Monatsarchive: Oktober 2011

Endlich im Museum: Blaubär, Arschloch und der Föhrer

Käpt’n Blaubär, dieser behäbig-gutmütige Lügenbär aus der „Sendung mit der Maus“?

Ist von ihm, Walter Moers.

Dann das Kleine Arschloch, diese respektlose Comic-Figur, ein Elfjähriger mit großer Nase und baumelndem Schniedelwutz?

Von ihm, Moers.

„Adolf, die kleine Nazi-Sau“, die scheiternde Witzfigur aus dem Clip „Der Bonker“?

Moers’ Idee.

Der Kontinent Zamonien, ein düster-sagenhafter Schauplatz einer ganzen Roman-Reihe – von Käpt’n Blaubärs Abenteuern für Erwachsene über Rumo bis zu einäugigen Buchlingen, die tief unter der Erde leben?

Eine grafische und wortgewaltige Schöpfung von: Moers.

Endlich darf Moers ins Museum

„7 ½ Leben“ hat Walter Moers schon hinter sich gebraucht – zumindest legt die gleichnamige Ausstellung in der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen das nahe.

Zum ersten Mal darf … Weiterlesen

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Die Kunden-Universität

Die Hochschulen sind voll? Gut so! Im Jahr 12 nach Bologna darf sich der Studierende als Kunde im akademischen Betrieb fühlen. Der tut alles dafür, der Zielgruppe seine Dienstleistung möglichst schmackhaft zu machen. Studieren im Jahr 2011 – eine Collage.

Montag, 10 Uhr. Ursula Gather, Rektorin der Technischen Universität Dortmund, hat ihr professionelles Lachen aufgesetzt. „Gemeinsam sind wir stark“ steht auf dem schwarz-gelben Schal, den sie für die Kamera in die Höhe hält. Auch wenn sie inmitten von Studierenden sitzt: Die Tribüne des örtlichen Fußball-Bundesligisten ist nicht gerade vertrautes Terrain für die Statistik-Professorin.

Kay Voges’ Lachen ist gequält. Auch der Chef des Dortmunder Schauspiels reckt einen Schal in der Höhe, „Schal-la-la-la“ steht darauf. Klick – der  Fotograf der örtlichen Presse … Weiterlesen

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Spielarten des Rock beim Dortmunder Westend-Festival

Crashkurs durch die Spielarten des Rock gefällig? Das Musikmagazin Visions hat die selbst gestellte Aufgabe beim Westend-Festival am Freitag und Samstag im FZW im jeweils flotten Dreiklang gelöst – mit so unterschiedlichen Künstlern wie Thees Uhlmann, Therapy? und Maximo Park. Da konnten selbst die Toten Hosen nicht Nein sagen.

Thees Uhlmann im FZW Dortmund. Foto: Normen Ruhrus

Thees Uhlmann im FZW Dortmund. Foto: Normen Ruhrus

„Ich weigere mich, die Regel zu akzeptieren, dass es eine Korrespondenz gibt zwischen Rock’n’Roll und älter werden.“ Thees Uhlmann, Jahrgang 1974, liefert am Freitag im FZW den passenden Auftritt zu seinen Worten: Triefend vor Schweiß, die schwarze Lederjacke längst in die Ecke gepfeffert, stürzt er sich mit unverminderter Energie als selbsternannter „ältester Newcomer Europas“ in jedes Lied seines ersten Soloalbums, sei es die … Weiterlesen

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Der Kitsch, der auf den Gräbern liegt…

Jetzt geht es allerorten auf die Friedhöfe. Gräber pflegen, Lampions aufstellen, Gestecke ablegen – was im Gemeingebrauch so dazu gehört.

Bei solchen Gelegenheiten wirft man auch schon mal einen Blick auf fremde Grabstellen, und da scheint mir in letzter Zeit eine bedenkliche Entwicklung einzusetzen: Engelchen aus Porzellan, das geht ja vielleicht noch, aber steinerne Bärchen, bunte Puppen, modellierte Alltagsgegenstände, sogar Batterie betriebene Blinklichter, alles mögliche liegt heutzutage auf Gräbern herum. Mein Fall wäre so etwas nicht, aber wenn man erst mal tot ist, dann sieht man ja nichts mehr von derlei Kitsch.

Weitgehend kitschfreie Impression vom Dortmunder Ostfriedhof (Foto: Bernd Berke)

Weitgehend kitschfreie Impression vom Dortmunder Ostfriedhof (Foto: Bernd Berke)

Zu aktiven Berufszeiten bin ich als Journalist in vielen Privatwohnungen gewesen, und daher weiß ich, dass derartige Dekorationen für … Weiterlesen

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Hoffmanns Spukgestalten

Hoffmann (Thomas Piffka, im Rollstuhl) ist verliebt und bereits in den Fängen der Puppe Olympia (Rebecca Nelsen). Foto: Thilo Beu

Die Geliebte glänzt durch Abwesenheit. Vielleicht ist Stella nur ein Traumbild, in dem der Dichter Hoffmann seine Idealfrau erblickt. Die Sehnsucht nach ihr befeuert zwar seine Phantasie, erwärmt aber nicht sein Leben. Das fühlt sich kalt und unbewohnt an: Wie sehr, das lässt Regisseur Dietrich Hilsdorf uns jetzt im Essener Aalto-Theater spüren. Dort begegnet uns der Titelheld von Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ auf komplett leer geräumter Bühne.

