„Stadtmusikerin“ Elke Mascha Blankenburg will in Unna das Kulturleben dauerhaft anregen

Eigener Bericht

Unna/Dortmund. (bke) Die Dirigentin Elke Mascha Blankenburg (45), die als „Stadtmusikerin“ von Unna ein bundesweit beispielloses Amt versieht, ist voll des Lobes: „In einer kleineren Stadt wie Unna ist es viel leichter, Unterstützung für ungewöhnliche Kulturvorhaben zu bekommen, als in Köln“.

Der Vergleich liegt nahe, denn Frau Blankenburg, die als Gast im Dortmunder Rundschauhaus über ihre Arbeit in Unna berichtete, lebt seit fast 20 Jahren in der Domstadt am Rhein. Nie habe sie dort so nachhaltige Unterstützung erfahren wie durch Axel Sedlack, den Kulturamtsleiter der Stadt Unna, der mit ihr die Rundschau-Redaktion besuchte.

Frau Blankenburg ist zuversichtlich, in Unnas Musikleben einiges bewegen zu können. Nicht auf den hochtrabenden Einzel-„Knüller“, der dann doch rasch vergessen werde, komme es an, sondern auf Anstöße etwa für den örtlichen Musikverein und die zahlreichen Chöre. Bei einem Vorsingen, das sie jetzt für ihre Einstudierung von Franz Lehárs Operette „Die Lustige Witwe“ veranstaltete, lernten manche der langjährigen Laiensänger aus Unna einander erstmals persönlich kennen – Kontakte, die die lokale Musikszene auch dann noch beleben könnten, wenn am Jahresende Elke Mascha Blankenburgs Amtszeit abläuft. Noch ein Aha-Erlebnis beim Vorsingen: Zwei Friseure entpuppten sich als hörenswerte Tenöre.

„Die Lustige Witwe“ ist eines der Unna-Projekte, auf die sich Frau Blankenburg mit großem Arbeitseifer „stürzt“. An der Operette sollen rund 40 Laien mitwirken, nur die Hauptrollen werden mit Kölner Profis besetzt. Regie führt Dieter Klein vom „Plastischen Theater Köln“.

Zweites Projekt – und noch ehrgeiziger – ist die Wiederaufführung einer Frauen-Komposition, der 1889 entstandenen „Kolossal-Kantate“ (Blankenburg) „Ode triomphale“ von Augusta Holmes. Das pathetische Werk über die Französische Revolution wurde seither nie mehr aufgeführt. Elke Mascha Blankenburg, die sich ganz besonders für vielfach vernachlässigte Kompositionen von Frauen einsetzt, trieb die Original-Partitur in Paris auf. 300 Chorsänger und rund 100 Orchestermitglieder will sie am 8. und 9. September in Unna unter freiem Himmel („Nur den Regen fürchten wir“) auftreten lassen. Blankenburg scherzhaft: „Das gibt eine richtige Massen-,Raserei‘ auf der Bühne“.

Dabei ist die „Ode triomphale“ auch „nur“ Bestandteil des fünfstündigen Simultan-Spektakels einer „Stadtoper“, das sich die Zuschauer regelrecht erwandern sollen. Der Theatermacher Peter Möbius bastelt zur Zeit am Libretto mit rund 120 Rollen. Inhalt: Revolten in Westfalen seit 1789, z. B. das Revolutionsjahr 1848 in Iserlohn oder der große Bergarbeiterstreik 1889. Gesamtregie führt Helmut Palitsch vom Dortmunder Stadttheater, von Unna für sechs Monate als „Vollzeitkraft“ engagiert. Kulturamtsleiter Sedlack freut sich über einen Nebeneffekt: Wegen der Kooperation mit Dortmund kann Unna mit Landeszuschüssen rechnen. Sedlack: „Trotzdem suchen wir noch Sponsoren“.

