Fragen zu den Honoraren mag Lafontaine überhaupt nicht – Buchpremiere von „Das Herz schlägt links“ im Frankfurter Saal „Harmonie“

Von Bernd Berke

Frankfurt. Es klang wie Ironie: Ausgerechnet den Saal mit dem Namen „Harmonie“ hatte der Econ-Verlag auf der Frankfurter Buchmesse reserviert, damit Oskar Lafontaine endlich offiziell sein schon vor Erscheinen heftig diskutiertes Buch „Das Herz schlägt links“ vorstellen konnte.

Zu vielen Hunderten waren die Journalisten gekommen, und sie rissen den Verlagsleuten das Buch förmlich aus den Händen, just weil Lafontaine eben nicht in Harmonie mit der SPD lebt. Dutzende von Kamerateams suchten ein Bild des Tages einzufangen. Für Minuten schwebte während der Pressekonferenz ein herzförmiger roter Luftballon durch den Raum. Wer wollte, konnte darin ein Symbol sehen.

Ob Lafontaine auf dem bevorstehenden SPD-Parteitag in Berlin eine Rede halten und Gerhard Schröder die Leviten lesen wolle? „Warten wir erst mal ab, ob ich überhaupt dazu eingeladen werde“, meinte der Kanzler-Kritiker, lächelnd wie eine Sphinx. „Im vertretbaren Rahmen“ werde er auch künftig an Parteiveranstaltungen teilnehmen, lässt der Ex-Vorsitzende wissen. „Aber auf Jobsuche bin ich nicht. Keine Sorge. Ich habe genug zu tun“.

„Die wollten mir einen reinwürgen“

Natürlich erhebt sich auch die Frage, was er denn sage zum barschen Ausruf des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass („Halt’s Maul, Oskar, trink deinen Rotwein“). Lafontaine: „Den zweiten Teil des Rats werde ich gern befolgen, den ersten nicht.“ Es sei schon erstaunlich, wenn ein Schriftsteller anderen den Mund verbieten wolle. Doch dann, halbwegs versöhnlich: „Meine Freundschaft ist belastbar. Vielleicht denkt Grass ja noch einmal nach…“

Viel dünnhäutiger reagiert er, wenn nach seinen Vorabdruck- und Autorenhonoraren gefragt wird. „Wer hat Sie hierher bestellt?“, fertigt er einen ab, der dazu etwas wissen will. Lafontaine wittert eine gezielte Medien-Kampagne: „Die Meute wollte mir einen reinwürgen.“ Mit dem Buch selbst habe sich noch niemand sachlich auseinander gesetzt, die Debatte darüber müsse erst noch beginnen. Stattdessen reite man auf den Honoraren herum. Lafontaine: „Soziale Gerechtigkeit entsteht nicht dadurch, dass jemand auf seine Einkünfte verzichtet.“

Kein gutes Haar am Schröder-Blair-Papier

Zuvor hatte er einzelne Buchkapitel knapp erläutert. Er bekräftigte seine Kritik am „Schröder-Blair-Papier“, das sich an der Sprache des Marketings und der Werbung orientiere. Das „gedankenlose Geschwätz“ von der Flexibilität des Arbeitsmarkts, könne er nicht mehr ertragen. Menschen seien nicht so verfügbar wie Kapital. Und auch dieses soll möglichst gebändigt werden: Die Finanzströme bedürften der ordnenden Hand des Staates. Ex-Kanzler Helmut Schmidt denke ebenso.

Auf die Leitideen des Humanismus und der Aufklärung dürfe man aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichten. Überhaupt: Unter der von Schröders Regierung beschworenen „Modernisierung“ verstehe er, Lafontaine, jedenfalls nicht einen Wettlauf um Sozialabbau, sondern um ökologische Erneuerung, Gleichberechtigung der Frauen und dergleichen.

In der ganzen Finanzdebatte solle man die weiter bestehenden Lasten der deutschen Vereinigung nicht vergessen, findet Lafontaine. Nur dürfe man die entsprechenden Defizite nicht bei Rentnern und Arbeitslosen eintreiben. Und er ließ auch durchblicken, wie er dem Staat das fehlende Geld verschaffen würde: „Deutschland hat immer noch eine der niedrigsten Steuerquoten in Europa.“

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Der Beitrag stand am 14. Oktober 1999 im Politikteil der Westfälischen Rundschau.




