Historisches Stichwort: „Landwehr“

Wer das Wort „Landwehr“ hört, denkt an die Vorläufer der Wehrpflicht, an stehende Heere und an Berufssoldaten. Das Wort Landwehr hat aber auch eine andere, sogar noch ältere Bedeutung, und wer in den ländlicheren Teilen des südlichen Ruhrgebiets, im Bergischen oder im Münsterland spazieren geht, der kann sogar auf die Reste dieser Landwehren stoßen.

Reste der Landwehr im Süden von Ennepetal

Der Begriff bezeichnet lang gestreckte Erdwälle, die im Mittelalter angelegt wurden, um das Territorium gegen Eindringlinge zu schützen oder um Räuberbanden die schnelle Flucht vor allem mit Fuhrwerken zu vereiteln. Die Landwehren waren bis zu 18 Meter breit und folgten im Wesentlichen der Landesgrenze, zum Beispiel zwischen dem Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark. Diese Grenze besteht heute noch als Grenzlinie zwischen Rheinland und Westfalen, also zwischen den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf auf der einen und Arnsberg auf der anderen Seite.

Zwischen Elberfeld, Barmen und Schwelm, Ennepetal, Radevormwald, Breckerfeld und Halver kann man an vielen Stellen diese Erdwälle noch in der Landschaft sehen. Sie wurden oft schräg zum Hangabfall angelegt, um das Übersteigen zu erschweren. An Wegen wurden sie unterbrochen, dort befand sich dann der Schlagbaum zur Kontrolle und Mautkasse. Viele Ortsteilnamen deuten heute noch auf diese Funktion hin. Aus einer dieser Zollstationen ist das Örtchen Filde entstanden, und dieser Flecken hat daher noch eine Besonderheit: Die Grenze verläuft mitten durch den Ort, so dass er zwei verschiedene Ortseingangsschilder hat. Auf einem steht „Filde. Stadt Breckerfeld. Ennepe-Ruhr-Kreis“ und auf dem anderen „Filde. Stadt Radevormwald. Oberbergischer Kreis“. Entsprechend müssen die einen Bewohner ins rheinische Rathaus von Radevormwald oder in das Gummersbacher Kreishaus, die anderen fahren ins westfälische Rathaus von Breckerfeld oder ins Schwelmer Kreishaus.

Übrigens hat sich die Grenze auch in den Trinkgewohnheiten erhalten: Auf der einen Seite der Landwehr wird in den Kneipen Kölsch oder Alt gezapft, auf der anderen Seite gibt es westfälisches Pils, doch auch diese Grenze wird immer mehr durch bayrischen Weizen-Einfluss aufgeweicht. Das sieht man sogar schon in der Bierstadt Dortmund.




Meilensteine der Popmusik (4): The Mamas and the Papas

Kalifornien 1966: Sonne out, Strand out, Surf out. Nach der ersten großen Drogen-Welle und mit den Songs von Bob Dylan hatte sich die Welt verändert. Als Amerikas Engagement in Vietnam eskalierte, gab es neue Schlagworte: „love and peace“, „make love not war“. Die Studenten von Berkeley waren die ersten, die friedlich rebellierten. Der anrückenden Nationalgarde steckten sie Rosen in die Gewehrläufe. Die Gesellschaft war irritiert, bisweilen sogar schockiert. Auch hierzulande machten sie sich langsam breit; in den Augen des Nachkriegsspießbürgers waren sie nur langhaarige Nichtsnutze, diese „Gammler“. Wer sich rechtzeitig informiert hatte, sprach auch schon von „Hippies“. Das alles ließ sich schon damals toll vermarkten. Die Mode-Industrie setzte auf Parka, Boots und Blümchen. Und auch die übergroßen Beatles sangen ein Jahr später „All you need is love“. Mit Blumen im Haar machten sie Kasse mit der neuen Masche: Flower Power.

