Der „Alte Fritz“ in ungeahnter Vielfalt

Friedrich in Öl und mit dem Dreispitz in der Hand. Friedrich als Schlachtenlenker und als volksnaher Staatsdiener im Gespräch mit den Bauern. Friedrich in Porzellan und in stolzer Herrscherpose. Friedrich in Holz und als Tabaklade. Friedrich auf Papier und als politisches Plakat. Friedrich als reitender Bote für Berliner Bier. Friedrich als Erinnerungsplakette an den „Tag von Potsdam“, flankiert von Bismarck und Hitler. Friedrich im Heimatfilm und Friedrich als Teddybär. Friedrich als Kinderspielzeug und als Karikatur. Soviel Friedrich in so vielen Varianten und Ausformungen, Deutungen und Zurichtungen wie jetzt im Deutschen Historischen Museum war nie.

Filmzeitschrift zum Ufa-Spielfilm "Das Flötenkonzert in Sanssouci" (August Scherl GmbH/Film-Kurier GmbH, Berlin 1930). Berlin, DHM, Foto Angelika Anweiler-Sommer

Filmzeitschrift zum Ufa-Spielfilm "Das Flötenkonzert in Sanssouci" (August Scherl GmbH/Film-Kurier GmbH, Berlin 1930). Berlin, DHM, Foto Angelika Anweiler-Sommer

Und das will etwas heißen. Denn zum 300. Geburtstag vom „Alten Fritz“ werden Leben und Wirken des Preußenkönigs landauf, landab, in vielen Büchern, auf manchen Bühnen und in allen Medien auf seine Bedeutung für Deutschlands Geschichte untersucht und bewertet. Doch noch immer ist man sich nicht einig, warum sich Friedrich II. so sehr ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegraben hat und worin die eigentliche Leistung des widersprüchlichen Mannes mit den vielen Facetten bestehen könnte: Mal gilt er als Militarist und Hasardeur, mal als erster Diener des Staates und Anhänger von politischer Vernunft und philosophischer Aufklärung. Manche sehen ihn als musikalischen Intellektuellen, andere als knorrigen Misanthropen und verklemmten Schwulen. Weil sich die Historiker und Psychologen nicht auf ein eindeutiges Bild einigen können, will man im schicken Pei-Bau des Berliner Museums nicht die ausgetretenen Ausstellungs-Pfade gehen und zum x-ten Male Leben und Werk Friedrichs bebildern. Vielmehr geht es diesmal unter dem Titel „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ um das Nachleben und Nachwirken des ebenso schwierigen wie heiß geliebten Preußenkönigs.

Teddybär "Friedrich der Große" (Sonderedition für Sammler, Nr. 112 von 1000, Margarete Steiff GmbH, 2011). Berlin, DHM, Foto Sebastian Ahlers

Teddybär "Friedrich der Große" (Sonderedition für Sammler, Nr. 112 von 1000, Margarete Steiff GmbH, 2011). Berlin, DHM, Foto Sebastian Ahlers

Es ist ein manchmal bizarrer und kurioser Ausflug in die deutsche Erinnerungskultur, die vor heldenhafter Mythologisierung genauso wenig zurück schreckt wie vor kitschiger Banalisierung. Auf einer Fläche von 1100 Quadratmetern veranschaulichen rund 450 Exponate die wechselvolle Rezeptionsgeschichte. Verehrung, Verklärung und Verdammnis beginnen bereits mit dem Tod. Die Ausstellung startet folgerrichtig als Totenmesse in einer Gruft. Kerzen flackern, wir sehen voller Ehrfurcht auf die knochig-karge Totenmaske und das einfache Sterbehemd Friedrichs. Danach wird es bunt und laut. Vom riesigen Öl-Schinken mit Friedrich in Uniform bis zu der von Andy Warhol mit flinkem Pinsel gemalten Pop-Ikone, von der Replik eines von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Friedrich-Standbildes bis zum Ufa-Spielfilm „Das Flötenkonzert von Sanssouci“, vom Foto sanften Plüschtier bis zum veralberten Konterfei gibt es Friedrich in allen Farben und Formen, in allen politischen Vereinnahmungen und alltäglichen Verhunzungen.

Die Zahl der Ausstellungstücke und medialen Möglichkeiten ist beeindruckend, aber auch schier erdrückend. Außerdem hat die opulente Schau vieles, nur eines nicht: eine These. Statt einer eindeutigen Meinung versteckt sie sich hinter enzyklopädischer Vielfalt. Aber vielleicht ist es genau das, was den Mann, der im Museum mal als Wachsfigur und mal als Holzspielzeug, mal als Parteigänger der nationalistischen Rechten und mal als Argumentationshilfe der Linken herhalten muss, bis heute so spannend macht: dass wir ihn nicht wirklich verstehen und fassen können.

Berlin, Deutsches Historisches Museum, bis 29. Juli 2012, tägl. 10-18 Uhr, Katalog 24 Euro.




