Blutrünstiges aus dem Soziallabor – Jürgen Bosse inszeniert Edward Bonds „Ollys Gefängnis“ in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Klingt wie eine jener mysteriösen, weil arg verkürzten Mord-Meldungen auf bunten Seiten: „Weil sie eine Tasse Tee nicht trinken wollte, hat Mike X. seine Tochter Sheila erdrosselt.“ In Edward Bonds neuem Stück „Ollys Gefängnis“ erfährt man, wie es dazu kommen konnte. Aber ist man danach schlauer?

In Jürgen Bosses Essener Inszenierung sitzt jene Sheila (Jennifer Caron) bereits bei laufendem Fernsehgerät im Spießbürger-Zimmer auf der Bühne, wenn sich der Zuschauerraum allmählich füllt. Doch sie schaut gar nicht hin; weder aufs TV-Programm (Comedy-Shows) noch auf ihren Vater Mike (Matthias Kniesbeck).

Der Witwer hat sich rührend bemüht, hat für die Tochter gekocht und gebügelt, will nun auch mal ein paar Takte mit ihr reden. Doch so sehr er auch schnurrt, säuselt, bettelt, brüllt oder droht – sie bleibt stumm und stiert nur vor sich hin. Und den Tee will sie auch nicht trinken. Da rastet er schließlich aus und erwürgt sie. Das sonstige Repertoire der menschlichen Annäherung war halt ausgeschöpft. Psycho-Experiment vorerst beendet.

Danach verwischt Mike nicht etwa die Spuren der Untat, sondern fällt in einen Dämmerschlaf. Als die Wohnungsklingel ihn nach Stunden weckt, hat er seine Tat glatt „vergessen“. Später, als er im Knast seine Strafe verbüßt, passiert ihm erneut etwas Seltsames. Wiederum ist es, als sei er aus der Zeit gefallen: Er will sich umbringen und hat seinen Strick schon geknüpft, da muß er noch mal pinkeln. Als er von der Toilette zurückkommt, hängt schon ein Mithäftling in der Schlinge, der es eiliger hatte mit dem Ableben.

Ein Sozial-Report mit aufgepfropften Alptraumszenen? Schonungsloser Realismus, der sich dann doch ins Unfaßbare hochstemmen will? Dies und leider noch mehr. Denn Edward Bond unterlegt dem Ganzen noch eine müßige These. Im Original heißt das Stück „Ollys Prison“, sprich „All is Prison“. Merke also: Nicht nur im Gefängnis ist man eingesperrt, sondern auch in sich selbst, ins Schicksal, in die Einsamkeit der eigenen Wohnung usw. Wie zum Mitsingen: „Das gaaanze Leben ist ein Knast“.

Und so sehen wir denn, wie sich die Figuren – ob als Täter oder Opfer – in diesem Drama unglückselig miteinander verketten und einander im Gitter der Gewaltsamkeit gefangen halten. All das gipfelt in einer Schock-Szene mit dem titelgebenden „Olly“. Der logiert – typische Verquickung – bei der Mutter seines früheren Peinigers, welcher sich (siehe oben) im Knast erhängt hat. Nun wird ihm mit bloßem Finger das noch verbliebene Auge aus dem Kopf geschält. Man sieht dies auf Bildschirmen vervielfacht. Theater à la Horror-Video. Soll man nun über mediale Verstärkung von Gewalt nachdenken?

Mit blutverschmiertem Gesicht kriecht jedenfalls der seines Augenlichts beraubte „Olly“ (Michael Schütz) über die Bühne und stammelt immerzu: „Ich seh‘ nichts.“ Woraufhin Mike nochmals die finale Moral verkündet, ein jeder sei in sich eingekerkert. Nun aber Vorhang zu!

Man müht sich in Essen redlich. dem kruden Text tiefere Bedeutung einzuhauchen. Die Schauspieler können diesen Soziallabor-Traktat, das aus der Retorte zu stammen scheint, nicht so recht beglaubigen. Es wirkt alles wie zufällig hergestellt und herbeigezwungen. Bosses Regie erschöpft sich meist in vorschnellen Effekten. Da erklingen zwar immer mal wieder apokalyptische Stampf-Geräusche, auf daß man erschrecke. Doch wirklich erschüttert wird man nicht. Nur hin und wieder schockiert.