Die unumstritten erfolgreichste Vokalgruppe dieser Zeit lag optisch im Trend, und der hieß damals schon: Gleichberechtigung. THE MAMAS AND THE PAPAS – fast zehn Jahre vor ABBA die erste Gruppe, die unentschieden ausging – zwei Frauen, zwei Männer. Hinter den Kulissen ging es jedoch eher konventionell zu. Kopf der Truppe war John Philips. Er war verheiratet mit einer hübschen Mama und Mitsängerin, Holly Michelle Gilliam. John war auch verantwortlich für den schlichten Gruppennamen, der ursprünglich „Magic Circle“ (Magischer Kreis) lauten sollte. Doch zwischenzeitlich sah John ein Interview im Fernsehen mit einem Mitglied der Hells Angels. Dieser Rocker erzählte dem Reporter, „einige Leute bezeichnen unsere Frauen als billig, wir aber nennen sie liebevoll ‚MAMAS'“. Papa Nr. 2 war Dennis Doherty, wie die hübsche Michelle eher ein blasser Mitläufer. Aber die zweite Mama, die hatte es in sich: Ellen Naomi Cohen hatte seit frühester Kindheit einen Spitznamen: Cassandra, kurz Cass. Ein anderer Nachname musste auch noch her, und die schwergewichtige Cass Elliot entsprach dann wohl auch am ehesten den Vorstellungen die man landläufig von einer Mama hat. Doch ihr wahres Pfund war ein künstlerisch wertvolles: ihre Stimme, sie wurde zum absoluten Höhepunkt dieser Gruppe.

Zu ihrem Plattenvertrag kamen THA MAMAS AND THE PAPAS durch ihren Freund Barry Mc Guire, der mit „Eve Of Destruction“ schon einen Welthit abgeliefert hatte. Produzent Lou Adler war vor allen Dingen von den Songs begeistert, die John Philips geschrieben hatte. Einer davon, „California Dreaming“, wurde mit Barry Mc Guire aufgenommen. Die vier durften zuerst nur im Hintergrund trällern. Das änderte sich, als man die erste LP der Gruppe produzierte: „If you can believe your eyes and ears“. Die Stimme von Barry Mc Guire wurde einfach gelöscht, und der erste Hit von THE MAMAS AND THE PAPAS war perfekt. Die US-DJs stürzten sich auf das Album, nahmen aber noch einen weiteren Titel in ihr Powerplay, und zwangen die Plattenfirma, schneller als üblich diesen zweiten Song zu veröffentlichen. John Philips hatte das Lied bei der Produktion gegen den Widerstand der anderen Gruppenmitglieder durchgesetzt, und er sollte recht behalten. Das etwas dümmliche, vom Text her nichtssagende „Monday, Monday“, wurde weltweit der größte Erfolg der Gruppe. Dazu kamen auf der LP der Beatles-Song „I Call Your Name“, und neue Versionen der Oldies „Spanish Harlem“ und „Do You Wanna Dance“. Eine friedlich-fröhliche Pop-Platte, die damals zu den eher aufwendigen Plattenproduktionen zählte.

Viele Gruppen wie z.B. ABBA oder The Bangles haben sich Jahre später noch am Stil von THE MAMAS AND THE PAPAS orientiert. Dabei dauerte der Spuk nur ganze zwei Jahre, dann trennte man sich. Die schöne Michelle wollte nun endlich Schauspielerin werden – und scheiterte. Der blasse Dennis wurde noch blasser. John Philips hatte als Solist nur einige Achtungserfolge. Allein Mama Cass konnte sich stimmlich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Doch gerade sie wurde zur wirklich tragischen Figur dieser Gruppe. Ihre ausgeprägte Fresslust und ihre Vorliebe für Schock-Diäten wurden ihr zum Verhängnis. Drogen- und Alkoholexzesse taten ein Übriges.  Am 29. Juli 1974 starb Mama Cass in London, in der Wohnung ihres Musikerkollegen Harry Nilsson. Diagnose: Herzversagen. Drei Jahre vorher hatten THE MAMAS AND THE PAPAS noch ein Comeback versucht – vergeblich. Was bis heute übrigblieb, ist vor allen Dingen ihre erste LP – und die Erinnerung für viele (mittlerweile) Omas und Opas…

\“California Dreaming\“ – THE MAMAS AND THE PAPAS