50 Nächte Streß für Kunstwerk im U-Bahn-Tunnel – Streckenposten sind immer dabei

Von Bernd Berke

Essen. Sein neuestes Projekt hält dar Essener Künstler Karsten Wolter (43) nur durch, „weil ich sonst sehr gesund lebe“. In rund 50 durchstreßten Nächten will Wolter ein 280 Meter langes Farbkunstwerk auf freier Strecke an die Wand eines Essener U-Bahn-Tunnels sprühen. Da Walter nur dann zu Werke gehen kann, wenn keine Bahnen fahren; muß er jeweils zwischen 0.15 Uhr und 3.30 Uhr ran.

Genau 25 Sekunden lang werden die Fahrgäste (bei durchschnittlichem U-Bahn-Tempo) künftig das Riesengemälde an sich vorüberziehen sehen, hat Walter ausgerechnet. Doch noch ist es nicht so weit. Wegen der kühlen Witterung der letzten Tage haftete die Fassaden-Dispersionsfarbe nicht an den Tunnelwänden. Erst wenn das Thermometer konstant über 5 Grad plus anzeigt, kann Walter sein gigantisches Werk fortsetzen.

Und so soll es im fertigen Zustand ungefähr aussehen: Zwischen den U-Bahnhöfen Porscheplatz und Hauptbahnhof – meistbefahrene Teilstrecke Essens – taucht plötzlich ein mattes Rot auf, verstärkt sich zusehends, und geht über die Zwischenstufe „Violett“ allmählich in Blau über. Inmitten der Farbstufung taucht der Schriftzug „Folkwang eint die Künste“ auf. Walter bezeichnet die mögliche Wirkung als eine ganz eigentümliche Art von „Strecken-Orientierung“, als meditatives Erlebnis „eines Stückchens Sicherheit“ im schier endlosen Tunnel, das die unterirdische „tote Sachlichkeit“ auf angenehme Weise unterbreche.

Der „Spezialist für gesprühte Farbverschmelzungen in Übergroße“ (Wolter über Wolter), der auch schon sein Wohnhaus in der Essener Eduard-Lucas-Straße monumental besprühte, scheut keinen Aufwand für seine nächtliche Aktion. Auf der Basis eines Streckenfahrzeugs der Essener Verkehrsbetriebe hat er sich eigens einen „Beleuchtungszug“ konstruiert. Mit einem weiteren Schienen-Spezialwagen steuert er nächtens seine Arbeitsstelle an und bringt die nötigen Materialien vor Ort. Schließlich hat Walter auf ein drittes Gefährt eine U Bahn-Attrappe montiert, deren Umrisse er an die Wand projizieren kann, so daß sich das Gemälde später in der bequemsten Sichthöhe befinden wird. Kostenpunkt für den Künstler: 10000 DM. Wolter. „Das ist durchs Honorar abgedeckt.“

Wenn der gelernte Designer zu nachtschlafender Zeit im Tunnel arbeitet, ist stets ein Streckenposten dabei. Die Bahnleute „nehmen meine Aktion ernst und haben mir bei den Vorarbeiten schon manches Mal geholfen“, freut sich Walter. Besonders das Kabelziehen habe sich als eine der anstrengendsten Arbeiten erwiesen: Spritzpistole, Kompressor, Gebläse, Farbrührgerät – alles funktioniert nur elektrisch. Eine Stromzapfstelle aber gibt es dort unten nur alle 50 Meter.




Cappenberg soll mit Ausstellungen auch Großstädten Konkurrenz machen

Von Bernd Berke

Cappenberg. Mit Schloß Cappenberg als Ausstellungsort will es der Kreis Unna „verstärkt mit großstädtischen Angeboten aufnehmen“. Neben Ausstellungsprojekten, die vorwiegend aus Berlin übernommen werden, soll künftig eine neue Konzertreihe in Zusammenarbeit mit dem WDR das ehemalige Schloß des Freiherrn vom Stein zum kulturellen Anziehungspunkt machen. Diese Ziele und Pläne nannte gestern Prof. Dr. Otto Krabs, Kreisdirektor und Kämmerer des Kreises Unna.

Prof. Krabs zog eine günstige Zwischenbilanz. Das Schloß hatte bekanntlich bis 1983 die Sammlung des Dortmunder Museums für Kunst und Kulturgeschichte beherbergt. Als diese nach Dortmund kam, pachteten der Kreis Unna und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das freiherrliche Gemäuer. Seither hat man Krabs zufolge mit Ausstellungen wie „Nostalgie – warum?“ Besucherzahlen bis zu 18000 erzielt. Das Publikum komme aus ganz NRW. Besonderer Trumpf: Mit 2000 qm Ausstellungsfläche ist enorm viel Platz vorhanden. Grund genug für die eng mit dem Kreis Unna kooperierende Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auch künftig größere Ausstellungen ins Westfälische zu exportieren.

Die nächste Ausstellung ist freilich eine Eigenveranstaltung des Kreises Unna: Vom 26. 3. bis 5. 5. 1985 werden fast 200 Zeichnungen, Aquarelle und Ölskizzen des 19. Jahrhunderts (u.a. Ludwig Richter, Spitzweg) die Schloßwände zieren. Es folgen 150 Landkarten und Globen „von Ptolemäus bis Humboldt“ (15. bis 19. Jh.) aus der Berliner Staatsbibliothek. Außerhalb Berlins wird diese Schau nur in Cappenberg (13.5. bis 23.6.1985) zu sehen sein. Gleichfalls aus der Spree-Metropole kommt im Juli ’85 Kleinkunst der „frühen Bergvölker aus Armenien und dem Kaukasus“ (Leihgeber: Völkerkundemuseum Berlin-Dahlem).

Die Leistungsschau des NRW-Kunsthandwerks, „Manu Factum 1985″, schließt sich im September an. Im November ’85 wird man Dokumente über den „Kreisauer Kreis“, eine Vereinigung (konservativer) NS-Gegner im Umfeld des „20. Juli“, zeigen. Außerdem: Plakate aus Israel, Skulpturen aus den Staatlichen Museen Berlin sowie die Ausstellung „Das China-Bild“, die aus Beständen der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und des Braunschweiger Anton-Ulrich-Museums bestritten wird.

Details der WDR-Konzerte (im Stein-Saal des Schlosses) sind noch Gegenstand von Verhandlungen. Während im Stein-Saal Musik des 19. Jahrhunderts gespielt werden soll, bleibt die Cappenberger Stiftskirche der mittelalterlichen Musik vorbehalten.