Weitere Vorstellungen: 28. Dez. / 14. und 27. Jan. – Karten: 0201/8122-200.




Geschichte ist wie ein flüchtiger Duft – John Updikes „Erinnerungen an die Zeit unter Ford“

Von Bernd Berke

Wie riecht Geschichte, wie schmeckt sie, wie fühlt sie sich an? Wie nähert man sich ihr mit allen Sinnen, ohne den großmächtigen Abstraktionen der Haupt- und Staatsakte aufzusitzen?

Solche Fragen bewegen den Geschichtsprofessor Alfred C. Clayton, den Ich-Erzähler im neuen Roman von John Updike. Auf Anfrage einer historischen Kommission soll sich Clayton an die Präsidentschaft von Gerald Ford (Amtszeit 1974-77) erinnern. Doch seine Antwort fällt anders aus, als es die stockseriösen Herren wohl erwartet haben. Für Clayton besteht die Ära Ford nämlich weniger aus großer Politik, als aus seinen eigenen Privatgeschichten. Gerade dort, so findet er, weht mehr vom Geist der Epoche als im öffentlichen Leben.

Die Essenz der Ford-Ära liegt für Clayton z. B. im unverwechselbaren Duft. Zeitgenössische Schnupper-Szene an der Uni: „Das Aroma von hundert jungen Mädchen, die plappernd, kauend, an Strohhalmen saugend auf den Sofas und Sesseln hingerekelt lagen (…) dieser Duft ist ein Zugang zur Wahrheit, zur historischen Wahrheit.“

Evolution des Geschlechtsverkehrs

Updike gibt natürlich wieder der Sexualität breiten Raum. Im Hinblick auf Fords Präsidentschaft skizziert er etwa eine Art „Geschichte des Geschlechtsverkehrs“ zwischen den 1950er und den 1970er Jahren – von unsäglicher Prüderie bis zum gleichfalls öden Orgasmuszwang vor dem Aids-Schock. Updike erweist sich einmal mehr als fintenreicher Großmeister des Bettlakens. Kein anderer weit und breit, der Sex so fruchtig darstellt.

Jener Prof. Clayton erzählt nicht nur sein Leben (Trennung von Ehefrau Norma samt Kindern, Hinwendung zu diversen Geliebten), sondern unterlegt eine zeitliche Vergleichs-Folie. Denn sein frustriert abgebrochenes Hauptwerk handelt von einem früheren, nach landläufigen Maßstäben glücklosen Präsidenten der Staaten, James Buchanan (im Amt 1857-1861). Dessen Epoche und die von Ford werden im ständigen Wechsel gleichsam aneinander gerieben. Auch hier will Clayton intime Beziehungen als historischen Kern herausschälen.

Was gestern war, ist trügerisch

Er muß freilich resignieren: Der zeitliche Abstand und die vielen Lehrmeinungen haben längst das Eigentliche überlagert. Das Gestern ist unfaßbar geworden: „Die Vergangenheit ist ebenso trügerisch wie die Zukunft, und wir existieren benommen in der Gegenwart…“

Noch in Maria Carlssons sehr eingängiger Übersetzung ist der Stilwechsel spürbar: Während die 1970er Jahre bewußt schnoddrig erzählt werden, fließt der Wortstrom durchs 19. Jahrhundert behäbiger, vielleicht aber auch humaner, dem Gang menschlicher Dinge angemessen.

Für deutsche Leser nicht ganz leicht zu verdauen sind zahlreiche Details aus der Zeit Buchanans, der sich zwischen Befürwortern und Gegnern der Sklaverei aufrieb und die Staaten in den Bürgerkrieg schlittern ließ.

Wie also begreift man Historie? Ihre flüchtigen Geschehnisse scheinen ja schnell vom Winde verweht. Updikes/Claytons Schlußsatz nach 425 Seiten: „Je länger ich über die Zeit unter Ford nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, daß ich mich an nichts erinnere.“

John Updike: „Erinnerungen an die Zeit unter Ford“. Roman. Aus dem Englischen von Maria Carlsson. Rowohlt. 425 Seiten. 45 DM.




