„Darüber spricht man nicht“: Mit erprobtem Stück gegen neue Prüderie

Von Bernd Berke

Dortmund. „Darüber spricht man nicht“ ist ein Stück, bei dem Aktionen und Reaktionen der Zuschauer genauso wichtig sind, wie die Arbeit der Darsteller. Ein ruhiges Publikum würde jede Aufführung mißraten lassen. Weil aber das Kindertheater in Dortmund das spontanste Publikum hat, konnte gar nicht viel „anbrennen“.

Um Platz fürs Mitspielen zu schaffen, war man ins Dietrich-Keuning-Haus umgezogen, dessen Saal mehr Bewegungsfreiheit bietet, als das Theater am Ostwall. Das annähernd zehn Jahre alte Stück der „Roten Grütze“, steht gerade rechtzeitig auf dem Spieplan. Da sich allenthalben eine neue Prüderie breitzumachen droht, hat der Stoff kaum etwas von seiner Bedeutung verloren; es überrascht heute höchstens der fröhliche Optimismus der Vorlage. Die Spielhandlung dreht sich ums „Liebhaben und Streicheln, ums Schmusen und Anfassen, ums Kindermachen und Kinderkriegen“ (Programmheft) und vor allem darum, daß man offen über alles reden sollte.

Die über 100 Kinder, die zur Samstagspremiere (Inszenierung: Klaus D. Leubner) gekommen waren, brachten sicherlich unterschiedliches Vorwissen mit. Trotzdem waren, vor allem bei den Kleineren, im Verlauf des Stücks die Fortschritte unverkennbar. Nach anfänglicher Scheu äußerten sie sich – mit einer Ausnahme kurz vor der Pause – zunehmend unbefangener. Ein Verdienst der Schauspieler, die für die entsprechende Atmosphäre sorgten. Übervorsichtige hatten schon vor der Aufführung Unsauberes gewittert. Zur Beruhigung: Den Kindern wird keine Information aufgedrängt, es wird vielmehr in einem Frage- und Antwortspiel auf ihre Bedürfnisse eingegangen.




Die Logik der Kernkraft-Freunde – Hildebrandts „Scheibenwischer“ zur Atomenergie

Von Bernd Berke

Dieter Hildebrandt läßt sich nicht beirren. Allen Anfeindngen zum Trotz, hat er mit der neuesten Ausgabe von „Scheibenwischer“ (ARD) in die gleiche Kerbe gehauen wie mit seiner schon legendären Sendung über den Rhein-Main-Donau-Kanal. Diesmal ging es um Kemkraftwerke, und siehe da: Die Namen einiger bayerischer Politiker, die schon in der Kanal-Sendung in wenig schmeichelhaften Zusammenhang aufgetaucht waren, standen erneut im Mittelpunkt. Unnachahmlich Gerhard Polt, der durch die simple mehrfache Nennung des bayerischen Sozialministers die Lachmuskeln reizte.

Hildebrandt sagte eingangs, er habe sich ganz fest vorgenommen, endlich mal „hemmungslos positiv“ über Atomkraft zu sprechen. Polt und Gisela Schneeberger sollten – als Werbekolonne der Stromerzeuger – dabei Hilfestellung leisten. Klar, daß ihnen die hinrissigsten „Argumente“ in den Mund gelegt wurden, die Hildebrandts gute Vorsätze mitunter ins Wanken brachten.

Kein echter Vertreter der Pro-Kernkraft-Linie würde zwar so ohne Umschweife und zynisch seine Meinung vertreten, doch wurde durch satirische Übertreibung manches deutlich, was sonst im beschönigenden Wortgeklingel untergeht. Absurder Gipfel der vermeintlichen Atomstrom-Propaganda: Berechnungen, die darauf hinausliefen, daß der Stromverbrauch zwar sinke, der Bedarf aber steige. Ein logischer Bruch, fürwahr! Er entstand daraus, daß die Bedarfsprognosen der Stromproduzenten als über jeden Zweifel erhaben dargestellt wurden.

Schade, ewig schade, daß Hildebrandt und seine Mitstreiter nicht ausführlicher auf die jüngsten Ereignisse in Bonn eingingen. Bereits die Titulierung des wechselfreudigen FDP-Vorsitzenden Genscher als „Doppelstecker“ und das Wortspiel mit der „Wandelhalle des Bundestags“ ließen ahnen, welches Bravourstück daraus hätte werden können. Gerade durch die Bonner Wechselspiele hat jedoch auch das gewählte Thema „Energiepolitik“ neue Aktualität erlangt.




TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund: Kulturabbau im „Pott“? Nichts wie hin!

Daß ein Kulturmagazin einmal ein paar Minuten fürs Revier, gar für Dortmund, übrig hat, ist verwunderlich genug. Kann man in so einem Fall nicht fast darauf wetten, daß von Düsternis, sozusagen von „Ruß am Kulturhimmel“ zu berichten ist? Aber ja! Dortmunds Schauspiel ist in Gefahr – das Team von „Aspekte“ (ZDF) wird hellhörig: N o c h weniger Kultur im „Pott“? Nichts wie hin!

Kein Einwand, hätten sich die Mainzer des Themas wirklich angenommen. Doch was die TV-Leute mit diesem Beitrag boten, war Kürze ohne Würze. Keine hinreichende Beschreibung der Probleme, schon gar keine fundierte Stellungnahme. Da huschte die Kamera mal fix über den oder jenen Zeitungsausschnitt, da ließ man Oberspielleiter Roland Gall nur sekundenlang zu Wort kommen, vollführte einen gelungenen Schwenk übers Große Haus – und damit hatte es sich dann auch schon. D e n „Aspekte“-Beitrag möchte ich sehen, der die Schließung auch nur eines einzigen größeren Sprechtheaters in München und Berlin ähnlich salopp abhandelt!

Fehlte nur noch, daß Moderator Alexander U. Martens das Kürzestfilmchen kommentierte. Schlimm nur: er tat’s wirklich! Die Dortmunder Vorgänge seien „bedauernswert“, doch die Stadt ächze halt unter Defizit und habe „über 10 Prozent“ Arbeitslose. Basta! Das hörte sich an, als seien „die“ Dortmunder schuld an der Misere, als sollten sie gefälligst ohne Murren den harten, angeblich unvermeidlichen Schnitt tun. Als habe es vor allem deshalb Arbeitsplatz-Verluste gegeben, weil in Dortmund Theater gespielt wurde. Daß bei Schließung der Sprechbühne ebenfalls Arbeitsplätze verschwinden, hielt Martens erst gar nicht für erwähnenswert. Auch weniger Greifbares – Stichwort „kulturelle Verödung“ – findet er offenbar halb so wild.

Näher am Zeitgeist wähnte sich der Moderator wohl gleich zu Beginn der „Aspekte“-Ausgabe. Im Gespräch mit Martens durfte der „Neokonservative“ Gerd Klaus Kaltenbrunner drauflos schwadronieren. Die Deutschen seien ein Kulturvolk – und das schon „seit 1000 Jahren“. Man möchte hinzufügen: Wenigstens eine Unterbrechung gab’s schon – und für die waren auch „1000 Jahre“ vorgesehen.                  Bernd Berke

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Leserbrief

Betr.: TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund

Auf den Beitrag „TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund: Kulturabbau im „Pott“? Nichts wie hin!“ von Bernd Berke in der Westfälischen Rundschau vom 20. September muß ich antworten, denn selten habe ich einen Bericht gelesen, der so durch Voreingenommenheit getrübt war. Herr Berke unterstellt, wir würden über das Ruhrgebiet nur berichten, wenn „Ruß am Kulturhimmel“ zu konstatieren sei. Wenn er unsere Sendüng besser kennen würde, würde er wissen, wie oft wir aus dem Revier – einschließlich einer 45minütigen Schwerpunkt-Sendung – berichtet haben. Daß dabei allerdings öfter vom Bochumer Theater oder von Kulturaktivitäten in Kamen oder Unna die Rede war als vom Dortmunder Schauspiel, liegt nicht an uns.

Der „Aspekte“-Bericht zu Dortmund war zweieinhalb Minuten lang – gewiß ein Kurzbericht als erste Information über eine Absicht. Ist das journalistisch nicht legitim? Wir werden auf das Thema schon noch zurückkommen. Wo aber sind in München oder Berlin bereits Sprechtheater geschlossen worden, über die wir hätten berichten können? Und ist das in Dortmund schon beschlossene Sache – Fakt oder Absicht?

Ganz schlimm ist, wie Herr Berke die Äußerungen meines Kollegen Martens zu dem Kurzbeitrag interpretiert. Aus dem Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation in Dortmund abzuleiten, wir hätten gemeint, die Dortmunder seien selbst schuld an ihrer Misere, ist ebenso absurd, wie die Unterstellung, wir würden eine Theaterschließung „halb so schlimm“ finden.                          Dr. Dieter Schwarzenau, „Aspekte“-Redaktion

 




Der Prinz als Privatmann und ein vielbeschäftigter Kammerherr – „Emilia Galotti“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Die erste Schauspielpremiere der neuen Saison in Wuppertal, Lessings Trauerspiel „Emilia Galotti“, entfachte im Zuschauerraum beinahe mehr „Theater“ als auf der Bühne.

