Wer erweckt dieses frühere Kino zum Leben?

Blick durch die geschlossene Glastür: Foyer des früheren Film-Casinos in Dortmund. (Foto: Bernd Berke)

Blick durch die geschlossene Glastür: Foyer des früheren Film-Casinos in Dortmund. (Foto: Bernd Berke)

Ich muss gestehen: Ich bin überrascht. Heute habe ich bei Facebook das auch hier beigegebene Foto eingestellt und folgende Zeilen daneben gesetzt:

„Eine Schande, dass dieses Dortmunder Innenstadt-Kino seit Jahren geschlossen ist und vor sich hingammelt. Es ließe sich was draus machen. Dann müssten ‚nur noch’ ein paar Leute kommen und Filme gucken.“

Mit der Vielzahl qualifizierter Wortmeldungen und „Gefällt mir“-Markierungen, die diese knappe Äußerung hervorgerufen hat, hätte ich nicht gerechnet.

Bei dem früher ausgesprochen schmucken Kino handelt es sich ums einstige Dortmunder Film-Casino (Passage am Ostenhellweg, gegenüber von C & A), das 1956 den Spielbetrieb aufgenommen hat und bereits seit dem Jahr 2000 leersteht. Letzter Betreiber war Hans-Joachim Flebbe.

Wenn man durch die Glastür schaut, ahnt man noch heute, welch ein Kleinod hier verloren gegangen ist.

Jedes Mal, wenn ich daran vorbeigehe, frage ich mich, wie dieser Ort wohl wieder zum (kulturellen) Leben erweckt werden könnte. Ich denke, dass man hier (für einen winzigen Bruchteil der Kosten des „Dortmunder U“) beispielsweise eine prächtige Stätte etwa für so genannte „Kleinkunst“ und musikalische Darbietungen hätte schaffen können. Allerlei kulturelle Mischformen wären möglich gewesen, die diese Stadt gewiss bereichert hätten. Theater, Literaturhaus, Café. Der kombinatorischen Phantasie wären zunächst einmal keine Grenzen gesetzt. Nur als reines Kino dürfte man die Immobilie wohl nicht mehr betreiben, denn Dortmund ist alles andere als eine Cineasten-Stadt und hat mit Roxy, Camera sowie Schauburg Lichtspielhäuser, die den örtlichen Bedarf decken.

Manche Reaktionen aufs heutige Facebook-Posting haben gezeigt, dass dennoch auch einige andere Leute von einer neuen Nutzung träumen. Einer rief gar spontan aus: „Also, wer traut sich???“ Mit anderen Worten: Wer nimmt das Herz und das Geld in die Hand, um hier etwas zu bewirken?

Was das Herz angeht, scheint es etliche Leute zu geben, die dazu bereit wären. Eine Legende der Dortmunder Szene gibt gar zu Protokoll, er habe schon kurz nach der Kino-Schließung versucht, hier mit tragfähigem Konzept einzusteigen – leider vergebens.

Inzwischen, so andere Stimmen, wäre es schon baurechtlich (Brandschutz etc.) nahezu unmöglich, hier wieder eine „Versammlungsstätte“ zu gründen, mit welchem Konzept auch immer. Die Pacht, so heißt es weiter, sei dem Vernehmen nach exorbitant hoch angesetzt und schrecke etwaige Interessenten ab. Auch ist von einer offenbar hartleibigen Eigentümerin die Rede, die nicht mit sich reden lassen wolle. Wer könnte das Eis brechen? Oder sind schon alle Chancen vertan?

Zu vermuten steht, dass das ehemalige Kino seit zwölf Jahren (außer Verdruss) gar nichts mehr einbringt und somit totes Kapital darstellt. Ein absurder Zustand.




