Sponsoren hoffen auf Kunst als Werbeträger – Tagung in Köln: „Marketing mit dem Museum“

Von Bernd Berke

Köln. Unsere Museen ächzen unter Finanznot, unsere Unternehmen sind auf der Suche nach einem gepflegten Image. Beiden soll geholfen werden, das Zauberwort heißt „Sponsorschaft“.

Eine Tagung unter dem dynamischen Titel „Marketing mit dem Museum“ brachte gestern in Köln Wirtschafts-Vertreter und Museumsleute zwecks „Abbau der Berührungsängste“ an einen Tisch. Besonders Manager aus der Auto- und Bank-Branche zeigten sich aufgeschlossen. Aber auch andere Zweige waren vertrçten. Als Dortmunder Teilnehmer hatte sich Heinrich Frommknecht, Vorstandschef der „Signal“-Versicherung, angesagt.

Wohin die Reise geht, brachte Prof. Hugo Borger, Generaldirektor der neun Städtischen Museen zu Köln, in aller Deutlichkeit auf den Punkt: „Ich würde sogar meinen Dienstwagen mit dem Namen einer Firma schmücken, wenn es der Sache des Museums dient“, sagte Borger in seiner Eröffnungs-Ansprache. Er hoffe inständig, daß Betriebe, die Ausstellungen mitfinanzieren, anschließend mehr verkaufen: „Dann können sie uns beim nächstenmal noch besser unterstützen.“

Borger diente sich den versammelten Indusüievertretern als Werbepartner an. Der Museumsmann befand, daß Produktwerbung im Museum wirksamer als Sportwerbung sein müsse. Die Museen seien längst keine verstaubten Verwahranstalten mehr, sondern „Erlebnisräume“; sie hätten „mehr Besucher als die Fußballstadien“, darunter zunehmend solche aus der (besonders konsumkräftigen) Altersgruppe zwischen 20 und 40. Fazit: Er, Borger, habe gar keine Bedenken, demnächst z. B. wieder kostbares antikes Glas in Zusammenarbeit mit der Firma Olivetti zu präsentieren. In den USA und Japan seien solche Kooperationen selbstverständlich. Bei uns hingegen müsse vor allem der Mittelstand für „Sponsorship“ gewonnen werden.

Mitveranstalter der Tagung war eine in Frankfurt ansässige „Initiative für Industrie-Kultur e. V. – laut Satzung ein Zusammenschluß von „Privatleuten“, die aber größtenteils der Industrie verbunden sind. Im Namen dieser Initiative hielt Richard Bachinger (Dresdner Bank) ein Kurzreferat, in dem er auch die „Aufgabe der Medien“ nicht vergaß: Wenn ein Unternehmen eine Ausstellung finanziell fördere, so sollten Presse, Funk und Fernsehen den Sponsor gefälligst auch nennen. Denn: Man müsse die Investitionen in Kultur vor den und Aktionären vertreten können. Das aber werde erschwert, wenn der Image-Effekt zu gering sei. Bachinger mahnend: „Sponsoring muß ein Geschaft auf Gegenseitigkeit sein.“

Zur Frage, was sich die Unternehmen von Kulturförderung versprechen, hieß es, die spendablen Firmen verfolgten eine „Corporate Identity-Strategie“. Klartext: Da sie sich immer weniger durch ihre Produkte oder Dienstleistungen voneinander abheben, wollen sie eine klar erkenn- und unterscheidbare Identität erwerben, beispielsweise durch Kultur. Der Ausstellungsbesucher soll sich, möglichst noch nach Jahren, erinnern. Etwa so: „Die Firma X ? Ach, das waren doch die, die damals die wundervollen Rembrandt-Bilder in Y-Stadt gezeigt haben!“




Gemeinsame Ausstellung der Kunstmuseen im Revier rückt offenbar näher – Wegweisende Idee des Hagener Osthaus-Chefs Michael Fehr

Von Bernd Berke

Hagen. Die Idee des neuen Chefs im Hagener Osthaus-Museum, Dr. Michael Fehr, die Kulturkräfte der Region mit einer gleichzeitigen Eigenbesitz-Ausstellung aller 17 Kunstmuseen des Ruhrgebietes zu bündeln, nimmt konkrete Gestalt an. Die SPD-Fraktionsvorsitzenden der Revierstädte haben sich bei einer Zusammenkunft in Duisburg für ein solches Vorhaben ausgesprochen. Interesse signalisierten auch die Regierungspräsidenten und das NRW-Kultusministerium.

Damit ist der Plan, in den auch der Kommunalverband Ruhrgebiet einbezogen werden soll, auf bestem Wege zur Realisierung. Wunschtermin: Ende nächsten Jahres.

