Alle Dinge neu erfinden – Hagener Osthaus-Museum präsentiert Allan Wexler und Milly Steger

Von Bernd Berke

Hagen. Im KarI-Ernst-Osthaus-Museum ist jetzt ziemlich viel im Eimer. Nicht im übertragenen, sondern im wörtlichen Sinne. Denn dem US-Künstler Allan Wexler hat es nun einmal dieser vermeintlich simple Alltagsgegenstand angetan. Er spielt nahezu alle Gedankenbilder durch, die vom Wasserbehälter angeregt werden können.

Es ist, als wollte Wexler (geboren 1949) die Dinge der Welt von Grund auf noch einmal neu überdenken und behutsam umbauen. Da fängt man am besten mit den einfachsten Objekten an. Wexlers schier unerschöpfliche, mit Sanftmut umgesetzte Vorstellungskraft läßt also den Eimer viele, viele Zustände durchlaufen, gleichsam auf Probe. Ganz so, als folge er mit ironischem Sinn dem berühmten Brecht-Satz „Er hat Vorschläge gemacht…“

Es gibt hier Eimer mit und ohne Ausgußtülle, es gibt welche aus Holz, aus Gips, manchmal von herkömmlicher Statur, dann wieder umgeformt: zum Trichter, zur Tröte, zur Wanne. Überhaupt sind es die meisten dieser Eimer leid, gewöhnliche Exemplare zu sein. Diesen kann man zu viert tragen wie eine Sänfte, jener mutiert zum überdimensionalen Meßbecher, ein dritter verbirgt sich im Rucksack, ein vierter unter dem Hut. Und so weiter.

Wexler, von Haus aus Architekt, durchstreift die verwaisten Felder zwischen angewandter und freier Kunst. Seine Modelle könnte man nachbauen, beispielsweise jenes theoretisch riesenhafte Aquädukt, das die gesammelten Wassermassen in einen einzigen – nun ja – Eimer leiten soll.

Liebenswert umständlich

Überhaupt wirken viele Gedanken und Formfindungen Wexlers liebenswert umständlich bis abwegig. Der schnurgerade Weg wäre eben nicht der Königsweg der Phantasie. Und die Schrullen von heute sind oft die Ideen von morgen. Auch Schirme und allerlei Flaschen kommen bei Wexler zum Einsatz, um das offenbar kostbare Nass aufzufangen, zu sammeln und zu bewahren. Sein „Gemeinschaftsbrunnen“ sieht ganz so aus, als sollte er nicht nur ein Grundbedürfnis befriedigen, sondern auch ungeahnte Gemeinschaft zwischen den Menschen stiften; wie denn überhaupt derlei herzliches Bemühen um Wassergewinnung auch politisch-soziale Hintergedanken wecken kann.

In der ersten Etage wechselt Wexler die Gegenstände, im Prinzip aber nicht die überaus experimentierfreudige Produktionsweise. Nun widmet er sich mit nicht nachlassender Detailfreude den Stühlen und Tischen. Auch ihre formalen (Un)-Möglichkeiten werden durchgespielt. Wie ißt man auf einem ganz und gar schrägen Tisch? Man legt passende Keile unter die Teller, dann stehen wenigstens die gerade. So tummelt sich Wexler in den Winkeln der Welt und erfindet sie neu.

Die Frau mit der Kraft eines Büffels

Einen denkbar starken Kontrast zu solchen Versuchen setzt die zweite neue Osthaus-Ausstellung. Sie umfaßt rund 50 plastische Arbeiten von Milly Steger (1881-1948), die lange Zeit in Hagen gelebt und dieser Stadt anno 1911 auch einen handfesten Kunststreit beschert hat, als sie vier überdimensionale nackte Frauenfiguren aufs Theater setzte.

„Die Grenzen des Frauseins aufheben“ heißt, ein wenig pathetisch, diese Schau. Gemeint ist, daß man weiblichen Wesen zu Beginn Beginn des Jahrhunderts weder das räumliche Denken noch die physische Kraft zutraute, um Skulpturen zu schaffen. Milly Steger aber setzte sich in der Männerdomäne derart durch, daß Else Lasker-Schüler sie lyrisch als „Büffelin an Wurfkraft“ pries. Die Skulpturen-Auswahl vermittelt ein uneinheitliches Bild. Mal kommt Milly Steger Zeitgenossen wie Barlach oder Lehmbruck an Ausdruckskraft nah, dann wieder verschwimmen die Züge ihrer Figuren ins gar zu Gefällige.

Karl-Ernst-Osthaus-Museum, Hagen (Hochstraße 73 / 02331 / 207 31 38). Ausstellungen Allan Wexler (Katalog 32 DM) und Milly Steger (Katalog 30 DM), jeweils ab heute bis zum 1. November. Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr.