Deutlich auf Dauerwirkung angelegt ist wiederum die Einrichtung der ersten Frauenmusik-Bibliothek Europas in Unna, für die Elke Mascha Blankenburg aus ihrem Privatarchiv den Grundstock liefert. Kulturamtsleiter Axel Sedlack will die Spezialbücherei in die künftige neue Stadtbibliothek integrieren. Flachst Sedlack: „Bis die Olympiade im Revier stattfindet, sind wir so weit.“




Wenn Künstler mit der „Flimmerkiste“ spielen – „Der Fernseher“ als Museumsobjekt in Marl

Von Bernd Berke

Marl. Alltag ist angesagt: Bevorzugt zeigen Museumsleute derzeit, was Künstler sich zu scheinbar „profanen“ Dingen des täglichen Daseins einfallen lassen. In Hagen sind z. B. Würfel, in Berlin Schallplatten als Objekte der künstlerischen Umformungs-Begierde zu bewundern. Doch das populärste Thema hat sich Dr. Uwe Rüth, Leiter des Marler Skulpturenmuseum „Glaskasten“, ausgesucht. Seine neue, prominent bestückte und sehr anregende Ausstellung heißt einfach „Der Fernseher“.

„Der Fernseher“ – ein unscharfes Alltagswort, das sowohl das TV-Gerät als auch den Zuschauer bezeichnen kann. Tatsächlich stehen die Flimmerkisten selbst im Mittelpunkt der Marler Ausstellung, nicht etwa Programminhalte. Selbst bei den wenigen Kunst-Objekten, zu denen eigentlich ein laufendes Fernsehbild gehört, muß man in Marl passen, denn das Museum am, Marler City-„Stern“ ist dermaßen von Beton eingekeilt, daß es einer Riesen-Antenue bedurft hätte. Doch der „Kasten“, so zeigt sich, ist durch die Lebenspraxis der letzten Jahrzehnte auch ohne Programm dermaßen mit (Neben)-Bedeutungen „aufgeladen“, daß er schon genügend Ideen bei Künstlern und Betrachtern freisetzen kann.

Die früheste Arbeit stammt aus dem Jahr 1963. Günther Uecker hat – natürlich – mit Nägeln gearbeitet und damit ein Fernsehgerät zum „Igel“ gemacht. Geht es hier noch um ästhetische Wirkung, so ist in Ueckers „Statement“ (1977) Aggression spürbar. Der Künstler hat (bei einer Aktion) einen einzigen großen Nagel von hinten durch ein TV-Gerät getrieben, so daß die Bildröhre implodierte. Es ist, als hätte da einer in Notwehr gehandelt – gegen Gewalt, die aus dem Medium quillt. Eine andere „Entsorgungs“-Lösung findet Rolf Glasmeier: Er schließt einen Staubsauger an – Bilderschrott kann in den Müllsack wandern. Bei V. A. Wölfl sind die Kästen eh unter sich: Zwei Geräte, eng aneinander geschmiedet, spielen sich gegenseitig ihre Bilder vor.

Nam June Paik, Pionier der Fernseh- und Videokunst, geht das Thema, wie übrigens die meisten Künstler, spielerisch-ironisch an. Er präsentiert ein Fernsehgerät mit der Typenbezeichnung „Rembrandt“ – Ausdruck jener Jahre. als die Gerätefabriken ihre Produkte mit der Würde edler Kultur versehen wollten. Doch der auf dem „Gesicht“ (sprich: Bildschirm) am Boden liegende Apparat offenbart die Zweischneidigkeit solcher Versuche auf seiner Rückseite selbst, heißt er doch „Rembrandt Automatic“. Spiel mit falscher Weihe auch beim zweiten, im dunklen Raum gezeigten Paik-Objekt („Katakombe“, 1985/88): Im ausgeweideten Schirm flackern, lächerlich-feierlich, Kerzen.

Der Dortmunder Erich Krian läßt zwei Geräte halb unter Sandhügeln verschwinden – Berieselung bis zur Beerdigung. Ein Filz-Bildschirm von Joseph Beuys versinnbildlicht warme Energieströme zwischen Medium und Benutzer. Ebenso typisch für Stil und Ausdrucksmittel der Künstler: ein verpackter Fernseher von Christo, ein einbetonierter von Wolf Vostell.