Dunkel und trostlos ist es um den Poeten, der da allein an einem Tischchen sitzt und trinkt. Keine ausgelassenen Studenten, sondern schwarz gekleidete Theaterleute strömen herbei, um sich von der Ballade von … Weiterlesen

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„Verträgen halte Treu'“ – Kann Castorf den „Ring“?

Er macht’s. Er, das ist Frank Castorf, Intendant der Berliner Volksbühne, Regie-Berserker und Stückezerfledderer. Er wagt sich ans Größte, Hehrste des musikalischen Theaters – also an Richard Wagners gewaltige, episch breite Trilogie „Der Ring des Nibelungen“. Kann er’s? Vor allem: Schafft er’s ausgerechnet am würdevollen Weihetempel namens Bayreuth? Die da das Sagen haben, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, rufen ein klares „Ja“.

So steht es also fest: 2013, im Jahr des 200. Geburtstags von Richard Wagner, inszeniert ein Beinahe-Grünschnabel in Sachen Opernregie den mächtigen Vierteiler des Genius. Was nicht unbedingt ein Problem sein muss: Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief oder Werner Herzog waren auch nicht unbedingt die geborenen Opern-Deuter – auf dem Grünen Hügel lieferten sie Achtbares. Andererseits: Die Filmemacher Lars … Weiterlesen

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Dortmunder Krallenfund: Raubsaurier im Ruhrgebiet

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hier geht’s um Dinosaurier im Revier. Nein, es sind keine gigantischen Hochöfen oder Gasometer gemeint. Für derlei Zeugnisse der historisch gewordenen Industrielandschaft erstrebt die Region jetzt gleichsam pauschal den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes. Vielleicht leben wir eines Tages alle in einem großen, großen Freilichtmuseum.

Davon erst einmal genug.

Parallel gab’s gestern eine Nachricht, die selbst die „Bild“-Redaktion elektrisierte und zur Dino-Schlagzeile anstachelte. Die Botschaft klingt ja so schön konkret, jedoch auch surreal, stellt sie einen doch vor gewaltige Zeitläufte: An einer Baustelle der B 1 (Ruhrschnellweg) ist in Dortmund die versteinerte Sichelkralle eines Sauriers gefunden worden. Geschätztes Alter: rund 91 Millionen Jahre. Damals war das spätere Ruhrgebiet eine Küstenlandschaft, … Weiterlesen

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Lisztiana IV – Und wie hält er’s mit der Religion?

Franz Liszt, Fotografie um 1860.

Franz Liszt, Fotografie um 1860.

Die Musikwelt feiert heuer den 200. Geburtstag von Franz Liszt. Das Urteil über ihn scheint klar: der Frauenheld, der Tastenlöwe. Dass er 1865 die niederen Weihen erlangte, sich fortan Abbé nennen durfte – bestenfalls eine Laune. Oder eine Flucht in die Religion? Michael Stegemann, Professor für Historische Musikwissenschaft an der TU Dortmund, weiß zu differenzieren. Gerade hat er das Buch „Franz Liszt – Genie im Abseits“ veröffentlicht. Martin Schrahn sprach mit ihm über den tiefreligiösen, janusköpfigen Komponisten und über dessen kirchenmusikalisches Werk.

Es heißt, Liszt habe schon als Knabe den Wunsch geäußert, Priester zu werden. Ist das glaubwürdig, Herr Stegemann?

Michael Stegemann: Ich denke schon. Der Musikfeuilletonist Joseph d’Ortigue hat dies 1835 in der „Gazette … Weiterlesen

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Ortsbegehungen in Mahlers Welt

Nicht nur im laufenden Mahler-Gedenkjahr, auch lange noch darüber hinaus, werde ich sehr gerne zu dem schönen, geschmackvoll edierten Lebensbuch greifen, das der Residenz Verlag unter dem Titel „Mahlers Welt / Die Orte seines Lebens“ unlängst hat erscheinen lassen. Alle, die sich für Mahlers große Symphonik interessieren, sich für sie zu interessieren beginnen, sie vielleicht sogar schon lieben, werden sich mit diesem stattlichen Band auf Dauer anfreunden können.

Man könnte dieses Buch, wenn man es in einem durch liest, im fortwährenden Ausgang von den akribisch aufgeführten und detailreich kommentierten, recht zahlreichen Wohn- und Aufenthaltsorten und innerstädtischen Wohnadressen Mahlers her als eine besondere Art Mahler-Biographie lesen, oder aber es chronologisch und vom sehr hilfreichen Register her recht vorteilhaft als Nachschlagewerk benutzen. … Weiterlesen

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Beckett, Bienen, inszenierte Archive – Martin Pages Künstlernovelle „Bienenzucht nach Samuel Beckett“

Jener Moran aus Becketts Roman „Molloy“, der den Auftrag hat, den Titelhelden ausfindig zu machen, betrachtet fasziniert den Flug der Bienen und ist „bestürzt über das verwickelte Gebilde dieses mannigfaltigen Tanzes.“ Im Verkehr der Insekten, die „keineswegs wie Menschen tanzen, um sich zu vergnügen, sondern auf andere Art“, entdeckt er „ein System von Zeichen“; er ordnet die „vielen verschiedenen Figuren und Rhythmen“ nach Klassen und interpretiert die Klangfarben ihres Gesummes, in welchem er „drei oder vier Höhenlagen“ ausmacht. „Das ist etwas, was ich mein Leben lang studieren kann, ohne es jemals zu ergründen.“

