Art Cologne: US-Galerien zeigen Köln die „kalte Schulter“

Von Bernd Berke

Köln. Die Amerikaner zeigen dem Kölner Kunstmarkt „Art Cologne“ die kalte Schulter. Vor Jahresfrist mit einer US-Sonderschau noch heftigst umworben, bleiben die Galeristen von jenseits des Atlantiks diesmal drüben. Eine einzige US-Galerie hat sich nach Köln „verirrt“, um hier am nach wie vor weltgrößten Markt für internationale Kunst des 20. Jahrhunderts teilzunehmen.

Gerhard F. Reinz, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien, räumte gestern freimütigein, die Aktion des Jahres 1984 habe „überhaupt nicht gefruchtet“.

Doch auch so kann der Markt, dessen Macher mit – wie könnte es anders sein – „gedämpftem Optimismus“ der Verkaufserfolge harren, wieder mit achtbaren Zahlen aufwarten: 165 Galerien aus zwölf Ländern offerieren Kunst aller Stilarten. Übrigens ist erstmals der staatliche Kunsthandel der DDR (mit Arbeiten des auch bei uns bekannten Wolfgang Mattheuer) in Köln vertreten.

Die Vielfalt ist größer geworden: Zuletzt waren vornehmlich die sogenannten „Neuen Wilden“ über Gebühr in den Vordergrund des Angebots geraten. Nun aber wirkt das Gesetz des Marktes: Verkaufen verlangt tuurusgemäße Trendwenden, die dem Kunden wechselnden Appetit auf anderes machen. Eine solche Wende zeichnet sich jetzt in Umrissen ab; sie deutet zaghaft in Richtung der 50er und 60er lahre, deren Kunst diesmal wieder stärker vertreten ist – beispielsweise mit Werken von Emil Schumacher, Fritz Winter und Ernst Wilhelm Nay.

Auch das Förderprogramm für noch nicht arrivierte Künstler, mittlerweile zum sechsten Mal im Rahmenprogramm des Kunstmarkts, weist nicht mehr eindeutig in Richtung spontan-heftiger Ausdruckskunst. Kalkulierte Spiele mit Wahrnehmung und Assoziationen bekommen – auch an den Ständen wichtiger Galerien – wieder mehr Gewicht, sogar ausgeklügelte Formen der Konzeptkunst sowie alte und neue Ansätze zu einem kritischen Realismus kommen wieder zu ihrem Recht. Spektakulär und kostspielig: Arbeiten wie Robert Delauneys „Blumen vor dem Regenbogen“ (Kostenpunkt 520 000 DM). Aber auch für unter 1000 DM kann man schon fündig werden.

Abweichend von der Tradition, stellt diesmal kein Museum Spitzenstücke seiner Sammlung vor. Statt dessen hat der Bonner Ausstellungsmaeher Prof. Klaus Honnef eine Sonderschau aufgebaut, die dem Besucher zahllose ..Realitätsfallen“ (Honnef) stellen will. Es geht um Fotografie und um die Frage, die so alt ist wie dieses Medium: Geben Fotos die Wirklichkeit wieder oder sind sie nur Inszenierungen derselben? Kunst, die sich mit dieser Frage auseinandersetzt, wird mit der „am ehrlichsten inszenierenden Fotografie“ (Honnef), nämlich Lichtbildem für die Modewerbung konfrontiert.

19. Internationaler Kunstmarkt „Art Cologne“, Rheinhallen des Kölner Messegeländes, 14. bis 20. November, tägl. 11-20 Uhr.




Kraftvolle Explosionen auf der Leinwand – Werke von Lovis Corinth im Essener Folkwang-Museum

Von Bernd Berke

Essen. Was hat man Lovis Corinth (1858-1925) nicht schon alles nachgesagt: Der Berliner Kunstwelt seiner Epoche galt er zuvörderst als Impressionist, den NS-Kunstscharfrichtern als „entartet“. Dann, in den 50er Jahren, fand man seine Bilder „zu gegenständlich“, hernach wurde er als „Klassiker“ in luftleere Regionen verbannt. Jetzt will, mit einer Zusammenstellung von 85 Gemälden und 50 Graphiken aus allen Schaffensperioden, das Essener Folkwang-Museum eine Neubewertung des vor 60 Jahren gestorbenen Ostpreußen einleiten.

Chance wie Gefahr, dieses Werk auch jetzt von der Dignität gegenwärtiger Strömungen zeugen zu lassen, liegen nah. Unter dem Blickwinkel der heftigen Figuration unserer Jahre ist man in der Tat schnell geneigt, Corinth als „wildes Kraftgenie“ zum Bürgen und Vorläufer des Jetzt zu erklären.

Zweifellos hat Corinth stets kraftvoll, ja aggressiv wider seine Zeit angemalt. Kampfbereit, sozusagen „auf dem Sprung“ wirkt er auch auf zahlreichen seiner Selbstbildnisse, so 1907 auf dem „Selbstporträt mit Glas“, welch letzteres er dem Betrachter entgegenschleudern zu wollen scheint. Man ahnt: Das ist kein bloßes Gebaren, keine Attitüde, es ist – entschlossene Pinselführung unterstreicht es – Ausdruck wirklicher Seelenenergie.

