„Vom Bett aus“ – ein spezieller Ort der künstlerischen Inspiration

Von Bernd Berke

Dortmund. Wenn eine Ausstellung sich „Vom Bett aus“ nennt, denkt man an allerlei. In der gleichnamigen Schau dreier junger Künstler, die am Sonntag im Dortmunder Ostwall-Museum eröffnet wird und bis 24. Februar dauert, ist jedenfalls keine einzige Schlafstatt zu sehen.

Der Titel bezieht sich denn auch eher auf den zwischen Tag und Traum angesiedelten Zugriff auf die Bild-Wirklichkeit sowie auf die Veränderung der Wahrnehmung durch das Sehen und Immer-wieder-Sehen von Bildern. Gerald Domenig, einer der drei beteiligten Künstler: „Zwei Uhr früh… Vom Bett aus betrachte ich meine Abendmalerei an der Wand gegenüber.“ Domenig bezeichnet das Bett als „Ort der Inspiration“.

Domenig ist 1953 in Villach/Österreich geboren, seine Mitaussteller heißen Christian Hanussek (32) und Nicole van den Plas (42). Die drei kennen sich vom Kunststudium in Frankfurt, betrachten sich aber nicht als Künstlergruppe im eigentlichen Sinne.

Domenig drückt sich vornehmlich in der Nicht-Farbe Schwarz aus. Er spannt kraftvoll ungefüge, zuweilen gewaltsam und bedrohlich wirkende Flächen in akkurat gezogene Linien. Hanusseks Duktus erinnert eher an die heftige Linienführung der „Neuen Wilden“. Aber seine großformatigen Bilder gemahnen auch an monumentalisierte Körper-Studien für eine Kunstakademie. Mit leuchtenden Farben umrissen, tauchen auf verwaschenen Malgründen Menschenfiguren auf, die sich uralten Riten zu widmen scheinen – eine gelungene Verschmelzung archaischer, antikisierender und informeller Elemente.

Die Belgierin van den Plas gibt als einzige ihren Bildern Titel. Zur Not können sie auf das Ausstellungsmotto bezogen werden: „Guten Morgen“ und „Guten Abend“ beispielsweise. Ihre Motive zitieren zum Teil die Ikonographie altägyptischer Mythologie, die hier in einer ganz eigenständigen Bildsprache der (Post)-Moderne neu zu „sprechen“ beginnt.




Schaubudeneffekte für Puntila – Alfred Kirchner inszeniert Brechts Herr- und Knecht-Stück in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. Die Tür zur Bühne knallt mehrmals laut, dann wird das widerstrebende „Kuhmädchen“ gewaltsam vor die Zuschauer geschubst.Heulend nölt sie Brechts Vorspruch zu „Herr Puntila und sein Knecht Matti“; Man habe ein komisches Spiel gemacht, und zwar nicht zu knapp.

Schon die allererste Zeile ist verändert: „Geehrtes Publikum, die Zeit ist trist“. Bei Brecht hieß es: „Geehrtes Publikum, der Kampf ist hart“. Widerwille, der sich an Brechts klassenkämpferischen Optionen oder Gewißheiten reibt; Mißtrauen gegen einen Text von 1940, der denn auch eher mit Vorsicht genossen (aber doch genossen, also ausgekostet) wird.

Nach dem Vorspiel betritt „Puntila“ (Traugott Buhre) das leicht erhöhte Podest der Spielfläche (Bühnenbild: Peter Bausch). Man denkt an billige Schaubudeneffekte. Und so ist es denn auch: Für Puntila, den finnischen Großgrundbesitzer, der im Suff „menschlich“ wird, bei „Anfällen von Nüchternheit“ aber im Sinne seines Klasseninteresses bedrohlich „zurechnungsfähig“ wird, findet in Alfred Kirchners Deutung die Welt als läppische Inszenierung statt.

Wenn Puntila sich mit den Fühaufsteherinnen verlobt, treten die ihm, von vornherein gewitzt, als wandelnde Kulissen entgegen, als Sinnbilder von Menschen, die auf ihre Arbeitsfunktion reduziert sind. Sogar die Vogelstimmen im finnischen Birkenwald werden mit einem Pfeifchen imitiert. Auch die Puntila-Tochter Eva (Lisi Mangold) kommt unwirklich daher – ein im „Puppenheim“ gefangenes Kind mit dem Appeal eines UFA-Mädels der 30er Jahre. Puntila lebt in einer Irr- und Scheinwelt. Nüchtern geworden, findet er nur deren Reste vor: in den Staub geworfene Brautkränze, demoliertes Mobiliar.

Dieser Puntila wird auch im Rausch nur „fast“ Mensch. Er bleibt bramarbasierender Menschen-Darsteller. Als er eine seiner guten Taten herausstreicht (er hat einen Hirschkäfer von der Straße getragen), zieht Buhre ein Mikro hervor und verkauft seine Menschlichkeit nach Art eines Conférenciers.

Von Anfang an gewappnet gegen Puntilas humane Duseleien ist denn auch sein Chauffeur Matti (Branko Samarovski). Er spielt das üble Spiel nur als überlegener Hofnarr mit. Es vermischen sich schwejkisches Erbteil und Commedia dell’Arte. Samarovski gelingt das bewundernswerte Kunststück, die brachiale Präsenz Puntilas über weite Strecken auszubalancieren. Und gegen wieviel Verve muß er da, äußerlich ruhig bleibend, angehen: Buhre spielt ja a u c h den vor Lebenslust berstenden, momentweise eine Utopie vom verwirklichten „Vollmenschen“ vorlebenden Mann.

Es gibt atemberaubende Szenen: Etwa wenn Puntila mit seinem Nobelschlitten vor einen Telegrafenmasten gerauscht ist: Eine impressionistische Landschaftskulisse, der Mast, der mit Aquavit abgefüllte, fluchende Puntila – alles befindet sich in horrender, liebevoll komponierter Schräglage. Großartig auch, wie Matti die Volksspeise Hering mit Abendmahls-Feierlichkeit verteilt und an der bloßen Reaktion der zum Essen Genötigten ihre Klassenzugehörigkeit ablesbar wird.

Frenetischer Beifall. Verdient haben ihn nach meinem Empfinden – neben Buhre und Samarovski – besonders Eleonore Zetzsche („Schmuggleremma“), Thomas Schendel („Attaché“) und Tana Schanzare für ihr Puntila-Lied.