Cappenberger „Spontan“-Schau: Archäologische Funde aus Armenien und dem Kaukasus bergen mehr Rätsel als Erkenntnisse

Von Bernd Berke

Cappenberg. Schloß Cappenberg war eigentlich drauf und dran, sich zum achtbaren Ausstellungszentrum des Kreises Unna zu mausern: Mit den Landkarten seit Ptolemäus hat man zum Beispiel über 15 000 Besucher anlocken können. Ob solche Zahlen auch mit der (ab heute präsentierten) Schau über „Frühe Bergvölker in Armenien und im Kaukasus“ erreicht werden können, scheint mehr als fraglich. Das abgelegene Thema müßte weitaus besser für Laien aufbereitet werden, als dies jetzt geschehen ist.

Zu sehen sind archäologische Funde aus der späten Bronze- und der frühen Eisenzeit: Tierfiguren, Schmuck, Helme, Kessel, martialisch wirkende Gürtelbleche, auch ein Trinkrohr (für den Biergenuß) und ein rekonstruierter Tisch mit den Original-Bronzebeschlägen. Staunenswert ist das gewiß – wie so vieles, was aus jener Frühzeit auf uns übergekommen ist. Doch in Cappenberg muß es wohl meistenteils beim Begriffslosen Staunen bleiben. Die Funde, vorwiegend Grabbeigaben aus den gebirgigen Landstrichen zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, sind vom Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte binnen vier Monaten „spontan“ zusammengestellt und auf Blitztournee geschickt worden, wie die Berliner Archäologin Geraldine Saherwela freimütig eingesteht.

Bezugspunkte hat man in der Eile bei Waldemar Belck, Rudolf Virchow und Hans Hermann Graf von Schweinitz gesucht – bei Deutschen also, die sich gegen Ende des letzten Jahrhunderts in Kaukasien und Armenien als Ausgräber betätigten, und zwar wenig systematisch, dafür um so mehr mit „romantischem“ Jagdinstinkt und brennender Leidenschaft. Virchow beispielsweise grub lediglich drei Tage lang nach Altertümern.

Der von solch fiebriger Sammlerleidenschaft Besessene mag von seinen Zufalls-Fundstücken kurzzeitig befriedigt werden. Der Erkenntniswert für den heutigen Ausstellungsbesucher bleibt hingegen denkbar gering. Die rund 400 Objekte aus der Zeit von ca. 1500 bis ca. 700 v. Chr. (über die Datierung streiten Experten bis heute) ist wahrlich mehr eine auf flüchtigen Augengenuß angelegte „Schau“ denn eine vermittelnde Ausstellung. Viel mehr, als daß die isoliert lebenden Bergvölker, die etwa schon sehr früh Pferde domestizierten, relativ hoch entwickelte handwerkliche Fähigkeiten besaßen, bekommt man anhand der dürftigen Winke nicht mit. Schade, wo doch das Berliner Museum nach dem russischen Eriwan eine der bedeutendsten Sammlungen armenischer und kaukasischer Zeugnisse besitzt.

Das Katalogheft (84 Seiten) kostet 9 DM, die Ausstellung dauert bis zum 4. September (täglich 10 bis 17 Uhr, Mo geschlossen). Der Eintritt ist frei.




Spukhafte Schraffuren – Werkschau über Paul Flora in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Als Karikaturist der Wochenzeitung „Die Zeit“, auf deren Titelseite er von 1957 bis 1971 präsent war, ist er weithin bekannt geworden. In welchen kunstgeschichtlichen Zusammenhhängen Paul Flora (63) und seine filigranen Federzeichnungen stehen, macht jetzt eine Retrospektive im Westfälischen Landesmuseum Münster mit über 200 Exponaten deutlich (ab Sonntag, bis 18. August, Katalog 18 DM).

Schon die skurrilen Erfindungen der frühen Jahre – gezeigt werden Arbeiten ab 1940 – verdanken sich jener johen Kunst des Weglassens und dem lakonisch-souveränen Spiel mit Form und Linie, über die Flora später fast nach Belieben verfügte. Manche Blätter führen auf die Spur eines gewichtigen künstlerischen Ahnherrn: Paul Klee. Den Blick fürs abseitig-groteske Detail und immerwährende Todedrohung schärfte der Österreicher Flora eingestandenermaßen bei Alfred Kubin.