Auch die Landschaften tragen bei näherem Hinsehen diese Handschrift; sie sind explosive Entäußerungen, Projektionen verschiedener Stimmungslagen – dem Expressionismus darin wohl näher als dem Impressionismus; und sie tendieren („Walchensee. Mondnacht“, 1920) mitunter auch schon zur reinen Farbkomposition.

Fern jeder Akademiehörigkeit wagte sich Corinth auch an verwegen anmutende Themen, so an die Darstellung einer „Königsberger Marzipantorte“ (1924) oder auch an blutrot-rohe Szenen wie „Im Schlachthaus“ (1883) und „Fleischerladen“ (1913).

Mythologische Szenen gar, die der Akademietradition heilig waren, füllte Corinth mit berstendem Alltagsleben. So sind etwa die „Heimkehrenden Bacchantinnen“ (1898) eine derb-komische Zecherschar, und die „Gefangennahme Simsons“ (1907) gemahnt in ihrem unmittelbaren Blick, in ihrer Gewaltsamkeit an Caravaggio.

Einige Spitzenwerke („Ecce Homo“, „Der rote Christus“) fehlen aus konservatorischen oder sonstigen verleihpolitischen Gründen. Man verschmerzt es leicht, sind doch – Museen aus aller Welt zeigten sich großzügig – von Zdenek Felix und seinen Mitarbeitern viele, auch weniger bekannte Spitzenwerke nach Essen geholt worden (Gesamtversicherungswert: 18 Mio. DM).

Der Katalog ist ein Bonbon für sich: Sämtliche (!) Gemälde sind ganzseitig in Farbe wiedergegeben, vier Aufsätze entschlüsseln Aspekte des Werks – und das alles in der Ausstellung für 36 DM, im Buchhandel für 78 DM.

Die Ausstellung dauert bis zum 12. Januar ’86 und ist danach nur noch in München (Hypo-Kunsthalle) zu sehen.




Duisburg: Weltbekannte Kunst nun öfter „daheim“ – Lehmbruck-Museum gibt Einblicke in Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Duisburg. Von nun an sollen endlich auch die Duisburger erfahren, welche Schätze „ihr“ Lehmbruck-Museum birgt. Das Haus, durch Spezialisierung auf Skulpturen und seine Verleihfreudigkeit längst international renommiert, will die durch alle Welt „gereisten“ Sammlungsbestände künftig öfter aus den Magazinen holen, um sie den Einheimischen zu zeigen. Das verspricht Museumsdirektor Christoph Brockhaus. Einige Spitzenwerke der Klassischen Moderne erhalten sogar einen ständigen Ausstellungsplatz.

Vor fast genau 60 Jahren hatte August Hoff, Duisburgs Museumsleiter bis 1933, intensiv mit dem Aufbau der Sammlung begonnen und besonders Lehmbrucks Oeuvre an Duisburg gebunden. Seit 1964 hat man in Duisburg keinen nennenswerten Einblick in die eigene Sammlung gegeben. Jetzt (3. November bis 19. Januar) macht–- als Musterfall für die Zukunft – die Ausstellung „Meisterwerke internationaler Plastik des 20. Jahrhunderts“ diesem Zustand ein Ende. Etwa 180 plastische Arheiten (von 700) können gezeigt werden: eine Parforce-Tour durch nahezu alle „Strategien“ der Dreidimensionalität in diesem Jahrhundert.

Der Blick trifft auf keine Stellwand. Dadurch ergeben sich Durch-Sichten, Kontexte. Zudem erlebt man, vor dem Hintergrund von Zeichnungen und Graphik der jeweiligen Künstler, in den plastischen Arbeiten gleichsam noch einmal die „Geburt der dritten Dimension“.

Berühmte Namen: Von Wihelm Lehmbruck, Ernst Barlach und Käthe Kollwitz über Brancusi, Giacometti, Magritte und Dalí bis hin zu Christo, Tinguely, Daniel Spoerri und Norbert Kricke reicht das Spektrum. Doch ist dies keine Anhäufung nach Maßgabe von Prominenz und Marktwert. Sinnvoll zusammengestellte Werk-Gruppen haben allemal Vorrang vor einer endlosen Namensliste. Dafür nimmt man auch Sprünge in Kauf, die sich wegen fehlender „Bindeglieder“ ergeben.

Am Beginn des Rundgangs: der Schwerpunkt „Expressionismus“. Die „Mutter mit Zwillingen“ von Käthe Kollwitz, der „Zecher“ von Ernst Barlach, eine „Panther“-Figur von Franz Marc. Über den Kubismus (u. a. Henri Laurens), den russischen Konstruktivismus (u. a. Rodtschenko) und den Surrealismus (Dalí, Magritte) gelangt man schließlich zu Beispielen des „Neuen Realismus“ und zu einer jener (wahn)witzigen Maschinen Tinguelys, in deren Gestänge ein Gartenzwerg blitzschnell um die eigene Achse rotiert.

Den Schlußakzent setzen deutsche Arbeiten seit 1945. Besonders herausgestellt: Norbert Krickes klare Linienführungen, abgesetzt vom gleichzeitigen informellen Hauptstrom. Erstmals wird in Duisburg auch der Porträtkopf „Arthur Schopenhauer“ gezeigt, 1922 geschaffen von dem Bernhard Hoetger aus Hörde (heute Dortmund). Das Museum hat die Büste quasi in letzter Minute vor dem Verkauf in die USA retten können.