Der schwerelose Tanz der Phantome – Peatc Voßmann in neuen Räumen des Dortmunder Kunstvereins

Von Bernd Berke

Dortmund. Kaum zu glauben, aber wahr: Der Dortmunder Kunstverein präsentiert erstmals einen Dortmunder Künstler. Und Peatc (sprich „Pätz“) Voßmann, Jahrgang 1949, hat sogleich das Vergnügen mit den neuen Räumen des Vereins.

Die Adressen klingen stets blaublütig: Bisher an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße ansässig, residiert der Kunstverein nun in der Kaiserstraße, allerdings wohl nur bis zum nächsten Frühjahr. Dann will man – ungleich zentraler – dauerhaft am Königswall Quartier beziehen, im „Löwenhof“.

Schade, daß mail die jetzigen Räume nicht dorthin mitnehmen kann. Peatc Voßmann jedenfalls fand sie geradezu ideal für seine Boden-Installationen, beispielsweise für „Der schwarze Block“ (1993), der sich aus genau 444 kleinen Teilen zusammenfügt. Die meisten sind schwarz angemalte, kaum mehr als solche erkennbare Zigarettenschachteln.

Die stumme Parade der verfremdeten Päckchen wird in Zeitabständen gesteuerten Zufalls von einer Neonröhre beleuchtet, das Flackern spiegelt sich in Cellophan-Hüllen. In gemessener Entfernung thronen fünf Figuren und besehen sich das Schauspiel. Die Arbeit scheint auf der Grenzlinie zweier Gesten zu balancieren: einsammeln und verstreuen, ordnen und sich über die entstandene Ordnung ein wenig mokieren.

Peatc Voßmann, sympathisch genug, nimmt seine Objekte und Bilder selbst nicht gar so bierernst. Nach einer Schlachthof-Besichtigung im Münsterland entstand das vierteilige Bild „Im Jahr des Schweins“. Man sieht die Tiere in diversen Schattenrissen, beinahe lustig umstellt von bedrohlichen Gerätschaften. Dazwischen kleben kleine Tapetenstücke biederster Machart. Ob Gewalt etwas mit Biederkeit zu tun haben könne? Das wäre vielleicht eine Frage.

Völlig losgelöst und schwerelos wirken jene schemenhaften Figuren aus Voßmanns neuer Serie „Flyers & Dancers“. In unbestimmbaren, mit Sprühkleber eigentümlich verwischten Farbräumen scheinen diese Phantome wirklich zu fliegen und zu tanzen. Ein Gefühl der Freiheit, aber auch der Unsicherheit stellt sich ein. Es könnte ja sein, daß dem Flug der Sturz ins Ort- und Bodenlose folgt. Oder aber anders herum: daß diese Wesen zuerst zu fallen drohen und sich dann in die Lüfte erheben.

„Erlebnisraum Kunst“ heißt die Reihe, in der Voßmann vorgestellt wird. Und man erlebt hier auch etwas. Nichts Spektakuläres. Aber man bekommt diese freundlichen kleinen Stupser zu produktiver Gedankenzerstreuung. Auf daß man sich dann wieder sammle.

Kunstverein Dortmund, Kaiserstraße 129/131 (Ecke Franziskanerstr.). Tel. 0231/57 87 36). 28. August bis 25. Oktober, Di-Fr 15-18, So 11-16 Uhr.




Die Notwendigkeit des anderen Menschen – Milan Kunderas neuer Roman „Die Identität“

Von Bernd Berke

In Buchtiteln von Milan Kundera mischen sich oft Gelächter und gelinde Verzweiflung. Sprichwörtlich wurde „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“.

Der Tscheche, der seit 1975 in Frankreich lebt und 1987 den Dortmunder NellySachs-Preis erhielt, schrieb auch „Der Scherz“, „Das Buch der lächerlichen Liebe“ und „Das Buch vom Lachen und Vergessen“. Heute kommt sein neuer Roman „Die Identität“ in unsere Buchhandlungen. Jenseits des Rheins war’s der Bestseller Nummer eins.

In 51 kurzen Kapiteln wirft Kundera Schlaglichter auf die Liebesbeziehung zwischen Chantal und Jean-Marc. Sie ist ein wenig älter als er, hat eine Ehe und den Tod ihres Kindes erlitten und arbeitet nun gut dotiert in einer Werbeagentur. Er vagabundiert hingegen etwas ziellos im Alltag umher.

Auch dieser Roman hat etwas Vagabundierendes, er sammelt Impressionen ein, fast wie im zufälligen Vorübergehen. Kundera will den Momenten der Liebe nicht gleich einen Zusammenhang aufpfropfen, sondern das Vage und Unsichere einer solchen Verbindung aufleuchten lassen. Der Flüchtigkeit kommt er mit flüchtigen Mitteln bei.