Einige Theaterbesucher auf den hinteren Rängen forderten vehement, die Schauspieler möchten doch lauter reden. Von den empörten Vorderreihen niedergezischelt, erhöhten die Hinterreihen die Phonstärke (Gebrüllter Dialog: „Ich will hören!“ – „Dann kauf Dir doch ’nen Fernseher!“) – immer mitten in den Vortrag der Darsteller hinein. Dabei hätte es solcher Aktivitäten gar nicht mehr bedurft, um die Schauspieler aus dem Konzept zu bringen. Wie ich finde, waren die meisten Darsteller ohnehin aus dem Konzept, und dieses Konzept ließ seinerseits zu wünschen übrig.

Die Rollen der Dienerschaft und des bezahlten Mörders Angelo. blieben in dieser Aufführung ausgespart. Offenbar wollte sich die Regie (Jörn van Dyck, Wuppertals neuer Schauspielleiter) ganz auf den Konflikt zwischen Adel und Bürgertum konzentrieren. Doch der Prinz (Metin Yenal), der von seinem Kammerherrn Marinelli (Peter Hommen) in übelste Intrigen hineingezogen wird, trat hier gar nicht als Vertreter einer Gesellschaftsschicht auf, sondern als Bruder Leichtfuß, der ab und zu Gewissensbisse bekommt, als Bohemien und als „Windbeutel“, der alle paar Sekunden einer anderen Stimmung unterworfen ist. Gleich die erste Szene zeigt ihn im Bett und nicht, wie von Lessing vorgesehen, am Arbeitstisch. Betont wird mithin die private Sphäre, ausgeblendet die des öffentlichen Einflusses. Daß der Prinz sich auch in einem gesellschaftlichen Dilemma zwischen Liebe, also bürgerlichem Lebensgefühl und seiner Rolle als Landesherr befindet, wurde an kaum einer Stelle deutlich; geschweige denn, daß versucht worden wäre, diesen Konflikt und die sich um ihn rankenden Machtverhältnisse für Menschen des 20. Jahrhunderts transparent zu machen.

Eine glatte Fehlbesetzung ist Anke Siefken als Emilia, die überhaupt nicht so wirkt, als könne sie sich vom Prinzen verführen lassen. Rena Liebenow als Emilias Mutter hatte ebenfalls zu kämpfen. Stellte sie Gefühlsausbrüche dar, so merkte man deutlich, wie sie erst Anlauf nehmen mußte. Ein dramaturgischer Fehlgriff überdies, daß Camilla Rota, der im Originaltext dem Prinzen ein Todesurteil vorlegt und vor übereilter Unterschrift warnt, in der Wuppertaler Fassung nicht vorkommt. Stattdessen wurden die mahnenden Worte kurzerhand in den Text Marinellis eingebaut, dessen Charakter dadurch einen humanen Zug bekommt, der vom Stück her nicht zu rechtfertigen ist. Überhaupt ist die Figur, die von Peter Hommen mit erkennbarer Anstrengung dargestellt wird, überfrachtet. Marinelli muß in Wuppertal auch noch sämtliche Aufgaben der Dienerschaft wahrnehmen.

Immerhin ragten Bernd Schäfer als Odoardo, Claudia Amm als Orsina und Michael Wittenborn als Appiani durch solide Leistungen aus dem Ensemble heraus. Sie sorgten dafür, daß trotz des verunglückten Ansatzes streckenweise doch eine akzeptable Aufführung zustande kam. Auch das Bühnenbild von Dietrich Schoras war nicht aufregend, sondern allenfalls gefällig. Wirklich packend war das Gesamtergebnis an keiner Stelle. Verhaltener bis herzlicher Beifall am Schluß belohnte die Bemühungen der Darsteller. Unüberhörbar jedoch auch einige Buhrufe, als der Regisseur sich zeigte.




Timothy Leary als Star eines Treffens im Hochsauerland – Kritik am westlichen Denksystem

Von Bernd Berke

Dortmund/Willingen. Timothy Leary, in den 60er Jahren durch sein Eintreten für die Droge LSD weltweit bekannt gewordener US-Professor, weilt derzeit im Sauerland! Anlaß ist ein Kongreß in Willingen bei Brilon, der sich damit befaßt, Geist, Seele und Leib durch Körperübungen in Einklang zu bringen.

