Der Autor als inszeniertes Phänomen – Gespräch mit Klaus Modick über seinen Roman „Bestseller“

Es ist die Satire zum Literaturbetrieb schlechthin. In seinem Roman „Bestseller“ entwirft der Autor Klaus Modick eine aberwitzige Strategie: Man nehme den Tagebuch-Fund einer Erbtante, randvoll mit unausgegorenen NS-Erinnerungen. Dann schreibe man den Stoff zur Kolportage mit Liebesdramen um – und finde eine besonders hübsche Frau, die dafür als Autorin aus der Enkelgeneration die Bühne betritt. Fertig ist der Bestseller. Wäre es wirklich so einfach? Ein Gespräch mit Modick auf der Frankfurter Buchmesse.

Frage: Wie groß ist der Wirklichkeits-Anteil an Ihrem Roman?

Klaus Modick: Ziemlich groß. So geht’s tatsächlich ab im Literaturbetrieb. Das Buch speist sich aus meinen langjährigen Erfahrungen als Autor. Der Plot ist frei erfunden, aber es hätte so ähnlich passieren können. So furchtbar stark musste ich die Satire-Schraube gar nicht anziehen.

Haben denn alle Bestseller etwas Anrüchiges?

Modick: Nein, da muss man differenzieren. Promi-Bestseller, sagen wir mal von Eva Herman oder Dieter Bohlen, das sind synthetische Bücher, geplante Seller. Meistens werden sie von Ghostwritern geschrieben, weil manche Promis keinen richtigen deutschen Satz zustande bringen. Dann aber gibt es literarisch sehr respektable Bücher, die durch glückliche Fügungen zu Bestsellern werden. Beispiel Daniel Kehlmann.

Wäre das Bestseller-Rezept in Ihren Roman denn Erfolg versprechend?

Modick: Ich glaube schon. NS-Themen haben ja einen Dauerboom. Und zur schönen Autorin: Heutzutage steht das Buch als solches ziemlich nackt da. In der Eventkultur müssen Schriftsteller möglichst telegen sein, damit sie in Talkshows landen. Wir hatten ja in Deutschland das literarische „Fräuleinwunder“, das mit Judith Hermann anfing. Das Wunder hatte oft nicht nur mit den literarischen Qualitäten dieser Damen zu tun. Sie wurden als ansehnliche Figuren durchinszeniert und gestylt.

Hätten Sie selbst gern einen richtigen Bestseller?

Modick: Ich war mal nah dran an Platz 20 auf der Spiegel-Liste. Immerhin. Nun ja, in erster Linie geht’s mir darum, dass ich schreiben kann, was ich für richtig halte. Alles andere wäre Krampf. Aber ich muss eben auch vom Schreiben leben. Also: Ein Bestseller wäre mir schon lieb. Das heißt ja nicht, dass man seine literarischen Ambitionen verrät.

In Ihrem Roman schildern Sie die Buchmesse als Jahrmarkt der Eitelkeiten…

Modick: Na, das ist sie ja auch! Früher habe ich es als peinlich empfunden, hier am Verlagsstand „ausgestellt“ zu werden. Heute löst die Messe bei mir eine Mischung aus Interesse und Abscheu aus. Interesse, weil man halt doch mit sehr vielen Leuten ins Gespräch kommt. Abscheu just wegen der versammelten Eitelkeiten. Hier wird ja ständig am Autoren-Ranking gebastalt, das ist stressig. Überhaupt ist ist es hier so unglaublich hektisch, eine ständig aufgeheizte Atmosphäre. Nach zwei Tagen fühle ich mich wie „durchgezogen“. Und wehe, man ist mit einem Buch hier, das nicht so beachtet wird. Dann kann man auch schon mal depressiv werden…

Jetzt gehen Sie auf Lesereise. Stimmen eigentlich die Klischees von wegen: Nachher stundenlang mit Veranstaltern beim Italiener sitzen müssen…?

Modick: Ja, sie stimmen. Da muss man eben durch, immer verbindlich bleiben. Ich sehe mich wie eine literarische Wanderbühne. Jeden Abend das Beste geben. Das Lesen an sich macht ja auch Spaß, aber danach wird’s manchmal quälend.

INFO

Klaus Modick ist sozusagen ein „treuer Schluffen“: Am 3. Mai 1951 in Oldenburg geboren, lebt er heute wieder bzw. immer noch dort. Studien und germanistische Gastprofessuren führten ihn allerdings zwischendurch u. a. nach Italien, Frankreich, Japan und in die USA.
Längst zählt er zu den etablierten deutschen Autoren, doch ein veritabler Bestseller ist ihm noch nicht geglückt. Er gilt als ausgesprochen unprätentiöser Schriftsteller, der großen Wert auf alltagsnahe Unterhaltsamkeit legt.
Modick gilt als alltagsnaher, unprätentiöser und meist unterhaltsamer Autor.

