documenta 8: Zitate haben Konjunktur

Von Bernd Berke

Vom „Zeitgeist“ über die „Westkunst“ bis „von hier aus“ – an großen Überblicken zu neuesten Kunst-Stimmungen war in den letzten Jahren kein Mangel. Kassels „documenta“, mythenumwobenes Resümee im Fünfjahresabstand, gerät durch solche Trendschauen ins Gedränge. Die „documenta“ hat’s schwer, ihren Platz zwischen Museum und Kunstmarkt zu behaupten oder gar wegweisende Trendmarkierungen zu setzen.

Vollends zur Zwickmühle gerät die Situation, weil die documenta für das abgelegene Kassel ein enormer Wirtschaftsfaktor ist. Dem Ausstellungsetat von rund 7,7 Mio. DM stehen erhoffte Mehreinnahmen von rund 20 Mio. DM in Hotel- und Gaststättengewerbe gegenüber.

Der Erfolgszwang kann auch den künstlerischen Leiter der documenta nicht unberührt lassen. So mußten Manfred Schneckenburger und sein Team eine publikumswirksame Leitlinie finden: Die Rückkehr der Kunst zu gesellschaftlichen und geschichtlichen Bezügen, der Aufbruch in Richtung Öffentlichkeit und Nützlichkeit – unter solchen Markenzeichen soll das Spektakel bis zum 20. Septembe 400 000 Schaulustige aus aller Welt anlocken.

Das süffige Konzept verliert sich jedoch in einer beispiellosen Vielfalt von künstlerischen Stilformen und Qualitäten, einer „neuen Unübersichtlichkeit“ fürwahr. Alles scheint moglich, viele Künstler bedienen sich im angehäuften Repertoire der Kunstgeschichte nach Belieben, theatralisch-plakativ aufbereitete Zitate haben Konjunktur. Politisch interpretierbare Kunst bildet nur einen Strang.

Die „Wilden“ fehlen – kein Lüpertz, kein Penck, kein Immendorff. Rigoros ist dieser Bruch mit der documenta 7 (1982), deren Auswahl einem beherzt-einseitigen Bekenntnis zur neoexpressiven Heftigkeit und zur auratischen Würde der Kunst gleichkam. Statt dessen geht man jetzt – besonders in der „Orangerie“ – sehr forsch aufs Publikum zu. Das dort ausgebreitete Design sowie die Architektur-Modelle sind in der Mehrzahl gefällig-unverbindliche Spielereien, die – zieht man zum Vergleich die apokalyptischen Visionen (Beuys, Robert Morris, Helmut Schober u. a.) im „Fridericianum“ heran – schon zynisch wirken: Spielen bis zur Katastrophe?

Mehr noch: Manche Künstler lassen sich anstecken. Design und freie Kunst entwickeln sich aufeinander zu; Designer streben nach Ausdruck jenseits der Funktion, einige Künstler hingegen nach Nutzanwendung. Nicht jeder entgeht dabei der Gefahr einer Auslieferung ans flott (über)inszenierte Schmankerl.

Die Installationen in Auepark und City sollen sich gegen die verbaute Stadt behaupten. Das gelingt ausgerechnet jenen Künstlern am besten, die die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens einbeziehen: Ulrich Rückriem, der sich mit einem Haus für seinen Stein dem Platz verweigert und Norbert Radermacher, der ironisch zwei kleine Vasen auf die monströsen Pfeiler eines Parkhauses postiert.

Zumindest als Idee großartig ist eine vieldiskutierte Arbeit dieser documenta 8: lan Hamilton Finlays vier Guillotinen sollen die Achse zwischen einem Barock- und einem Klassizistik-Bau als historischen Ort erfahrbar machen.

Derlei sinnfällige Einlassung auf Geschichtlichkeit kann nicht durchweg bescheinigt werden. Eher täppisch etwa scheinen mir Arheiten z.B. von Ugo Dossi, der mit Elektro-Tricks einen schalen Mythenzauber („Brennender Dornbusch“) entfacht, oder vom Giuseppe Penone, der in überdimensionale Blumentöpfe Gewächse plaziert – eine nette Saaldekoration für den nächsten Parteitag der „Grünen“.

Natürlich gibt es – Manfred Schneckenburger zum Trotz – auch auf dieser documenta 8 wieder „Kunst über Kunst“. Ein schlagendes Beispiel liefern die Exilrussen Komar/Melamid, die mit ihrem frechen Mammut-Puzzle „Yalta“ die ganze Kunstgeschichte aufrollen. Auch Nam June Paiks Video-Beitrag über Joseph Beuys oder Mark Tanseys akademisch anmutende Malerei gehören hierher. Andere Künstler vergewissern sich überlieferter Mittel, so etwa der Israeli Zvi Goldstein, der Formen des russischen Konstruktivismus aufgreift oder Siah Armajani, der das herkömmliehe Vokabular der Architektur neu buchstabiert.

