben.

Fast schon niedlich, wie sie immer noch ihren Ex-Torhüter Manuel Neuer auspfeifen, der schon vor Jahren zu den Bayern gegangen ist.

Schiedsrichter Manuel Gräfe verletzte sich und bekam einen königsblauen Wadenverband. Wenn das mal nichts zu bedeuten hatte…

Doch nein. Der letztmalige Meister des Jahres 1958 (S 04), der mit Gazprom und dem Fleischfabrikanten Clemens Tönnies nicht gerade sympathische Wirtschaftsverbindungen geknüpft hat, hat es wieder einmal dem BVB et al. überlassen, die Bayern in der Liga zu bremsen – wenn’s denn dazu kommt. Denkt euch an dieser Stelle zwei bis drei tiefe Seufzer.




In der Zone von „dazn“: Es lockt ein neuer Streaming-Dienst für Sport

Ich gehöre zu den Männern der ersten Stunde. Nun gut, es ist nicht, was ihr vielleicht denkt. Keinesfalls habe ich eine veritable Pionierleistung vollbracht. Weder habe ich Neuland entdeckt noch ein gefährliches Abenteuer bestanden oder gar die Weltformel gefunden. Nein, ich zähle nur zu den ersten paar Tausend Mitgliedern eines Streaming-Dienstes, der erst diesen Monat seinen Betrieb in den deutschsprachigen Ländern aufgenommen hat. Und jetzt alle, ganz enttäuscht: Oooooch…

Screenshot von dazn-Angeboten auf der Homepage des Dienstes. (© dazn)

Screenshot von dazn-Angeboten auf der Homepage des Dienstes. (© dazn)

Zur Sache. dazn (www.dazn.com) heißt die Chose – und an der Erklärung, wie sich dieses rätselhafte Buchstabengebilde ausspricht, haben sich schon andere verhoben. Angeblich soll es sich wie „da zone“ anhören, also „the zone“ und ergo „Die Zone“ bedeuten. Hä? Na, egal. Wir Gimpel haben gedacht, die Zone hätte sich mit Wende und Mauerfall erledigt.

Albernen Spaß beiseite. Der neue, als deutscher Ableger der Londoner Perform-Gruppe in Ismaning bei München ansässige Anbieter verspricht massenhaft werbefreien Live-Sport via Streaming, angeblich rund 8000 Ereignisse pro Jahr – und das zu einem Lockvogel- oder Kampfpreis von 9,99 Euro im Monat. Eine entsprechende App gibt’s auch. Wer hätte das gedacht?

Und nein: Ich habe k e i n e n kostenlosen Pressezugang oder dergleichen korruptives Zeug beantragt, wie es vielleicht der eine oder andere Kollege versucht hätte. So komme ich auch nicht in Versuchung, vorab zu jubeln. Ich probiere es als gewöhnlicher Privatkunde mit einem anfänglichen Gratis-Monat aus, zumal jederzeit monatlich gekündigt werden kann. Schau’n mer mal. Vielleicht bin ich ja auch bald wieder `raus aus der Nummer.

Spitzenfußball aus England, Spanien usw.

Was gibt’s denn anfangs „für umme“ und nach der Probezeit für die 9,99 Euro? Bei dazn empfängt man (laut Anbieter auf PC, Mac, Tablet, Handy, netztauglichem Smart-TV und Spielkonsolen) zuvörderst Fußballspiele der englischen, spanischen, italienischen und französischen Ligen, folglich – von der Bundesliga einmal abgesehen – die Crème des europäischen Kickertums. Vieles lässt sich auch als „Re-Live“ (vulgo: Wiederholung) ausgiebig nachschmecken. Besser dann, wenn man das Resultat noch nicht kennt.

Rund um Bayerns Hauptstadt muss ein Nest sein: Ganz in der Nähe von Ismaning, in Unterföhring bei München, sitzt der Sportsender Sky, der bisher so unangefochten seine Kreise zog. Jetzt hat ihm dazn die so attraktive englische Premier League mit Typen wie Klopp, Guardiola, Pogba, Rooney, Mkhitaryan, Gündogan und all den anderen multimillionenschweren Stars weggeschnappt. In Spanien treten bekanntlich kaum schlechtere Sportler vor den Ball – und da reden wir nicht nur von Messi, Ronaldo und Bale.

Mehr noch: dazn darf auch Zusammenfassungen der Bundesliga zeigen – ab 2017 bereits 40 Minuten nach Abpfiff, also vor der ARD-Sportschau. Klingt nicht so übel. Okay, Sky bringt einstweilen noch die komplette 1. und 2. Bundesliga live, außerdem die Champions League und die Europa League. Aber dafür kassieren sie auch kräftig. Fragt mal die Kneipenwirte. Oder einzelne Fans.

Auch Ukraine, Korea und Angelsport

Sogar belgischen und skandinavischen Fußball (Dänemark und Schweden) gibt’s bei dazn obendrein. Wenn ich’s recht gesehen habe, sind überdies Partien aus Schottland, Serbien, Kroatien, der Ukraine und Südkorea zu haben. Die meisten Bewohner Deutschlands, der Schweiz und Österreichs könnten darauf wohl leichten Herzens verzichten. Je nun.