Die Welt muß noch entdeckt werden: Peter Handkes „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ – eine Expedition auf 1066 Seiten

Von Bernd Berke

Peter Handke ist ein hochtrabender Autor, und dicke Bücher sind stets langweilig. So weit die Vorurteile. Kann denn ein Handke-Buch mit 1066 Seiten spannend sein?

Daß sich in Handkes Riesenroman „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ nicht viel begibt, kann nur behaupten, wer Action-Maßstäbe anlegt. Man fühlt sich alsbald aufgehoben in der strömenden Ruhe des langen Erzähl-Flusses. Passendes und weitgehend eingelöstes Handke-Zitate: .„Obwohl sich nichts tat, ging es hoch her.“ Oder auch: „Was für ein Erlebnis, und wie es einen aufweckt, eine Spannung aus nichts und wieder nichts.“

Ein Vorort als Mittelpunkt

Handkes Ich-Erzähler, der Schriftsteller Gregor Keuschnig, wohnt – nach Trennung von seiner Frau – draußen in einer buchtförmigen Pariser Vorstadt. Straßen und Wälder, Häuser und Menschen, die anderen nichtssagend vorkommen mögen, werden ihm zum aufregenden Mittelpunkt des Lebens. Gerade in diesem Abseits sind seine Sinne geschärfter als im brodelnden Zentrum der Stadt. Hellwach für alle Erscheinungen, schildert er winzigste Beobachtungen aus der Umgegend. Die Welt will bemerkt“ sein. Dann sieht sie plötzlich ganz anders aus.

Entscheidend sind Nachhall und Rhythmus des Erzählens. Entsprechen sie den Vorfällen, dann werden Schreiben und sonstiges Tun womöglich eins, wie Ein- und Ausatmen oder wie das noch ganz beseelte Erzählen eines Kindes. So das vielfach umkreiste Ziel.

Sicher: Beobachtungen in der Vorort-Natur geraten gelegentlich in die Nähe schierer Tier- und Pflanzenidyllen. Doch das hat mit „Gartenlaube“ oder Hermann Löns rein gar nichts zu tun. Denn Handkes grundsätzliche, stets sprungbereite Skepsis („Was ist überhaupt erzählbar?“) setzt die nötigen Brüche und Gegen-Akzente.

Versessen auf Wirklichkeit

Erfindet Handke etwa das Schreiben noch einmal? Er unternimmt jedenfalls dies: Wie weitsichtige Biologen die Gene bedrohter Arten sammeln und für spätere Zeit einlagern, so ähnlich soll Sprache hier die geglückten Momente aufbewahren. Jene Augenblicke, in denen ein ungeahnt schöner Zusammenhang zwischen Menschen, Orten und Zeiten aufblitzt.

Schreiben als Versuch, lohnende Bruchstücke der Weit zu retten. Kein geringes Abenteuer. Wie denn auch die Lektüre dieses Buches, mit dem man bei menschlichem Lesetempo gut vierzehn Tage zu ringen hat, einer Expedition gleichkommt. Wer sagt denn, heißt es einmal, daß die Erde wirklich schon entdeckt ist?

Aus der sorgsam gehüteten, der Außenwelt jedoch zugewandten Distanz seines Vororts, schildert Gregor Keuschnig auch die Reisen und Lebenswege einiger Freunde bzw. er träumt sie einfühlsam-„seherisch“ herbei. So weitet sich der Horizont des denkbar wclthaltigen und auf Wirklichkeit (oder deren wahrhaftige Empfindung) geradezu versessenen Romans.

Deutschland nach dem Bürgerkrieg

Der Reigen der Schauplatze reicht vom deutschen Fußballstadion bis buchstäblich in die innere Mongolei. Jene reisenden Freunde wirken – auf ihren Wegen durch so viele Länder – wie einsame Pioniere einer künftigen Art der Wahrnehmung; jeder auf seine besondere Weise, alle aber als im besten Sinne „Unfertige“.

Es gibt derzeit nur ganz wenige literarische Anstrengungen, in denen so sehr das Dasein aller Welt gewürdigt wird, in denen erst einmal alles Geltung bekommt, ohne daß sich verkrustete Meinungen in den Vordergrund schieben.