Seit dem letzten Wochenende vertiefen sich Jm Hotel ..Sauerland-Stern“ etwa 170 Teilnehmer (Gebühr: rund 600 DM, ohne Hotelkosten) ins Thema. Einer von ihnen ist der Dortmunder Schauspieler Ruedi Gerber (25), bekannt durch sein Programm „Spiwit of Spwingtime“. Er hofft, in dem abgeschiedenen Hotel neue Anregungen für Darstellungformen jenseits des Stadttheaterbetriebs zu bekommen.

Timothy Leary regte ihn allerdings eher auf als an. Ruedi Gerber: „Er hat nur unverbindlich gequasselt“. Beeindruckt zeigt sich Gerber hingegen von der Eröffnungsfeier des Treffens, die etwas anders verlief als herkömmliche Festivitäten. Unter Leitung der 62jährigen amerikanischen Tänzerin Anna Halprin (früher beim San Franciscan Dancer’s Workshop) geriet die Veranstaltung zu einer Art Happening der Körper- und Selbsterfahrung. Hotelleitung und Gäste, die mit dem Kongreß nichts zu tun haben, sollen dem Vernehmen nach entgeistert gewesen sein, als die Teilnehmer des Treffens mit Ästen aus dem sauerländischen Forst im großen Hotelsaal anrückten.

All das hat einen ernsten Hintergrund. Die Teilnehmer sind durchaus seriöse Leute, Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter von 25 Jahren an aufwärts. Alle gemeinsam vertreten die Auffassung, daß die westliche Vorstellung von Wissenschaft, die ausschließlich das Denken beansprucht, überholt ist. Daher beschäftigen sie sich in Willingen etwa mit Fragen des Körperausdrucks und vorwissenschaftlieher Heilkunst.

Ruedi Gerber: „Auch auf der Bühne geht es um menschliche Beziehungen, besonders beim improvisierten Spielen, das ich bevorzuge. Diese Beziehungen haben viel mit dem Körper zu tun“ . Gerber plant schon sein nächstes Projekt. Da er in Willingen einen engen Mitarbeiter des bekannten englischen Psychiaters Ronald D. Laing traf, will er Laing für eine szenische Umsetzung von dessen Gedichten (Titel: „Liebst Du mich?“) nach Dortmund holen.

Der Veranstalter des Willinger Treffens, (ein „Europäisches Forum für Humanwissenschaften“ mit Sitz in Stuttgart) kündigt ein weiteres Meeting an. 1983 sollen in München so illustre Leute wie die Regisseure Federico Fellini und Werner Schroeter sowie die Schriftstellerin Doris Lessing erscheinen.




Polizist debütiert als Romanautor – Reinhard Bottländer erzählt die Geschichte einer Flucht

Von Bernd Berke

Im Revier. Als „Kind des Ruhrgebiets“ bezeichnet er sich, als einen, der „aus ganz einfachen Verhältnissen kommt“. Sein Vater war Bergmann in Bochum, Reinhard Bottländer selbst ist Polizist geworden – und Schriftsteller.

In diesen Tagen erscheint im Recklinghäuser Georg Bitter Verlag sein erster Roman: „Konrad oder die lange Flucht“. Für die Geschichte eines 15jährigen, der aus dem Erziehungsheim flieht und der auch „draußen“ nur mit den Randgruppen der Gesellschaft Kontakt bekommt, konnte der 34jährige Autor manche der Erfahrungen verwenden, die er in der Fahndungsabteilung der Bochumer Kripo machte.

Bottländer, der seit kurzem in Dortmund wohnt und hier für den höheren Polizeidienst büffelt, debütierte 1979 mit einer Sammlung von Kurzgeschichten aus dem Polizeialltag. Hans Sigismund von Buch, Lektor des Bitter-Verlags, griff damals sofort zu, obwohl der Autor noch völlig unbekannt war. Von Buch: „Über die Polizei wird sonst fast nur Kritisches veröffentlicht. Hier schilderte endlich mal einer die Sache von der anderen Seite aus.“ Bottländer über die Reaktion seiner Kollegen: „Manche waren neidisch, aber die meisten fanden es gut, daß einer von uns die Wirklichkeit darstellt. Sonst kennt man ja nur superkluge und erbarmungslose Fahnder vom Schlage eines Jerry Cotton.“