Literaturwissenschaftler mögen das Bienen-Motiv – außer in dem Roman „Molloy“ – auch an einigen weiteren Stellen in Samuel Becketts Werk entdeckt haben. Einer breiten Öffentlichkeit ist der … Weiterlesen

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Ernst Meister: An den Grenzen des Daseins

Aus der Münsteraner Ausstellung (siehe Hinweis am Ende des Beitrags): Ernst Meister, Selbstporträt o. J., Pastell ung Kohle auf Papier (Foto: LWL)

Aus der Münsteraner Ausstellung (siehe Hinweis am Ende des Beitrags): Ernst Meister, Selbstporträt o. J., Pastell ung Kohle auf Papier (Foto: LWL)

„Abend erscheint. Rauchig ist die Stadt meiner Mutter, rauchig die Stadt meines Vaters von den Eisenöfen.“

Was haben wir da? Ruhrgebietsliteratur der bodenständigen, realistischen Art? Eigentlich ganz und gar nicht, obwohl sich die Verse auf Hagen beziehen. Es handelt sich um den Anfang eines Gedichts von Ernst Meister (1911-1979), der dieser Stadt sein Lebtag treu geblieben ist – wie der Maler Emil Schumacher. Da könnte man fragen: Was hatte Hagen, was andere Ruhrgebiets-Kommunen nicht hatten? Aus all den weiteren Revierstädten haben sich die Größen doch zeitig verabschiedet.

So fassbar konkret wie im anfänglichen Zitat klingt es im gesamten … Weiterlesen

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Anti-Ideal zur höheren Geigen-Tochter: Patricia Kopatchinskaja und Fazil Say in Essen

Patricia Kopatchinskaja Photo: Marco Borggreve

Patricia Kopatchinskaja Photo: Marco Borggreve

An Patricia Kopatchinskaja scheiden sich die Geister. Die moldawische Geigerin pflegt einen radikalen Stil. Ihr Spiel geht an die Grenzen, die intensiven Ausdruck von schierer Brutalität scheiden. Die Kritik sagt ihr nach, den „Schmutz“ in der Musik zu lieben – das Geräuschhafte, den bis zur Schmerzgrenze aufgerauten Ton. Die sie mögen, bewundern ihre unbedingte Wahrhaftigkeit, ihre kompromisslose Ausdruckssuche. Die sie ablehnen, kritisieren an ihr ungenierten Subjektivismus, gepaart mit dem Abschied von jeder traditionellen Ästhetik.

Nach dem bemerkenswerten Konzert in der Philharmonie in Essen lässt sich feststellen: Beide Sichtweisen haben gute Gründe. Aber: Was ist dann von der geigenden „Wildsau“ – wie sie sich selbst einmal bezeichnet hat – zu halten? Steht sie für den Auswuchs … Weiterlesen

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Vestische Erleuchtung

Der Herbst ist da und mit ihm zum sechsten Male in Folge „Recklinghausen leuchtet“. Am 14. Oktober eröffnet, zieht die Veranstaltung wie bereits in den Vorjahren wieder viele Besucher in die schöne Altstadt der vestischen Kommune. Noch bis zum 30. Oktober erstrahlen 34 historische Gebäude und Privathäuser in einem sorgsam installierten Lichtermeer. Das diesjährige Leuchten findet im Rahmen des 775. Stadtjubiläums statt. Auch wenn Recklinghausen EU-konform auf moderne LED-Lichter setzt, liegt der Schwerpunkt auf den altehrwürdigen Ecken und Kanten der Innenstadt. Auf die alte Stadtmauer um die Engelsburg werden mittelalterliche Motive projiziert, der Stolz der Stadt, das Rathaus wird mit besonderer lichttechnischer Raffinesse geehrt.

 

 

 

 

 

Freitags, Samstags und Sonntags gibt es ab 19:00 stündlich eine musikalisch … Weiterlesen

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Nachruf, lass nach!

Kürzlich bin ich wieder einmal in Versuchung geraten…

In die Versuchung, einen Nachruf zu schreiben. Der Verstorbene aus der Film- und Theaterwelt ist wahrlich bedeutsam genug gewesen und hat einem große Momente gegeben. In solchen Fällen ist es beinahe, als wäre ein Freund oder Familienmitglied gegangen.

Doch dann habe ich mich bezähmt. Im Gegensatz zu früheren Jahren bin ich nicht mehr gehalten, solche Beiträge ad hoc zu liefern. Ja, ich kann es sogar ganz bleiben lassen. Oh, schöne Freiheit! Oh, Segen des Verzichts! Außerdem muss man doch oft einsehen, dass es Berufenere gibt, die den posthum zu Rühmenden zeitlebens publizistisch begleitet haben. Fünfzehntes Gebot, leider selten in Stein gemeißelt: Du sollst nicht unberufen nachrufen.

Vor allem die überregionalen Zeitungen können … Weiterlesen

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Nicht nur Vulkanasche – Die Lesenation Island war Ehrengast der Frankfurter Buchmesse

Riesige Leinwände mit den Porträts Lesender vor gut bestückten Bücherregalen geben Einblicke in isländische Wohnzimmer. Und wie da gelesen wird! Island ist das Land mit den meisten Büchern pro Einwohner. Die Projektionen im Island-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse, die man auf den ersten Blick für Dias hätte halten können, bewegen sich. So viel oder so wenig sich jemand bewegt, wenn die Lektüre ihn fesselt. „Wir wollen das Wohnzimmer der Messe sein“, hatte sich Thomas Böhm, Literatur-Programmleiter des diesjährigen Buchmesse-Ehrengasts, vorgenommen. Das ist ihm gelungen. Der Island-Pavillon, eine komplette Etage des weitläufigen Forums, wurde mit Sesseln, Sofas, Perserteppichen, Kronleuchtern, einem Café und natürlich mit jeder Menge Bücherregalen ausgestattet, in denen die zahlreichen Neuerscheinungen isländischer Literatur bereitstehen – darunter 230 Übersetzungen, die … Weiterlesen

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Promis imponieren uns gar nicht

Letzten Samstag habe ich wahrhaftig einen fernsehprominenten Schauspieler im Dortmunder Westfalenpark gesehen. Er war offenbar zu Besuch bei Freunden, mit denen er auch auf den Kinderspielplatz ging.