Zurück zur Liebe. Wie sollen es die zwei ohne einander aushalten? Um ihre Gefühle zu prüfen, stellt sich die Frau den Verlust des Mannes vor, der Mann gar den Tod der Frau, „denn Chantals Tod begleitete ihn, seit er begonnen hat, sie zu lieben“. Angst erregende Vorboten des endgültigen Abschieds sind jene Augenblicke, in denen die Liebenden einander mißverstehen, weil sie just die Identität des anderen nicht mehr erkennen.

Es fragt sich, worin die Liebe noch gründet

Diese plötzliche Entfernung voneinander gipfelt in gänzlich verwirrender Verwechslung: Jean-Marc spricht eine fremde Frau an, die er irrtümlich für Chantal hält. Wie also sollen sie es unter solchen Vorzeichen noch miteinander aushalten?

Auf den Konflikt steuern die Geschichten-Splitter zu, als Chantal von einem Unbekannten reihenweise Liebesbriefe erhält. Sie, die neuerdings fürchtet, die Männer könnten sich bald nicht mehr nach ihr umdrehen, genießt die postalischen Huldigungen und verbirgt sie (im Kleiderschrank unter den BHs) vor Jean-Marc. Sie rätselt, wer wohl die zärtlichen Episteln geschrieben hat, wer sie da tagtäglich heimlich beobachtet. War’s der Bettler an der Straßenecke? Oder war es gar Jean-Marc selbst? Dann ahnte er ja, daß sie die Blätter versteckt. Identität wird zum Ratespiel, Vertrauen schwindet…

Fragt sich also, worin sich die Liebe noch gründet – nur in der Angst vor dem Verlust? Solchen Existenz-Fragen spürt das Buch anhand vieler kleiner Beobachtungen nach. Die Szenenfolge mündet schließlich doch im Plädoyer für dauerhafte Liebe. Gegen alle Unbill, gegen alle Gier nach Freiheit und erotischem Wechsel.

Kundera ist niemand, der geradewegs drauflos erzählt, pralle Epik ist seine Sache nicht. Lebensstoff wird mit Reflexion durchdrungen, die oftmals in aphoristischer Verdichtung daherkommt. So benennt Kundera z. B. die „drei Arten der Langeweile“, die der Mensch tagtäglich zu bekämpfen suche, oder er ermißt jenes Phänomen der Freundschaft, das letztlich auch einen Kern der Liebe ausmacht: Jeder Mensch bedarf zumindest eines anderen, der seine Taten und sein Fühlen über die Jahre hinweg bezeugt. Denn sonst verlöre man seine Identität. Und dann wäre das Sein unerträglich leicht…

Milan Kundera: „Die Identität“. Roman. Hanser Verlag. 163 Seiten. 42 DM.




Das Paradies am Abgrund – „Reservate der Sehnsucht“ in der früheren Dortmunder Union-Brauerei

Von Bernd Berke

Dortmund. Die mit Bildschirmen übersäte Wiese gehört nicht etwa zu einem Stadtpark, sondern wurde in einem Turmgeschoß auf dem früheren Gelände der Dortmunder Union-Brauerei eigens angelegt. Die Grünfläche ist Teil der umfangreichen Ausstellung „Reservate der Sehnsucht“.

Die Schau soll der seit Jahren aufgelassenen Industriebrache, deren Zukunft völlig ungewiß ist, vorübergehend neues Leben einhauchen. 35 Künstler aus 12 Ländern präsentieren auf 4000 Quadratmetern vor allem videotechnische Installationen und Fotografie.

Der besondere Reiz ergibt sich aus Kontrasten zwischen dem verrottenden Brauerei-Gebäude und den künstlerischen Antworten auf diese Umgebung. Neben der Jawlensky-Ausstellung am Ostwall bietet Dortmund damit ein zweites Großereignis der Bildenden Kunst.

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„Erschütternd und zugleich faszinierend“ fand Ko-Kuratorin Iris Dressler den Anblick, der sich im November 1997 im ehemaligen Gebäude der Dortmunder Union-Brauerei bot. „Überall“, so die Frau vom örtlichen Kunstveranstalter „hARTware projekte“, „häufte sich damals der Schutt.“ Hier sollte eine Ausstellung gezeigt werden? Jetzt, nach rekordverdächtig kurzer Vorbereitung, ist sie fertig. Und der Gang durch vier Etagen des gigantischen Industrieturms gerät zum Abenteuer.

Die mit einem Etat von 900 000 DM erstaunlich günstig erstellte Schau (Hauptförderer: Land NRW, Kultur Ruhr GmbH), bestückt auch mit Arbeiten namhafter documenta- und Biennale-Teilnehmer wie Flatz und John Armleder, gibt sich schon im Ansatz illusionslos. Fraglose Voraussetzung ist das vielbeschworene „Ende der Utopien“. Im Unbehagen der Bewußtseins-Trümmer möchte sich der Mensch allerdings irgendwie einrichten: Also sucht er letzte „Reservate der Sehnsucht“ – so heißt denn auch die Unternehmung.

