WDR-Kulturchef Hansjürgen Rosenbauer setzt auf „die Schlaflosen im Land“ – fast nur Spättermine für sein Ressort

Von Bernd Berke

Köln. Hansjürgen Rosenbauer, seit gut einem Jahr Leiter des WDR-Programmbereichs Kultur und Wissenschaft, setzt „auf die Schlaflosen in diesem Land“.

Seit er aus dem Politik-Ressort in den Bereich Kultur wechselte, hat er erst einen einzigen Hauptabendtermin im ersten TV-Programm belegen dürfen. Seufzt Rosenbauer: „Ein- und dieselbe Sendung würde als PolitikBeitrag um 21 Uhr, als KulturBeitrag aber erst um 23 Uhr ausgestrahlt werden.“

Doch der Kulturchef läßt sich’s nicht verdrießen. Mit ausführlichen Dokumentationen soll vor allem der neue Geschichts-Termin (sonntags 20.15 Uhr im WDF) genutzt werden. Nachdem „Das Erbe von Jalta“ bis zu 9 Prozent der Zuschauer erreichen konnte, soll ab 17. März eine neue Serie folgen: „Die Herren der Welt“, ein Sechsteiler zur Entstehung des Kolonialismus in Europa.

Am 8. Mai, dem 40. Jahrestag der Kapitulation, beginnt im WDF die Serie „Deutschland, Deutschland …“, die den desolaten Zustand des Landes zum Zeitpunkt der Niederlage beschreibt. So werden z. B. Heinrich Böll und „BAP“-Sänger Wolfgang Niedecken, Vertreter zweier Kölner Generafionen also, ihre Sicht der „Stunde Null“ darstellen.

Im engeren Kulturbereich wird es Schwerpunkte zum Bach-Jahr und zum Jahr der Romanischen Kirchen in Köln (Serienstart am 7. April) geben. Für den Spätsommer sind vier WDF-Beiträge über „Die Kultur der Gastarbeiter“ geplant. Wissenschaft soll möglichst unterhaltsam auf dem Bildschirm erscheinen. Beispiele: Am 22. März zeichnet Jean Pütz in „50 Jahre Fernsehen“ die Geschichte dieses Mediums nach, am 14. April gibt’s eine Sendung über Schnarcher, das Schnarchen und dessen Folgen…




Verblüffende Rundblicke auf das Ruhrgebiet

Von Bernd Berke

Essen. Der normale Blickwinkel des Menschen umfaßt einen Kreisausschnitt von etwa 40 Grad. Um mehr zu sehen, muß man den Kopf bewegen. Wie es wäre, wenn man „augenblicklich“, also ohne Kopfdrehung, über eine vervierfachte Rundumsicht verfügen könnte, das lassen die im Essener Folkwang-Museum ausgestellten „Panoramafotos des Reviers“ ahnen (bis 22. April, Katalog 15 DM).

Der Duisburger Diether Münzberg (39) hat an besonders charakteristischen Flecken des Reviers seine Kamera auf eine drehbare Vorrichtung montiert, die 160 Grad abschwenkt, während der Farbfilm im Kameragehäuse transportiert wird. Der Breitwand-Effekt ist verblüffend. Selbst Gegenden, die man tausendmal gesehen zu haben glaubt, werden zu befremdend künstlichen (Stadt-)Landschaften, obgleich man doch jedes Detail der Realität wiederfindet.

Es enthüllt sich der wahre Kern eines Klischees: das geradezu atemberaubend dichte Beieinander der verschiedensten baulichen und industriellen Geschichts-„Ablagerungen“ im Revier. Rudimente von Landschaft, alte Zechenhäuser, gesichtslose Schnellstraßenschneisen und Supermärkte, die Trinkhalle um die Ecke, Industrie-Silhouetten – all diese strukturlose Vielfalt verdichtet sich zu einem verfremdeten Eindruck dieser Region, der jenseits aller Querelen um das Image des Ruhrgebiets liegt. Das Monströse und das Liebenswerte, das Gespenstische und das Anrührende liegen nämlich dicht, manchmal kaum trennbar beieinander.

Die Panoramabilder haben auch bei der Ruhrkohle AG Eindruck gemacht, die eine Motivauswahl in ihrem ]ahreskalender ’85 abdruckte.




