Sprache lieben, Sprache hassen

Gerade wenn man Sprache lieben gelernt hat, so kann man sie auch hassen; jedenfalls einige ihrer Ausprägungen. Wenn einem Schriftsteller erst einmal das süße Gift trefflicher Worte eingeträufelt haben, so erschrickt man umso mehr bei falschen Klängen. Haben einen Hölderlin, Rilke, Robert Walser, Kafka, Gernhardt oder Genazino (etliche andere Namen bitte freihändig einsetzen) mit ihren Tonfällen betört, so behagt manches aus den täglichen Niederungen nicht mehr. Dann muss man sich zuweilen klarmachen, dass doch längst nicht immer im hohen Ton gesprochen werden kann. Was wäre das für eine Welt? Man möchte doch bitte auch recht oft lax und nachlässig sein dürfen. Das ist Menschenrecht.

Doch es kann geradezu körperlich quälend sein, bewusstloses Gestammel zu vernehmen. Jetzt bloß kein wohlfeiles Wort über den Politikbetrieb und den journalistischen Jargon. Aber nehmen wir beispielsweise die seit Jahrzehnten immerzu großmäulig auftrumpfende Marktschreier-Sprache, die dich unentwegt mit Super, Mega, Turbo und Jumbo anbrüllt, dich aus grellrotgelben Prospekten anspringt. Viele sind gegen derlei Kanonaden abgestumpft, so dass die Dosis immer noch gesteigert wird. Den Konsumenten wird dabei immer weniger zugetraut. Satzlängen und Absätze, die man ihnen „zumutet“, werden tendenziell immer kürzer, die verbalen Anforderungen immer geringer. Das frisst sich vom gellenden TV-Privatsender allmählich in Bereiche hinein, die bislang noch immun zu sein schienen. Wo wird diese Nivellierung nach unten enden? Beim Bellen?

Doch auch an anderen Stellen des sprachlichen Spektrums wird Überdruss geschaffen. Ich denke an die in der Netzwelt gängigen, ach so coolen Bescheidwisser-, Dazugehörigkeits- und meinetwegen Zeitspar-Formeln wie „asap“ oder „aka“, Einwürfe wie „reloaded“ und „revisited“ oder das Getue um die jeweils allerneueste Echtzeit-Kommunikation, die recht zuverlässig mit dem Füllsel „2.0“ einhergeht. Vor der „Sprache 2.0“ kann einem allerdings bange werden. Freimütig sei’s zugegeben: Man ist selbst nicht völlig frei davon. Wie denn auch? Wie wollte man sich auch von allem fernhalten, was umgeht? Man kann ja nicht sämtliche Sozialmarken verwerfen. So einsam möchte kein Wolf sein.

Alle, die mit Sprache arbeiten und gar noch von komplexen Phänomenen der Kultur reden wollen, wandeln „auf schmalem Grat“. Ach, da sieht man’s bereits: Für diese Wendung müsste eigentlich eine Strafmünze ins „Phrasenschwein“ wandern. Dieses Tierchen wiederum wird mittlerweile so häufig bemüht, dass der Ausdruck „Phrasenschwein“ seinerseits ein Bußgeld zur Folge haben müsste. Und so fort. Im Grunde müsste man die Reflexionsschraube immer weiter drehen und sich jeden Tag eine neue, eine taufrische Sprache ausdenken, um solche „Klippen zu umschiffen“ (noch so eine verbrauchte Redefigur). Dann würde einen freilich niemand mehr verstehen.




Die Ex-Gay-Therapie

Ted Haggard war mir bis vor kurzem noch unbekannt. Einige US-Amerikaner würden sich wahrscheinlich wünschen, dass es bei Ihnen ebenso wäre. Ted Haggard war der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Evangelikalen und Sprecher von gut 30 Millionen Christen. Und wie ich aus einem Artikel in der „Zeit“ lernte, führte er einen Feldzug gegen Homosexualität – bis ihn 2006 ein Callboy als schwul outete.

Das Schauspiel Dortmund zeigt zur Zeit die „Ted Haggard Monologe“ von Michael Yates Crowley: Ein beeindruckendes Solo von Ekkehard Freye, der bereits die deutschsprachige Erstaufführung am Schlosstheater Moers gespielt und sie nun als neues Ensemblemitglied von Schauspieldirektor Kay Voges sozusagen mit nach Dortmund gebracht hat.

Das Stück zeigt vor allem, wie viel Haggard in den Menschen seiner Umgebung steckt, wie sehr sie damit kämpfen, sich rigiden Dogmen und Moralvorstellungen zu unterwerfen und dabei allzu oft unterdrücken, was es heißt, Mensch zu sein.

Nach diesem Stück waren wir neugierig, ganz banal, wie dieser Ted Haggard wohl aussehen mag – und fanden Fotos von einem blonden, glatt gut aussehenden, weißzahnigen, strahlend lächelnden Werbemann.

Noch erschreckender war allerdings zu lesen, dass Ted Haggard Homosexualität noch immer für eine Sünde halten und angeblich eine „Ex-Gay-Therapie“ gemacht haben soll. Allein die Tatsache, dass es so etwas gibt…

Infos des Dortmunder Theaters: www.theaterdo.de

(Hier noch der Link zu meiner Rezension des Stückes für die Westfälische Rundschau).