Das Logo – eine kleine Palme neben dem „Dortmunder U“ (Union-Symbol) – beschwört den alten Traum nicht ohne Ironie: „Unter dem Pflaster ist der Strand“. Noch weiß niemand, was künftig mit der Industrie-Brache geschehen soll. Jetzt haucht (leider nur zeitweise) die Kunst dem Gelände neues Leben ein. Es ist freilich vielfach elektronisch erzeugt. Viele der 35 Künstler aus 12 Ländern drücken sich mit Video- oder Computertechnik aus. Das wiederum paßt zum Dortmunder Traum vom avancierten Medien-Standort.

Das „U“ erzeugt eine majestätische Blickachse

Vier riesige Geschosse mit insgesamt rund 4000 Quadratmetern werden „bespielt“, aufwärts geht’s per Fahrstuhl oder über schmale Treppen. Doch halt! Gleich ganz unten darf man ein wenig im Paradies schwelgen. Die beiden Künstlerinnen vom „ipfo“ (Institut für Paradiesforschung, Dortmund / Münster) lassen via CD-Rom geläufige Vorstellungen vom idealen Urzustand zu Computer-Bildern gerinnen.

In der nächsten Raumflucht machen historische und aktuelle Fotos klar, daß das „Dortmunder U“ eine der wenigen majestätischen Blickachsen der Innenstadt erzeugt. Ein machtvolles Wahrzeichen, bereits Inszenierung für sich.

Das nächsthöhere Stockwerk ist flächendeckend begrünt worden. Auf der schon etwas modrig duftenden Wiese (oh, Vergänglichkeit!) wird es jeweils sonntags um 16 Uhr – frei nach dem Gemälde von Edouard Manet – ein „Frühstück im Grünen“ geben.

Natur ist nur noch als ferne Ahnung vorhanden

Doch die Picknick-ldylle wird mehrfach durchbrochen: Da sind die trostlos gekachelten Wände und rostige Reste der einstigen Braustätte, vor allem aber Video-Installationen, in denen Natur bestenfalls virtuell, als ferne Ahnung vorhanden ist; oder nur noch als Restgrün wie auf jenen horriblen Fotos, die unwirtliche Folgen des Alpentourismus (Walter Niedermayr) bzw. künstliche Kulissen bundesdeutscher Freizeitparks zeigen.

Es gibt Stationen in dieser Schau, an denen man nachhaltig mit eigenen und kollektiven Ängsten konfrontiert wird. Einmal sieht man sich durch eine Art Labyrinth geschleust, an dessen Ende man schaurige, mit Kissen gefüllte Wannen vorfindet. Durch Bodengitter wirft man schaudernd Blicke in tiefe Abgründe des Baues.

Durch eine Installation des Künstlers Flatz muß man sich durchkämpfen. Er hat Dutzende von Sandsäcken so dicht an dicht gehängt, daß man nicht ohne Hiebe vorbeikommt. In einem weiteren Raum ist man allseits umgeben von endlos abgespulten Aufnahmen eines kleinen nervösen Vogels, der aus dem Käfig heraus will. Ein Inbild der Unfreiheit. Wer sich hier eine Stunde aufhielte, der wüßte wohl, was Psychoterror ist.

Schließlich Jan Peter E. R. Sonntags Sound-Kreation im Turmgeschoß: Sie klingt, als werde gleich das ganze Gebäude ins Firmament abheben. Vielleicht finden wir sie ja dort: die neue Utopie.

„Reservate der Sehnsucht“. Früheres Gelände der Union-Brauerei, Dortmund (Zugang Ritterstraße). 21. August (Eröffnung 19 Uhr) bis 4. Oktober. Di-So 11-20 Uhr. Eintritt 10 DM (ermäßigt 5 DM). Kataloge 25 und 15 DM, zusammen 30 DM.




Der Kick in der Kunst – Ausstellung rund um den Fußball im Mönchengladbacher Schloß Rheydt

Von Bernd Berke

Mönchengladbach. Worum dreht sich (manchmal) das ganze Universum? Der Künstler Heinz-Josef Mess hat da so seine Vermutung – und äußert sie im Bilde: Mitten im endlosen galaktischen Nebel thront ein Zentralgestirn, das uns irgendwie bekannt vorkommt. Es ist ein Fußball. Wie sehr Kultur mit Kult und Kult wiederum mit Kicken zu tun hat, untersucht jetzt eine Ausstellung im ehrwürdigen Mönchengladbacher Schloß Rheydt.

Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten, das Runde muß ins Eckige, „Grau is‘ alle Theorie, entscheidend ist auf m Platz“ – derlei zeitlose Fußball-Weisheiten lassen auch Künstler nicht ruhen. Die pfiffige Gladbacher Schau versammelt staunenswerte Stücke. Wer hätte etwa gewußt, daß der berühmte Pop-Künstler Andy Warhol nicht nur eine Marilyn Monroe, sondern auch den Kölner Torwart Toni Schumacher als Glamour-Star porträtiert hat?

