Eine Liebe in den finsteren Zeiten – Was der Philosoph Ernst Bloch seiner Freundin und späteren Frau Karola schrieb

Von Bernd Berke

Auch große Männer haben ihre Schwächen. Von dieser ehernen Regel machte der Philosoph Ernst Bloch (1885-1977 / Hauptwerk: „Das Prinzip Hoffnung“) keine Ausnähme. Ausgiebig nachschmecken kann man den Befund jetzt in dem Buch „Das Abenteuer der Treue“. Es versammelt Blochs Briefe an seine Freundin und spätere Ehefrau Karola.

1927 lernte Ernst Bloch die aus Polen stammende, kluge, eigenständige und herb-schöne Frau kennen. Doch bis sie einander wirklich dauerhaft fanden, brauchte es seine Zeit. Die Architektur-Studentin war 20 Jahre jünger als er, der bereits zwei Ehen und einige intellektuelle Meriten auf dem Lebenskonto hatte.

Einen Knacks bekam die frisch erblühte Liebe („auf den ersten Blick“), als herauskam, dass der bisweilen lebemännische Bloch mit einer anderen Frau geschlafen hatte – peinlicherweise mit Schwangerschafts-Folge. Außerdem wollte er noch mit einer offenbar zickigen „Ex“ ins Reine kommen. Der Denker musste schon alle rhetorischen Künste und seinen bodenständigen pfälzischen Humor (Herkunft: Ludwigshafen) einsetzen, um den Schaden allmählich zu begrenzen und Karola wieder an sich zu ziehen.

Debatten mit Brecht, Adorno, Kracauer und Benjamin

Karolas Schreiben sind leider verschollen, ein echter Briefwechsel wäre wohl noch lebendiger. Blochs Briefe (mit Fußnoten erschlossen) stammen aus den Jahren 1928 bis 1936, hinzu kommen Anhängsel bis 1949, als sich der Philosoph zunächst als Professor in der DDR (Leipzig) niederließ, bevor er dort kaltgestellt wurde und 1961 in den Westen (Tübingen) ging.

Zurück in die bewegten 20er Jahre. Im Freundes- und Bekanntenkreis taucht so manche linke Legende auf: von Bert Brecht und Kurt Weill über Siegfried Kracauer und Georg Lukács bis hin zu Walter Benjamin und Theodor W. Adorno. Man kannte sich, man trank, debattierte und stritt miteinander. Gewiss ist an deutschen Tischen seither nie wieder so hochfliegend diskutiert worden. Doch Illusionen machten sie sich auch: über die vermeintliche Schwäche der Nationalsozialisten, über das utopische Potenzial der stalinschen Sowjetunion…

Anfangs phantasierte sich Bloch eine Beziehung mit Karola als Brüderchen-Schwesterchen-Geschichte herbei. In geradezu mystischer Union sollte sie neben ihm am Projekt einer besseren Zukunft arbeiten – unter sozialistischen Vorzeichen, versteht sich.

Träume von einem „Harem“

Doch es ging zwischen den Liebenden (er nannte sie zärtlich „Mein liebes Kulmchen“ und unterzeichnete mit „Dein Bärlein“) nicht nur keusch und fleißig zu. Über längere Trennungszeiten hinweg (z. B. sie in Wien, er in Berlin) schwärmte er wortreich von ihren Brüsten und ihrem Schoß, in dem er sich bald wieder finden wolle. Er offenbarte ihr sogar seine „Harems-Träume“, sprich: Sex zu dritt mit einer weiteren Frau. Tröstlich: Sie, Karola, solle auf jeden Fall zum „Dreier“ gehören. „Und: den allergrößten Teil des Jahres möchte ich mit Dir allein sein.“

Natürlich berühren die Briefe vielfach ungleich ernstere, gewichtigere Themen. Die Misere beginnt mit Alltagssorgen (Geld, Wohnungen) und wächst sich über ideologische Kämpfe bis zur drohenden Verfolgung durch den NS-Staat aus. Flucht und Exil (Schweiz, Prag, USA) sind die Folgen. Viele Menschen aus Karolas Familie wurden im KZ umgebracht. Wahrlich, es waren finstere Zeiten.

Doch die Liebe der Blochs überdauerte alle Jahrzehnte. Sie haben das „Abenteuer der Treue“ – allen Anfechtungen zum Trotz – bestanden. Ganz ohne Kitsch und falsche Harmonie.

Ernst Bloch: „Abenteuer der Treue. Briefe an Karola 1928-1949″. Suhrkamp-Verlag. 266 Seiten, 19,80 Euro.




In schweren Zeiten – Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II.

