Ein Mann ging in die Küche – Hausmann muß noch gegen Vorurteile ankämpfen

Von Bernd Berke

„Manch einer wird sagen: ,Das is’n fau-ler Hund. Schickt seine Olle Geld verdienen und macht sich selbst zu Hause schöne Tage'“, witzelt Hans-Jürgen Gräber (44). Gräber ist Hausmann.

Der gelernte landwirtschaftliche Verwalter hat sich aus dem Berufsleben zurückgezogen und führt den gemeinsamen Haushalt, während seine Frau Tanja (38) arbeitet. Und wenn sie abends das Häuschen am Waldrand von Westbevern bei Münster betritt, findet sie geordnete Verhältnisse vor. Ihr Mann hat, während sie für eine Arzneimittelfirma Arztbesuche machte, gewaschen, geputzt, gebügelt und die zweijährige Tochter Sonja aufs Beste versorgt.

Hans-Jürgen Gräber fürchtet keine Vorurteile à la „Der ist aber faul“ oder „Der steht vielleicht unter dem Pantoffel“. Beinah hätte er sich sogar einem millionenstarken TV-Publikum gestellt. Als das ZDF für seine neue Quiz-Serie „Tip“ Hausmänner suchte, meldete auch er sich. Doch die Fernsehgewaltigen fanden ein Haar in der Hausmannssuppe: Gräber zaubert in seiner Freizeit für Geld. Ein solcher Nebenverdienst ist gegen die Spielregeln.

Der verhinderte Fernsehstar hat eine geradezu abenteuerliche berufliche Vergangenheit hinter sich: Als sein Plan, Holzfällern in den kanadischen Wäldern die Haare zu schneiden und ihnen Zauberkunststücke vorzuführen, gescheitert war, schlug er sich in Warenhäusern als Marktschreier für Haarwässerchen und Kühlschränke durch. Dann erfand er gar einen neuartigen Blumendünger, den er als Selbständiger verkaufen wollte. Doch auch das ging schief.

Seine Frau Tanja, einst Kindergärtnerin, lernte er kennen, als sie direkt neben ihm ihr Reklamezelt aufschlug und für ein Konkurrenzprodukt warb. Doch nicht die Vorliebe für kuriose Jobs ist schuld an Gräbers heutigem Hausmannsdasein, sondern ein kühles Rechenexempel: Die Frau verdient mehr.

Als Magier verdingt sich Hans-Jürgen Gräber nur nebenbei: Auf Betriebsfesten und anderen Veranstaltungen läßt er seine Gattin in Kisten verschwinden, „köpft“ Hunde oder macht eine Banknote so groß wie ein Badetuch.

Frau Tanja sorgt sich nicht: „Neulich mußte ich für fünf Wochen ins Krankenhaus. Als ich den Mitpatientinnen erzählte, wer meinen Haushalt versorgt, staunten sie, daß ich da noch ruhig schlafen könne.“ Ihr Mann wehrt bescheiden ab: „Ach, das Hausmannsdasein ist doch gar nicht schwer. Schließlich habe ich ja eine Geschirrspülmaschine und einen Bügelautomaten. Und wenn ich beim Saubermachen eine Ecke ausgelassen habe, geht meine Frau da noch mal mit dem Schrubber hin.“

Erst Hausarbeit  – dann die Magie

Freunde und Nachbarn hätten zunächst ein wenig gespottet, aber „jetzt ist die Nachbarschaftshilfe hier auf dem Dorf prima“, meint Hans-Jürgen Gräber. Er, der lange Jahre in Dortmund lebte, und seine Frau, die aus Münster kommt, haben im winzigen Westbevern-Brock eine Art Einsiedlerleben begonnen. Das Häuschen im Fachwerkstil kaufte Hans-Jürgen Gräber vor acht Jahren zu einem Spottpreis. Dafür war es auch in einem derart verwilderten Zustand, daß man schon Hausmann sein mußte, um es in vielen Bastelstunden wieder herzurichten. Heute, so vermerkt Tanja Gräber stolz, „haben wir sogar fließend Wasser aus eigener Quelle“.

Was ihr Mann so in seiner Freizeit treibt, wenn er nicht gerade als „Graber-Havelock“ auf der Zauberbühne steht, ist augenfällig: Der Geräteschuppen – übervoll mit Werkzeugen – ist so groß wie das Wohnhaus. Gräbers weitere Hobbys: Gartenarbeit („Wir versorgen uns selbst mit gesundem Gemüse“), Orgelspielen („Am liebsten Musical-Melodien“) und Bogenschießen.

Seine Frau fühlt sich wohl: „Hier draußen ist die Welt wirklich noch heil. Hier ist unser Paradiesgarten Eden.“ Dann spricht sie ihrem Mann hohes Lob aus: „Er macht die Hausarbeit fabelhaft und besitzt sehr viel Phantasie im Umgang mit unserer Tochter.“ Bei der Erziehung freilich hilft sie selbst ein bißchen. Als ehemalige Kindergärtnerin muß sie’s schließlich können.