Die „Niemandsbucht“ ist nicht nur ein Wander-, Wandlungs- und Bildungsroman in Fortschreibung von Goethes „Wilhelm Meister“-Tradition, sondern auch eine Zukunftsreise. Im Jahr 1997 spiele die Geschichte, heißt es zu Beginn. Deutschland habe soeben einen Bürgerkrieg aller gegen alle überstanden und könne sich nun endlich neu und stimmiger als je zuvor finden. Auch von einer Genesung Jugoslawiens wird geträumt. Verrückte Einfälle? Wortwörtlich genommen, ja. Doch hier sind es Bilder der gespaltenen, vielleicht aber heilbaren Welt.

Peter Handke: „Mein Jahr in der Niemandsbucht“. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/Main. 1066 Seiten. 78 DM.




Der herbe Charme verfallener Fabriken – Industrie-Fotos von Bernd und Hilla Becher in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Ist es Sturheit oder Konsequenz? Seit über 30 Jahren fotografieren Bernd und Hilla Becher immer und immer wieder Industriebauten. Sie werden nicht müde, die Relikte einer versinkenden Arbeitsweit im Bilde festzuhalten.

Ein immenses Werk hat sich angehäuft, aus dem das Westfälische Landesmuseum in Münster – trotz beachtlicher Stellfläche – nur kleine Ausschnitte vorzeigen kann.

Bernd Becher (Jahrgang 1931) ist in Siegen aufgewachsen, ganz nah bei einem Hochofen. Der häßlich-erhabene Anblick hat ihn wohl fürs Leben geprägt. 1957 gab er die Malerei auf, weil er industrielle Motive möglichst emotionslos wiedergeben wollte. Vor-Bilder waren unterkühlt sachliche Fotos, die er in Betriebsbüros gesehen hatte. Seine Frau Hilla (geboren 1935), gelernte Lichtbildnerin, besaß Ausrüstung und technisches Wissen.

Am Aufnahmeverfahren hat sich seither so gut wie nichts geändert. Auch blieb es bis heute bei schwarz-weißen Abzügen, auf daß keine Farbe von Umriß und Gestalt ablenke. Schon der rötliche Schimmer von Mennige auf Stahlgerüsten wäre den Bechers zu bunt.

Es geht also nüchtern zu, wenn sie durch die Industriereviere reisen, um Zechen- und Wassertürme, Fabrikhallen, Hochöfen, Gasbehälter oder Kohlesilos aufs Bild zu bannen. Vieles existiert nicht mehr, anderes verwittert oder dient – schick restauriert – anderen Zwecken. Derlei Verfälschungen interessieren Bernd und Hilla Becher nicht. Sie suchen auch keine Besonderheiten, sondern Durchschnittsbauten.

Internationales Formenvokabular

In Münster sind die Aufnahmen meist zu Sechser- oder Neuner-Serien gruppiert, so daß haarfeine Vergleiche zwischen jeweils ähnlichen Bautypen möglich sind. Hier wird der Blick geschult: Was unterscheidet Siegerländer Fabrikhallen von einem Pendant in Belgien oder in den USA? Gibt es formale Entsprechungen zwischen Werksfassaden in Dortmund und Eisenhüttenstadt? Ja, es gibt sie. Man entdeckt überraschende Gemeinsamkeiten über Grenzen hinweg. Kühles Ingenieurs- und Kommerz-Kalkül schuf ein weltweit gültiges Formenvokabular, das (je nach Region) variiert wurde. Und das Motiv-Spektrum reicht vom herbbrutalen Charme nackter Stahlskelette bis zu reich verzierten Imponier-Fassaden. Auch die Geld-Religion brauchte „Kathedralen“.

Ostdeutsche Industriebauten fehlten bis 1989 im Repertoire der Bechers ganz. So sehr sie sich auch mühten, sie bekamen in der DDR keine Aufnahme-Genehmigungen. Die SED fürchtete sich vor Spionage. Als hätte man dort vorbildliche Fabriken sehen können…

Bernd und Hilla Becher: „Typologien“. Westfälisches Landesmuseum“, Münster; Domplatz. 11. Dezember bis 29. Jan. 1995, tägl. außer Mo 10-18 Uhr. Begleitbuch: 48 DM.