Aus gespinstartigen Schraffuren, deren mal akkurates, mal mal wirres Geflecht außerordentlich differenzierte Schattierungen ergibt, schichtet Flora ganze Bilder auf. Die hauchfeinen Linienkaskaden verdichten sich zu präzisen Augenblicks- und Zustands-Schilderungen. Auch wenig greifbare Phänomene wie Nebelschwaden nehmen so spukhafte Gestalt an. Und die verhaßten Militärs erscheinen da auch schon mal als pflanzlich-ornamentale Strukturen.

Floras makabre Ader tritt u. a. in seiner „Dracula“-Serie hervor, aber auch in zielsicher hingeworfenen Chaos-Studien wie dem „Eisenbahnattentat“ (1958) oder dem „Unhold als Menschenschlächter“.

Flora schritt nicht den ganzen Themenkreis der Kunst aus, sondern wählte enge Bezirke, deren bildnerische Möglichkeiten er (zuweilen obsessiv) in allen Nebenverästelungen ausschöpfte. Beispiele dafür sind eine subtile Serie über Könige, die in Sänften getragen werden, sowie sein düsteres „Markenzeichen“: der Rabe, der in ungezählten Variationen auftaucht, auch als Schnabelmaske mittelalterlicher „Pestärzte“.

Ein großer Teil der Ausstellung widmet sich natürlich den politischen Karikaturen für „Die Zeit“, deren tagesaktuelle Anlässe zwar verblaßt sind, deren formale Grundlagen und Qualitäten aber hier, im Kontext des Gesamtwerks, erst recht verblüffen.




Fotografische Facetten des Reviers

Von Bernd Berke

Essen. Der schmale Durchgang vom Folkwang- zum Ruhrlandmuseum ist auf längere Sicht reserviert. Design-Studenten der Essener Gesamthochschule (Seminarleiter: Thomas Rather) werden dort, einer nach dem anderen, insgesamt zwei Jahre lang fotografische Aspekte des Reviers zeigen.

Heute abend wird die erste von fast 20 Ausstellungen eröffnet: Britta Lauers Foto-Porträts von Künstlern aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland (zu sehen bis 13. August).

„Reviertypischer“ soll es in den (bereits jetzt angekündigten) Folgeausstellungen zugehen. So wird etwa unter dem Titel „Mein Vater, der Kokereimaschinist“ ein „Malocher“-Leben dokumentiert. Malakowtürme und eine Dorstener Zechensiedlung sind weitere Themen. Die Geschichte eines Vorort-Sportvereins kommt gleichfalls ins Blickfeld, außerdem „Ruhrgebietsfeste – gestern und heute“ sowie „Lärmschutzwände im Ruhrgebiet“.

Obwohl auch Relikte einer Revier-Kindheit der 60er Jahre und Kinos der 50er Jahre vorkommen, liegt der Schwerpunkt nicht etwa auf Nostalgie. Mit „Ein Stadtteil verändert sich“ und „Von Kohle keine Spur mehr“ werden Neuprägungen der Industrielandschaft einbezogen.

Wenn sich – etwa Mitte 1987 – der Ausstellungsreigen geschlossen hat, soll sich als Summe (Motto: „Ortserkundung Ruhrgebiet“) eine facettenreiche optische Schilderung dieser Region ergeben haben. Zum krönenden Abschluß soll dann auch ein Gesamtkatalog vorliegen.

Die ersteAusstellung – besagte Künstlerporträts von Britta Lauer – läßt auf ein auch ästhetisch befriedigendes Projekt hoffen. Britta Lauer hat nicht einfach Köpfe abgerichtet, sondern die Künstler im Kontext ihrer Arbeit fotografiert, was oft intensive Gesprächsvorbereitungen erforderte. Die Persönlichkeiten der Künstler drücken sich sehr nuanciert aus. Das Spektrum reicht vom konventionellen Porträt bis zur ausgeklügelten Raum-(Selbst)-Inszenierung. Höchst unterschiedlich verhalten sich die Künstler zu ihren Werken: Manche stehen selbstbewußt davor, andere prüfen oder bearbeiten es, wieder andere scheinen wie zufällig aufs Bild geraten zu sein oder gar im Werk aufzugehen und zu verschwinden.