Die Melancholie des Hofnarren – Meisterwerke aus dem Prado in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen

Von Bernd Berke

Bonn. Als Diego Velázquez um 1640 den Kriegsgott Mars malte, sah er keinen machtvollen Herrn über Tod und Leben vor sich, sondern einen erschöpften Fußsoldaten, der all der Kämpfe müde zu sein scheint. Das Bild setzt einen von vielen Glanzpunkten jener Ausstellung, mit der jetzt das berühmte „Prado“-Museum aus Madrid einen Teil seiner Sammlungen in der Bonner Bundeskunsthalle vorstellt.

Hervorgegangen sind die überreichen Prado-Bestände aus den königlichen Sammlungen Spaniens. Die Bonner Schau konzentriert sich auf die Zeit Philipps IV. Unter dessen Regentschaft machte Velázquez nicht nur als Höfling und vor allem Hofmaler Karriere, sondern durfte (gleichsam als Kurator) die Kunstsammlung des Monarchen gezielt ergänzen. Sein erlesener Geschmack prägt also bis heute die Schatzkammern in Madrid.

Die dortigen Depots sind mittlerweile dermaßen gefüllt, dass der Prado erweitert und die Sammlung umgeschichtet wird. Diesem Umstand verdanken wir die Bonner Auswahl. Erst ein einziges Mal waren größere Teile der Sammlung außer Landes gegangen, und zwar zwangsweise: 1939, während des Spanischen Bürgerkriegs, wurden Kunstwerke zum Schütze nach Genf ausgelagert.

Velázquez, Rubens, Lorrain, Poussin…

Man protzt in Bonn nicht mit Masse, es sind 68 Werke zu sehen. Aber welche! Allein sechs Ölgemälde von Velázquez, dazu etliches von Peter Paul Rubens, Claude Lorrain, Nicolas Poussin und Francisco de Zurbarán. Hinzu kommen einige Künstler, die sich mit wechselndem Geschick an Velázquez orientierten.

Ein Meisterstück, das durch unmittelbare Konfrontation Mitleid weckt, ist Velazquez‘ Bildnis „Der Hofnarr Sebastián de Morra“. Der kleinwüchsige Mann diente damals zur Belustigung bei Hofe. Doch der Maler löst ihn aus diesem Zusammenhang und zeigt seine tiefe Melancholie. Man blickt ins Gesicht des Opfers der derben Spässe. Ein geradezu unwiderstehlicher Appell, die Würde zu wahren.

Überwältigend sodann die fleischlichen Dramen von Rubens, der stets den dynamischsten Augenblick der Mythen erfasst. Seine nackte Glücksgöttin „Fortuna“ (um 1636) taumelt auf einer zerbrechlichen Glaskugel. Puren Horror hinterlässt der rasende Gott „Saturn“ (1636), der eines seiner Kinder frißt, er reißt ihm mit bloßen Zähnen einen Fetzen aus der Brust. Irrsinniger Grund: Es ward ihm prophezeit, dass der Nachwuchs ihn vom Thron stürzen werde. Erschütternder lässt sich blutige Machtgier nicht darstellen. In den uralten Mythen steckt eben mancherlei.

Der lachende und der weinende Philosoph

Eine besondere Qualität der Ausstellung liegt darin, dass viele Bilder erstmals seit langem wieder in ihrem ursprünglichen Zusammenhang gezeigt werden, was im Prado selbst zuletzt nicht möglich war. Wie sehr sich das auswirkt, sieht man etwa anhand der beiden Denker, die Rubens imaginiert hat: „Demokrit, der lachende Philosoph“, der offenbar ein gutes Tröpfchen nicht verabscheut, und „Heraklit, der weinende Philosoph“, hängen nun als Sinnbilder grundverschiedener Gemütszustände beisammen.

Von ganz anderer, unendlich beruhigter Art sind die idealen Landschaften des Claude Lorrain. Zu grandioser, erhabener Weite öffnet sich der blassrot schimmernde Horizont, vor dem „Tobias und der Erzengel“ (1639) sich nahezu verlieren.

Nicht alle 68 Werke sind gleich stark, wie denn auch! Beispiel: Während Velázquez die Vorliebe seiner Zeit fürs Bizarre mit dem geschilderten Hofnarren ins Gegenteil kehrte, hat Juan Carreno de Miranda ein dickes kleines Mädchen als „Die nackte Mißgestalt“ (1680) nur noch als Objekt zur Schau gestellt.

Museo del Prado zu Gast in der Bundeskunsthalle Bonn (Museumsmeile, Friedrich-Ebert-AIlee 4). Bis 23. Januar 2000. Di/Mi 10-21, Do-So 10-19, Fr nur für Gruppen ab 9 Uhr. Eintritt 10 DM (ermäßigt 5 DM). Katalog 49 DM.