Zwiespältig jene Arbeiten im Zeichen der Nützlichkeit: Thomas Schüttes „Eis-Tempel“, Reminiszenz an französische Revolutionsarchitektur im Dienste des Eisverkaufs, besticht noch durch ironische Brechung. Scott Bartons Freiluft-„Ottomane“ hingegen ist schlichteste Minimalkunst.

Im Dickicht der Vielfalt kann man sich aber doch immer wieder in Kunst-Abenteuer verstricken, die man in solcher Fülle letztlich nirgendwo sonst findet und die die Fahrt nach Kassel lohnen. Nur zwei Beispiele: Marie-Jo Lafontaines faszinierende Videowand ..Stählerne Tränen“, die die Rhythmen von Körperstählung und Gewalt in erhellende Beziehung setzt, und Richard Baquiés „Amore mio“, ein Straßenkreuzer als sezierte Wunschmaschine.

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Erschienen in der WR-Wochenendbeilage




documenta 8: Der Hunger nach Bildern scheint vorerst gestillt

Von Bernd Berke

Kassel. Das weltweit diskutierte „Museum der 100 Tage“, die 8. Kasseler documenta, öffnet heute die Pforten. Während die documenta 1977 vornehmlich der Selbstreflexion gewidmet gewesen war und „Kunst über Kunst“ in den Vordergrund gestellt hatte, legte die Weltkunstschau 1982 den Akzent auf expressive Stile (Stichwort „Neue Wilde“) und folgte einem Konzept der „Kunst über Künstler“.

So sieht es jedenfalls der künstlerische Leiter der neuen documenta, Manfred Schneckenburger (48). Mit dem von ihm verantworteten Fünfjahres-Resümee, so Schneckenburger, melden sich die Künstler in der Wirklichkeit zurück. Kein neuer Stil habe sich als Schwerpunkt aufgedrängt, sondern eine neue Haltung: Die Kunst beziehe sich wieder verstärkt auf die „historische und soziale Dimension“. Statt der Nabelschau auf Formstrukturen zu frönen, wage man wieder öfter Metaphern und Bilder, die auf unsere Wirklichkeit verweisen.

Schon ein erster Rundgang zeigt, daß mit derlei Schlagworten nicht die Rückkehr zur Politkunst oder zu simplen Vermittlungsformen gemeint sein kann. Das gesellschaftliche Moment der allermeisten Arbeiten kommt, falls überhaupt, oft erst über vertrackte ästhetische Bezüge oder Denkumwege zum Vorschein. Die .„Brücke zum Publikum“, die man laut Schneckenburger diesmal schlage, erweist sich oft genug als Zickzack-Strecke, manchmal gar als Holzweg.

Die absolute Ausnahme bildet ein Künstler wie Hans Haacke, der im „Fridericianum“ eine Installation errichtet hat, die man zunächst für einen schnöden Reklamepavillon hält, die sich aber sehr schnell als direkte Kritik am Gewinnstreben deutscher Großkonzerne in Südafrika erweist. Relativ problemlos ist der Zugang auch noch zu den Bildern eines Leon Golub, der Gewalt und Unterdrückung ohne Umschweife thematisiert.

Vielfach dominieren negative Utopien

Schwieriger wird es schon bei einigen Hauptwerken dieser documenta. lan Hamilton Finlays vier Guillotinen, die auf einer Blickachse in Richtung eines Schlosses liegen, eine Qualität von Schönheit und Schrecken darstellen und durch Inschriften auf den französischen Revolutionsberserker Robespierre Bezug nehmen, verlangen schon genaueres und längeres Hinsehen, sind interpretationsbedürftig. Ähnliches gilt für die Arbeit des Chilenen Alfred Jaar, der mit „1+1+1″ der Frage nachgeht, wie Kunst die politische Wirklichkeit darstellen, ja überhaupt erst auf die Füße stellen kann. Vielfach dominieren freilich negative Utopien, katastrophische Szenen, die weniger zum Nachdenken denn zum Horror gereichen.

