Max Pechstein: Verlorenes Paradies

Max Pechstein "Selbstbildnis mit Hut und Pfeife", 1918 (Kunsthaus Zürich/Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Max Pechstein "Selbstbildnis mit Hut und Pfeife", 1918 (Kunsthaus Zürich/Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Das ursprüngliche Leben – wer hätte es nicht zuweilen im Sinn? Etliche Vor- und Wunsch-Bilder des „Zurück zur Natur“ lassen sich im deutschen Expressionismus finden, beispielsweise bei Max Pechstein (1881-1955). Ihm widmet jetzt das zwischen Ruhrgebiet und Münsterland gelegene Kunstmuseum Ahlen eine Retrospektive mit 140 Exponaten.

Sowohl finanziell (erkleckliche Versicherungssummen) als auch räumlich ist man bis an die Grenzen gegangen. Selbst in Treppenhaus-Winkeln hängen noch Bilder, entgegen einer puristischen Lehre der Präsentation. Doch man kann den Antrieb des Museumsleiters Burkhard Leismann verstehen, der auch einige Raritäten aufbietet: Dies dürfte für lange Zeit die letzte Gelegenheit zu einer weiter ausgreifenden Werkschau sein, welche auch Gebrauchskunst (Schmuck, Buchillustrationen, Speisekarten usw.) einschließt. Die jeweils verändert von Kiel und Regensburg her kommende Auswahl hat in Ahlen ihre letzte Station. Es gibt Bilder, die sozusagen auf der Strecke geblieben und nicht mehr ohne weiteres reisefähig sind, weil sonst die Farbe abbröckeln würde. Nicht wenige Pechstein-Werke sind in einem bedenklichen restauratorischen Zustand.

Max Pechstein "Die Löwenbändigerin" (um 1920), Privatsammlung (Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Max Pechstein "Die Löwenbändigerin" (um 1920), Privatsammlung (Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Er stammte aus sehr einfachen Verhältnissen. Doch als einziger Künstler der legendären Dresdner Vereinigung „Die Brücke“ hatte der 1881 in Zwickau geborene Pechstein (nach der Lehre als Dekorationsmaler) eine akademische Ausbildung absolviert. Kein Wunder daher, dass er sich – trotz aller Neuerungs-Sehnsucht – letztlich stärker an Traditionen gebunden fühlte als Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff. Für kurze Zeit überwogen lebensreformerisch inspirierte Gemeinsamkeiten, auch bildnerisch bewegte man sich etwa von 1906 bis 1912 im thematischen Einklang. Salopp gesagt: Auf nackte Badende konnte man sich zunächst einigen.

Früher oder später mussten sie sich freilich über ihre Prinzipien entfremden. Immerhin siedelte Pechstein als erster nach Berlin über und bereitete den anderen dort Bahnen. Doch im Streit-Getümmel zwischen „Secession“, „Neuer Secession“ und „Brücke“ galt er bald als reaktionär.

Es war vielleicht auch eine Temperamentsfrage. Unbedingtes Voranstürmen, Zuspitzung und Höhenflüge waren Pechsteins Sache ersichtlich nicht, auch war ihm der Modernismus kein flammender Selbst- und Endzweck. Das beinahe schon behäbig breite Spektrum seiner Anregungen reicht vom christlichen Mittelalter über Matisse bis zur Volkskunst der Südsee. Auf den dortigen Palau-Inseln hat er 1914 eine seiner glücklichsten Phasen erlebt, bevor ihn und seine Frau Lotte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs jäh vertrieb. Tagebuch-Zitat: „Die Japaner haben mich wirklich aus dem Paradies meines Lebens gejagt, kaum, dass ich hineingesehen.“ Die dort vorgefundenen Motive eines vermeintlich zivilisationsfreien Lebens wirken lange nach – auch bei den vielfach folgenden Ostsee-Aufenthalten.