Meilensteine der Popmusik (10): Pink Floyd

„Underground“ war  d e r  Nährboden für die Popmusik der „swingin´ sixties“. Etliche Interpreten und Gruppen wurden dort erst einmal Kult, bevor sie dann in den Hitparaden auftauchten. Für Plattenmillionäre gab es natürlich keinen Platz mehr im Underground. Dafür tauchten sie jetzt vermehrt im Kulturteil seriöser Wochenmagazine auf.

Pink Floyd on YouTube

Diese berichteten auch von dem Millionenaufwand und der coolen Strategie, mit der im März 1973 die dunkle Seite des Mondes beleuchtet wird. Als „Dark side of the moon“ der ehemaligen Undergroundband Pink Floyd erscheint, wird gleichzeitig auch schon der Riesenaufwand für das ganze Projekt bilanziert. Allein das bestechende und doch schlichte Cover ist von der Gruppe aus acht verschiedenen Vorschlägen ausgesucht worden. Ein lichtbrechendes Prisma gewann, und es sollte in naturalistischer Form auch auf der Innenseite abgebildet werden. Zu diesem Zweck flogen ein Designer und ein Fotograf extra in das nächtliche Ägypten, um eine Pyramide bei Mondschein einzufangen. Derweil hockte die Gruppe bei den Aufnahme-Sessions in den damals schon legendären Abbey-Road-Studios. An den Reglern saß übrigens ein Ton-Ingenieur namens Alan Parsons, der nebenbei sicherlich schon ein eigenes Projekt im Kopf hatte.

Die Mitglieder von Pink Floyd zeigten sich noch als Gruppe. Sie schrieben und musizierten zusammen, der schwelende Konflikt zwischen den Köpfen David Gilmour und Roger Waters wurde noch nicht öffentlich ausgetragen. Der eine Name stand für Musik, der andere mehr für Show. Beides hatte zur immerwährenden, kollektiven Bewusstseinserweiterung bei Fans auf der ganzen Welt geführt. Hardcore-Fans der ersten Stunde erinnerten sich noch an die Namensgeber: Die beiden Blues-Männer Pink Anderson und Floyd Council aus Georgia. Blues war auch die Masche von Pink Floyd Mitte der 60er. Sie schrubbten ihn im Londoner Ufo-Club, ziemlich laut und leider auch ziemlich schlecht. Zugleich aber auch so schlecht und abgedreht, dass sie zu kleinen Helden der damaligen Subkultur wurden. Der eigentliche Kopf der Band, Syd Barrett, drehte wenig später ganz ab. Nach ersten kleinen Singleerfolgen in den Pop-Charts verschwand er erst einmal in der Psychiatrie. Der Rest machte weiter, setzte auf das große „Joint-Adventure“, und nahm die Hippies mit auf die Reise. Die Live-Happenings von Pink Floyd wurden zu technischen Großereignissen, zu ganz neuen Hör- und Seherlebnissen.

Der Bassist Roger Waters begann zwischenzeitlich das Schicksal des einstigen Mitspielers Syd Barrett aufzuarbeiten. Bei dem Vergleich der „dunklen Seite des Mondes“ mit der dunklen Seite des Menschen, beschäftigte er sich auch mit der Frage, was einen sensiblen Menschen so alles in den Wahnsinn treiben kann.

In der weltweiten Fan-Kommune von Pink Floyd fehlte indes eine Gruppe, die mit langhaarigen, bärtigen und Pfeifchen rauchenden Hippies der Sixties nichts mehr am Hut hatte: Es fehlten die neuen Teenies der 70er. Auch diese sollten von „Dark side of the moon“ eingefangen werden. Das versuchte man mit altbekannten, psychedelischen und antikapitalistischen Botschaften zu ganz neuen, populären und damit eingängigen Synthesizerklängen. Mutig griff man den Emporkömmling und neuen Superstar Elton John an, der sein „Money“ gerade in einen Fußballclub investiert hatte. Pink Floyd gab dem Kollegen eine eigene Lebensweisheit mit auf den Weg: „Geld ist nur ein Furz.“ Andererseits wollten sie den Kindern in dem Song „Time“ etwas von Vergänglichkeit erzählen: „Jugend verschwendet Zeit, sie wartet auf einen, der die Richtung vorgibt. Das Leben liegt vor dir, doch eines Tages stellst du fest, dass zehn Jahre vergangen sind, und du den Startschuss verpasst hast.“ Die Teenies streckten dazu die Wunderkerzen in die Höhe, und bemerkten nicht, dass sie am Ende des Songs ebenfalls älter geworden waren. Denn die „Zeit“ verging und machte „Dark side of the moon“ zum Rockdenkmal. Weit über 50 Millionen Menschen auf der ganzen Welt wollten die Platte bis heute kaufen. Und es werden täglich mehr. In den US-LP-Charts war sie 773 Wochen am Stück vertreten. Das sind weit über 14 Jahre – Weltrekord!