Das Wort zum Wochenende

 

Westfalenstadion Dortmund, Südkurve, beim Spiel BVB - Hannover 96 am 2. April 2011 (Foto: Bernd Berke)

Westfalenstadion Dortmund, Südkurve, beim Spiel BVB - Hannover 96 am 2. April 2011 (Foto: Bernd Berke)

Es waren die Wochenenden, die vor langer Zeit viel erlebnisreicher waren.

Schon freitagabends ging es los, meist pünktlich um 20.30 Uhr. Bis zum Sonntagabend hielt dieses schier unbeschreibliche Gefühl an. Es waren junge Männer, die uns in den Bann zogen. Junge Männer in kurzen Hosen und Kniestrümpfen, farbenfroh gekleidet, im liebevollen Umgang mit einer Lederkugel. Dazu pfiff ein gestrenger Herr ein fröhliches Liedchen. Man nannte ihn zärtlich „Schiri“.

Wer erinnert sich nicht mit viel Wehmut an Szenen, wenn z.B. einer dieser tüchtigen Kerls seinen Schlappen ausfuhr zur Blutgrätsche? Oder gar den Ellenbogen in Richtung Halsschlagader? War das ein heiteres Bodychecken (Körpertasten)! Wir saßen alle um das bengalische Feuer, zusammen mit eifrigen Kuttenträgern, die ihrerseits ebenfalls immer bereit waren zum intensiven Körpertasten. Stimmungsvolle Choräle begleiteten das festliche Hochamt.

Die Messe dauerte in der Regel 90 Minuten, unsere Monstranz nannte sich Tabelle. Wir alle waren tiefgläubig.

Nun sind die Wochenenden trist und leer. Schon seit langer Zeit sind wir auf der Suche. Wo ist der Sinn, der Halt, der Anstoß?

Oh Herr, gibt sie uns zurück! – die LIGA!




Denkwürdige Vokabeln (4): „Wulffie“

Ich möchte mich heute einmal mit einer denkwürdigen, des Nachdenkens würdigen bzw. merkwürdigen Vokabel beschäftigen, die es vor ein paar Stunden noch gar nicht gab, für die viele vermutlich die Urheberschaft reklamieren, die ich nun aber mal einfach erfinde: Diese Vokabel lautet „Wullfie“.

Sie ist zusammengesetzt aus dem Nachnamen eines Bundespräsidenten, der sich selbst als „Anfänger“ bezeichnet, daher auch sein nicht anfangendes, also beginnendes, sondern andauerndes keineswegs würdiges Verhalten, für das er sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit entschuldigt, und dem anglophonen „-ie“, das so ein wenig verniedlicht, Welpenschutzfunktion signalisieren soll. Was bedeutet diese Vokabel? Sie kennzeichnet zukünftig einen jeden Neuankömmling in einem Staatsamt, das höher angesiedelt ist, als sein vorangegangenes.

„Wulffie“ ist also der „Rookie“ oder der „Newbie“ der politischen Ämter, er wirkt ein wenig bärenbabytapsig, kann zwar schon Lebenserfahrung durch sonores Bariton-Auftreten heucheln, macht aber dann und wann noch Fehler, weil er ja ein „Anfänger“ ist, und wer wird es wagen, dem einen vorwurfsvollen Stein entgegen zu schmeißen?

Wulff-lastig: Ein Teil der Tagespresse vom 5. Januar 2012 (Foto: Bernd Berke)

Wulff-lastig: Ein Teil der Tagespresse vom 5. Januar 2012 (Foto: Bernd Berke)

„Wulffie“ das ist einer, der gern als Hai durchs Becken schwimmt, das selbige aber zornig als Haifischbecken geißelt, verfolgt ihn ein wesentlich größerer und zahnreicherer Artgenosse.

„Wulffie“ das ist einer, der das eigene Ich für viel wichtiger hält, als das Amt, das er ausübt, was zwar vielen seiner Kaste so vorkommt, aber erst durch anhaltenden Realitätsverlust einer solchen Person zur Real-Karikatur mutiert.

„Wulffie“, das ist das erschütternde Beispiel dafür, das man rückblickend sogar einen Helmut Kohl schätzen lernt, weil der zumindest bauernschlau und nicht nur südniedersächisch provinziell war.

So, nun habe ich genug auf eine Vokabel geschimpft und eine Person gemeint. Es gibt aber noch eines, was ich für verheerend halte. Das allgemeine Verhalten im Lande, das es gern unternimmt, zunächst kritiklos jemanden toll zu finden, Christian Wulff beispielsweise, oder einen Freiherrn aus Guttenberg’schem Hause, und anschließend ganz schlimm. Vielleicht wäre es eine neue, angenehmere Umgangskultur, von Beginn an ein wenig skeptischer zu sein, und sich vielleicht angenehm überraschen zu lassen. Dann gibt es aber auch die ewigen Entschuldiger. Sie unterscheiden sich extrem von einem „Wulffie“, weil es sein gutes Recht ist, sich auf – wenn auch einfältige Weise zu verteidigen. Sie haben nichts Unanständiges getan, nehme ich mal an, sie schimpfen immer wieder gern auf Beschreiber des unanständigen Tuns Prominenter. So als wären die an allem Schuld und nicht der Handelnde. Ulkige Veränderung in den Betrachtungsweise von denkwürdigen Handlungsweisen: „Der wäre ja blöd, wenn er den Vorteil nicht annähme!“

Folgerung: Wer so denkt, meint vielleicht, dass es schade sei, dass er selbst nicht in der Lage gerät, wie „Wulffie“ zu handeln. Denkwürdig, des Bedenkens würdig, merkwürdig: Schuldbewusstseinsverluste nicht nur beim Handelden, sondern auch bei vielen, die dem Handeln zuschauen.