Gags direkt aus der Tüte – Comödie Bochum mit dem Lustspiel „Endlich allein“

Von Bernd Berke

Bochum. Furchtbar, diese Nesthocker! Da wähnen die Eltern, sie hätten ihre Sprößlinge zu selbständigen Menschen erzogen und atmen bei deren Auszug schon dankbar auf: „Endlich allein!“ Doch kaum hat der mittlerweile 20- bis 30jährige Nachwuchs die ersten Problemchen mit Ehe oder Job, da kehrt er mit allen Ansprüchen ins traute Heim zurück. „Sie sind wie die Yo-Yos“, stöhnt die Mutter.

Kleine, im Grunde schrecklich harmlose Sticheleien zwischen den Generationen ergeben ein rechtes Familienprogramm fürs Boulevardtheater. Kein Wunder also, daß die erst seit ein paar Wochen auf dem Theatermarkt agierende „Comödie Bochum“ nun Lawrence Romans Lustspiel „Endlich allein“ (Regie: Gerhard Mohr) als bereits dritte Premiere auf den Plan setzt.

Sieben Türen sieht man auf der Bühne. In einer Komödie, in der es alsbald zünden und womöglich krachen soll, sind das schon die Hauptrequisiten auf der schlicht-realistischen Szene. Da erscheinen die Kontrahenten zum jeweils (un)passendsten Moment im Holzgeviert, und wenn sie sich erregen, werfen sie besagte Türen stets heftig zu. Manchmal geht es nur noch „klapp-klapp-klapp“ im kalifornischen Heim der Butlers. Denn die drei Söhne flattern samt weiblichem Logis-Gast nach Belieben ein und aus. Und immer schrillt ein Telefon.

Der Beginn wirkt trotzdem schleppend. Inge Marschall als Mutter Butler scheint für ihre Rolle nur eine einzige klagende Tonlage zu finden, sie spielt sich erst ganz langsam etwas wärmer. Hilfreich ist dabei sicherlich die (allerdings von Lauheit bedrohte) Routine eines Henning Gissel, der den Vater gibt. Zwischen unbeschwerter Munterkeit und trotteliger Frühvergreisung ziehen Stefan Hoßfeld, Rainer Kleinespel und Jörg Kernbach als Sohnes-Trio die Register, die nette junge Schauspieler halt so „drauf“ haben.

Zuweilen knackt es dabei leise im dramaturgischen Gebälk. Doch sie retten sich auch über kleine Sinnlücken hinweg, denn leicht ist der schnelle Instant-Gag zur Hand, gleichsam aus der Tüte gezaubert. Ist von einem Tölpel die Rede, läuft jener sogleich vor die Wand und schreit .„Aua!“ Doch wer eine schon nahezu unverschämt strahlende Schönheit wie Arzu Ermen (als Hausgast „Janie“) im Ensemble hat, braucht sich um optische Schwerpunkte kaum Sorgen zu machen.

Das Stück ist recht solide gebaut und daher zum Standardwerk der leichten Muse avanciert. Es enthält auch in Maßen nachdenkliche Passagen, die für eine Bühne des .„Comödien“-Zuschnitts fast schon zu lang dauern. Für (nicht subventionierte) Eintrittspreise um die 50 DM will die lachlustige Comödien-Kundschaft keine Weltverdüsterung sehen, wie sie Frank-Patrick Steckels Bochumer Schauspielhaus so nachdrücklich erzeugt.

Von wegen „Endlich allein“: Bühnenchef Jochen Schroeder muß sich nicht einsam fühlen, denn sein Haus verbucht derzeit eine regelmäßige Platzausnutzung von über 80 Prozent. Davon träumt Steckel. Wenn freilich demnächst der unbekümmerte Spaß-Regisseur Leander Haußmann das Schauspielhaus übernimmt, wird es – kein Paradox – ernste Frohsinns-Konkurrenz am Orte geben.

Comödie Bochum (Ostring 25, Nähe Hauptbahnhof). Weitere Vorstellungen von „Endlich allein“: Bis 8. Januar ’95, täglich außer montags, jeweils 20 Uhr.