Wie eine Reliquie: Originalabguß von Netzers Schuh

Warhols Antipode Joseph Beuys hatte exakt den gleichen Club im Sinn, als er 1978 ein mit Geißbock-Maskottchen verziertes Schlüsselbund kurzerhand per Signatur zum Kunstwerk erklärte.

Besonderen Drall bekommt die Ausstellung durch Traum-Kombinationen zwischen Kunst und Kultgegenständen der Fans: Wimpel, Trikots, Pokale und dergleichen. Letztere werden wie Reliquien mit grünem Samt drapiert, beispielsweise ein Originalabguß von Günter Netzers Schuh oder ein Abdruck vom Fuße des Berti Vogts, der sich die Ausstellung demnächst anschauen wird.

Ironische Antwort auf den Kult um Vereinsfarben: Stefan Banz hat einer nackten Frau den schwarz-gelben Dress von Borussia Dortmund direkt auf die Haut gemalt, ein unbekleideter Mann trägt derweil das Schalker Königsblau. Auch sein „bestes Stück“ ward beim Kolorieren nicht vergessen…

Der Künstler Dag Seemann zeigt den Fußball als Religionsersatz dieser Zeit: Die von ihm kreierte Abfolge (altgriechische Amphora, Abendmahls-Kelch und WM-Trophäe) spricht für sich.

Die Aggressivität des Sports ist gleichfalls künstlerisches Thema. Thomas Virnich etwa hat ein kleines Spielzeug-Fußballfeld aus Blech gründlich zerfetzt und dann mit dem Lötkolben bearbeitet. Die versengten Stellen künden nicht vom hehren „Fair geht vor“, sondern gleichsam von einer „Taktik des verbrannten Rasens“. Der Werktitel zielt in die gleiche Richtung: Beim Match ist es „Drunter und drüber“ (1995) gegangen.

Abstrakter, aber ebenso faszinierend ist die Spuren-Suche von Susken Rosenthal. Sie hat sämtliche Spielzüge einer Länderspiel-Partie zwischen Argentinien und Deutschland auf ein verdunkeltes Spielfeld graviert. Resultat: ein Gewitter aus energetischen Linien mit bedrohlichen Ballungen. Dem Spiel-Verlauf wird hier ein Eigenwert zuteil, der sich von den Spielern selbst gelöst und sich zeichenhaft weit über sie erhoben hat.

Daß „das Spiel an sich“ machtvoller sein könnte als das arme kleine Individuum, teilt als Angstvision auch Dieter Asmus mit: Sein „Torwart“ (1970) wird von einem gigantischen roten Ball schier überrollt.

Weitaus kühler gibt sich Gregor Russ, der die Markierungslinien des Spielfelds auf 72 Bildern variiert: Anstoßkreis, Elfmeterpunkt und Fünfmeterraum mutieren dabei zu geometrischen, nach Regeln optischer Schönheit frei kombinierbaren Elementen.

„Heimspiel. Fußball: Kult und Kunst“. Mönchengladbach, Städt. Museum Schloß Rheydt, Schloßstr. 508. Bis 4. Okt. („Verlängerung möglich / kein Elfmeterschießen“). Tägl. außer Mo 11-19 Uhr. Katalog 29 DM.




Glühende Landschaften der Seele – Dortmunder Ostwall-Museum wartet mit betörender Jawlensky-Ausstellung auf

Von Bernd Berke

Dortmund. Psychologen haben allerhand Farb-Therapien entwickelt, mit denen sie ihren Klienten heilsame Gefühle einflößen wollen. Doch die üppigsten Feste der Farbe werden nun mal in der Kunst gefeiert – und eins der schönsten begeht man nun im Dortmunder Ostwall-Museum: 150 Ölgemälde des Alexej von Jawlensky (1864-1941) und rund 30 Werke von Zeitgenossen werden aufgeboten, um die Sinne zu betören.

Museum-Kustos Tayfun Belgin stapelte gestern reichlich tief: Einen „kleinen Beitrag“ zur Jawlensky-Debatte wolle man leisten. Er selbst und die Sponsoren werden wohl wissen, daß sie der Stadt und dem Umland ein Ereignis ersten Ranges beschert haben.

Leidiges Thema seit dem Essener Reinfall mit gefälschten Jawlensky-Aquarellen: Bis zum stichhaltigen Beweis des Gegenteils hält Tayfun Belgin alle in Dortmund gezeigten Bilder für echt, man habe die Herkunftswege geklärt. Generelles Problem allerdings: Jawlensky sei „ein miserabler Buchhalter“ seiner eigenen Produktion gewesen.