„Na und?“ rufen sie jetzt unisono in Berlinhamburgmünchenköln und wenden sich wieder stärkeren Reizen zu.

In Dortmund, erst recht in weiten Teilen des sonstigen Ruhrgebiets, sind Promis im Stadtbild tatsächlich immer noch etwas Seltenes. Das wird sich auch mit dem neuen Dortmunder Status als „Tatort“-Stadt nur unwesentlich ändern.

Doch was soll’s. Man schert sich um bekannten Leute ohnehin nicht sonderlich. Von Glamour lassen sich hier eh die wenigsten blenden. Es gibt es genügend andere Sorgen (und Freuden).

Einst sah ich den Schriftsteller Walter Kempowski trübsinnig über den Ostenhellweg schleichen – offenbar unerkannt wie … Weiterlesen

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Ist die Finanzwelt etwa kulturlos?

Sie wird gern beschworen, die Gesprächskultur. Sie wird gern zitiert, die Unternehmenskultur. In vieler Munde ist sie, die Esskultur, oder auch die Tischkultur, beim Kochen spricht man häufig sogar von Kochkunst. Wir hätten auch noch die Diskussionskultur, Streitkultur oder sogar dann und wann Aussagen über Formen der politischen Kultur. Auffällig indes ist, das mit keinem zusammengesetzten Wort eine Bankenkultur oder Finanzweltkultur erwähnt wird, und zwar nirgendwo. Offenbar handeln dort kulturlose Wesen.

Gänzlich abwegig finde ich meine Vermutung nicht. Ein Merkmal von Kulturen ist es doch, dass sie Werte erschaffen. Aus einem Grundstoff (Stein, Lehm, Farbe, oder, oder …) etwas Neues bilden, ja selbst der gute alte Kapitalismus, er sollte, und tat das, wenn auch unter gewissem Druck, er schuf Neues … Weiterlesen

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Liebe und Staatsbankrott: „Lustige Witwe“ ist nicht so lustig

Valencienne (Dorothea Brandt) geht mit ihrem Mann Mirko (Miljan Milović) nicht immer so pfleglich um ... Foto: Andreas Fischer

Valencienne (Dorothea Brandt) geht mit ihrem Mann Mirko (Miljan Milović) nicht immer so pfleglich um … Foto: Andreas Fischer

Franz Lehárs „Lustige Witwe“ begeistert mit musikalischer Qualität und dramaturgischem Pfiff. Irgendwie scheint sie aber auch in unsere Zeit zu passen. Denn momentan wird zwischen Lübeck und Innsbruck auf mehr als ein Dutzend Bühnen versucht, der Dame ihre Millionen abzuluchsen. Allein in NRW intrigiert die pontevedrinische Diplomatie an vier Orten: ab Dezember in Düsseldorf, in Detmold ab 4. November in der Neuinszenierung von Holger Potocki und ab Silvester geht man in Dortmund an der Hand von Regisseur Matthias Davids ins Maxim. Im Barmer Opernhaus hatte Lehárs sensationelle Erfolgsoperette von 1905 am Samstag, 15. Oktober, ihre zweite Premiere – die erste fand … Weiterlesen

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Fiktive Bedrohung – Kettenreaktion im Ruhrgebiet

Einmal angenommen, in Nordrhein-Westfalen stünde ein Kernkraftwerk, welches tatsächlich ans Netz gegangen wäre. Angenommen, dieses Kernkraftwerk würde besetzt und das ganze Ruhrgebiet wäre von der Auslöschung bedroht, weil ein Superschurke und ein von Greenpeace gemobbter ehemaliger Schichtleiter die Finger am Knopf haben? Angenommen, die Krefelder Polizei hätte zeitgleich einen Mordfall, von dem ihnen nur ihr Bauchgefühl sagt, dass es ein Mordfall ist. Denn das Opfer ist zwar tot, es gibt nur dummerweise keine ersichtliche Todesursache.

Dies alles mal angenommen, haben wir die „Kettenreaktion“, den neuen Krimi von Sebastian Stammsen. Stammsen reihte sich im vergangen Jahr mit dem Computerspiel-Krimi „Gegen jede Regel“ in die Riege der erfolgreichen Ruhrpott-Krimi-Autoren ein. Er ist studierter Psychologe und war einige Jahre im baden-württembergischen Exil in … Weiterlesen

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Alles muss wohl immer lustig sein

Kürzlich wurde das Modell für das zukünftige Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof veröffentlicht. Mir hat das gläserne Stück gut gefallen – immerhin konnte man sich in der Regionalpresse ein Bild machen oder besser ansehen.

Eine typische Titelseite der FAZ

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fand sich dazu ebenfalls etwas: Eine Acht-Zeilen-Meldung im Feuilleton mit der Überschrift „Ein Klotz am Bahnhof“.

