„What a Man“: Kassen lügen nicht

Also Kinokassen. We have a winner. Über eine Million Zuschauer. Das hat bei deutschen Filmen Seltenheitswert.

Aber von vorn: Da war es wieder, dieses (kalendarische) Sommer-Loch. Das ist für Kinofreunde besonders dann unerfreulich, wenn man wegen des Regens gern öfter mal ein paar Stunden im Kino verbringt. Es gab aber außer „Midnight in Paris“ rein gar nix, was ich hätte loben können. Alles andere, was es zu loben gab, habe ich schon abgearbeitet – und es ist inzwischen auch Oscar-bestückt.

Vor 14 Tagen hab ich mich quasi geopfert und „What a Man“ angeschaut. Man, oh man!

Nun ist ja Matthias Schweighöfer ein veritabler Schauspieler, der mir unter anderem als Marcel Reich-Ranicki in „Mein Leben“ gut gefiel. Und auch sonst so schon.

Jetzt hat er sich der im deutschen Film nicht als Königsdisziplin berühmten Sparte Komödie angenommen. Als Hauptdarsteller, Regisseur und Autor. Kann man machen, müsste man aber nicht. Ich will gar keine Vergleiche zu anderen, schiefgegangen Versuchen heranziehen. Was hat er sich nur dabei gedacht? Vermutlich nichts. In einem Interview fürs TV hörte ich ihn sinngemäß so in etwa plappern: „Da ham wir uns hingesetzt und die Story im hoppigaloppi zusammengeschmissen“. Check. Hoppigaloppi.

Alex (Matthias Schweighöfer) und Carolin (Mavie Hörbiger) sind ein Paar. Lehrer Alex ist das, was ich gern mal mitleidig als milque toast bezeichne. Ein Beta- bis Delta-Männchen. Was Wunder, dass das schnieke Model Carolin, blond bubikopfig gestyled, sich einen Anderen an Land zieht – und das Milchbrötchen Alex muss ausziehen. Der flüchtet zu seiner WirSindGuteFreunde-Freundin Nele (Sibel Kekilli). Nele ist so ein in-Name jetzt, Neles sind immer prima Kumpels, total anständig, lieb und verständnisvoll, wenn auch ein bisschen verrückt. Verrückt mögen wir, denn wenn man verrückt ist, dann ist man auf jeden Fall kein Spießer. Und schließlich will Nele nach China, um dort Tiere zu schützen, Pinguine, wenn ich nicht irre, und außerdem um sich selbst in die schützenden Arme ihres französischen Freundes Etienne zu werfen.

Sobald man den Überblick über die Aufstellung hat, weiß man auch schon, wie das weiter geht, und wo das hinführt. Das ist die Konstellation, aus der man die lustigsten Beziehungskomödien stricken kann. Vorausgesetzt, der Regisseur und der Autor können gut stricken. Hier wurde gestickt, bestenfalls gehäkelt. Dialoge, die ich hätte mitsprechen können, so voraussehbar waren sie. Ein paar Schenkelklopfer, ein paar Stammtischplattitüden zum Thema, man kennt das ja.

Gut, ich hab da tatsächlich einige Male spontan mitgelacht, weil manche Witze auch zum 30sten Mal komisch sind. Aber sonst? Alles so, wie man ahnt. Viel abgedroschene Kalenderweisheiten und Klischees. Vom Sexunfall bis zum letzten Gehechel zum Flughafen und dem beinahe und huch und ja doch und na sowas, etc pp.

Am besten von allen Darstellern hat mir Elyas M’Barek als Alex’ bester Freund Okke, Fachberater in Sachen Beziehungen, Sex, et al gefallen. M’Barek war mir schon in der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ sehr angenehm aufgefallen. Da kommt hoffentlich mehr.

Sibel Kekilli war mir ein bisschen fremd als die pinguinaffine Tierschützerin und Strickliesel. Aber das ist meine Schuld, ich hab sie noch so fest in meinem Hirn aus „Gegen die Wand“. Da muss sie einfach mal raus, dann kann ich sie bestimmt unvoreingenommener ansehen.

Diese Komödie ist nicht die Krone des deutschen Humors, aber so grottenschlecht ist sie auch nicht. Als Schweighöfers Regie-Erstling etwas enttäuschend. Da hab ich mehr erwartet, aber das ist allein meine Schuld.

Harmloses, leichtes Sommerkino. Also jetzt rein, solang noch Sommer ist.

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Filmtrailer:




„Der Seiltänzer“: Ein Priester in Westfalen

Die Abschaffung des Zölibats und Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche – das sind die Kernforderungen einer Aufsehen erregenden Predigt, die der Priester Andreas Wingert in seiner Gemeinde hält. Wochen später sieht er sich selbst mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert und steht unvermutet vor einem Scherbenhaufen. Klugen Rat und Hilfe erhofft er sich – wie so oft in seinem Leben – von seinem besten Freund Thomas. Doch dieser liegt ausgerechnet jetzt mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus.