Nun aber stracks zum Genuß! Grandios schon der Auftakt im Lichthof des Museums, das übrigens die zweitgrößte Jawlensky-Kollektion Europas aufweist. Hier geht es erst einmal realistisch zu. Man bestaunt opulente Porträts („Maria“, „Hélène im spanischen Kostüm“) aus Jawlenskys Frühwerk. Vergleichsbilder etwa von Ilja Repin und Anders Zorn runden den ersten Eindruck ab: Auch ein Jawlensky hat sich – natürlich – im Horizont seiner Zeit bewegt und sein Schaffen konventionell begonnen.

Meisterliche Behandlung von Farbwerten ist freilich schon erkennbar. Das Haar der „Blondine“ (1894) erstrahlt nahezu überirdisch. Farbe als geistige Erscheinung. Das Streben nach farblicher Harmonie bestimmt Jawlenskys Werk um die Jahrhundertwende. Im „Stilleben mit Samowar“ (1901) erklingen die Tonwerte wie zarte Musik, später wird die Skala kräftiger: Da ergießt sich glühendes Fühlen in ebenso glühende Farben. Außerordentlich die Perspektive im Bild „Schwarzer Tisch“ (1901). Am obersten Rand setzen Blumen und ein Teller sparsame Farbakzente, der Tisch scheint – seines festen Halts beraubt – auf den Betrachter zuzurutschen.

Im Schmerz richtet sich der Blick ganz nach innen

Jawlensky suchte nach einem Stil, mit dem er nicht so sehr die sichtbare Stofflichkeit erfassen, sondern vielmehr in die Innenwelt der Gefühle vordringen konnte. Zeitweise orientierte er sich an Van Gogh (deutlich in Jawlenskys „Stillleben mit Zitrone und Hyazinthe“, 1901) oder an den flirrenden Farbpunkten der Pointillisten. In Dortmund belegt eine Landschaft von Paul Signac diesen Einfluß.

Häufig wiederkehrendes Motiv auf Jawlenskys Landschaften (u. a. aus Murnau) sind jene Wegbiegungen, deren Verläufe wohl immer auch den Lebens-Weg bedeuten: Wege des Innehaltens, Wege der Sehnsucht. Auf dem Bild „Einsamkeit“ ist zwar keine menschliche Figur zu sehen, doch ein Telegrafenmast ragt 1 ganz allein vor einem von fernher leuchtenden Gebirge auf. Schwankende Häuser und Hügel lassen das Erschauern vor Natur und Dingwelt spürbar werden. Es sind Landschaften der Seele.

Die Dortmunder Schau sättigt nicht nur die Lust am Schauen, sie schickt sich überdies an, Fachfragen aufzuwerten. Beispielsweise: War Jawlensky Expressionist? Der direkte Vergleich der Jawlensky-Arbeit „Stilleben mit bunter Decke“ (1910) mit „Die roten Teppiche“ (1906) von Henri Matisse weist jedenfalls in eine andere Richtung.

Die obere Etage ist zum großen Teil den vielfach variierten Kopf-Bildern vorbehalten. Es gibt ganze Serien maskenhafter Häupter mit bannenden Blicken, aber auch kühl und konstruktiv „gebaute“ Köpfe, die gleichwohl träumerischen Ausdruck annehmen können.

Am Ende stehen Einkehr und schmerzliche Abwendung von der Welt: Der bereits schwer erkrankte Jawlensky nannte diese auf Grundlinien reduzierten Antlitze „Meditationen“. Sah man vorher oft beschwörend weit aufgerissene Augen, so sind diese nun stets geschlossen. Im Leid richtet sich der Blick nach innen.

Alexej von Jawlensky – Reisen, Freunde, Wandlungen. Museum am Ostwall, Dortmund. 16. August bis 15. November. Eintritt 13 DM, Katalog 49,80 DM.

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Zweifel an Jawlensky-Bild gesät

Dortmund. (bke) Vor einem halben Jahr hatte das Essener Folkwang-Museum eine Jawlensky-Ausstellung gezeigt, die etliche Fälschungen enthielt. Gestern weckte ein Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Zweifel an einem Bild, das ab 16.August in der Jawlensky-Schau des Dortmunder Ostwall-Museums zu sehen sein soll.

Es geht um die Arbeit „Heilandsgesicht: Die heilige Stunde – Letztes Schauen“, die aus einer Wiesbadener Privatsammlung nach Dortmund kommt. Hierbei handele es sich, so jedenfalls die FAZ, „um eine offensichtliche, bis hinein in die eigentlich zufällige Ausfransung von Pinselstrichen detailversessene Kopie des allerdings vom Kopisten nicht genau verstandenen“ Jawlensky-Bildes „Heilandsgesicht: Letztes Schauen“.