Pechsteins Zurückhaltung erweist sich gelegentlich als ästhetische Fessel. Anfänglich von Symbolismus und Jugendstil geprägt, hat er sich umsichtig, tastend, überaus behutsam durch manche Stilmöglichkeiten bewegt. Expressionistische Figuration wurde zwischendurch zur hauptsächlichen Wahl, doch eben nicht zur einzigen. Insofern ist das unspezifische Allerwelts-Ausstellungsmotto „Ein Expressionist aus Leidenschaft“ nicht gerade glücklich gewählt.

Viele grundsolide Schöpfungen sind zu finden – und einige grandiose Bilder: der melancholische „Junge mit Spielzeug“ (1916), die kühne Draufsicht bei „Badende Knaben in Brandung“ (1917), der eminent dynamische „Zirkusreiter“ und „Die Löwenbändigerin“ (beide um 1920), manche Seestücke oder die kantig vom harten sozialen Daseinskampf kündende Holzschnittreihe „Das Vater unser“ (1921). Auch zeichnerische und druckgraphische Arbeiten sind hochbeachtlich. Und die „Geierwally“ ist zwar gewiss keine Offenbarung, doch wenn man weiß, dass Pechstein sie bereits als Zwölfjähriger gemalt hat, ahnt man das immense Talent.

Spätestens in den 1930er Jahren werden Pechsteins Bildfindungen generell kraftloser. Über die Gründe ließe sich lange rätseln. Verzagtheit angesichts der politischen Zeitläufte (Werke von Pechstein wurden als „entartet“ verfemt, er blieb nur geduldet, Nolde denunzierte ihn), Isolation von wichtigen Strömungen der internationalen Kunst? Bilder wie „Kutter zur Reparatur“ (1933) verlieren sich jedenfalls in geradezu postkartenhaftem Farbkitsch. Schmerzlich zu sagen.

Das Spätwerk der 50er Jahre nähert sich (nun vor allem auch krankheitsbedingt) vollends einem Rohzustand vor jeder Gestaltung. Doch mit Ursprünglichkeit hat das nun nichts mehr zu tun, sondern mit Hinfälligkeit. Schmerzlich zu sehen.

Max Pechstein. Retrospektive. Kunstmuseum Ahlen, Museumsplatz/Weststr. 98. Vom 10. Juli bis 1. November. Di, Mi, Fr 14-18, Do 14-20, Sa/So 11-18 Uhr.

http://www.kunstmuseum-ahlen.de




Im Kino: Udo ist eben doch nicht Kurt Krömer

Mal wieder ins Kino gegangen, weil im WDR ein Interview mit Kurt Krömer über seine Rolle als „Udo“ zu sehen und zu hören war. Hat es sich gelohnt?

Natürlich ist Kurt Krömer im Detail immer ein Hinsehen wert. Im Film „Eine Insel namens Udo“ spielt Krömer aber gar nicht seine Rolle als Kurt Krömer, sondern einen eher schüchternen, etwas zerbechlichen Mann, ohne Krömers markante Brille. Er ist der Kaufhausdetektiv Udo, der von allen übersehen wird – „schwersichtbar“ eben – bis die Managerin Jasmin kommt und ihn wahrnimmt, samt Flecken im Hemd und seiner schrulligen Art. Sie ist auf ihre Weise eben selbst ein wenig kauzig, und so endet diese Komödie dann auch etwas naiv romantisch.

Gelohnt hat sich der Kinobesuch wegen der teils witzigen Dialoge und der schrägen Bilder. Auch die Grundidee, dass Udo unsichtbar sein kann und nur von seinen engen Freunden und eben von Jasmin gesehen wird, hat einen gewissen Reiz. Allerdings habe ich mich in der Mitte auch ein wenig gelangweilt, denn die Geschichte wird doch sehr in die Breite gewalzt. Übrigens waren wir im Kino auch fast allein – „Bad Teacher“ zieht doch mehr Leute an.

Im Abspann konnte man lesen, dass ARTE und der WDR die Mitfinanzierer waren. Also aufgepasst: Demnächst auf Ihrem Bildschirm „Eine Insel namens Udo“. Wahrscheinlich um Mitternacht.