Wie Michael Fehr gestern im Gespräch mit der WR erläuterte, könne die „Kunstsammlung Ruhrgebiet“ (Arbeitstitel des 17er-Projekts) zugleich eine große Revision der Bestände und langfristig ein Umdenken in der Sammlungspolitik einleiten. Man müsse endlich über die jeweiligen Kirchtürme hinausblicken und nicht mehr in jeder Stadt – zwangsläufig mehr schlecht als recht – alle Nachkriegs-Kunstrichtungen sammein, sondern sich spezialisieren (und somit besser profilieren). Beispiel: „Dortmund und Hagen verfügen über die meisten Werke von Expressionisten. Es wäre sinnvoll, wenn andere Museen Einzelbilder dieser Stilrichtung hierher geben“. Umgekehrt könnten sich das Dortmunder und das Hagener Muséum von Stücken trennen, die nicht zu ihren Sammlungschwerpunkten passen.

Daß derlei Tauschaktionen eine ungeheuer schwierige Sache sind, weiß Fehr. Doch immerhin hätten Dortmunder Museumsleute schon Neigung zu solchen Transaktionen erkennen lassen. Komplizierter sei es schon mit dem Lehmbruck-Museum in Duisburg und dem Folkwang-Museum in Essen, die sich ihrer bundesweiten Bedeutung höchst bewußt seien und daher das Augenmerk weniger auf die Region richteten. Fehr glaubt aber, daß mit dem Generationswechsel an der Spitze einiger Reviermuseen (neue Chefs in Dortmund, in Hagen, demächst auch in Essen) einiges in Bewegung kommt. Fehr bezieht in seine Überlegungen übrigens beide großen Dortmunder Museen mit ein, also das Museum am Ostwall und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße.

Vorerst bleiben Tauschgeschäfte der skizzierten Art Utopie. Doch der vorübergehende Wechsel von Exponaten für die Dauer der Ausstellung „Kunstsammlung Ruhrgebiet“ könnte die verhärteten Strukturen bereits lockern.

Fehr, der in Hagen mit einem Minimal-Ausstellungsbudget von 50 000 Mark im Jahr wirtschaften muß, schätzt die Kosten für das revierweite Mammut-Unternehmen auf rund 750 000 Mark und rechnet fest mit Landeszuschüssen. Er verweist dabei auf die Düsseldorfer „Kunstsammlung NRW“, die mit Millionen aus dem Landesetat aufgebaut worden sei. Ersehnter Nebeneffekt des Ausstellungs-Projekts: ein 17bändiger Bestandskatalog, also ein umfangreicher Führer durch die Kunstmuseen des Reviers.

In Sachen Katalogisierung liegt derzeit einiges brach. Fast alle Ruhrgebietsmuseen, so Fehr, sind mit ihrer Inventarisierung Mitte der 70er Jahre stehengeblieben. Die Finanzmisere ließ eine Fortschreibung bisher nicht zu. Unterdessen träumt Fehr auch schon von einem Katalog, der alle im Revier lebenden Künstler vorstellt. Der Hagener Museumsmann: „Was Köln kann, sollten wir auch können“.




Die Kunst, die niemals fertig ist – Arbeiten von Arthur Köpcke in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Bei diesem Künstler war wirklich alles im Fluß, auch die Schreibweise seines Namens: Arthur Köpcke, Koepcke oder KOpke (1918-1977), gebürtiger Hamburger, später dänischer Staatsbürger, hielt ab 1958 mit seiner Kopenhagener Galerie einen Stützpunkt der damaligen Kunstavantgarde.

Zur ästhetischen Vorhut gehörte Köpcke seit den 50er Jahren selbst, anfangs mit aktionsgeladenen, informellen Bildern, später mit Beiträgen zu Pop- und Konzept-Kunst. Stets hielt er sich dabei abseits von Gruppierungen, stand kaum je in „vorderster Linie“. War er auch kein Medienstar wie Joseph Beuys; dieser und viele andere „Kollegen“ zollten ihm Hochachtung.

Die erste größere Retrospektive des Köpcke-„Werks“ (mit dem Werk-Begriff muß man hier vorsichtig umgehen) ist jetzt, fast elf Jahre nach dem Tod des Künstlers, im Dortmunder Ostwall-Museum zu sehen (bis 10. April, täglich außer montags 10-18 Uhr). Ein kleinerer Teil der Arbeiten, überwiegend aus Privatbesitz, ist zuvor in der Berliner daad-Galerie gezeigt worden. Doch Dortmund sorgt für den eigentlichen Beginn einer „Tournee“, die noch nach Den Haag und Kiel führen wird.