Eins zeigt sich als Tendenz recht deutlich: Der vielbeschworene „Hunger nach Bildem“ ist einstweilen gestillt. Die documenta 8 hat aus der Not eine Tugend gemacht und die Flucht in die dritte Dimension ergriffen: Architektur (Modelle von „idealen Museumsbauten“), Design sowie Skulpturen und Objekte im städtischen Raum spielen eine Rolle wie nie zuvor. Zusammenfassend könnte man sie als selbstbewußte Interventionen der Kunst ins Reich der Wirklichkeit ansehen. Einfacher ausgedrückt: Es geht um Kunst, die sich nützlich machen will und manchmal auch Unterhaltungswerte nicht scheut.

Insgesamt wird man jedoch den Eindruck nicht leicht los, daß dieselben Arbeiten, unter einem anderen Konzept-Blickwinkel als dem Schneckenburgers betrachtet, sich auch ganz anders deuten ließen. Aber auch das gehört ja zum Spannenden an der Kunst, daß sie jeder Interpretation immer um mindestens einen Schritt voraus ist.

Übrigens: Dem verstorbenen Joseph Beuys, ohne den man sich eine documenta noch immer nicht vorstellen kann, ist ein eigener, zentraler Raum im gräßlich restaurierten Fridericianum gewidmet. Erstmals ist dort seine Endzeit-Vision „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ authentisch zu sehen.

„documenta 8″. Kassel (u. a. Fridericianum, Orangerie, Innenstadt, Auepark, Karlswiese). 12. Juni bis 20. September, täglich 10 bis 20 Uhr, Freitag/Samstag 10 bis 22 Uhr-Tageskarte 10 DM, Dauerkarte 80 DM. Katalog (3 Bände) 90 DM, Kurzführer 12 DM. Führung durch die gesamte Ausstellung 6 DM pro Person. Führungsdienst/Information: Tel. 0561/77 3104




„Skulptur-Projekte“ in Münster: Klaus Barbie an der Haltestelle, riesige Kirschen über dem Parkplatz

Von Bernd Berke

Münster. Zwei überdimensionale Kirschen schweben über einem Parkplatz; an der Bushaltestelle leuchten abends Fotos des NS-Verbrechers Klaus Barbie auf; hoch oben an der Lamberti-Kirche flackern drei Irrlichter in den historischen Wiedertäufer-Käfigen – drei von rund fünfzig Objekt-Situationen, die, als großes Freiluft-Ereignis namens „Skulptur-Projekte“, Gänge und Fahrten durch Münster jetzt zum – mal verstörenden, mal erhellenden – Abenteuer machen.

Intensiver als gewohnt, tritt hier Kunst mit städtischem Raum, Baugeschichte und Rest-Natur in spannende Dialoge. 64 Künstler, darunter zahlreiche hochrenommierte, sind beteiligt! Allein 19 von ihnen sind auch bei der morgen beginnenden documenta 8 in Kassel dabei, was auf hohe Qualität hindeutet.

Die Liste der 64 Künstler reicht von Carl Andre über Per Kirkeby und Mario Merz bis zu Ulrich Rückriem und Richard Tuttle. Die internationale Crème der Skulpturen- und Objektemacher kam nach Münster, weil ein Skulpturenprojekt anno 1977 einschlägige Reklame für die Stadt gemacht hatte. Schließlich konnte man mit Prof. Kasper König („von hier aus“) einen AusstelIungs-Manager von anerkanntem Format gewinnen, der das Projekt gemeinsam mit dem Direktor des Westfälischen Landesmuseums, Prof. Klaus Bußmann, leitet.

Zwei Tendenzen zeichnen sich in der Kunstaktion, deren jetziger Zustand quasi nur die Zwischenbilanz eines offenen Prozesses darstellt, ab: Zum einen versteckt man sich nicht mehr im Kunstbetrieb, sondern geht selbstbewußt in den „öffentlichen Raum“, zum zweiten begnügen sich die Künstler längst nicht mehr mit der leidigen „Kunst am Bau“, die eh nur für belanglose Schnörkel an betonierten Sünden stand, und auch nicht mit einer ästhetischen „Möblierung der Stadt“. Vielmehr lassen sie sich auf die Stadt ein, nehmen Maß an ihr und machen sie auf unterschiedlichste Weise zum Untersuchungsgegenstand.

Und tatsächlich: Im Widerspiel mit den Kunstobjekten werden bauliche und planerische Details sinnfällig, die man sonst übersehen würde. Paradefall ist Ulrich Rückriems Skulptur „Dolomit zugeschnitten“, die auf subtile Weise die Formsprache der Petrichkirche aufnimmt, ja eigentlich erst verdeutlicht. Der Reiz des Konkreten, die Herausforderung durch eine bestimmte Umgebung, veranlaßte manchen Künstler, sich intensiv mit der Geschichte des jeweiligen Standortes zu befassen. Der konkrete Stadtbezug, so Kasper König, sei ein Faktor, der den Zugang erleichtere. Das Münsteraner Projekt werde daher wohl keinen Volkszorn auslösen wie jüngst der Skulpturen-Boulevard auf dem Berliner Ku’damm.