Buchheim schimpft über ARD: Petersens „Boot“-Mehrteiler ist wie „Krieg zum Knabbergebäck“

Von Bernd Berke

Köln. Lothar-Günther Buchheim, Hansdampf in allen Gassen des Medien- und Kulturbetriebs und bekanntermaßen streitbarer Geist, macht wieder einmal lautstark von sich reden. Bei Gelegenheit der gestrigen Pressevorführung seiner Dokumentation über die U-Boot-Schlachten im Zweiten Weltkrieg (Titel: „Zu Tode gesiegt“), polterte Buchheim los: „Man hat es wieder einmal fertiggebracht, eine wichtige Sendungin die Spätschiene der Dritten Programme zu verbannen. Zu diesen Sendezeiten gucken doch nur noch ein paar verrückte Intellektuelle zu.“

Buchheim hat seine 90minütige Dokumentation als „Gegengewicht“ zur Ausstrahlung des Dreiteilers „Das Boot“ (ARD, ab 24. Februar; von Wolfgang Petersen nach dem gleichnamigen Buchheim-Roman gedreht) gedacht. Nun fürchtet er, daß der Spielfilm einem Millionenpublikum „den Krieg frei Haus liefert, zum Knabbergebäck“, während die historischen Hintergründe nur einer verschwindenden Minderheit nahegebracht würden.

Mutmaßte Buchheim: Es gebe bestimmt massive Interessen, das Programm so zu gestalten, denn schließlich werde auch heute mit dem U-BootBau Geld verdient. Einer solchen „Verschwörungstheorie“ widersprach unter anderem Günther Witte, Leiter der WDR-Fernsehspielredaktion, entschieden: Die Dokumentation laufe auf dem üblichen Fernsehspiel-Termin des 3. Programms.

Buchheim hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß er die Petersen-Verfilmung für wenig gelungen ansieht. Insgesamt halte er die Femsehfassung aber für besser als den Kinofilm, gestand er zu. Buchheims Dokumentation „Zu Tode gesiegt“ (am 4. März um 22.15 Uhr im WDF) ist eine sehr beeindruckende, persönlich geratene Abrechnung mit den grausamen Praktiken des U-Boot-Kriegs und besonders mit dessen Befehlshaber, Admiral Dönitz.




Mit Gebrüll ins Unvermeidliche – Pavel Mikulastik inszeniert „Macbeth“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Auf der Bühne ein Schlachtfeld, „verbrannte Erde“. Im Hintergrund liegen nackte Stilpuppen mit grotesk verrenkten Gliedern. Dem Bösen ist von Anfang an buchstäblich „der Boden bereitet“, als zehn Männer in Zivil die Szenerie betreten.

Diese „Einberufenen“ entnehmen ihren Plastiktüten Militärhosen und stehen einander bald als „blaue“.und „rote“ Partei gegenüber. Sie wollen weinen, sich verbrüdern, aber das Gemetzel findet doch statt. Wie auch anders, wo doch kein guter Herrscher in Sicht ist? König Duncan etwa, von William Shakespeare noch mit allen Attributen natur- und gesellschaftsgemäßen Lebens ausgestattet? Auch er ist in Pavel Mikulastiks Dortmunder Inszenierung des „Macbeth“ nur läppischer Vorsteher einer Militärmonarchie. Mit ihm wird kaum einer Mitleid haben, wenn Macbeth ihn erdolcht. Und Duncans rechtmäßiger Erbe Malcolm? Ein blasierter Jüngling, auch er ein möglicher Usurpator der Macht, weit entfernt von der hehren Lauterkeit, deren Demonstration Shakespeare eine eigene Szene widmete (die hier nicht gespielt wird).

Duncan (Günter Knecht) umgibt sich selbstgefällig mit einer Schar von Hofschranzen, die einem absurden Wachsfigurenkabinett entsprungen zu sein scheinen. Bei ihren dümmlichen Ritualen und Rokoko-Spielchen werden sie erst durch Macbeth (Fritz Eggert) gestört. Der soll denn in diesem Umfeld wohl auch keine Inkarnation des Bösen sein, sondern nur der Herrscher, der – und vor allem darum muß er am Ende auch „weg“ – das Wesen der Herrschaft am konsequentesten hervorkehrt und sie so entlarvt, ja erschüttert, darin vielleicht ein Vetter von Camus‘ „Caligula“.