111 Exponate führt der Katalog auf – man wird sie beim besten Willen nicht vollständig besichtigen können;,denn Köpcke läßt vor allem in seine Ideenskizzen und Material-Collagen ein ursprünglich-lebendiges Chaos einfließen. Wer allein die zahlreichen Bilder-Schriften (meist englische Texte) lesen wollte, müßte sich tagelang im Museum aufhalten. Auch beschäftigt Köpcke den Betrachter mit verzwickten Bild-Rebus-Rätseln, die freilich nach keiner Lösung, sondern nach Phantasie verlangen.

Die meisten Arbeiten Köpckes können nicht als abgeschlossen gelten, sie sind offen für Veränderung, sind eben „im Fluß“ (kunstgeschichtliches Etikett: „Fluxus“-Kunst). Zu Lebzeiten ließ Köpcke die Ausstellungsbesuche seine Kunst weiterführen. So wucherten etwa Köpckes Materialbilder, indem zahllose Besucher ihre Taschentücher oder Seifestücke daran hefteten. Ausdrücklich fordert der Künstler die Leute zu solchem „Frevel“ auf: „Sie nehmen nur teil, wenn Sie dieses Aktionsstück, dieses Prinzip fortsetzen, sonst sind Sie nur ein Zugucker.“

In Dortmund bleibt man „Zugucker“. Zwar darf man – auf Kopien einer Köpcke-Skizze – eine Sprechblase mit eigenen Spontan-Gedanken füllen, die Ergebnisse werden der Ausstellung beigefügt; doch ansonsten gilt: „Berühren verboten!“ Das ist natürlich ein Dilemma, wenn man (im verständlichen Interesse der Leihgeber) im Prinzip unfertige Kunst als fertige präsentieren muß. Und so ist denn unsere Beteiligung hier eher im abstrakt-gedanklichen Sinne gefragt: Schon im Lichthof empfängt den Besucher eine weiße Wand, auf der nur ein Köpcke-Spruch prangt: „Fill with your own imagination“ — Füll’s mit deiner eigenen Vorstellungskraft.




Provokation ohne Ertrag – Franz Xaver Kroetz‘ „Stallerhof“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

In der Geisterbahn bekommt die geistig „zurückgebliebene“ Stallerhof-Tochter „Beppi“ dermaßen Angst, daß ihr etwas höchst Peinliches passiert. Der alte Hofknecht Sepp heißt sie die Unterwäsche ausziehen und beseitigt hilfreich die Spuren des Malheurs. Dann geschieht’s, wie in einem Anfall: „Nimmt sie, entjungfert sie“, heißt es lakonisch in Franz Xaver Kroetz‘ Szenenanweisung.

Auf dem Wuppertaler Bühnenboden folgt die Andeutung eines hastig-bizarren Beischlafs. Einem praktizierenden Zyniker im Parkett reichte das quicke Tempo noch nicht: „Schneller!“, feuerte er die Darsteller lautstark an. Auch andere wollten es hinter sich haben: Diese Szene der „Stallerhof“Inszenierung (Regie: Ulrich Greiff) sorgte bei der Premiere für einen veritablen Publikums-Exodus. Dutzende verließen zornig das Elberfelder Schauspielhaus. Hier kann Theater noch schockieren.

Der Inhalt des 1972 uraufgeführten Kroetz-Stücks ist rasch erzählt: Besagter Knecht schwängert die debile Beppi; deren Eltern jagen Sepp vom „Stallerhof“ und vergiften seinen Hund. Sie überlegen, ob sie Beppis Leibesfrucht abtreiben sollen (hier flüchteten erneut einige Zuschauer), können sich aber nicht dazu durchringen. Schlußbild: Die Wehen setzen ein.

Das Fatale an der Aufführung ist gar nicht die Drastik einiger Szenen (die schließlich im Text stehen), sondern der geringe künstlerische Ertrag der Provokation. Das Bühnenbild (Rosemarie Krines) zeigt simultan alles her, was zur engen bäuerlichen Welt gehört: Riesenbett mit Kruzifix, Heuballen, Herdstelle samt Eßtisch, ländliches Ausflugslokal.

Bei Kroetz heißt es zum Bühnenbild: „Äußerst sparsam. Nur Versatzstücke“. In Wuppertal wird zu vieles vorgezeigt, beinahe wie in einem Museum bäuerlicher Kulturdenkmale; ganz so, als fürchte man, vor dem Publikum sonst „mit leeren Händen“ dazustehen bzw. als mißtraue man der Phantasie der Zuschauer. Ähnliches gilt für die Musik (Heinz Becker/Karl-Heinz Stegmann), die jedes Körnchen des Geschehens zu Tönen verarbeitet – vom Katzengejammer bis hin zum Jahrmarktsrummel. Und: Die Geisterbahn-Fahrt wird durch albernes Lichtgeflacker „verdeutlicht“.