Hans-Jürgen Gräber möchte gar nichts anderes mehr sein als eben Hausmann. Erklärt seine Frau: „Er ist den Berufsstreß leid. Hier braucht er nicht nach der Uhr zu leben. Außerdem stellen wir keine großen Ansprüche.“

Dem verpaßten Fernsehauftritt trauern beide nicht weiter nach. Immerhin gab es Möchtegernkandidaten, die viel weiter am Ziel vorbeischossen. Viele meldeten sich – groteskes Mißverständnis – nicht etwa, weil sie Hausmänner waren, sondem weil sie mit Nachnamen Hausmann hießen. Das TV-Debüt hat Hans-Jürgen Gräber außerdem schon hinter sich: In der Eduard-Zimmermann-Sendung „Vorsicht Falle!“ mimte er einmal einen Bauernfänger, der mit Kartentricks die Leute übers Ohr haut.

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Rundschau-Wochenendbeilage




Singende Kinder – ebbt die Welle ab?

Von Bernd Berke

Als Heintje in die Jahre kam, gab es eine Austrittswelle: Der Dortmunder Heintje-Fanclub, einst der größte seiner Art in der Bundesrepublik, schrumpfte zusehends. Innerhalb weniger Monate kehrten über 100 Fans des holländischen Kinderstars ihrem Hörder Verein den Rücken. Im Umland machten von 29 Heintje-Clubs zehn dicht.

Dr. Riemer vom Deutschen Institut für Jugendforschung in München erklärt sich das so: „Es scheint, als könnten sich die Fans mit einem erwachsenen Heintje nicht mehr abfinden. Sie können ihre geheimen Wünsche nicht mehr auf den Jungen übertragen.“

Manager poltert gegen früheren Schützling

Heute ist man Heintje richtig böse. Manager Gerd Rothenbusch (33), der bis vor kurzem noch landauf, landab Reklame für ihn machte, poltert gegen seinen früheren Schützling los: „Den würd‘ ich nicht mehr auftreten lassen. Der hat doch genug Geld verdient, der Knabe!“ Als hätte Rothenbusch es gerochen: Einen Tag später verpatzt Heintje – angeblich von Grippe geplagt – seinen Auftritt bei der Löwenverleihung in der Westfalenhalle. Rothenbusch freut sich: „Das geschieht ihm recht. Unser Club gönnt ihm keinen Erfolg mehr. Warum muß Heintje auch so viel Malteser saufen. Klar, daß ihn das fertigmacht!“

An Heintjes Stimmbruch und an der Tatsache, daß er seinen größten Club im Stich ließ. indem er ihn nicht mehr mit Informationen versorgte, wäre beinahe der Club eingegangen. Gerade noch rechtzeitig kam Clubchef Rudolf Omnitz (18) die rettende Idee: um weiter auf der Kinderstar-Welle mitreisten zu können, nahm er die heute zwölfjährige Norwegerin Anita unter die Fittiche des 500köpfigen Clubs.

Heintje als Ersatzkind?

Das fällt auf: Der Club, der sich um Kinderstars kümmert, hat sehr viele Mitglieder über 40 Jahre. Und es gibt sogar eine Art „Dunkelziffer“. Manager Rothenbusch: „Viele Mütter und Omas lassen ihre Sprößlinge in den Club eintreten, weil sie sich schämen, es selbst zu tun.“ Den Grund kann man nur vermuten. Beim Clubtreff ruft ein älterer Mann im Überschwang: „Den Heintje, den mag ich, der ist nicht so überheblich.“ Der Mann ist nicht verheiratet, hat kein Kind. Heintje als Ersatzkind?

Jedenfalls ist der Fan etwas „hinter dem Mond“. Für seinen Club nämlich ist Heintje „gestorben“. Und schon drohen Sorgen mit dem blonden Heintje-Ersatz Anita („Schön ist es, auf der Welt zu sein“), denn auch von der kleinen Roy-Black-Partnerin hört man kaum noch etwas. Letzte Chance: Clubgründer Rudolf Omnitz will einen Blitzbesuch in ihrer norwegischen Heimat machen und sie zu neuen Aktivitäten überreden. Und wenn’s nicht klappt, ist es auch nicht schlimm.

Flexibler Fanclub: von Anita zu Jürgen Marcus

Fanclubs sind flexibel: Schon ist Rudolf Omnitz mit einem Bein aus der Kinderwelle raus. Seme Fanclubzeitung (Auflage: 3000 Stück), die einst naiv bejubelte, daß sich „unser Heintje“ eine Villa mit 26 Zimmern leisten kann und dann Anita in den Schlagerhimmel hob, feiert heute in erster Linie Jürgen Marcus („Schmetterlinge können nicht weinen“).

Auch die Schallplatten-Industrie sieht den Boom der deutsch singenden Kinderstars abflauen. Bei der Ariola-Tochter „M Records“, die den zehnjährigen „Nicki“ unter Vertrag hat, heißt es: „Wir haben keinen anderen Kinderstar mehr. Der Nicki reicht uns.“ Auf andere Weise will die Firma Bellaphon nach Worten von Manager Helmut Kersting das Problem in den Griff kriegen: „Wir werden die Fanclubs straffer organisieren.“ Kersting betreut das britische Kinderduo „James Boys“.

Wie deprimierend auch das neue Clubleben aussehen kann, läßt ein Auftritt Jürgen Marcus im Dortmunder Clublokal „Kaiser“ in Sölde vermuten: Für 25 DM Eintritt „dürfen“ die Fans über eine Stunde lang auf seinen Auftritt warten. Und dann singt er nicht etwa, sondern wünscht nur einen guten Abend. Dann muß er weiter zu Fernsehaufnahmen.

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