Da sollte wohl eine lustige Assoziation an den Volksmund geschaffen werden, von wegen „Klotz am Bein“, aber im Text findet sich keinerlei Bezug in diese Richtung. Das Museum wird ja auch kein Klotz, wie man sah. Auch ist nicht abzusehen, dass das Museum eine Belastung für den Bahnhof darstellen könnte, wie eine Analogie zu dem Idiom nahe legen könnte.

Vielmehr folgt … Weiterlesen

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Vom lautlosen Fall zum großen Crash

Kevin Spacey als Banker, der seine Leute zu Höchstleistungen anspornt (Copyright: Koch Media GmbH)

Die Krise naht unsichtbar, unerwartet, unaufhaltsam. Sie ist wie eine schwarze Sonne, die sich langsam über den Horizont unseres Verstehens schiebt. Ihre ersten Strahlen fallen in die Augen eines jungen Bankers, der ungläubig auf den Bildschirm seines Computers starrt.

Die Dateien auf dem USB-Stick, den sein Boss ihm bei seiner Entlassung noch rasch zustecken konnte, künden von der prekären Finanzlage seiner Bank: von Überschuldung in einer Größenordnung, die die gesamte Finanzwelt ins Wanken zu bringen droht. Je mehr der junge Mann begreift, was die Daten auf seinem Rechner bedeuten, desto dunkler und fiebriger beginnen seine Augen zu glühen. Es ist ein Moment, in dem Nietzsches Wort … Weiterlesen

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Café zur Sehnsucht – Dortmund zeigt Francesco Cavallis Oper „L’Eliogabalo“

Eliogabalo (Christoph Strehl, M.) lässt sich von den Intriganten Zotico (Hannes Brock) und Lenia (Elzbieta Ardam) beraten. Foto: Jauk

Es war kein Geringerer als Claudio Monteverdi, der den 14jährigen Francesco Cavalli 1616 als Sänger an den Markusdom von Venedig holte. Und dieser junge Eleve wurde im Laufe des Jahrhunderts zum wohl berühmtesten venezianischen Opernkomponisten. „La Calisto“ oder „La Didone“ entpuppten sich als Glanzlichter der Spätrenaissance, mit Wirkung weit über Italien hinaus.

Cavalli hatte indes auch das Glück des Tüchtigen. Denn sein Aufstieg in Venedig ging einher mit einem Boom an Theatergründungen. 1637 eröffnete das Teatro San Cassiano, bald gab es bis zu sieben Spielstätten. Die Gattung Oper, ganz jung noch, gewann an Statur. Und Cavalli war einer ihrer wichtigsten Baumeister. … Weiterlesen

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Happy Birthday, Paul Simon!

Zu den Klängen von „Bridge over troubled water“ himmelte ich das erste weibliche Wesen an, das sich mir ernsthaft in den Lebensweg stellte, nachdem wir tags zuvor gemeinsam ebenso andächtig Klaus Doldinger, Ingfried Hoffmann und Udo Lindenberg zugehört hatten. Damals puzzelten sie noch als „Simon and Garfunkel“ ihre Stimmen ebenso gekonnt wie trendy ineinander und klampften US-Zeitgeist gegen Swinging London. Paul Simon, der sich selbst für durchschnittlich talentiert hält, wird heute 70 Jahre alt und nutzte die Zeit allemal, ein paar der populärsten und wohl auch besten Songs der neueren Geschichte zu produzieren. Und am besten klangen die, wenn „Tom and Jerry“ (das war ihr Gründungsname um 1957) gemeinsam sangen.

Zu den Klängen von „Mrs. Robinson“ sah ich zum ersten … Weiterlesen

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Als Joseph Beuys nach Japan kam

29. Mai 1984: Joseph Beuys lächelt gequält und sieht ein bisschen verloren aus. Ein Suchender und Staunender, einer, der noch nicht recht weiß, was ihn dort, wo er gerade mit dem Flugzeug gelandet ist, erwartet. Von Kameras begleitet und beäugt, bahnt sich der erstmals von Düsseldorf nach Tokio gereiste Künstler seinen Weg durch die mit Koffern und Menschen verstopfte Ankunftshalle.

Beuys trägt, was ihm zur zweiten Haut geworden ist: den grauen Filzhut, die multifunktionale Weste, weißes Hemd, dunkle Hose, grobe Schuhe mit dicken Gummisohlen. Der Kunstprofessor, der schon mit Studenten Räume der Düsseldorfer Kunstakademie besetzt hielt und mit seinem Konzept ökologisch-ganzheitlicher Kunst für Aufsehen sorgte, ist freundlich, freut sich über die roten Rosen, die ihm seine Gastgeber überreichen. Ein harmloser, … Weiterlesen

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Bücher, die man nicht vermissen würde

Es schüttet aus Eimern, meine Laune tapst gleichen Schrittes mit dem tristen Oktobertag, ins Ohr schallt mir meine alte Kollegin Sabine Brandi, deren Thema im morgendlichen Hörertalk auf WDR5 Bücher sind, die unbedingt zu empfehlen seien. Die sollten doch Anrufer benennen, beschreiben, bejubeln. Weil das Wetter so mies, meine Laune so gleichschreitend und meine aktuelle Weltsicht so wenig sonnig, fällt mir sofort die Frage ein: Welche Bücher hätten nicht geschrieben werden müssen oder sollten demnächst auf keinen Fall geschrieben werden?