Nach einem Besuch bei Thomas begibt sich Andreas auf eine Autofahrt kreuz und quer durch Westfalen, von Münster bis ins tiefste Sauerland. Diese Fahrtwird insgesamt 5 Stunden dauern. In diesen 5 Stunden erinnert sich Andreas: An eine Kindheit und Jugend in der westfälischen Provinz, an die seitdem bestehende Lebensfreundschaft mit Thomas, an die gemeinsamen Erlebnisse ihrer Studienjahre in Berlin, Köln und Bonn, Wales und München. Danach schlagen die Freunde sehr unterschiedliche Wege ein. Thomas heiratet, gründet in Münster eine Familie und macht als Geisteswissenschaftler Karriere. Andreas hingegen geht ins Paderborner Priesterseminar und wählt die Kirche als Lebenspartnerin, „viel zickiger, viel strenger, viel unberechenbarer“, als ein Ehepartner sein könnte, wohl wissend „dass es kein ungefährlicher Bund für ihn“ ist. Schon immer fasziniert von den Ritualen der katholischen Kirche, ist er sich sicher, dass der Glaube sein Sicherheitsnetz sein kann, „über dem das Seil aufgespannt ist“.

Mit „Der Seiltänzer“ legt Michael Göring ein mutiges Buch zu einem brandaktuellen Thema vor. Auf zwei Zeitebenen vermittelt er in einer klaren, fast nüchternen Sprache ein  eindringliches Bild der Probleme und Anfechtungen, welche in unserer Zeit ungut in das Leben einzelner als auch der Gemeinschaft eingreifen. Die Missbrauchsvorwürfe sind zwar das vordergründige Thema, doch Michael Göring zeigt anhand des Konfliktes anschaulich, zu welch vergifteter Atmosphäre und zu welch verhärteten Fronten übereifriges Denunziantentum, Kollektivschuld-Vermutung und Generalverdacht führen können. Göring selbst betont, dass er einen Entwicklungsroman habe schreiben wollen und keine theologische Streitschrift. Dennoch erzählt er eben nicht nur von Wendepunkten und Anfechtungen des Alltags, sondern auch von religiöser Berufung und der Gratwanderung eines Priesters. Nicht zuletzt die Deutschland-Visite des Papstes hat gezeigt, wie viele Menschen sich nach religiöser Orientierung sehnen, sich aber auch an den Dogmen der katholischen Kirche reiben. Schon deshalb ist diesem Buch nicht nur Erfolg, sondern auch Diskussion zu wünschen.

Als Dreingabe neben all diesen „schweren“ Themen macht der Autor sich aber auch noch um etwas anderes verdient. Auch wenn die Hauptschauplätze des Romans fiktive Namen tragen, Göring zeichnet mit wenigen Worten ein Bild der alten BRD und fängt die Atmosphäre des zweigeteilten Landes unverfälscht ein. Vor allem die in Westfalen und im Sauerland spielenden Passagen werden auch für viele Revierbürger einen hohen Wiedererkennungswert haben.

Zum Schluss verliert der Roman etwas von seinem Schwung, nicht nur die Dialoge wirken auf einmal zu bemüht. Um es westfälisch zu sagen, das Ende war mir zu verschwurbelt und passte nicht zur klaren Sprache des Buches.

INFO:

Der Autor Michael Göring leitet als Vorsitzender des Vorstandes die ZEIT Stiftung Ebelin und Bucerius in Hamburg. Darüber hinaus ist er Honorarprofessor am Institut für Kultur und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Der Mitte September erschienene Seiltänzer ist – nach vielen Fachpublikationen – sein erster Roman.

Michael Göring: „Der Seiltänzer“. Verlag Hoffmann und Campe, 352 Seiten, 19,99 Euro.

Verlagsseite zum Buch: http://www.hoffmann-und-campe.de/go/der-seiltaenzer

 

 




Raffaels Madonnen in Dresden vereint

Raffael: Madonna di Foligno, 1511/1512 (Copyright: Vatican Museums)

Raffael: Madonna di Foligno, 1511/1512 (Copyright: Vatican Museums)

Der deutsche Papst hat es möglich gemacht. Fast fünfhundert Jahre lang haben sich die von Raffael fast zeitgleich gemalten Altarbilder nicht mehr getroffen, jetzt kann man sie nebeneinander betrachten.

Zuletzt standen die „Madonna von Foligno“ und die „Sixtinische Madonna“ im Jahre 1512 zusammen im Atelier des italienischen Renaissance-Malers. Dann trennten sich die Wege der Bilder, die auf eindringliche Weise die himmlische Erscheinung der Maria mit dem Jesuskind thematisieren.

