Der Koloss von Dortmund

Dortmunds Innenstadt steht unmittelbar vor dem radikalsten Umbruch der letzten Jahrzehnte. Am 15. September wird ein Einkaufscenter mitten in der City eröffnet, das rund 160 Geschäfte umfasst und sich (wesentlich auf dem Gelände der früheren Thier-Brauerei) vom Wallring bis zum Westenhellweg erstreckt.

Schon jetzt steht fest, dass sich mit der „Thier-Galerie“ Charakter und Schwerpunkte des Stadtzentrums gründlich ändern werden. Der Investor und Betreiber ECE hat etwa 300 Millionen Euro in den weitläufigen Bau gesteckt und kalkuliert mit einem Einzugsgebiet, in dem etwa 3 Millionen Menschen leben. Das sind schon höhere Hausnummern.

Der riesige Komplex prunkt auf seiner Schauseite mit einer nahezu klassizistisch anmutenden, machtvollen Säulenformation und zitiert damit eine uralte Würdeformel der Architektur. Im Kontext der Dortmunder City wirkt dies besonders imposant, doch auch einigermaßen grotesk. Geborgte Grandezza…

Schauseite der "Thier-Galerie", 14 Tage vor Eröffnung (Foto: Bernd Berke)

Schauseite der "Thier-Galerie", 14 Tage vor Eröffnung (Foto: Bernd Berke)

Gewiss: Manche Filialisten lassen sich hiermit erstmals in dieser Stadt nieder und bringen neue Jobs. Doch etliche Händler ziehen aus anderen Dortmunder Lagen in den neuen Kauftempel. Deren bisherige Domizile werden in aller Regel frei, es gibt mithin erst einmal zahlreiche Leerstände. Reihen sich solche Punkte über die Maßen aneinander, so entstehen rasch Zonen der Unwirtlichkeit und Verwahrlosung. Man kann dies schon an bestimmten Stellen der Stadt beobachten. Doch das alles könnte nun weit übertroffen werden.

Auch die lokale Presse barmte zwischenzeitlich, dass so genannte 1-B-Lagen wie Ostenhellweg und Brückstraße gefährdet seien. Doch man kann wohl sicher sein, dass sich derlei skeptische Anwandlungen schnell beruhigen werden. Denn wer will es sich schon auf einen Schlag mit 160 potenziellen Anzeigenkunden verderben?

Aufblick zur "Thier-Galerie" (Foto: Bernd Berke)

Aufblick zur "Thier-Galerie" (Foto: Bernd Berke)

Der Autoverkehr, den der neue Koloss anziehen wird, dürfte gelegentlich einem Kollaps gleichkommen. Zwar gehört ein neues Parkhaus mit 730 Plätzen hinzu, doch wenn man diese Zahl durch jene der Geschäfte teilt, so kommt man bei 160 Läden auf gerade mal je viereinhalb. Der Autoschwall wird sich also auch in andere Parkhäuser und Tiefgaragen ergießen, die ohnehin oft schon gut gefüllt sind.

Gespannt darf man sein, wie sehr sich das Center vom sonstigen Stadtleben abschotten wird. Konsumpaläste dieser Größenordnung kommen schwerlich ohne Security-Kräfte aus; zumal, wenn die Geschäfte freitags und samstags bis 22 Uhr geöffnet bleiben. Man wird sehen, wie strikt die Sicherheitsleute gegen „unliebsame Personen“ vorgehen und wie sie diesen Begriff auslegen.




Rosel Zech ist tot – Große Schauspielkunst ohne Eitelkeit

69 Jahre wurde sie alt – Rosel Zech lebt nicht mehr. Ich kann meinen Eindruck von ihr nur so zusammenfassen: Diese Frau war so ungemein gut, dass sie die branchentypischen Eitelkeiten völlig missachten konnte – so etwa wie Michael Degen als männliches Gegenstück.

Rainer Werner Fassbinder war in ihrer Bewertung das einzige Genie, dem sie in ihrem Berufsleben begegnete. Irgendwie typisch für sie, dass sie ausgerechnet diesen drallen Typen dergestalt hochhob, war sie doch beruflich unter anderem auch auf Peter Zadek oder Luc Bondy und ähnliche Größen getroffen.

Zwei Sprachen – außer bestem Theatersprech – nannte sich auf ihrer Homepage: Sie sei des Englischen mächtig und beherrsche als Dialekt den der Berliner, den ihrer Heimat. Dort wurde sie als Roselie Helga Lina Zech, Kind eines Binnenschifferpaares geboren. In Hoya bei Bremen wuchs sie auf, beschloss mit 16 Lenzen Schauspielerin zu werden. Sie ging an die Max-Reinhardt-Schauspielschule und begann bald darauf eine beispiellose, wenn auch im Wesentlichen leise Karriere. Rosel Zech war eben besonders gut in ihrem Beruf.

So war es keineswegs ein Ausrutscher, wenn sie beispielsweise mit Dieter Hallervorden – heute würde man sagen – Comedy machte. Oder als würdige Oberin in beliebten Fernsehserien zu sehen war. Das machte sie ebenso professionell wie Theater oder bei Fassbinder die Veronika Voss zu geben.

Roselie Helga Lina Zech wird fehlen.