Auch der Text wird über weite Strecken schlicht ausgebreitet, nicht ausgelotet. Die bayerischen Dialekt-Tupfer vermitteln hier allenfalls blasses Kolorit, nicht aber Schärfe und Kontur. Auch in den langen Redepausen der „sprachenteigneten“ Figuren klingt wenig nach, oft ist es nur die schiere Leere statt gezielt quälender Stille.

Franz Träger und Isabel Zeumer als Stallerhof-Ehepaar vermögen ihren Figuren kaum Tiefenschärfe zu verleihen. Dörte Steindorff (Beppi) und besonders Günther Delarue (Sepp) stehen hingegen für ein paar anrührende Szenen ein, in denen spürbar wird: Es ist zwar eine trostlose Liebe zwischen den beiden. Aber es ist eine Liebe.




„Tätiger Vulkan“: Buchheim wird 70

Von Bernd Berke

Dieses Widerspenstigen Zähmung hat, noch keiner vollbracht: Lothar- Günther Buchheim, der heute 70 Jahre alt wird, steht wie ein erratischer Fels in der Kulturlandschaft. Daß der Maler, Sammler, Autor und Verleger bis heute vielfach als „Multitalent bezeichnet wird, deutet – zwei Herzinfarkten zum Trotz – darauf hin, daß sein Kraftquell noch sprudelt. Der „Vulkan“ ist noch nicht erloschen.

Viele Städte und Museen wollten sich mit seiner wertvollen, auf Welt-Tourneen bestaunten Expressionisten-Sammlung schmücken; er hat sie alle mit barocker Wucht verprellt – mal berechtigt, mal ohne nachvollziehbares Motiv. Wer ihm nicht paßt, fängt sich (wie unlängst ein Lokaljournalist in Bayern) auch schon mal eine Watsch’n oder wird mit Buchheims Lieblingsspruch abgefertigt: „Sie verstehen von Kunst so viel wie ein Brunnenfrosch vom Ozean“. 70 Jahre und kein bißchen leise. Ein Verhandlungs-Gegner aus Granit, der seine Visionen und Obsessionen notfalls mit Zähnen und Klauen verteidigt. Man hat es zu spüren bekommen: in München, in Duisburg, an seinem Wohnort Feldafing und anderswo.

Vielleicht liegt es daran, daß sich Buchheim schon früh „durchbeißen“ mußte. Geboren wurde er am 6. Februar 1918 an der Wirkungsstätte der klassischen „Dichterfürsten“, in Weimar. Doch seine Jugend war alles andere als edel und gut. Er kam als uneheliches Kind einer Malerin zur Welt, der Vater hatte sich aus dem Staub gemacht. Damals galt solche Herkunft als Schmach und brachte Demütigungen mit sich.

Mit 15 stellte Buchheim seine Zeichnungen aus, mit 16 war er – neben dem Schulbesuch, wohlgemerkt – für eine Tageszeitungs-Seite verantwörtlich und belieferte weitere Blätter mit Reportagen. Das Abitur bestand er trotzdem. Italienreise und Kunststudium in München waren weitere Stationen der Lehr- und Wanderjahre.

1938 paddelte er auf der Donau bis zum Schwarzen Meer, die Erfahrung war Thema seines ersten Buchs, des 1940 erschienenen Bandes mit dem poesieträchtigen Titel „Tage und Nächte steigen aus dem Strom“. Robust auf der Suche nach „Romantik“ – Buchheim, wie er leibt und lebt. Doch auch mit der Boots-Romantik hatte es ein abruptes Ende. Im Zweiten Weltkrieg war Buchheim Kriegsberichter- und Leutnaut auf einem U-Boot, sein Dokumentar-Roman „Das Boot“ (1973) und Wolfgang Petersens Verfilmung wurden zu Welterfolgen, Millionen sahen die Fernsehserie.

Nicht so spektakulär, aber bis heute ein Standardwerk: sein Buch über die expressionistische Künstlergemeinschaft „Blauer Reiter“ (1959). Ohne Aufsehen blieb auch diese Publikation nicht, denn die darin erschienenen Reproduktionen von Bildern Wassily Kandinskys führten zu einem Prozeß um die Abdruckrechte. 13 Jahre zog sich das juristische Duell Buchheims gegen die Künstlerwitwe Nina Kandinsky hin.

In jüngster Zeit malt der „Löwe vom Starnberger See“ wieder häufiger („Mein eigentlicher Beruf“) und arbeitet an seinem Roman „Die Festung“. Der Titel paßt auch zu seiner Sammler-Burg in Feldafing, in der er und seine Frau Diethild nicht nur expressionistische Bilder verwahren (die er in den 50er Jahren oft zu Spottpreisen erwarb), sondern zahllose weitere Objekte – von nostalgisehen Karussellpferdchen bis hin zur Kollektion alter Versandhauskataloge.