Ostwall-Kustos Tayfun Belgin, zuständig für die Dortmunder Schau, sagte gestern auf WR-Anfrage, er halte das Bild aus guten Gründen für echt. Jawlensky habe oft Kopien eigener Motive angefertigt und „leider manchmal auch schlechte Bilder“ produziert. Der FAZ-Beitrag erschöpfe sich in Behauptungen und bleibe Beweise schuldig.

(Meldung erschienen 11.8.1998)

 




Am Quell des Eigensinns – Martin Walsers unverkennbar autobiographischer Roman „Ein springender Brunnen“

Von Bernd Berke

Manche Völker haben gefürchtet, die Fotografie könne den Menschen die Seele rauben. Doch sie vermag vielleicht auch das Gegenteil: Als der fünfjährige Johann – ganz allein, ganz für sich – von einem Wanderfotografen aufgenommen wird und dann dieBilder sieht, erlebt er sich erstmals als abgesondert, aber auch geradezu königlich abgehoben von allen anderen Wesen – kurz: als beseeltes Individuum.

Martin Walser schildert Johanns Wachsen und Werden in seinem neuen, unverkennbar autobiographisch bestimmten Roman „Ein springender Brunnen“.

Wie der Autor selbst, so ist jener Johann 1927 in Wasserburg/Bodensee geboren. Noch bevor der Junge in die Schule kommt, haben die Nazis die Macht an sich gerissen. In drei subtil durchkomponierten Kapitel-Schritten breitet Walser Szenen aus den Jahren 1933, 1938 und 1945 aus.

Hier haben wir einen großen Entwicklungsroman, einen mit prallen Lebensdingen und sinnlichem Dialekt gesättigten Dorfroman – und einen politischen Roman aus provinziellen Bezirken des „Dritten Reiches“.

Walser, der gleichsam zu den Ursprüngen seines Schreibens vordringt, läßt sich nie dazu hinreißen, seine Figuren zu denunzieren, aber er umreißt ihr Tun und Treiben sehr deutlich. Das ist ungleich triftiger, als wenn uns jemand ein wohlmeinendes Heldenepos vorgesetzt hätte. Derlei hätten wir nicht so sehr gebraucht, dies aber ist ein notwendiges Buch.

Streckenweise könnte man argwöhnen, Walser wolle uns ein ländliches Idyll ausmalen, mit Genre-Szenen aus dem Bilderbuch. Ein bißchen „Waldbauernbub“ wie von Rosegger, ein wenig „Lausbubengeschichten“ wie von Thoma? Gewiß nicht! Der Autor läßt zwar ahnen, was „Heimat“ im friedlichen Sinne bedeuten könnte, aber er zeigt, daß gerade in solche Sehnsüchte die Nazi-Ideologie einsickern konnte wie schleichendes Gift. Das trügerische Gefühl wohliger Nähe und des Aufgehobenseins im Dorfe wird immerzu gebrochen.

Als im allzeit verschuldeten Gasthof der Eltern die NS-Versammlungen jede andere Geselligkeit polternd verdrängt haben, erträumt sich der inzwischen zehnjährige Johann eine Gegenwelt im Zirkus, der gerade im Dorf gastiert. Er verguckt sich in die kleine Artistin Anita (eine wundervoll zarte Kinder-Liebesgeschichte!) und beginnt Gedichte zu schreiben. Doch dann wird der Clown, der sich in der Manege ein paar zeitkritische Witze erlaubt hat, von braunen Horden halbtot geprügelt.

Aus sprachlichen Differenzen erwächst dichterischer Drang

Dieselbe Verstörung erfaßt Johann, als ein jüdischer Mitschüler aus dem NS-Jungvolk“ ausgestoßen wird. Doch Johann leistet nicht, was denn auch wenig glaubhaft wäre, heroischen Widerstand, sondern hegt statt dessen seine Eigenheiten, um sich innerlich abzusetzen. Gleichzeitig tut er mit bei der Hitlerjugend, und kann es später kaum erwarten, an die Kriegsfront zu kommen. Gerade sein an sich edler Wunsch, sich hilfreich zu bewähren, macht ihn anfällig für Mißbrauch.

Walsers Roman handelt zuinnerst auch von den Bewegungskräften der Sprache. Schon früh hat Johann vom Vater gelernt, kostbare Ausdrücke zu sammeln und anschaulich „in den Wörterbaum“ zu stecken. Für sexuelle Nöte steht zwar in der katholisch-prüden Gegend kein taugliches Vokabular zur Verfügung, eigentlich nur ein onanistisches Stammeln.

Doch auf Dauer erweist sich, daß Johann eben doch ganz andere Wortfelder durchstreift als etwa sein Freund Adolf, Sohn der lokalen NS-Größe Brugger. Bei den Bruggers wird fordernd und kernig gesprochen, niemals sanft und klingend. Aus solchen Differenzen erwächst Johanns im Keim schon dichterischer Drang, landläufige Redensarten überhaupt abzuwehren und solche zu finden, die wahrhaft für ihn selbst gelten – endlich ein Quell des Eigensinns, der Widersetzlichkeit. Schlußsatz des Romans: „Die Sprache, dachte Johann, ist ein springender Brunnen“. Er möge weiterhin reichlich sprudeln.