An öffentlichen Mitteln für das Projekt, das – mit Schwerpunkt in der City – das ganze Stadtgebiet umfaßt, standen nur 900.000 DM zur Verfügung. Sponsoren sorgten für eine Aufstockung des Etats. Dennoch bekam jeder Künstler nur 3000 DM Honorar. Über eventuelle Ankäufe einzelner Skulpturen soll 1989 entschieden werden.

Im Fußmarsch ist zwar das Kunstpotential der Innenstadt, kaum aber das ganze Projekt zu bewältigen. Typisch münster’sche Lösung: Es wurde ein Extra-Fahrradverleih eingerichtet. Die Fahrradleidenschaft der Stadt ist auch Thema eines Objekts im Innenhof des Landesmuseums. Reiner Ruthenbeck verhängte einige Dutzend Fahrräder (nicht abgeholte Exemplare aus dem Fundbüro) mit einer Fahne aus Lodenstoff – laut Kasper König eine Anspielung auf Kleidersitten von Möchtegern-Landedelleuten des Münsterlands.

„Skulptur-Projekte“. Offiziell 14. Juni bis 4. Oktober. Katalog (erst in etwa zehn Tagen fertig) 35 DM; Kurzführer 10 DM, erhältlich im Landesmuseum, Domplatz 10. Kostenlose Führungen: 0251/591-32 25.




Überlebende durch Traum und Lüge – Gorkis „Nachtasyl“ an neuer Spielstätte in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. „Szenen aus der Tiefe“ lautet der Untertitel von Maxim Gorkis Elends-Drama „Nachtasyl“. In Helmut Palitschs Wuppertaler Inszenierung (zeitnahe Übersetzung von Thomas Brasch) wird diese Frühform von „Ganz unten“ wirklich ins Kellergeschoß verlegt.

Die „alte Küche“ unter der Stadthalle am Elberfelder Johannisberg, erstmals als Spielstätte genutzt, ist ein öder, verkommener Raum, rundum mit Kacheln ausgekleidet und wie geschaffen, eine trostlose letzte Zuflucht der Ausgestoßenen darzustellen. Dieser Spielort erspart das Bühnenbild, er ist aussagekräftig genug. Wenige Requisiten, etwa Bierflaschen und Zigarettenkippen, die am Schluß den Boden übersäten, reichen aus. Die Entscheidung für diese Spielstätte ist richtig. Man sollte „Nachtasyl“ nicht im schmucken Schauspielhaus vor gepolsterten Sesseln spielen. Auch daß hier ohne Pause gespielt wird, hat seinen Sinn. Snacks, Sekt und Smalltalk wären fehl am Platze.

Noch eine sinnvolle Entscheidung: Die Inszenierung zeigt das Elend nicht naturalistisch ausgekleidet vor, sie legt es nicht darauf an, beim Zuschauer wohlfeiles Mitleid hervorzurufen, in dem er sich womöglich sogar sonnen könnte. Mindestens so sehr wie um die materielle Verelendung geht es hier um psychische Defekte. Damit liegt Palitsch auf der Linie wichtiger „Nachtasyl“-Inszenierungen der letzten Jahre.

Reste der Arbeitsgesellschaft (im Stück werkelt ein Schlosser vor sich hin) sind getilgt. Die Figur des Kürschners fehlt ganz, der Schlosser (Günter Delarue) putzt – für eine Zukunft, die nie kommen wird – nur noch seine Werkzeuge und trägt sie sinnlos hin und her. Herausgehoben wird denn auch Satins „Tunix“-Utopie, die Vorstellung, alle würden aufhören zu arbeiten.

Überhaupt spielt der Umgang mit Utopien hier eine wichtige Rolle: Betrug und Selbstbetrug sind die – freilich arg beschädigten – Anzeichen einer Vorstellungskraft, die hinaus will. Zugleich hat der laxe Umgang mit der bitteren Wahrheit handfeste Funktion: er sichert das Überleben. Wer aus Lüge und Traum erwacht, ist schon verloren.

Das Handlungsgewoge, in dem mal die Illusionen, mal die unerbittlichen Einsichten die Oberhand gewinnen, wird schauspielerisch auf unterschiedlichem Niveau dargestellt. Manche Szenen (Mord am Nachtasyl-Besitzer) würde ich mir stärker stilisiert wünschen. Zum Glück werden schwächere Leistungen durch Ensemble-Spiel „aufgefangen“. Positiv fallen Wolfgang Packhäuser als Satin und Jochen Fahr in der kleinen Nebenrolle des „Aljoschka“ auf.