Fix antwortet meine innere Stimme: Allen voran eine Biographie des naseweisen liberalen Leisetreters Philipp Rösler, die hat aber schon mindestens eine Leserin, eine bundesweit bekannte Kanzlerin, die sich für nichts zu schade ist.

Ebenso wenig schreit die Welt danach, demnächst … Weiterlesen

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„Merlin“ – Isaac Albéniz‘ wirrer Opernschinken in Gelsenkirchen

König Arthur (Lars-Oliver Rühl) hält das Schwert des Mächtigen. Foto:MiR/Beu

Endlich mal keine „Carmen“, „Traviata“ oder „Zauberflöte“ – allesamt Opernhits, die landauf, landab heruntergenudelt werden. Dafür bekommen wir „Merlin“. Das ist der Zauberer aus der Artus-Sage. Das ist hehrer Stoff, große Oper, ja großes Kino. Da hat sich schon Richard Wagner prächtig bedient, haben sich unzählige Literaten, später Filmemacher inspirieren lassen.

„Merlin“ also. Das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR) lädt zur Deutschen Erstaufführung einer Oper, die indes schon über 100 Jahre alt ist. Sie stammt von dem Spanier Isaac Albéniz. Geschrieben auf das Libretto eines reichen Briten namens Francis Burdett Money Coutts. Ein exzentrischer Kauz und glühender Wagnerianer, der sich im wahnhaften Wetteifern mit dem Bayreuther Meister an einer Artus-Trilogie … Weiterlesen

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Deutscher Buchpreis 2011 für ostdeutschen Familienroman

Es ist amtlich. Der vorher als haushoher Favorit gehandelte Eugen Ruge ist der Gewinner des  diesjährigen deutschen Buchpreises. Er gewann den angesehenen Preis für seinen Familienroman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Die Jury des Börsenvereins des deutschen Buchhandels begründete: „Es gelingt ihm, die Erfahrungen von vier Generationen über fünfzig Jahre hinweg in einer dramaturgisch raffinierten Komposition zu bändigen.“

„In Zeiten des abnehmenden Lichts“ erzählt Ruge anhand einer sich über 4 Generationen erstreckenden ostdeutschen Familiengeschichte das Epos vom allmählichen Untergang der DDR und der sozialistischen Ideologie. Kaleidoskopartig erzählt er in wechselnden Perspektiven von bröckelnden Mauern sowie vom bröckelnden Familienzusammenhalt. Mit der Geschichte des Powileit/Umnitzer-Clans bewahrt Ruge weite Teile der Geschichte seiner eigenen Familie. Einer Familie, die zum mit der Mauer untergegangenen … Weiterlesen

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Schicksal und Geschichte: Prokofjews „Krieg und Frieden“ in der finanziell gebeutelten Kölner Oper

Ein großer Erfolg zur Eröffnung der Saison der Kölner Oper! Sergej Prokofjews „Krieg und Frieden“ nach dem Roman Lew Tolstois sorgte nicht nur für begeisterte Kritiken, sondern bei der letzten Vorstellung auch für einen Beinahe-Tumult vor der Kasse: Hätte der Intendant nicht kurzfristig Stehplätze zur Verfügung gestellt, wären wohl einige Opernbesucher frustriert nach Hause gegangen.

Der Krieg: Matthias Klink als von Schmerz und Qual gekrümmter Pierre Besuchow - eine der drei Hauptfiguren von Prokofjews Oper. Foto: Karl und Monika Forster

Der Krieg: Matthias Klink als von Schmerz und Qual gekrümmter Pierre Besuchow - eine der drei Hauptfiguren von Prokofjews Oper. Foto: Karl und Monika Forst

Mit „Krieg und Frieden“ hat Uwe Eric Laufenberg, seit 2009 amtierender Intendant der Oper, einen zweiten grandiosen Erfolg verbuchen können – nach der bejubelten Uraufführung von Karlheinz Stockhausens „Sonntag aus Licht“ in der vergangenen Spielzeit. Doch die künstlerischen Großtaten, obwohl … Weiterlesen

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„Die Lincoln Verschwörung“: Gleiches Recht für fast alle

Um das gleich am Anfang zu klären, es geht hier nicht um die Hintergründe und den Ablauf der Verschwörung, die zu Lincolns Ermordung durch John Wilkes-Booth führte, sondern zu dem nachfolgenden Prozess der überlebenden Attentäter und der Mutter zweier Mittäter. Es ist allerdings ein Kostüm- und Historienfilm, ein Genre, das ich nicht so auf mein Banner geschrieben habe. Andererseits fand ich das Thema vom Grundsatz her interessant genug, um mir den Film anzusehen.

Robert Redford als Regisseur von „The Conspirator“ (Originaltitel) ist ein Fürsprecher der Gerechtigkeit für alle. Er hat inzwischen sieben Filme inszeniert, von denen ich besonders „Ordinary People“ sehr positiv in Erinnerung habe.

Hier also stehen die überlebenden Verschwörer und alle, die mit ihnen zu tun hatten, nun … Weiterlesen

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Serientäter in Bochum – der neue Krimi von Theo Pointner

Vier Jahre haben treue Leser warten müssen, bis Kommissarin Katharina Thalbach und ihre Kollegen von der Bochumer Kripo zum zehnten Mal ermitteln. Band 9 „Highscore“ endete mit einem Cliffhanger erster Güte. Die Frage, ob Ex-Mann und Sohn der smarten Kommissarin ein Attentat überlebt haben, blieb offen.