Ganz gleich, ob man die Ansichten des Papstes geteilt hat oder nicht: Seinen irdischen Tod hat Johannes Paul II. mit einer Fassung und Würde auf sich genommen, die wohl nur aus tiefstem Glauben heraus zu verstehen ist. Vor dieser Haltung müssten sich selbst hartgesottene Atheisten verneigen und sich fragen, wie es denn um ihre eigenen „Gewissheiten“ bestellt ist – jetzt und in der Stunde des Todes.

Es ist abermals Zeit, das große Wort zu zitieren, mit dem Papst Johannes Paul II. 1978 zu Beginn seiner Amtszeit ein Signal setzen wollte: „Habt keine Angst!“ Denn es kommen wahrlich schwere Jahre auf die katholische Kirche und auf ihren künftigen Oberhirten zu.

Große Aufgaben für den Nachfolger

Es wird für jeden Nachfolger eine ungeheure Aufgabe sein, aus dem Schatten des verstorbenen Pontifex herauszutreten. Karol Wojtylas historischer Einfluss ist unbestreitbar. Gewiss, nicht nur einzelne Persönlichkeiten machen Geschichte. Doch hätte der Papst seinerzeit nicht die polnische Oppositionsbewegung Solidarnosc auf so kluge Weise (ebenso behutsam wie wirksam) ermutigt, so gäbe es vielleicht heute noch eine Sowjetunion und eine DDR.

Auch stand Johannes Paul II. für Schritte zur Versöhnung mit den anderen Weltreligionen und für eine entschiedene Friedenspolitik ein. Wichtig war vor allem sein Einspruch gegen den Irak-Krieg. Andernfalls hätten fundamentalistische Kräfte der islamischen Welt mit noch mehr Furor vom „Kreuzzug“ reden können. Zudem wäre seine unbedingte Parteinahme für das werdende Leben in ein ungutes Zwielicht geraten. So aber verdient sie – über allen Streit hinaus – tiefen Respekt.

Wie ein Pop-Star, aber auch ein strenger Geist

Zuweilen gab sich dieser Papst wie ein Pop-Star, dessen Charisma auch junge Leute faszinierte. Er konnte allerdings auch ein äußerst strenger Mahner sein, der etwa in Nicaragua dem kritischen Katholiken und Sozialisten Ernesto Cardenal den Segen verweigerte und dem Schriftsteller stattdessen eine barsche Strafpredigt hielt. Doch auch der Materialismus und die Gier der westlichen Welt waren ihm zuwider. Erst recht, als sie auch in reinem Heimatland Polen Einzug hielten und die Menschen vor den neuen Super.“ märkten statt vor den Kirchen Schlange standen.

Sein Nachfolger wird Felder vorfinden, die Johannes Paul II. als Ödland hinterlässt. So gilt es, endlich die erstarrten oder ausgesetzten Reformen des II. Vatikanischen Konzils fortzuführen. Manche sprechen gar von einer „Gegenreformation“, die der polnische Papst im Sinn gehabt habe. Hier haben sich Konflikte angestaut, die nichts Gutes verheißen, ja eine Kirchenkrise größeren Ausmaßes befürchten lassen.

Bleibende Kraft des Glaubens

So muss der katholische Klerus ganz dringlich das Verhältnis zu den weiblichen Gläubigen klären. Fragen zur Empfängnisverhütung, zur Abtreibung und zum Zölibat sollten neu erwogen werden. Mehr noch: Die Gesten in Richtung anderer Religionen waren wertvoll, letztlich aber nur halbherzig. Nach wie vor verneint der Vatikan das gemeinsame Abendmahl mit protestantischen Christen.

Karol Wojtyla hat geradezu übermenschliche Anstrengungen unternommen, um die katholische Kirche nicht einer modernistischen Beliebigkeit auszuliefern. Unter seinem Pontifikat haben Geheimnisse und Mysterien des Glaubens wieder einen höheren Stellenwert erhalten. Tatsächlich kann man sich fragen, ob eine allzu bereitwillige Weltläufigkeit nicht zwangsläufig in Widerspruch zum Kern der Religiosität, zu Andacht, Einkehr und Jenseitigkeit geraten muss.

Wie immer ein neuer Papst und die Kurie sich hierzu stellen mögen: Es bleibt eine Gratwanderung. Wie weit kann und darf die Kirche den Menschen in ihrem Alltag entgegenkommen? Andererseits: Wie sehr muss sie es tun, damit die Kirche eine lebendige Gemeinschaft bleibt oder wieder wird?

Auch und gerade in der Amtszeit Wojtylas hat sich der Erosionsprozess zumindest in Europa beschleunigt. Viele Gotteshäuser stehen nahezu leer, manche müssen deshalb geschlossen, verkauft oder sogar abgerissen werden.

Hingegen zeugen wachsende Gemeinden in Südamerika, Asien und Afrika von bleibender Kraft des Glaubens und der Hoffnung. Ist es undenkbar, dass der nächste Papst aus den südlichen Breiten kommt?

                                                                                                           Bernd Berke