Demut vor dem Herrn der Bilder

Von Bernd Berke

Der Mann vom Fernsehen kommt als Bittgänger. Man sieht, wie er sich per Sprechanlge anmeldet und dann schaudernd das hochherrschaftliche Tor passieren darf. „Baron, wo fühlen Sie sich zu Hause?“, fragt der ergebene Gerd Kairat den Kunstsammler Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza nach dessen LiebImgs-Anwesen. Nur den devoten Kratzfuß hat er vergessen.

Die Ministerpräsidenten Rau und Späth, Innenminister Zimmermann, Schweizer, Spanier und US-Amerikaner – sie alle hoffen, beim „Rennen“ um Thyssen-Bornemiszas unschätzbar wertvolle Kunst-Stiftung vorn zu liegen. Laut Ansage-Blendwerk war Gerd Kairat angetreten, mit der mitternächtlichen Sendung „Der .Baron und seine Bilder“ (ARD) den „neuesten Stand“ des Wettlaufs zu referieren. Doch man hätte einen Reporter nach Lugano schicken sollen, keinen Schwarmgeist, der in Demutshaltung den kostbaren Bildbesitz des Barons durchkämmt, ohne deutlich zu machen, welche Werke denn eigentlich „zu haben“ sind.

Der Kriechgang durch die Kunst-Gemächer des Barons geriet zum Klippschul-Kurs in Kunstgeschichte – mit banalsten „Erkenntnissen“ in vorgestanzter Sprache. Auch handwerklich stimmte nicht viel: Die fuchtelnde Hand des Fragenden geriet öfter ins Bild; mal sprach er aus dem Off, dann war er urplötzlich wieder zu sehen.

Ebenso konfus waren manche Schnittfolgen (z. B. von der Tafel des Barons und seiner Frau direkt auf Picassos „Harlekin“). Und die Meisterwerke von Dürer bis Nolde wurden von der Kamera meist so lieblos abgetastet, wie man ohne Appetit in einem Essen stochert. Da verging einem der „Hunger nach Bildern“.

Überdies konnte man den Eindruck bekommen, daß die Thyssen-Dynastie nie etwas mit Fabriken oder Politik, sondem – über Generationen hinweg – immer nur mit hehrer Kunst zu tun hatte. Zum aktuellen Kern stieß Kairat erst Minuten vor Schluß vor. Der Baron stellte klar, daß er die Bilder nur zur IIälfte herschenke, der Rest müsse teuer erkauft werden. Wer den Zuschlag erhalten wird. verriet er natürlich nicht.




Auf dem Karussell der Gefühle – Marivaux‘ „Die falsche Zofe“ in Essen

Von Bernd Berke

Die Komödien des Pierre Carlet de Marivaux sind in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen. Der französische Rokoko-Dichter wurde als früher Kronzeuge für eine gleichermaßen verspielte wie eiskalte Mechanik der Gefühle herangezogen, Ähnlichkeiten mit heutigen „Beziehungen“ waren augenscheinlich.

Dass Marivaux ein Neuerer der italienischen Commedia dell’arte war, der diese Typenkomödie mit „Innenleben“ und fein gesponnener Psychologie anreicherte, geriet dabei in den Hintergrund. In Essen, wo jetzt Marivaux‘ Stück „Die falsche Zofe“ Premiere hatte, spielt man weder „Commedia“ noch Gefühlslabor, sondern einfach eine publikumswirksame Komödie, die mit leichtem Wort-Florett oft tiefer trifft als mancher verquälte Grübeltext.

Kurz zum Inhalt: Eine junge Dame aus Paris verkleidet sich als „Chevalier“, um in solch männlicher Gestalt das Gefühlsleben Lelios zu testen, der um sie freit, vor allem jedoch auf ihr Geld scharf ist, wie sich herausstellt. Als strahlender Jüngling mit Dreispitz und Degen gewinnt sie Lelios Freundschaft und entlockt ihm nach und nach die niederen Motive. Lelio stiftet den vermeintlichen Chevalier sogar an, die Gräfin in sich verliebt zu machen, damit er – Lelio – sich schadlos aus seiner Liason mit der Gräfin lösen und sich der weitaus reicheren Dame aus Paris zuwenden kann. Für zusätzlichen Schwung auf dem Karussell der Empfindungen sorgen die Diener der Hauptpersonen. Ein glückhaftes Ende gibt es nicht, keine Liebesverbindung kommt zustande: Alle waren auf Gewinn aus, am Ende sind sie betrogene Betrüger, jede(r) für sich allein.

In der Essener Aufführung (Regie: Herbert König) gibt es ein eindeutiges Opfer des Intrigenspiels, nämlich die Gräfin (Elisabeth Krejcir), die – ersichtlich nicht mehr in voller Jugendblüte – als einzige Person auf Liebesbezeigungen angewiesen zu sein scheint. So wird sie zum Spielball der anderen, weil sie Gefühle investiert. Immerhin denkbar wäre eine Inszenierung, in der auch die Gräfin zu den kühl berechnenden „Mitspielern“ zählt.

Brigitte Horn als Chevalier kann gut auf Stimmverstellung in Richtung Männerbaß verzichten. Sie spielt so frisch und frech, daß man ihr den kecken Jüngling, wüßte man’s nicht anders, beinahe abnimmt. Dietrich Adam als Lelio gibt einen gerissenen, aalglatten Vorteilsnehmer. Während Ulrich Wiggers als Chevalier-Diener Trivelin eine erdnahe Gestalt verkörpert, spielt Klaus von Mirbach in der köstlichen Paraderolle des Lelio-Bediensteten Arlequin einen naiven Luftikus, der sich immer wieder Schrammen auf dem Boden der Tatsachen holt.

Bühnenbildner Hans Brosch hat seine Phantasie-Produkte enorm ausbreiten dürfen. Die Spielfläche ist vollgestellt mit allerlei unpraktischen Aufbauten, die zwar optische Effekte erzielen, die Darsteller aber behindern. Dazu gehört auch die offenbar unvermeidliche Schräge, die die Schauspieler zu „Bergtouren“ nötigt.