Autor Theo Pointner hatte ob dieser langen Wartezeit ein Einsehen und spannt seine Leser in Band 10  „Abgesang“ nicht allzu lange auf die Folter. Schon auf den ersten Seiten wird die drängende offene Frage aufgelöst. Doch viel Zeit haben Katharina Thalbach, ihr – zur Überraschung aller – neuer Chef Berthold Hofmann und das Team nicht, sich um ihr Privatleben zu kümmern. Eine widerwärtige Mordserie hält Bochum in Atem. Ein Psychopath von äußerst brutalen Ausmaßen … Weiterlesen

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„Melancholia“ – Poetischer Weltuntergang auf leisen Sohlen

Im ersten Teil des Films, „Justine“ (gespielt von Kirsten Dunst), befinden wir uns im eleganten Clubhaus eines Golfplatzes, wo ihre Hochzeit mit Michael (Alexander Skarsgard, Sohn vom berühmten Stellan, der in jedem skandinavischen Film präsent ist, und auch hier mitspielt) gefeiert werden soll. Arrangiert wurde die Fête von Schwager John (Kiefer Sutherland), der nicht aufhören kann zu betonen, wieviel Geld er für dieses Fest ausgegeben hat. Alle Freunde, Verwandte und Kollegen warten schon seit langem auf die Braut. Aber zwei Stunden zu spät – der wedding planner (Udo Kier) ist ein Nervenbündel – betritt sie lächelnd den Saal, und das Festessen kann beginnen. Tafel und Gesellschaft erinnern an „Festen“ von Thomas Vinterberg, allerdings nur optisch.

Es wird bald klar, dass … Weiterlesen

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Der preußische König zeigt sich milde

Von Überfällen auf Spielhallen oder über dreiste Handtaschenräuber liest man heutzutage, wenn die Polizei ihren Tagesbericht abliefert. Früher, als die Menschen noch quälenden Hunger kannten, ging es noch direkter zu: Da wurden sogar Grundnahrungsmittel wie Getreide gestohlen.

In Berlin saß ein milder König. (Foto: Pöpsel)

Für den Bereich Schwelm ist aus dem Jahr 1795 eine regelrechte „Hungerrevolte“ überliefert. Wenn es in Notzeiten zu Getreideknappheit kam, hatten die Magistrate der Städte die Aufgabe, die vom preußischen Staat verordneten Korn-Ausfuhrverbote und die Einschränkung des Branntweinbrennens zu überwachen. Weil im Winter 1794/95 in der Grafschaft Mark die Brotpreise sprunghaft in die Höhe schnellten, griff die Not leidende Bevölkerung von Schwelm zur Selbsthilfe, indem sie Fuhrwerke mit Getreide überfiel, das trotz des Verbots in … Weiterlesen

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Gegen die Wand – eine milde Brandrede

Muss alles erst in den USA ausbaldowert werden, kommerzialisiert oder erfunden werden, bevor es nach Europa schwappt? In der Popmusik war das so (Ausnahme: Beatles), in der Filmgeschichte sowieso, in der Mode ab und an, im Bereich political correctness bis zum Erbrechen. Endlich und sicher zu spät protestieren dort in den Zentren (wie immer, denn der Landmann will ein Cowboy sein) die Menschen gegen all das, was das soziale Gefüge in Gänze zu zerstören droht: Gegen das Finanzsystem. Man konnte auch sagen: Gegen kriminelle Dummheit und Angst der Entscheidungsträger in der Politik, die es sicher nicht mehr sind, aber meinen, es noch sein zu können if they still have guts.

Deutschland schläft und die, die Autos abfackeln, sind dumme Pappnasen. … Weiterlesen

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Sole Sentry rocken plugged und unplugged in der Hafenliebe

Kieron Gerbig - Foto: Sabine Musik

Kieron Gerbig - Foto: Sabine Musik

Die bisher im Bam Boomerang beheimatete Dienstag-Reihe „tuesday live“ bietet ab jetzt in der Dortmunder Hafenliebe lokalen Bands eine Bühne. Sole Sentry, die in Kulturcafés, Diskotheken und sogar Heavy-Metal-Kneipen, ein Standbein im Live-Sektor gefunden haben, werden am 11. Oktober in der Hafenliebe plugged und unplugged auftreten. Die Band um den gebürtigen Australier Kieron Gerbig verlangt von sich Tiefe, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Rock. Im Interview erzählt Kieron, wie sich die Band entwickelt hat und warum er es liebt, seine Musik so zu präsentieren, wie sie auch geschrieben wurde.

Am 11. Oktober spielt ihr in der Hafenliebe in Dortmund. Die so genannte „Dienstags-Reihe“ soll lokalen Newcomer-Bands eine Plattform geben. Doch so neu seid … Weiterlesen

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Theater auf Feldforschung und im Verschnittversuch

Zwei kleine Theatererscheinungen der letzte Tage, ein „Stück“ und ein „Tanzstück“, in Dortmund und in Köln gezeigt, drängen zum Nachdenken über den Nachwuchs.

Beginnen wir in Köln. Auf der „Bühne der Kulturen“ sieht man „Aus Drei mach Eins“, ein Versuch, drei kleine Tanzstücke zu einem abendfüllenden zu verknoten. Es ist ein Versuch und als solcher wird er auch vermittelt. Die Reihe „Next Generation“ sagt uns, hier sieht man was, was noch Zeit braucht, aber kommen wird. Aus dem Solo „Kehrseite“ von und mit Annekatrin Kiesel, dem Duo „Human inside“ mit Cornelia Trümper und Arthur Schopa und dem Musik/Tanz-Duo „Subcontinenscious“ mit Photini Meletiadis und Laurenz Gemmer wurde ein Abend zusammengesetzt. Muss nicht sein, aber einen Versuch war es wert.