Auf verschlungenen Pfaden und verschiedenen Zwischenstationen kam die „Sixtinische Madonna“ 1754 nach Dresden, um die ohnehin prächtige Sammlung von August III., dem sächsischen Kurfürst und König von Polen, mit einem ebenso unzweifelhaften wie bedeutenden Raffael-Gemälde nochmals aufzuwerten und zu schmücken.

Die „Madonna von Foligno“ wurde, nachdem napoleonische Truppen sie beschlagnahmt und restaurierten hatten, im Jahr 1816 nach Italien zurückgebracht, um in der Vatikanischen Pinakothek ein gut behütetes und viel umschwärmtes Dasein als Ikone der Kirchenkunst zu führen. Zwei Jahrhunderte lang wurde das Bild nicht ausgeliehen, nie ging es auf Reisen. Dass aus Anlass des Deutschland-Besuches von Papst Benedict XVI., die „Madonna von Foligno“ den Vatikan verlassen und in der Gemäldegalerie der Alten Meister in Dresden ihr Schwesterbild treffen darf, ist eine Geste eines Kirchenführers an seine deutsche Heimat – und es ist eine Kunst-Sensation.

Die beiden kostbaren Raffael-Bilder sind nicht allein in Dresden. Zu ihnen gesellen sich knapp 20 weitere Werke, Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche, Bücher und Dokumente. Skizzen Raffaels zu seinen „Madonnen“, korrespondierende Werke von italienischen Malern wie Corregio und Garofalo sind zu sehen, aber auch Arbeiten deutscher Künstler, Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä., die „Stuppacher Madonna“ von Matthias Grünewald.

Raffael: Sixtinische Madonna, 1512 (Copyright: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister - Foto: Estel/Klut)

Raffael: Sixtinische Madonna, 1512 (Copyright: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister - Foto: Estel/Klut)

„Himmlischer Glanz“, so der Titel der Ausstellung, ist wahrlich keine opulente und ausufernde, aber dennoch bedeutende Kunstschau. In klaren Konturen und beispielhafter Deutlichkeit zeigt sie nicht nur klassische Beispiele der Madonnen-Darstellung aus der Zeit Raffaels. Sie belegt auch, wie Werke wichtiger Künstler – auch über die Alpen hinweg – miteinander kommunizierten, wie sie sich in Bildsprache und Themengestaltung, Malweise und Farbgebung aufeinander bezogen. Das ist spannend und lehrreich, kann aber den Blick des faszinierten Betrachters nicht vom magischen Zentrum der Bilderschau lenken: den beiden großformatigen, von zeitloser Schönheit, ästhetischer Erhabenheit und göttlicher Gnade kündenden Madonnen-Bildern.

Hier die „Sixtinische Madonna“, die wahrscheinlich von Papst Julius II. in Auftrag gegeben wurde und für die Klosterkirche San Sisto in Piacenza bestimmt war, quasi als Geschenk dafür, dass die oberitalienische Stadt dem Kirchenstaat beigetreten war: In der Mitte schreitet Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm in Richtung der irdischen Welt. Der kniende Papst Sixtus II. und die Heilige Barbara weisen ihr den Weg. Unten lümmeln sich zwei schelmische und sympathische Engelchen, die, aus dem Bild tausendfach herauskopiert, längst zu Pop-Ikonen der Alltagskultur geworden sind.

Und nur eine Armlänge in Dresden entfernt nun die „Madonna von Foligno“: Die Muttergottes, auf Wolken sitzend vor einer Sonnenscheibe, mit dem Kind auf dem Arm. Links Johannes der Täufer und Franziskus, rechts der Heilige Hieronymus und Auftraggeber Sigismondo dei Conti. Und alles strahlt, nach mehreren Restaurierungen, in Rot, Blau und Gold. Gegen die satten und knalligen Farben nimmt sich die matt und grünstichig erscheinende, seit vielen Jahren nicht mehr aufgefrischte „Sixtinische Madonna“ geradezu kleinlaut aus. Gleichwohl verheißt auch dieses Bild ein großes Versprechen, und jeder Betrachter spürt, hier zwei der bedeutendsten Meisterwerke der Renaissance ansichtig zu werden und Zeuge eines einmaligen historischen Moments zu sein: Denn wohl nie wieder werden die beiden Schwestern sich begegnen.

Infos:

+ „Himmlischer Glanz. Raffael, Dürer und Grünewald malen die Madonna“. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister, bis zum 8. Januar 2012
+ Öffnungszeiten: tägl. 10 – 18 Uhr, Mo geschlossen
+ Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 7,50 Euro.
+ Informationen und Anmeldungen von Führungen unter 0351/49142000 oder besucherservice@skd.museum
+ Katalog, herausgegeben von Henning und Arnold Nesselrath, Prestel Verlag, München, 128 S., 80 Farbabbildungen, 24,95 Euro.
+ Mehr über Raffael und die Renaissance: Giorgio Vasari: „Das Leben des Raffael“, neu übersetzt und kommentiert, Wagenbach Verlag, Berlin 2004, 204 S., 12,90 Euro.