Aber ein paar interessante Partien dürften im Gesamtpaket immer mal wieder zu finden sein. Auch die Handball-Bundesliga nebst Pokalspielen ist für manchen „nicht ohne“.

Wer’s denn braucht, kann sich zudem an diversen Wettkämpfen im American Football (NFL), Basketball (NBA), Tennis (WTA- und ATP-Turniere), Motorsport (allerdings nicht Formel 1), Pferderennen, Rugby, Kampfsport sowie – aufgemerkt – Bowling, Darts und Sportfischen ergötzen. So viel passiven Sport braucht eigentlich kein Mensch. Sei’s drum. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich die Offerten im Laufe der Zeit verändern und ob sie sich verteuern.

Die Bilder ruckeln manchmal noch

Um schon mal erste Eindrücke zu vermelden: Die Seite könnte noch etwas übersichtlicher gestaltet („layoutet“) und mit Schwerpunkten versehen werden. Vor allem aber sind die Streams noch längst nicht immer ruckelfrei. Das schmälert das Vergnügen mitunter erheblich. Man kann nur zuversichtlich hoffen, dass diese technischen Probleme rasch behoben werden, die sich abends, wenn viele zugeschaltet sind, zu häufen scheinen. Wer will schon in entscheidenden Momenten „eingefrorene Bilder“ empfangen?

Zukunft des Zuschauens

Die fußballerischen Begegnungen (selbst jene aus Belgien und Korea) sind in aller Regel mit deutschen Kommentaren (nicht vor Ort, sondern im Studio eingesprochen) versehen, was für ein Mindestmaß an Orientierung sorgt. Völlig verstummte Spiele mag man denn doch nicht unbedingt haben – und wenn man sich noch so sehr über manchen Dummbatz am Mikro ärgert. Vertrackt genug: Der Zorn ist mitunter Teil des Vergnügens, denkt nur an Béla Réthy. Womit aber noch gar nichts über die Kommentar-Qualität bei dazn gesagt sein soll. Die kann man summarisch erst nach einer gewissen Zeit beurteilen. Ob man für den vergleichsweise schmalen Preis Spitzen-Journalismus und tiefgreifende Analysen verlangen kann, sei einstweilen dahingestellt.

Andere Sportarten wie American Football, Tennis, Basketball, Rugby und Darts werden – wie man schon ahnt – mit englischem Kommentar geliefert. Das geht in Ordnung. Wer z. B. Football sehen will, sollte schon ein paar Brocken dieser Sprache verstehen.

Derlei Dienste sind jedenfalls die Zukunft dessen, was einmal „Fernsehen“ geheißen hat, weitere Stichworte anderer Genres lauten Netflix und Spotify. Die Zeiten, in denen zig Millionen Leute zeitgleich dieselbe Sendung geschaut haben, sind – von ganz großen Fußballpartien und bestimmten „Tatort“-Folgen abgesehen – endgültig vorüber. Ach. Das habt ihr schon gewusst? Dabei gibt es doch (Stichtag übrigens heute!) das Internet erst seit schlappen 25 Jahren…

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(mit angelesenen Infos von dpa und der Süddeutschen Zeitung)




Wenn Dichter baden gehen

Jeder Autor, der einmal ohne den geringsten Einfall auf ein leeres Blatt Papier gestarrt hat (jaja, heutzutage ist es der Bildschirm), der weiß: Auch der munterste Geist braucht gelegentlich Erholung an den Stränden ordinärer Lebenslust. Angeregt durch die Ferienzeit und eine kleine Ausstellung im Düsseldorfer Heine-Institut würdigen wir die „Dichter in Badehosen“.

„Stilles Gestade, so nahe dem heftigsten Getriebe“: Der Schriftsteller Heinrich Mann (Mitte) plaudert mit seiner Frau Nelly und einem Freund 1935 am Strand von Nizza. Foto: Feuchtwanger Memorial Library/University of California

„Stilles Gestade, so nahe dem heftigsten Getriebe“: Der Schriftsteller Heinrich Mann (Mitte) plaudert mit seiner Frau Nelly und einem Freund 1935 am Strand von Nizza. (Foto: Feuchtwanger Memorial Library/University of California)

Aber was heißt hier Badehosen? Schon Johann Wolfgang Goethe, der Übervater des deutschen Bildungsbürgers, riss sich gerne sämtliche Kleider vom Leibe, um sich frei zu fühlen. Bei einer Reise durch die Schweiz 1775 hatten es ihm seine Freunde Friedrich Leopold und Christian von Stolberg vorgemacht, „die guten harmlosen Jünglinge“. Goethe notierte, dass er sich „halb nackt wie ein poetischer Schäfer oder ganz nackt wie eine heidnische Gottheit“ in Schweizer Seen tummelte – leider nicht weit genug von der Zivilisation entfernt. Entrüstete Anwohner sollen mit Steinen geworfen haben.