Leider gewinnt Eggert aber nicht die dazu nötige Titanen-Statur. Weder geht er mit analytischer Kälte zu Werke, noch zeigt er uns die tieferen Abgründe der Macbeth-Seele. Eher schickt er sich, mal seufzend, mal brüllend, ins gleichsam „Unvermeidliche“. Freilich, Eggert hat es schwer, wird ihm doch kein leuchtender Widerpart entgegengestellt, von dem er sich dunkel abheben könnte. Daß macht die dreieinviertelstündige Aufführung über weite Strecken konturlos, kontrastarm.

Lady Macbeth (Ines Burkhardt), die sich „entweihen“ und ihren Mann zu Mordtaten anstacheln will, sieht man zuallererst in einem metallisch glänzenden Kasten, in schimmernder Wehr aus Kälte und Isolation. Da ohnehin alles seinen Gang geht, muß auch kaum ihre Durchtriebenheit aufflattern. Sie wäscht dem wie ein Knäblein in einer Wanne kauernden Macbeth den „Pelz“. Schon spurt er. Danach wird die Lady zum eigentlichen Geist der Inszenierung und hat denn auch ihre beste Szene als Schlafwandlerin, wenn sie Schwäche zeigen darf.

Höchst real kommen, allem wallenden Rauch und Lichtgewitter zum Trotz, hingegen die drei Hexen daher, die Macbeth mit orakelhafter Doppeldeutigkeit Aufstieg und Fall prophezeien. Drei kichernde alte Damen mit Mantel, Hut und Handtäschchen. Offenbar ein biederees Kaffeekränzchen, das sich mal einen Jux machen will. Mit Budenzauber, dessen Ingredienzen aus dem Warenhaus um die Ecke zu stammen scheinen.




Städtebauminister Zöpel: Kosten für Denkmalpflege werden „dramatisch“ steigen

Von Bernd Berke

Im Westen. Die Kosten für Erhaltung und Pflege der Baudenkmäler in Landesbesitz werden in den nächsten Jahren „dramatisch“ steigen. Dies prophezeite NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel gestern bei der Eröffnung einer Denkmalschutz-Ausstellung in Düsseldorf.

Die Folgen des „Steinsterbens“ seien, weil irreparabel, womöglich noch schlimmer als die Konsequenzen des Waldsterbens, befürchtet Zöpel. Der Minister: Abgestorbene Bäume könnten zur Not durch Neuanpflanzung ersetzt werden, zerstörte Denkmäler seien ein für allemal verloren.

Grund genug, die landeseigenen Baudenkmäler Zwecks intensiver Betreuung aufzulisten. Diese Liste ist jetzt komplett. Sie umfaßt genau 385 erhaltenswerte Denkmäler seit der Karolingischen Zeit bis ins 20. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um wichtigsten von insgesamt 8000 Denkmälern in Landesbesitz – vor allem das bauliche Erbteil der Preußischen Obrigkeit wie Land- und Amtsgerichte, Gefängnisbauten und Polizeipräsidien, aber auch Schlösser und Kirchen. Unter anderem gehören dazu: Gerichtsgebäude in Dortmund, Lünen, Hagen, Wetter, Lüdenscheid, Meschede und Olpe, das Oberbergamt Dortmund, das Untere Schloß in Siegen, das frühere Augustinerkloster in Attendorn und das Arnsberger Forstamt.

In diesen Tagen geht die vom Zöpel-Ministerium erstellte Liste den betroffenen Gemeinden zu. Diese sind rechtlich verpflichtet, die Denkmäler in die örtlichen Schutzlisten aufzunehmen. Das wiederum bedeutet, daß keines dieser 385 Denkmäler in seiner historischen Gestalt ohne Genehmigungsverfahren verändert werden darf.

1985 werden rund 20 Mio. DM für die Erhaltung der landeseigenen Denkmäler ausgegeben, während es zwischen 1980 und 1984 insgesamt 60 Mio. DM, also „nur“ 12 Millionen pro Jahr gewesen sind. Der erhöhte Aufwand hat, so Minister Zöpel, auch arbeitsmarktpolitische Effekte. Vor allem der handwerklich orientierten Bauwirtschaft werde dies „nicht schlecht bekommen“.

Da mittlerweile in NRW mehrere Ausbildungsgänge für Restaurationswesen bestehen, wird man für die einschlägigen Arbeiten wohl auch immer seltener polnische Experten heranziehen müssen. Gleichsam als flankierende Maßnahme ist in Aachen eine „Informationsstelle für Bauschadenforschung“ emgerichtet worden, die sich sowwohl um rissige Brücken als auch um verwitterte Denkmäler kümmert.