Martin Walser: „Ein springender Brunnen“. Roman. Suhrkamp-Verlag. 413 Seiten, 49.80 DM.




Zerstörte Sehnsucht nach dem ruhigen Leben – „Amerikanisches Idyll“ von Philip Roth

Von Bernd Berke

Seymour Levov, Sohn jüdischer Einwanderer in New Jersey, wird wegen seiner blonden Haare von allen Leuten nur „der Schwede“ genannt. Er brilliert als Baseball- und Basketball-Crack, wird Ausbilder bei den US-Marines, übernimmt die Handschuh-Fabrik seines Vaters und heiratet eine Schönheitskönigin.

Ein fast schon zu idealtypisches amerikanisches Leben. US-Autor Philip Roth, seit Jahr und Tag für den Nobelpreis im Gespräch, beleuchtet das Phänomen dieses überangepaßten Menschen, der niemals unangenehm auffallen will, in seinem weit ausgreifenden Roman „Amerikanisches Idyll“.

Im Frühjahr hat Roth dafür den Pulitzerpreis bekommen. Schon jetzt liegt das Buch in der schnellen, aber keineswegs schludrigen Übersetzung von Werner Schmitz vor. Leicht kann dessen Aufgabe nicht gewesen sein. Denn der Autor nähert sich, nach einer anfänglichen Baseball-Studie, nicht ohne Umschweife dem eigentlichen Thema. Etwas umständlich wägt er z. B. die Frage, ob ein Roman überhaupt der Wahrheit eines Menschen wie Levov beikommen könne. Manch ein Satz windet sich in dieser Phase über viele, viele Zeilen.

Wenn man diese Barrieren überwunden hat, so wird man freilich mit einer faszinierenden Geschichte belohnt: Als habe er seine anfänglichen Bedenken abgestreift, beginnt Roth nun wirklich zu erzählen. Und wie!

Wenn er etwa die quälenden Gespräche des liberalen Levov mit seiner 10jährigen, sich zunehmend linksradikal gebärdenden Tochter Merry wiedergibt, hält man mitunter den Atem an. Hat man je eine dichtere Fallstudie des Generationenkonflikts im weltweit rebellischen Jahr 1968 gelesen? Merry ist es, die das sorgsam ausbalancierte Leben, das amerikanische Idyll ihres Vaters ins Chaos stüizt. Sie knüpft Kontakte zur Terrorgruppe „The Weathermen“ und zündet aus wahnwitzigem Protest gegen den Vietnamkrieg eine Bombe vor dem Dorfladen. Ein Zufalls-Passant stirbt. Merry taucht in den Untergrund ab, wo sie weitere Menschenleben auslöscht.

Wie fühlt sich der Vater einer Terroristin?

Es ist der fürchterliche Bruch in der bisher so erfolgreichen Assimilierungs-Geschichte der jüdischen Familie. Bisher allseits bewundert („Er ist unser Kennedy“), kann Seymour Levov an sich selbst nur noch als Vater einer Mörderin denken. Wie besessen verfolgt er die Lebensgeschichte seiner Tochter bis zu den frühesten Anfangen zurück und zermartert sich das Hirn: Was habe ich falsch gemacht? Und nun bröckelt Levovs ganzes, bisher so intaktes Weltbild dahin. Verlust des Urvertrauens in den American Way of Life, zumal in diesen Jahren der Watergate-Skandal auffliegt.

Rückblenden in die 40er und 50er Jahre beschwören „bessere Zeiten“ herauf: Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg, Blüte des stolzen Handschuh-Gewerbes. Passagenweise gerät der Roman fast zum Lehrbuch dieses Metiers, wie er denn überhaupt manchmal selig in Details schwelgt. Roth gelingt die Gratwanderung: Er weckt Verständnis für Levovs Sehnsucht nach dem normalen, unaufgeregten Leben – und zeigt doch die schreienden Widersprüche zum Elend der Welt.

In allen Nuancen schildert Roth, wie Eltern sich fühlen müssen, wenn ihr Kind als Terroristin gejagt wird. Der Roman zeichnet in oft grandioser Manier die Spuren geschichtlicher Wirren im Leben einzelner Menschen nach, und er reicht auch ins Existentielle. Roth läßt uns zweifeln, ob vor manchen Tatsachen nicht jede Phantasie kapitulieren muß. Und er wirft die Sinnfrage auf, ob das Leben überhaupt „planbar“ ist, oder ob nicht schon ein kleiner Zufall den Zerfall herbeiführen kann.

Philip Roth: „Amerikanisches Idyll“. Roman. Hanser Verlag, München. 463 Seiten. 45 DM.