Der neue Roman mit dem Titel „Bestseller“ (Eichborn Verlag) hat 271 Seiten und kostet 19,90 Euro.

(Der Beitrag stand am 6. Oktober 2006 in ähnlicher Form in der „Westfälischen Rundschau“, Dortmund)




Gespräch mit Feridun Zaimoglu: Ein böses Schillern mitten in unserer Gesellschaft

Der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu war kürzlich Teilnehmer des „Islam-Gipfels“, zu dem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eingeladen hatte. Ein Gespräch mit Zaimoglu auf der Frankfurter Buchmesse.

Wie haben Sie die Vorgänge um die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeoneo“ in Berlin erlebt?

Feridun Zaimoglu: Jedenfalls will ich nicht mit dem Chor der Wölfe heulen. Plötzlich wimmelte Deutschland von Aufklärungs-Hysterikern, die gesagt haben: Wir dürfen nicht vor dem Islam einknicken. Die Politiker haben doch erst die Droh- und Druckkulisse aufgebaut. Ein Schmierentheater. Diese Leute sollen sich mal entspannen. Ich bin für Bodenhaftung. Man muss nicht gleich alles symbolisch und ideologisch aufladen wie diese Aufklärungs-Spießer.

Erklären Sie uns diesen Begriff? Sonst ist „Aufklärung“ doch positiv besetzt, oder?

Zaimoglu: Ich sage als Deutscher, der dieses Land liebt und vom religiösen Wahn bitteschön unbehelligt leben will: Ich bin aufklärungsskeptisch. Aufklärung ist sehr billig zu haben. Wenn man den religiös Orthodoxen folgt, landet man in der heißen Hölle, folgt man nur der Aufklärung, so kommt man in eine kalte Hölle. Ausgerechnet jene, die die Einwanderer schon immer ausgegrenzt haben, nutzen jetzt wieder die Gelegenheit, um auf den Islam einzudreschen. Die kennen die deutsche Realität gar nicht. Da werde ich garstig.

Wie ist der „Islam-Gipfel“ aus Ihrer Sicht verlaufen?

Zaimoglu: Großartig. Ein historischer Schritt. Es ging gleich zur Sache. Minister Schäuble hat keine Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung daraus gemacht. Auch das liebe ich an Deutschland: die herbe Aussprache; höflich, aber nicht zimperlich. Allerdings herrscht jetzt schon Entscheidungspflicht.

In welcher Hinsicht?

Zaimoglu: Es geht um die Ausbildung von islamischen Geistlichen in Deutschland, um islamischen Religionsunterricht in deutschen Schulen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Der Islam ist nun mal die zweitstärkste Religion Deutschlands. Das muss man endlich realpolitisch zur Kenntnis nehmen. Ich bin glühender Verfechter eines „deutschen Islam“, etwa so: Wir sind hier. Wir leben, lieben und glauben in Deutschland…

Drängt es Sie, solche Fragen auch literarisch zu verarbeiten?

Zaimoglu: Ich muss immer körperliche Lust auf ein Thema haben. Als ich mit „Leyla“ anfing, hatte ich eben Lust, die Geschichte meiner Mutter zu erzählen. Übrigens haben mich die Plagiatsvorwürfe, diese infamen Lügen, damals sehr erschüttert. Da gab es Leute, die mich als Schriftsteller offenbar vernichten wollten. Aber es hat sich ja als heiße Luft erwiesen. Und das Publikum hat zu mir gehalten. Übrigens wird es eine Fortsetzung von „Leyla“ geben.

Viele Kritiker haben den Roman gepriesen. Tenor: Bisher hat er uns manche Kraftmeierei zugemutet. Jetzt aber ist er ein richtiger Schriftsteller.

Zaimoglu: Dass ich jetzt als deutscher Dichter angesehen werde, macht mich wirklich froh. Trotzdem stehe ich auch zu meinen früheren Büchern. „German Amok“ würde ich heute etwas anders schreiben, weniger grob gestrickt. Na gut. Schreiben ist für mich eine Sucht, es erfordert sehr viel Kraft, es laugt einen aus. Auch deshalb genieße ich jedes Lob.

In Castrop-Rauxel wird derzeit Ihr Theaterstück „Schwarze Jungfrauen“ gespielt – jeweils mit anschließender Diskussion. Was ist so provozierend an dem Stoff?

Zaimoglu: Es ist tatsächlich empörend, es fallen knallhart antiaufklärerische Sätze. Das Stück basiert auf Interviews mit jungen türkischen Frauen – und einiges, was ich da hörte, hat auch mich empört. Antiamerikanische und zuweilen antijüdische Auslassungen, die ziemlich ungefiltert auf die Bühne kommen. Man wird da in einen dunklen Sog hineingezogen. Ein böses Schillern mitten in unserer Gesellschaft…