Asylherr Kostylew (Herbert Ecker) ist hier nicht ein Vollblut-Ekel, sondern ein schmalbrüstiger Hausmeister; der Pilger „Luke“ (Bernd Kuschmann) wirkt nicht wie ein weiser Greis, sondern wie eine Mischung aus Sozialarbeiter und Aasgeier des Elends, der das Unglück der anderen braucht und immer ein paar humane Sprüche parat hat.

Eindrucksvoll das eher komödiantisch angelegte Paar „Baron“ (Gerhard König) und „Satin“, das von Beckett oder O’Casey stammen könnte. Nur: Die langen und tiefsinnigen Reden am Schluß („Der Mensch ist die Wahrheit“) nimmt man „Satin“ dann nicht leicht ab. Hier hätte man mehr straffen sollen.




Duisburg als Vorreiter beim Kulturaustausch mit der DDR – Bilanz nach dem „Akzente“-Festival

Von Bernd Berke

Duisburg. Einen gewaltigen „Bammel“ hatten alle Beleiligten vor dem Duisburger Kulturfeslival „Akzente“. Bei einer bisher beispiellos vielfältigen West-Präsentation von DDR-Kultur hätte ja so vieles „schiefgehen“ können. Doch gestern, nach vollbrachten Taten, konnten Duisburgs Kulturdezernent Konrad Schilling und seine Mitstreiter hörbar aufatmen.

„Kein einziger Flop“ (Schilling) sei ihnen unterlaufen, die Besucherzahl von 73 000 könne sich hören lassen, und praktisch alle Veranstaltungen seien von hoher Qualität, ja meist richtig „aufregend“ gewesen. Schilling zitierte bei seiner Bilanz den DDR-Kulturminister Hoffmann, der gesagt habe, dies sei „ein Festival des Lernens“ gewesen – für beide Seiten.

Die insgesamt rund 110 Veranstaltungen, die – vom Deutschen Theater Ost-Berlin bis hin zu Autoren wie Christa Wolf – zahlreiche „Einblicke“ (FestivaI-Untertitel) in die Kultur des zweiten deutschen Staates ermöglichten, brachten auch zahlreiche „informelle Kontakte“ mit sich. Wie Duisburgs Oberstadtdirektor Richard Klein gestern befriedigt feststellte, haben solche Begegnungen bleibende NachWirkungen. Klein zeigte sich vom Verlauf des gesamten Festivais „überwältigt“.

Kulturdezernent Schilling ließ anklingen, daß Duisburg den Ruhm nicht ganz allein ausschöpfen wolle. Man habe dermaßen viele und wichtige Kontakte in die DDR geknüpft, daß auch andere (Revier-)Städte davon profitieren könnten. Freilich müsse festgehalten werden, daß Duisburg im Kulturaustausch mit der DDR eine Vorreiterrolle gespielt habe. Das Akzente-Festival sei dabei lediglich ein Höhepunkt. Im Grunde vollziehe sich hier ein langer, tiefgreifender Prozeß, gleichsam das langsame Wachstum eines „zarten Pflänzchens“, dessen erstes Aufkeimen man in Duisburg gesehen habe. Ein erfreulichesÄnzeichen sei zum Beispiel,daß man eine Duisburger Ausstellung mit DDR-Leihgaben durch ein schlichtes Telefonat mit dem DDR-Kulturministerium habe verlängern können. So etwas sei vor einem halben Jahr noch ganz undenkbar gewesen,

Auch für das nächste Akzente-Festival im Jahr 1988 erwarten die Duisburger eine starke Beteiligung von DDR-Künstlern. Im nächsten Jahr soll das Schwerpunktthema „Die Kulturleistungen des deutschsprachigen Judentums“ lauten. Der Rat der Stadt muß die Planung noch bestätigen.

Duisburg als „Eisbrecher“ im west-östlichen Kulturbetrieb – so könnte auch die Schlagzeile für die zweite Großunternehmung lauten, die gestern im Rathaus der Revierstadt bilanziert wurde. Die Rede ist vom Gastspiel der „Deutschen Oper am Rhein“ (Duisburg/Düsseldorf) und der Duisburger Sinfoniker in Moskau. Die Sowjets hätten den Klangkörper aus Duisburg geradezu enthusiastisch gefeiert, hieß es dazu. Das Orchester aus dem Ruhrgebiet habe sich vor einem verwöhnten und daher kritischen Publikum selbst übertroffen.