Die einzelnen … Weiterlesen

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Verehrter Apfel

Steve Jobs ist tot – und natürlich ist das traurig, wie es bei beinahe jedem Menschen traurig ist, wenn er stirbt, zumal so jung. Und sicherlich war Steve Jobs ein Visionär, einer, der nur wenige Grenzen im Denken akzeptiert hat, der neue Wege gegangen ist und den Umgang mit Handys, Computern, Musik verändert hat. Der beinahe religiöse Hype aber, der jetzt um seine Person gemacht wird, ist mir fremd. Manchen gilt dieser Mann, der doch auch nur Mensch war, schon beinahe als Erlöser, dem seine Jünger folgen, ohne auch nur die geringste Kritik zuzulassen.

Warum?Ein Apfel ist ein Apfel ist ein...

Weil er dafür gesorgt hat, dass wir auf einem Handy mit Wischbewegungen Fotos, Musik, E-Mails verwalten und allerlei andere Spielereien nutzen können?

Weil er mit … Weiterlesen

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Hier daafsse nichma bekloppt werden!

Materialien zur psychotherapeutischen Behandlung des Ruhrgebiets

 

Die Statistik ist wohl nicht mehr taufrisch, doch bemerkenswert: Im Ruhrgebiet warten Klienten im Schnitt 17 Wochen auf psychotherapeutische Hilfe. Im Bundesdurchschnitt sind es 12,5 und im Osten der Republik 16,1 Wochen. Grund für die offenbar eklatante Unterversorgung: In anderen Großstädten werden rund 40 Therapeuten je 100 000 Einwohner zugelassen, im Revier nur ungefähr 10.

Diese Zahlen hat Prof. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung (Ausgabe vom 6. Oktober) genannt.

Welche Schlussfolgerungen könnten sich daraus ergeben? Ein paar knappe Ansätze:

Die spontane Reaktion: Wieder ein Bereich, in dem das Ruhrgebiet trübe Schlussfunzel ist und pfeilgrade mal wieder die „Süddeutsche“ das Elend aufgreifen kann. Zwischen Duisburg und Dortmund … Weiterlesen

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Löwenhaftes oder: Mitteilbarkeit des Nicht-Mitteilbaren

Zwei, drei Tage lang hat mich „Blumenberg“ begleitet, dieses neue Buch der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, wodurch und weswegen ich fortan dankbar dafür bin, dass es sie und ihre Sprache, ihre Art des Schreibens, gibt. Lewitscharoffs Roman hat mich begleitet und begleitet mich noch, fast so wie im Buch der Löwe den Blumenberg.

Sehr gut hat mir schon das kräftige, das atmende erste Kapitel gefallen, so gut, dass ich spontan innehalten, den Romanfortgang in der Schwebe lassen wollte, um den eröffneten Spielraum des Möglichen durch zwangsläufig immer größer werdende Bestimmtheit nicht allzu schnell antasten zu lassen. Andererseits wollte ich meiner Neugier zugestehen noch etwas mehr zu erfahren und geriet sogleich verlockt ins 2. Kapitel.

Und so hatte ich alsbald beides vor … Weiterlesen

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Murray Perahia: Pianist an Schumanns poetischer Seite

Der Pianist Murray Perahia. Foto: Sony/Klavier-Festival Ruhr

Robert Schumann, Meister musikalischer Poesie, hat in seinen Melodien oft eine rührende Unschuld zum Ausdruck gebracht. Geradezu exemplarisch zeigt sich dies in den 13 Charakterstücken des Klavierzyklus „Kinderszenen“ – romantischer Rückblick auf die ersten, für den Komponisten die schönsten Jahre eines Menschen.

Wenn Murray Perahia in der Philharmonie Essen nun die „Kinderszenen“ spielt, in sanfter Klarheit, die darin enthaltene „Träumerei“ mit Gefühl, aber ohne Süße, dann stellt sich der amerikanische Pianist ganz in den Dienst der Romantik, an die Seite Schumanns. Was auch bedeutet, dass der Interpret die geforderte Virtuosität allein als Mittel zum Zwecke des größten Ausdrucks anwendet.

Perahia, dem die Liebe zur Melodik eigen ist, der Linearität höher stellt als Struktur, … Weiterlesen

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Dortmunder Saufraum – Never ending story

Jetzt will die Dortmunder Verwaltung den Saufraum, der tatsächlich so genannt wird, in einer ehemaligen Kneipe unterbringen. Besser geht’s wirklich nicht. Das kann man nicht erfinden. Gag-Schreiber würden damit vom Hof gejagt. Das zeigt wieder einmal, dass die Wirklichkeit die besten Zoten bietet. Im ehemaligen „Gypsy‘s“ noch dazu. Ich schlage vor, den Namen beizubehalten. Das wirft wenigstens ein paar Klischees durcheinander. „Schluckspechte beim Zigeuner“ – ein schöner BILD-Titel.

Aber inzwischen beschleicht mich die Vermutung, es handele sich hier um den einzigen und wirkungsvollen Schabernack, die sich eine Kommune leistet. Der „Saufraum“ ist eine Erfindung und wird zu einem Kunstprojekt. Ob da Jochen Gerz seine Finger im Spiel hat? Vielleicht gibt es dafür schon Besucherschulen. Kann sein, dass der Saufraum Schule … Weiterlesen

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