Ingo Günthers rohes Holzstück wird bereits zum Schema eines Gerätes, nur weil eine Teleskopantenne darin steckt; und schon können auch die Phantasien des Betrachters einsetzen: Ein Holzspalt wirkt wie der Mund eines TV-Sprechers, die Maserung wie flimmernde Fernseh-Zeilen.

Anlaß der Ausstellung ist das 25jährige Jubiläum des renommierten Marler Adolf-Grimme-Preises für herausragende TV-Produktionen. Hans Janke, Leiter des Grimme-Instituts, zeigte sich von der Ausstellung angetan: Die Objekte seien wirksamer als jede geschriebene Fernseh-Kritik.

„Der Fernseher“ — „Skulpturenmuseum Glaskasten“, Marl, Creiler Platz (Rathaus). Ab Sonntag, bis 2. April, di—so 10-18 Uhr; Katalog 15 DM.




Kunstpreis Ruhrgebiet an Bildhauer Heinz Kleine-Klopries – Bemerkenswerte Festrede des SPD-Kultursprechers Eugen Gerritz

Von Bernd Berke

Im Westen. Stilvoller Rahmen für die Verleihung des zweiten Kunstpreises Ruhrgebiet: Im renovierten Herrenhaus von Gut Opherdicke (Holzwickede) erhielt gestern der Bildhauer Hcinz Kleine-Klopries (40) die mit 10.000 DM dotierte Auszeichnung des Vereins „pro Ruhrgebiet“. Gekürt wurde er von derselben Jury, die bereits die Teilnehmer der Kunst-Biennale Ruhrgebiet 1988 in Oberhausen ausgewählt hatte.

Heinz Kleine-Klopries, gebürtiger Mülheimer und jetzt in Xanten lebend, wurde besonders durch Skulpturen aus bunten Plastikbausteinen und aus Pappe bekannt, mit denen er traditionelle Themen aus Mythos und Religion verfremdend, aber immer erkennbar figürlich aufgriff.

Der Künstler bemerkte in einer knapp gehaltenen Dankrede, viele seiner Arbeiten seien auch im übertragenen Sinne „von Pappe“, drückten also eine Flüchtigkeit aus, die sich mit Motiven von mythischer Dauer in empfindlicher Balance befinde. Kleine-Klopries, der sich kurz faßte, weil er sich nicht „als Hochseilartisten“ anpreisen wolle, blieb im Bild, als er über den Kunstpreis Ruhrgebiet sagte: „Diese Auszeichnung ist kein Pappenstiel“.

Der Preisträger, „Nachfolger“ des 1988 geehrten Jiri Hilmar (Gelsenkirchen), studierte ab 1971 Bildhauerei an der Folkwang-Schule in Essen. 1981 und 1982 bekam er durch Arbeitsaufenthalte in Florenz und New York auch Kontakte zur internationalen Kunstszene. In den letzten Jahren stellte er u. a. bei den Kunstvereinen in Unna, Schmallenberg und Schwelm aus.

Eine bemerkenswerte, in kritisch-solidarischem Ton gehaltene Festrede über Entwicklungen im Ruhrgebiet hielt Dr. Eugen Gerritz, kulturpolitischer Sprecher der SPD im Düsseldorfer Landtag. Gerritz kritisierte einen Mangel an Selbst- und Geschichtsbewußtsein im Revier sowie eine vorherrschende „Techniker-Mentalität“, die das Machbare zu hoch bewerte. Als Beispiel nannte Gerritz den Konflikt um den Bergbau unter Schloß Cappenberg.

Gerritz erwähnte auch die nach seiner Meinung kleinkariert-provinziellen Verfahrensweisen bei der Besetzung mehrerer Kulturdezernate in der Region. Auch „Eifersuchtsdramen“ zwischen einzelnen Ruhrgebietsstädten drückten erschwerten sinnvolle Veränderungen der hiesigen Kulturlandschaft. Gerritz machte sich besonders für die Gründung einer Ruhr-Philharmonie stark: „Wir haben den Gedanken nicht aufgegeben; die Gründung eines solchen Orchesters im Ruhrgebiet steht an“. Schließlich brach Gerritz eine Lanze für die Sprache des Reviers und mahnte eine menschlichere Architektur an.