Dennoch: Reinhard Bottländer möchte auf Dauer weg vom Image des „schreibenden Polizisten“. Deshalb habe er sich bei seinem neuen Buch auch sehr mit einschlägigen Szenen zurückgehalten: „Da fährt praktisch nur einmal ein Streifenwagen vorbei.“ Stattdessen habe er versucht, die menschlich-psychologische Seite eines gescheiterten Lebens zu schildern. Bottländer: „Ich will keinen Täter entschuldigen, aber hinter jedem Verbrechen steht eine Geschichte, die nicht einfach mit einer Festnahme erledigt ist.“

Kann sich der Vater zweier Kinder vorstellen, einmal die Uniform an den Nagel zu hängen und nur noch zu schreiben? Bottländer: „Das Risiko will ich meiner Familie noch nicht zumuten. Vielleicht, wenn ich 52 Jahre alt bin und Anspruch auf eine höhere Pension habe.“




Archäologen wollen nun in Südwestfalen gründlicher graben – Neuer „Vorposten“ in Olpe

Von Bernd Berke

Olpe. Trotz Verknappung der Finanzmittel soll jetzt die archäologische Tätigkeit in Südwestfalen, vor allem im Märkisehen Kreis, im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe, vorangetrieben werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel ist man seit gestern einen Schritt weiter: Eine neue Außenstelle des Westfälischen Museums für Archäologie wurde in Olpe eingeweiht. Das Institut soll den gesamten Regierungsbezirk Arnsberg betreuen.

Wie Dr. Bendix Trier, Direktor des in Münster ansässigen Westfälischen Museums für Archäologie, gestern in Olpe mitteilte, sind in den letzten Jahren zahlreiche archäologische „Bodendenkmäler“ für immer zerstört worden, weil Fachleute nicht schnell genug vor Ort sein und rettend eingreifen konnten. Das solle sich mit der Errichtung des Olper „Vorpostens“ bessern. Die Außenstelle am Biggesee startet mit acht Mitarbeitern, darunter zwei Wissenschaftlern und will – so ihr Leiter, Dr. Philipp Hömberg – auf dem Weg über Kreis- und Ortsheimatpfleger den Kontakt zu den vielen Hobby-Archäologen verbessern, ohne die die Experten „aufgeschmissen“ wären.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Träger der neuen Einrichtung hat in diesem Jahr 4,7 Millionen DM für archäologische Zwecke im Etat. Das Land steuert noch 2 Millionen bei. Josef Sudbrock, Kulturdezernent des Landschaftsverbands: „Damit können wir nicht einmal Notgrabungen bewältigen, geschweige denn ,Lustgrabungen'“. Mit Sondermitteln des Landes (1983 drohen Streichungen) hoffe man, die Bestände zügig inventarisieren zu können.

Manchmal helfen auch Maulwürfe

Dr. Bendix Trier beschreibt das schwierige Geschäft der Archäologen: „Bodendenkmäler wie zum Beispiel urzeitliche Siedlungsreste oder Friedhöfe sind – im Gegensatz zu Baudenkmälern – nicht sichtbar.“ Manch argloser Spazierganger habe schon Scherbenreste, die Aufschlüsse über frühere Epochen erlaubt hätten, aufgeklaubt und gleich wieder fortgeworfen. Nicht immer widerfahre den Archäologen das Glück, daß ein Maulwurf das Erdreich umpflüge und Sensationen zutage fördere. Immerhin sei auch das schon vorgekommen.

Lieber setzt man freilich auf Leute wie jenen Freizeit-Sucher, der sich „wenige Quadratmeter Acker sechs Stunden lang vornimmt“. Ein soleher Mann hat laut Dr. Hömberg dafür gesorgt, daß die Fundkarte des Altkreises Wittgenstein, die noch 1974 lediglich vier Fundstellen verzeichnete, heute mit 180 Markierungspunkten übersät ist.

Hatte man bis vor kurzem angenommen, im hügeligen Sauerland sei archäologisch weit weniger zu holen als etwa im flacheren Kreis Unna, schöpft man jetzt – angespornt durch den Wittgensteiner Boom – neue Hoffnung. Dr. Hömberg nennt einen weiteren Trend: „Bisher interessierten vor allern spektakuläre Einzelfunde.“ Heute sei es wichtiger, Voraussagen darüber zu treffen, was eine bestimmte Fundstelle in der Zukunft überhaupt noch hergeben könne.

Auch mit Paragraphengestrüpp haben die Archäologen zu kämpfen. So billigt ihnen das Gesetz zwar zu, ein Bauvorhaben an kritischen Punkten für drei Tage zu stoppen. Gerät der Bauherr dadurch in Verzug, kann er aber auf Entschädigung pochen. Bislang habe man sich jedoch noch stets gütlich einigen können.