Auf der Suche nach der verlorenen Kinozeit im Ruhrgebiet

Von Bernd Berke

Essen. Kinokultur im Revier – gibt’s die? Es hat sie jedenfalls gegeben, und eine „goldene Zeit“ dieses Gewerbes waren die 50er Jahre.

1952 beispielsweise gab es in einer Stadt wie Essen vierundsiebzig (!) Lichtspielhäuser, darunter das damals größte Kino Europas mit 1200 Plätzen und 40 Leuten Personal. Einen Filmfan wie den Fotografen Heiko Preller (27) befällt da leicht sa etwas wie Nostalgie. Seine Suche nach Überresten der verlorenen Kinozeit dokumentiert jetzt (bis 5. September) eine Foto-Ausstellung im Essener Ruhrland-Museum.

Prellers Farbbilder aus Essen und Dortmund („Camera“-Kino) sind in den letzten beiden Jahren entstanden. Auf eine vergleichende Konfrontation mit Fotos aus den 50er Jahren konnte er leicht verzichten, finden sich doch auch so noch einige Spuren der 50er Jahre in den heutigen Kinos. Man muß nur den Blick dafür haben; dann findet man in zahlreichen Abspielstätten des Reviers auch jetzt noch Ecken mit Tulpenlampen, nierenförmigen Theken, schneckenartigen Deckenleuchten und Clubsesseln jener Jahre. Solche Restbestände der Kinoblüte – heute zum Bedauern Prellers nur noch Durchgangsschleusen, aber keine Zutat zum Filmerlebnis – hielt der Design-Student ohne jedes Zusatzlicht fest, so daß sie nur in ihrem eigenen, fremdartigen Neonglanz erstrahlen. Kein Mensch ist da zu sehen, nur Architektur, Mobiliar, Accessoires – stumme Überbleibsel jener Jahre, als Fernsehen noch keine ernsthafte Konkurrenz furs Kino war.

Die Fotoserie zeigt auch, wie sich ganz allmählich die atmosphärischen Verluste einstellten. Vor allem Eis- und Cola-Firmen stellten die Häuser mit Plastikzeug voll. Immer häufiger kam es zu Stilbrüchen, immer öfter wurden etwa grauenhaft gefärbte Teppichböden unter die alten Möbel gelegt. Endpunkte des Verfalls: verrottende Bauten, Parzellierung in Kleinst-„Kinos“, Umbau ehemals stolzer Lichtspieltheater in rentablere Supermärkte oder gar in Tapetengeschäfte, in denen nur noch ein angestaubter Vorhang an die Vergangenheit erinnert.




Prächtiges Ägyptergrab im Schatten des Kölner Doms – Neue Technik ermöglicht millimetergenaue dreidimensionale Nachbildung der historischen Stätte

Von Bernd Berke

Köln. Die schönste Grabkammer des Alten Ägypten befindet sich jetzt gleich neben dem Kölner Dom – scheinbar jedenfalls.

Neueste Technik macht’s möglich, daß nun im Römisch-Germanischen Museum der Domstadt eine millimetergenaue, dreidimensionale und zum Verwechseln ähnliche Nachbildung des Originals vom Nil aufgestellt werden konnte, in die man hineingehen kann wie in das echte „Haus der Ewigkeit“ zu Theben. Daselbst ließ sich Sen-nefer, Bürgermeister der damaligen Metropole, um 1400 v. Chr. von den besten Künstlern seiner Zeit eine rundum phantastisch ausgemalte Grabkammer errichten.

Darstellungen altägyptischer Begräbnisritule münden da schließlich in Szenen der Wiedergeburt im Jenseits, wie sie der Osiris-Mythos geprägt hat. Auch die Decke ist ganz ausgemalt, und wie! Die Künstler haben sich – wohl ganz bewußt, auf jeden Fall meisterhaft – die zahlreichen Unebenheiten des Kalksteins zunutze gemacht und Relief-Effekte erzielt. So viele Weinranken sind da zu finden, daß man das Grab auch schon scherzhaft als „Weinlaube“ bezeichnet hat.

Zwischen all dem sieht man insgesamt 16 Mal den Bürgermeister Sen-nefer (übersetzt etwa: „Guter Bruder“), den Freund des Pharaos Amenophis II. zur Hochblütezeit Ägyptens, jeweils in Zweisamkeit mit seiner Frau Merit, die ihn auf den leuchtend farbenfrohen Abbildungen jedoch eher als eine Art göttliche Gehilfin ins Jenseits geleitet. Auch die Weinreben haben hier überhöht-symbolische Bedeutung; sie beziehen sich auf Tage „göttlicher Trunkenheit“, auf glückhafte Zustände: „Ich sitze in der Halle des Vergnügens, um mir einen guten Tag zu machen,“ lautet denn auch die Übertragung einer genußfrohen, auf Sen-nefer bezogene Hieroglyphen-Inschrift der Grabkammer.

Daß man dies alles jetzt in Köln originalgetreu bewundem kann, liegt an der Erfindung eines Fotokonzerns. Knappe Erklärung: Das Grab-Original wurde millimetergenau vermessen, dann rundum im Detail fotografiert. Durch ein spezielles Lösungsmittel konnte eine hauchdünne elastische „Bild-Haut“ gewonnen und sodann auf die Nachbildüng des Original-Gesteins übertragen werden. Selbst allerkleinste Schadstellen und Unebenheiten blieben so erhalten.

Das Verfahren gewinnt zunehmend an Bedeutung. Tausende von Touristen, die die Altertums-Denkmäler besichtigen, bedeuten – schon durch bloße Körperwärme und Atemfeuchtigkeit – eine Gefahr für die Substanz der historischen Zeugnisse. So wurde z. B. die Vorzeithöhle in Lascaux (Frankreich) fürs Publikum geschlessen und durch eine ..Reproduktion“ nach dem gleichen Verfahren „ersetzt“. So dringlich es sein mag, Kulturzeugnisse auf diese Weise zu retten, so betrüblich ist die Aussicht auf eine künftige Welt voller Duplikate und Simulationen, denen – wenn nicht mehr – so zumindest der Geist des Ursprungsorts abgeht.

Die Ausstellung, die auch einen Bogen zu Ägypten-Fotos aus der Mitte des 19. Jahrhunderts schlägt, dauert bis zum 12. Oktober und ist täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr (mittwochs/donnerstags bis 20 Uhr) geöffnet.