Politisch korrekte Straßennamen oder die Sucht nach Verdrängen

In Münster fällt es vielen aus heiterem Himmel ein: Hindenburgplatz, geht doch nicht, der war ja Steigbügelhalter des Unaussprechlichen. Oder: Agnes Miegel, kann man doch in einer gescheiten Kulturstadt keine Straße nach benennen, die reimte doch nicht nur im Blut-und-Boden-Wahn, sondern glühte gar nicht still und auch nicht heimlich den Gröfaz an. Eine Kommission wird ins Leben gerufen und forstet im Münsteraner Straßenschilderwald herum, ob denn noch mehr unwerte Namen aus ihm zu tilgen seien.

Damit wir uns nicht missverstehen. Ich halte keinen Platz für geeignet, den Namen Hindenburgs zu tragen. Ich bin ebenso wenig der Ansicht, dass die Droste des Ostens (sorry Annette von …, das hast Du nicht verdient, aber so nannte man die Miegel gern) es verdient hätte, dauerhaftend in unserem Gedächtnis zu verweilen (fand selbst ihr nicht gar so verdächtiges Wortgedudel schon als Schüler erbärmlich). Aber da entpuppen sich Gutmeinende wieder einmal als Vorantreiber des Verdrängens, Vergessens und Verächtens. Getreu dem Motto: Was wir nicht mehr sehen, lesen, wahrnehmen können, das hat dann auch wohl so nicht stattgefunden.

Wollte man ganz konsequent sein, dürfte man auch keine Straße nach dem "Franzosenfresser" Ernst Moritz Arndt benennen. (Foto: Bernd Berke)

Wollte man ganz konsequent sein, dürfte man auch keine Straße nach dem "Franzosenfresser" Ernst Moritz Arndt benennen. (Foto: Bernd Berke)

Nun, dann sollten die Hüterinnen und Hüter eines politisch korrekten Straßenraumes aber auch richtig konsequent sein. „Jahnstraße“, ganz schnell weg damit. Denn der Turnvater (ich kann mich noch bestens an verehrende Augen meiner Lehrer erinnern) gab schon lange vor der Zeit des Unaussprechlichen üblen Antisemitismus von sich. Lützowstraße, auch fort damit, kriegerischer Unrat – oder nicht, nannte sich damals doch Befreiungskriege. Sauerbruch sollte auch kein Pate sein. Der hat dem verletzten Putschisten – dem Unaussprechlichen – in München mal die Schulter behandelt. Aber auch mal einen Sozialdemokraten kuriert. Aber auch den Mörder von Kurt Eisner zusammengeflickt. Und flugs ward der Professor, als die braunen Machtverhältnisse ganz klar waren, ein Aufrufer zum hippokratischen Glaubensbekenntnis für den unaussprechlichen Adolf Hitler, dessen Namen völlig zu Recht kein Straßenschild mehr tragen darf.

Vermutlich wäre eine Schwarz(braun)Liste aufzustellen, die beliebig zu verlängern ist. Ich will es aber abkürzen. Vielleicht entspricht es ein wenig der germanischen Mentalität, einerseits unbeliebte historische Zeiträume aus dem öffentlichen Bild zu tilgen, gleichzeitig deren Vertreter aber in lebender Form – sofern von Nutzen – weiter im öffentlichen Raum agieren zu lassen. Die Nachkriegsjahre belegen das sehr deutlich. (Ähnlich ging es im nachhinein betrachtet zu, als die ehemalige DDR der nach wie vor BRD angeschlossen wurde.) Ein Vorschlag, der möglicherweise allen Verehrern des Siegers von Tannenberg ebenso gerecht wird wie den ebenso zahlreichen Kritikern: Nennen wir nicht nur Straßen, sondern auch Kasernen zukünftig ausschließlich nach unverfänglichen Paten. Blumen zum Beispiel. Ach nein, das wäre ja auch öde. Und ließe es zu, dass wirklich werte Zeitgenossen auch in Vergessenheit geraten könnten. Also plädiere ich für echte und gern auch ächtende Konsequenz, sofern das geht und wirklich gewollt wird.