Heinrich Heine, Goethes junger und von ihm nie adäquat beachteter Düsseldorfer Kollege, reiste häufig an die Nordsee, um, bevor es ihn nach Paris verschlug, seine zarte Gesundheit zu stärken. Im Juli 1826 auf Norderney lernte er sogar schwimmen – wir wissen nicht, welches Outfit er dabei trug. Aber: „Das Meer war so wild, dass ich oft zu versaufen glaubte“, schrieb er mit jungenhaftem Stolz an seinen Hamburger Verleger Julius Campe. Die Brandung verschaffte Heine ein Hochgefühl. „O wie lieb ich das Meer“, schwärmte er im folgenden Herbst in einem Brief an seinen Dichterfreund Karl Immermann, „… und es ist mir wohl, wenn es tobt.“

Ganze Gedichtzyklen Heines sind vom Meer inspiriert, er besang „Poseidon“ und das „Seegespenst“, den „Untergang der Sonne“ und den „Gesang der Okeaniden“. Man kann also nicht sagen, dass der Müßiggang am Strand die Kreativität vernichtet. Ganz im Gegenteil. Hermann Hesse, ein früher Verfechter der Freikörperkultur, schrieb liebevolle Betrachtungen über seine „Jahre am Bodensee“ (1904-1912), in der Nähe des Wassers entstanden Romane und schwelgerische Verse: „Seele, Seele, sei bereit!“

Mannsbild in Badehosen: Der Heimatdichter Wilhelm Schäfer 1911 am Bielersee (Schweiz). Er war ein Freund von Hermann Hesse und schrieb schwärmerische Texte über Seen und Berge. (Foto: Rheinisches Literaturarchiv/ Heine-Institut)

Mannsbild in Badehosen: Der Heimatdichter Wilhelm Schäfer 1911 am Bielersee (Schweiz). Er war ein Freund von Hermann Hesse und schrieb schwärmerische Texte über Seen und Berge. (Foto: Rheinisches Literaturarchiv/ Heine-Institut)

Hesses Freund Wilhelm Schäfer, ein vollbärtiges Mannsbild, liebte die Sommerfrische in Süddeutschland und der Schweiz. „Auch der See, in der Nähe kristallgrün, ging wie blaue Seide in die Tiefe hinein …“, schrieb er 1931 in „Wahlheimat“. Seine volksverbundene Prosa gefiel später leider auch den Nazis. Geplagt von Finanzsorgen und Schnaken, verbrachte der Rechtsanwalt Heinrich Spoerl 1931 einen dreiwöchigen Urlaub am Starnberger See, badete nur bis zur Taille („der See ist ziemlich kühl“) und hatte die Idee zu einer heiteren Pennälergeschichte, die als verfilmter Roman eine Legende wurde: „Die Feuerzangenbowle“.

Thomas Mann, der im Schutze eines Strandkorbs mitunter sogar den feinen Sommeranzug ablegte und im Badetrikot mit Sockenhaltern in der Sonne saß, stattete seine berühmtesten Helden mit Meeresliebe aus. „Tonio Kröger“ ließ er die „geheimnisvoll wechselnden Mienenspiele“ sehen, „die über des Meeres Antlitz huschen“. Und Hanno, Sprößling der „Buddenbrooks“, liebt „dieses zärtliche und träumerische Spielen mit dem weichen Sande, der nicht beschmutzt, dieses mühe- und schmerzlose Schweifen und Sichverlieren der Augen über die grüne und blaue Unendlichkeit hin …“

Auch Manns Bruder Heinrich, der, wie viele verfolgte Intellektuelle, an der südfranzösischen Ferienküste vorübergehend den Naziterror vergessen konnte, fand große Worte für das Stranderlebnis: „Das Meer, sein tiefer Atem, seine windige, … ersterbende Bläue und dieser Glanz von abendlich feuchtem Gold …“. Ein anderer Emigrant, der kämpferische Dichter und Dramatiker Bertolt Brecht, hatte schon 1919, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, dem Schwimmen ein Gedicht gewidmet: „Der Leib wird leicht im Wasser“, schrieb er da, und es ist, als befreite das Baden den Denker von den drückenden Problemen der Zeit: „Natürlich muss man auf dem Rücken liegen / so wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen. / … / Ganz ohne großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut / wenn er am Abend noch in seinen Flüssen schwimmt.“

Info:
Angeregt wurde dieser Text von einer Treppenhausaustellung im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, Bilker Str. 12-14: „Dichter in Badehosen“ bis 11. September 2016, Di.-So. 11 bis 17 Uhr (Sa. 13-17 Uhr).

Büchertipps:
Heinrich Heine: „O wie lieb ich das Meer – Ein Buch von der Nordsee“, herausgegeben von Jan-Christoph Hauschild, Hoffmann und Campe. 128 Seiten. Vergriffen, aber antiquarisch und als E-Book ab etwa drei Euro über das Internet erhältlich.
Hermann Hesse: „Jahre am Bodensee – Erinnerungen, Betrachtungen, Briefe und Gedichte“. Herausgegeben von Volker Michels mit Bildern von Siegfried Lauterwasser. Insel Verlag. 238 Seiten. 28 Euro.