„Dick Tracy“ – das Kino als Verpackungskunst
Von Bernd Berke
Kino kann verzweigte Geschichten wortreich erzählen oder „schweigend“ mit Bildern überwältigen, dazwischen gibt’s zahllose Nuancen: „Dick Tracy“ ist ein Streifen, der mit gigantischem Aufwand und fast schon schamloser Ausschließlichkeit der rein optisch-atmosphärischen Seite des Kinomachens huldigt, nein: anheimfällt.
Der Inhalt ist rasch skizziert: Tracy, Amerikas berühmter, aber etwas angestaubter Zeitungscomic-Detektiv aus den 30er Jahren im beinharten, aber glückhaften Kampf gegen eine New Yorker Mafia-Gang. Nein, viel mehr passiert wirklich nicht. Aber die Verpackung! Wir kennen es von manchen Einkäufen: zwei bis drei Pralinen, aber eine Riesenschachtel.
Dieser Film macht also mit dem Ausschmücken und Drapieren rigoros ernst, er stellt lauter oberflächliche Reizwerte aus. Er hat ganze Heerscharen von Trick- und Effekt-Spezialisten sowie Maskenbildnern in Lohn und Brot gesetzt. Und sie alle sind halt Hollywood-Profis, verstehen also ihr Handwerk famos; sie haben auf jedes sichtbare Detail, auf jede Farb-Zusammenstellung geachtet. Alles ist typisiert, auf Umrisse reduziert, auf optischen Nenner gebracht. Beispiel: Sämtliche Gangster- bzw. Polizei-Autos sehen exakt gleich aus, wie mit Schablonen gezeichnet.
Wann sah man je so liebevoll-gründlich zerknautschte Gangster-Gesichter, pockennarbig übersät oder auf Breitwandformat aufgeplustert – ein tolldrastisches Panoptikum! Wann sah man je eine solche New Yorker Skyline als Kulisse: riesenhaft aufragender Stadtmoloch, aber bonbonbunt glitzemd, wie unter Pudezucker. Eine Bilderbuch-Kunstweit aus realen Versatzstükken. Man denkt wahrhaftig, die Gestalten liefen durch einen Comic.
Entschieden schematisiert auch die Darsteller. Keine seelische Innenausstattung, Herz, Blut und all das Zeug, sondern halt Typen, Standardfiguren – gleichsam mit scharfen, festen Comic-Strichen hingesetzt. Auch die Dialoge sind „sprechblasenmäßig“, dazu trieft Musik, die keinerlei Kitschformel scheut.
Warren Beatty in der Titelrolle könnte, wie große Teile des Films, wahrhaftig den 30er Jahren entstiegen sein, das markante Männer-müssen-so-sein-Lächeln inbegriffen. Seine Gefährtin Tess Trueheart (Glenne Headly) guckt und handelt tatsächlich so treuherzig wie ihr Rollenname besagt. Die Mafia-Gauner, allen voran „Big Boy Caprice“ (Al Pacino), sind auf pittoreske Art häßlich, schmierig, gemein. Und daß die Pop-Heroine Madonna, die hier eine Barsängerin mimt, erneut mit unterkühlter Künstlichkeit glitzert, muß man wohl nicht ausführlich darlegen.